Die Irrfahrten des Odysseus. 187 Am andern Tage ließ der König ein Schiff für Odysseus fegelfertig machen und lud die Edlen der Insel zum Schmause und zu Kampfspielen ein. Von einem Sohne des Alkinöos zum Wettkampfe aufgefordert, siegte Odysseus über alle im Wurfe und erhielt dann reiche Gastgeschenke. Zum Danke dafür erzählte er dann beim Abendschmause, bei dem der Sänger die Thaten des unerkannt gegenwär- tigen Helden Odysseus vor Troja besungen hatte, seinen edlen Wirthen, denen er sich jetzt zu erkennen gab, alle seine Irrfahrten, Alkinoos bat darauf den göttergleichen Dulder, noch einen Tag länger zu verweilen, damit er noch mehr Gastgeschenke in Empfang nehmen und sein Abenteuer fertig erzählen könne. Penelöpe. Unterdessen wurde Odysseus Gemahlin Penelöpe, da die Abwesenheit ihres Gemahles so lange währte, von den edelsten Jünglingen des Landes und der benachbarten Inseln umworben. Ueber 100 war die Zahl der Freier der als Wittwe betrachteten edlen Frau, und sie alle schmausten seit länger als 3 Jahren täglich in dem königlichen Hause und verprassten das Gut des abwesenden Helden. Die sinnige Penelope harrte aber immer noch mit Treue und Sehnsucht ihres Gemahles, und kein Anderer vermochte es, ihr Herz zu gewinnen. Da sich die übermächtigen Freier nicht hatten zurückweisen lassen, hatte sie dieselben gebeten, doch keine Entscheidung vou ihr zu verlangen, bis sie dem edlen Laertes, dem Vater des Odysseus ein Leichengewand gewebt habe, damit der Greis nicht ungeehrt einst be¬ graben werde. Und nun saß sie allnächtlich bei der Lampe und trennte das bei Tage Gewebte wieder auf, damit die Arbeit nie zu Ende komme und sie dem Gemahle, den sie noch immer bei den Lebenden hoffte, nicht treulos werden müsse. Dies trieb sie so lange, bis geschwätzige Mägde den Freiern ihr Treiben verriethen, welche sie dann zur Vollendung des Gewebes zwangen. Ihr Sohn Telemächos war unterdessen herangewachsen, und suchte die lästigen Freier zu bewegen, von ihrer Bewerbung im Hause seines Vaters abzulassen; sie aber verlachten ihn, obgleich der greise Mentor, dem Odysseus scheidend sein Haus anvertraut hatte, ihm beistand. Jetzt ermunterte Pallas-Athene, in der Verkleidung eines GastsreundeS den Tele- mach nach Pylos und Sparta auf Kunde nach dem Vater zu gehen; sie selbst begleitete ihn in Gestalt Mentors*). Telemach kam erst zu Nestor, der ihm, was er von der Griechen Abfahrt von Troja wusste, mittheilte und ihn dann mit seinem Sohne nach Sparta zu M e- nelaos schickte, welcher zuletzt von Troja heimgekommen sei und vielleicht etwas über Odysseus gehört habe auf seinen eigenen Irrfahrten. Als Telemach zu Mene¬ laos kam, feierte dieser gerade das Verlobunqsfeft feiner Tochter Hermiöne mit dem Neoptölemos, welchem er die Tochter nach Thessalien zuschicken wollte. Menelaos und seine Gemahlin Helena nahmen den Telemach freundlich auf, und Menelaos tf)eilte ihm mit, wie er einst auf der Insel Phäros von dem Meergreise Proteus erfahren habe, Odysseus werde auf der Insel Ogyg:"a von der Nymphe Kalypsö zurückgehalten, werde aber sicher einst zurückkehren. Odysseus und Euma'os. Odysseus wurde von den Phäaken, nachdem er die Erzählung seiner Irrfahrten beendet hatte, zu dem für ihn bereitliegenden Schiffe ge¬ leitet, wo er sich auf dem Verdecke zum Schlummer lagerte. Schnell durcheilte das Schiff die Wogen, und die auf Jthaka Landenden legten den noch Schlum- *) Nach dem klugen und vorsichtigen Mentor wird noch heute der Erzieher eines jungen Manms dessen Mentor genannt.