§§ 197-199. Deutsches Volksleben. 153 Städte eine entscheidende Stellung im deutschen Reiche eingenommen. Aber die Änderung der Handelswege, das Emporkommen der Seemächte Spanien und Portugal, Holland und England gab ihnen einen schweren Stoß, und der große Krieg vollendete, was so begonnen war. Die kleinen Städte wurden verwüstet wie die Dörfer, die großen durch Brandschatzungen und Belagerungen surchtbar heimgesucht. Der schnelle Fall, dazu das Bewußtsein, gegen die Übermacht der Fürsten hilflos zu sein, brach — und das war das schlimmste — das Unabhängig- keitsgesühl und die Unternehmungslust der Städte ganz. Viele ver- loren ihre Freiheit an die Landesherren, fast allen war der Mut zu handeln, das Gefühl der eigenen Kraft abhanden gekommen. § 198. Bildung und Wissenschaft. 1. Die Reformation hat die Schulen in Stadt und Land geschaffen. Knaben und Mädchen zu unterrichten, daß sie die heilige Schrift lesen und verstehen lernten, machte Luther jeder Gemeinde zur Pflicht. Sein Freund Melanchthon schuf in den Lateinschulen die Vorläufer unserer höheren Unterrichts¬ anstalten. Die Katholiken wollten nicht zurückbleiben, auch sie grün- beten Schulen, namentlich waren die Jesuiten mit Erfolg thätig. So hob sich die allgemeine Bildung. Freilich schützte sie nicht vor schlimmem Aberglauben. Die Hexenprozesse und die zahllosen Opfer, die sie der Folter und dem Feuertode preisgegeben haben, be- weisen es. 2. Die Wissenschaften gelangten zu großer Blüte. Von Deutschen machten sich namentlich Copernicus (f 1543) und Keppler (um 1600) um die Auffassung des Weltalls und seiner Gesetze verdient. Die Geschichtswissenschaft und das Studium der Griechen und Römer fanden überall eifrige Vertreter, am eifrigsten aber ward in protestantischen Landen bie Bibelforschung getrieben, selbst Fürsten nahmen bar an ernstlich teil. § 199. Litteratnr und Kunst. 1. Große Dichter, wie Englanb in seinem Dramatiker Shakespeare (f 1616), Spanien (17. Jahrh.) im Cervantes (Don Quixote) unb in ben Dramatikern Lope be Vega unb Calberon, Italien (16. Jahrh.) in bem epischen Dichter Tor¬ quato Tasso („befreites Jerusalem"), hat Deutschlanb in biesem Zeitraum nicht hervorgebracht. Nur bas Kirchen lieb, welches Luther geschaffen unb der freilich schon dem nächsten Zeitraum mehr angehörende Paul Gerhardt zur Vollenbuug geführt hat, zeugt neben ben satirischen Dichtungen (Sebastian Brand, Johannes Fischart) von bem bichterischen Vermögen ber Deutschen. — In ber Prosa ist ber Meister, neben bem alle anbeten gering erscheinen.