170 Geschichte des Deutschen Reiches vom Interregnum bis zur Reformation. System der Aneignung von Pfründengehältern zur weiteren Vergebung an päpstliche Beamte und päpstliche Günstlinge, der Tantiemen bei Verleihung solcher Pfründen, der Union, Korporation und Kumulation von Pfründen zum Zweck ihrer Anhäufung namentlich in der Hand der Kurialen wurde aus- gebildet, und geschickte Definitionen verschleierten den Begriff der Simonie, der fast all diesen Geschäften zugrunde lag. Eine förmliche Wissenschaft der Beweise für die Notwendigkeit, daß die Kirche durch das Papsttum finanziell aufgesaugt werden müsse, entwickelte sich und ward im emsigen Fleiß einer skrupellosen Praxis weitergebildet; schon im 14. Jahrhundert galt in Rom alles als feil." (Lamprecht.) So sah sich der Klerus von der Kurie mit finanziellem Ruin bedroht. Der Geldfucht der Kurie fielen auch schon die Laien zum Opfer. „War der kirchliche Druck bedenklich, bedenklicher und schamloser war der Druck aus die Laien. Hier handelte es sich nicht mehr um die Störung des kirch- liehen Berufs, sondern um die Verhöhnung religiöser Bedürfnisse: wie sollte eine Praxis enden, die geistlichen Dispens und kirchliche Bevorzugung, ja nach volkstümlicher Anschauung selbst die Vergebung der Sünden um Geld verkaufte?" (Lamprecht.) ß. Die Zeit des französischen Einflusses auf die Kurie hatte deren# Macht scheinbar verstärkt, indem nun eine ganze Nation dem Papste zu Diensten war; in Wirklichkeit aber hatte gerade das Exil des Papsttums dessen Autorität bedeutend erschüttert, weil sich das Nationalgefühl anderer Völker empören mußte über den Mißbrauch der obersten geistlichen Gewalt zu Zwecken der französischen Politik (Deutschland zur Zeit Ludwigs des Bayern). y. Das ausschließliche Wahlrecht des Kardinalskollegiums, vom Papst- tu nie einst erstrebt, war diesem zum Verhängnis geworden. „Seitdem das Papsttum zur absoluten Gewalt geworden war, war die Wahl eines neuen Papstes der einzige Augenblick kirchlicher Regeneration. Damit stieg die Wichtigkeit des Wahlkörpers." Als nun im Kardinalskollegium Bestechlich¬ keit und Parteiung üblich wurden, erwuchs aus seinem ausschließlichen Wahl- rechte das Schisma. „Die geistliche Universalgewalt drohte nicht minder als das Kaisertum einer Oligarchie zum Opfer zu fallen." 6. Das Schisma steigert den Verfall des Papsttums ins unerträgliche, Bann und Interdikt wurden über ganze Länder verhängt. „Zugleich aber erstrebte jeder Papst die Einnahmen der einheitlichen Zeit. Damit artete die raffinierte Finanzkunst der vorschismatischen Periode in ein Raubsystem aus, und die Kirche ward zum Kaufhaus." (Lamprecht.) II. Charakter der Reformbewegung. „In früheren Epochen kirchlichen Verfalls hatten sich in der Mitte der Kirche selbst diejenigen Kräfte gesammelt, welche mit der Erkenntnis der drohenden Gefahren die Fähigkeit verbanden, neue Ideen zu entwickeln und im restaurativen Sinne zu verwerten: so die Mönchsorden von Cluny im 10., von Cisterz und Premontre im 12., des heiligen Dominik und Franz im 13. Jahrhundert. Der tiefe Verfall der Kirche im Beginn des 15. Jahrhunderts erhellt vor allem aus dem Umstände, daß sie selbst in ihrer damaligen Organisation nicht mehr imstande war, derartige Kräfte zu produzieren. Vielmehr sind es die Universitäten gewesen, welche die Not-