§. 6, 2. Das assyrische Reich. 31 Die Stadt Babylon (d. H. Thor des Baal) war an beiden Ufern des Euphrat im Viereck erbaut und harte einen Umfang von 60—90 km. Ihre Umfassungsmauer war 33 m hoch und 13 m breit, sie hatte 100 eherne Thore und war mit 250 Türmen versehen. Eins der Hauptgebäude der Stadt war die prächtige Königsburg; der großartigste Bau aber war der Tempel des Baal, der sogenannte „babylonische Turm". Er er¬ reichte eine Höhe von 180 m und bestand aus acht Stockwerken, von welchen das folgende immer kleiner war als das vorhergehende. Die einzelnen Stockwerke waren verschiedenen Sternengottheiten geweiht. An der Außen¬ seite des Baues führten breite Treppen bis zu dem obersten Stockwerk, das zu einer Sternwarte eingerichtet war und der Verehrung des Gottes Baal diente. Der Bau war aus Ziegelsteinen errichtet und liegt jetzt bis auf zwei Stockwerke in Trümmern wie die Stadt. Im Volksmunde heißt die Ruine „Turm des Nimrod". 2. Das assyrische Reich 1500—606 v. l5hr. Die Assyrer waren ein den Babyloniern stammverwandtes, semitisches Volk und hatten sich von Babylonien aus in dem östlich von dem Mittelläufe des Tigris liegenden Hügellande angesiedelt. Über die Entstehung des assyrischen Reiches sagt die Bibel: „Von dem Lande Sinear ist gekommen der Assur und erbaute Ninive." Daß Ninus und Semlramis die Gründer des assyrischen Reiches gewesen sein sollen, ist eine spät entstandene Sage, welche griechische Geschichtschreiber orientalischen Dichtungen nacherzählt haben. Ninus soll der Sage nach das assyrische Reich im Westen bis zum mittel¬ ländischen Meer, im Osten bis zum Indus ausgedehnt haben. Auf einem Kriegszug nach Baktra soll er durch die Kühnheit der Semiramis, der Gemahlin seines Statthalters Onnes, in den Besitz der Stadt Baktra ge¬ langt sein. Am linken Ufer des Tigris soll er Ninive als Hauptstadt seines Reiches erbaut haben. Ninive war ähnlich wie Babylon in der Form eines Vierecks errichtet und soll einen Umfang von 90 km. gehabt haben. Die Mauer, welche die Stadt einschloß, wäre 30 m hoch, 15 m dick und durch 1500 Türme verstärkt gewesen, welche eine Höhe von 60 m erreicht hätten. Sie soll außer der Stadt noch so viel Land eingeschlossen haben, daß die Einwohner bei einer Belagerung vor Hungersnot bewahrt blieben. Trotz ihrer Größe und Stärke fand die Stadt schon 606 v. Chr. ihren Untergang*). Semiramis war nach der Sage die Tochter der Göttin Decket». Als Kind ausgesetzt, wurde sie von Tauben ihrer Mutter ernährt, bis sie ein Hirte fand und auferzog. Später vermählte sie sich mit dem Statt¬ halter Onnes von Syrien und zeichnete sich sowohl durch Schönheit wie durch Klugheit und Kühnheit aus. In Männerkleidern begleitete sie den *) Erst 1844 hat der französische Konsul bei Mossul am Tigris ihre Überreste entdeckt und eiue große Zahl von Inschriften, Alabasterplatten mit Bildwerk, Waffen, Gesäße re. aufgefunden.