Friedrich der Große. 143 zutrafen: ob Rußland sich von England und ob Frankreich sich von Preußen festhalten ließ." (Koser.) Nur in diesem Falle wäre Friedrichs Spekulation geglückt, die Kriegsgefahr wäre beseitigt worden; im entgegengesetzen Falle aber hatte Preußen einen mächtigen Verbündeten gegen einen zweifelhaften Freund eingetauscht und seine Lage nur um so bedrohlicher gestaltet. y. Obgleich die Franzosen anfänglich geneigt waren, Friedrichs Hand¬ lungsweise durchaus nicht als eine Absage an Frankreich aufzufassen, brachte es die meisterhafte Politik Kaunitzens dennoch dahin, daß Frankreich mit Österreich ein Verteidigungsbündnis abschloß, worin es sich zur Zahlung von Hilfs¬ geldern an Österreich verpflichtete und sich mit der Zurückeroberung Schlesiens einverstanden erklärte (Versailles, 1. Mai 1756). In Rußland vermochte der von England bestochene Kanzler Bestushew die Billigung der Westminsterkonvention nicht durchzusetzen, der Hof drängte Österreich zum Kriege gegen Preußen (Abschluß eines Offensivbündnisses der beiden Höfe gegen Preußen). d. Da Österreich aber den Beginn des Krieges noch bis in das Jahr 1757 hinausgeschoben wissen wollte, beantwortete es die preußischen Anfragen über den Zweck seiner und der russischen Rüstungen ausweichend (26. Juli). Als Friedrich daraufhin Maria Theresia geradezu mitteilen ließ, was er über die Angriffspläne erfahren hatte, und anfragte, ob er in diesem oder im nächsten Jahre angegriffen werden sollte, leugnete die Kaiserin die Existenz eines Offensiv¬ bündnisses rundweg ab (es war noch nicht unterzeichnet) und erteilte auf die Anfrage des Königs überhaupt keine Antwort (21. August). e. Da Friedrichs Verdacht durch diesen unbefriedigenden Bescheid ver¬ stärkt wurde, begann er am 28. August den Angriff auf Sachsen. „Nur mit äußerstem Widerstreben hat sich Friedrich von der Tatsache überzeugt, daß es seinen Gegnern auf Kampf, auf den Vernichtungskampf gegen Preußen ankam. Allzulang wiegte er sich in jener irrigen Vorstellung, daß er wie vor sieben Jahren durch nachdrückliche Haltung die erst Halb¬ entschlossenen von ihrem unfertigen Vorhaben noch im letzten Augenblick zurückbringen könne. Ja selbst der nunmehr erfolgte Auszug seiner Heeres¬ macht blieb, wie die gleichzeitig noch einmal eröffnete Verhandlung beweist, noch immer in dem Rahmen einer bewaffneten Demonstration zugunsten des Friedens . . . Nicht also die Gunst, sondern die Ungunst der allgemeinen Lage ließ den König von Preußen jetzt seinen Degen ziehen. Nicht Kampfes¬ freude, sondern die Furcht, durch längeres Zuwarten die Lage noch zu ver¬ schlechtern, die Gefahr zu vergrößern. Nicht die Rechnung auf Eroberungen, sondern die Hoffnung, wo nicht schon durch sein plötzliches Erscheinen auf dem Kampfplatze, so doch durch Gewinn eines strategischen Vorsprunges den Hauptgegner oder wenigstens dessen Verbündete zur Umkehr zu bestimmen, unter allen Umständen aber sich eine starke militärische Ausfallsstellung zu sichern, in der er der Übermacht trotzen mochte." (Koser.)*) Anmerkung. Im Gegensatz zu dieser Auffassung Kosers und anderer Forscher vertritt Max Lehmann und im Anschluß an ihn Luckwald und Delbrück die Anschauung, daß Friedrich den Krieg als einen Angriffskrieg zur Eroberung Sachsens und West¬ preußens vorbereitet habe, und daß somit zwei Offensiven aufeinandergestoßen seien. Lehmanns Hypothese stützt sich vor allem auf eine Stelle im politischen Testamente Friedrichs vom Jahre 1752, worin sich der König in Betrachtungen über die Macht- i) Genaueres über die Entstehung des Siebenjährigen Krieges bei Koser a.a.O. I. Bd.