Die schleswig-holsteinsche Frage und ihre Lösung durch den Krieg von 1864. 205 Um dies Ziel zu erreichen, sah Bismarck von der Erbfrage, von einem Eintreten für die Rechte des Augustenburgers, völlig ab; er forderte von Dänemark nichts als die Zurücknahme der Verfassung von 1863 und stellte sich mit dieser streng konservativen Politik lediglich auf die Grundlage der von Dänemark verletzten europäischen Abmachungen des Londoner Protokolls. Seine weiteren Absichten gingen allerdings auf die Lostrennung der Herzog- tümer von Dänemark; aber davon ließ er zunächst nichts verlauten, nach seiner Berechnung würde es Dänemark durch Aufrechterhaltuug der Verfassung von 1863 zum Kriege kommen lassen und damit der preußischen Politik die Be- rechtigung erteilen, nach errungenem Siege über die urspünglichen Forderungen hinauszugehen. „Es ist eine der größten staatsmännischen Leistungen Bismarcks, diesen Zusammenhang unter dem Gewirr der verschiedenartigsten möglichen Vorstellungen und trotz des Druckes der nationalen Leidenschaften sofort erkannt zu haben." (Lamprecht.) d. Zugleich bot diese Auffassung die Möglichkeit, Österreich den Zielen der preußischen Politik dienstbar zu machen, was im Hinblick auf die europäische Lage wünschenswert und bezüglich der Entwicklung der nationalen Frage unbedingt notwendig war. Dadurch, daß Preußen in der schleswigschen Angelegenheit eine durchaus konservative Politik verfolgte, kam es dem konservativen Interesse Österreichs entgegen; es war ein Punkt gefunden, in welchem sich die beiden feindlichen Großmächte zusammenfinden konnten. Der konservativen Richtung der von Rechberg vertretenen österreichischen Politik war Preußens Stellungnahme zur schleswig-holsteinschen Frage sehr erwünscht; nachdem soeben die großdeutschen Pläne der liberalen Politik Schmerlings gescheitert waren, wollte Rechberg noch einmal den Versuch unter- nehmen, die deutsche Frage durch eine Übereinkunft mit Preußen im Sinne eines friedlichen Dualismus zum Abschluß zu bringen. Die Verstimmung des Wiener Kabinetts über die Widerwilligkeit der Klein- und Mittelstaaten be- günstigte die österreichisch-preußische Annäherung; es gelang Bismarck voll- ständig, Österreich auf das gründlichste mit seinem deutschen Anhang und mit dem ganzen Bunde zu verfeinden. Am 2^. November *863 einigten sich Greußen und Österreich auf das gemeinsame Programm, nur die Erfüllung der Bestimmungen des Londoner Protokolls zu fordern; meisterhaft verstand es Bismarck, den neuen Freund gegen dessen eigenstes Interesse an seiner Seite festzuhalten und immer tiefer in den Konflikt mit den übrigen Bundesstaaten hineinzustoßen. Nach heftigen Kämpfen setzten die beiden Großmächte (7. Dezember) den Beschluß der Bundesexekution gegen den König von Dänemark als Herzog von Holstein durch (sächsische und hannoversche Truppen rückten in Holstein ein). Als aber die Lxekutionskommission in Holstein die Erbfolge des Augustenburgers be- günstigte , sagten sich die Großmächte völlig von der Bundespolitik los; sie beantragten (am 28. Dezember) die pfandweise Besetzung Schleswigs, wodurch Dänemark zur (Er- füllung des Londoner Protokolls angehalten werden sollte. Der Bund erblickte darin das Aufgeben der Ansprüche des Augustenburgers und zögerte, darauf einzugehen. Nun entschlossen sich die Großmächte zu selbständigem vorgehen: Österreichs Bedenken beseitigte Bismarck durch die Drohung, allein vorzugehen. Die Frage nach dem späteren Schicksal der Herzogtümer, die Österreich im voraus geregelt wissen wollte, blieb auf Preußens Vorschlag offen, am ^6. Januar ;86h kam das Kriegsbündnis zwischen Österreich und Preußen zustande, und nach der Ablehnung des Ultimatums an Dänemark, das die Aufhebung der Verfassung von *863 forderte, begann der Krieg (^8. Januar).