Helmold: Von den Sitten der Slawen. 3 sie, solange sie sich daselbst aufhalten, ihr Christentum nicht öffentlich kund- geben. Denn alle sind noch im Jrrwahne heidnischer Abgötterei befangen. Doch wird, was Sitte und Gastlichkeit anlangt, kein Volk zu finden sein, das sich ehrenwerter und dienstfertiger erwiese. Jene Stadt, welche reich ist durch die Waren aller Nationen des Nordens, besitzt alle möglichen Annehmlichkeiten und Seltenheiten. Dort zeigt sich Neptun in dreifacher Art; denn von drei Meeren wird jene Insel bespült, deren eines von ganz grünem Aussehen sein soll, das zweite aber von weißlichem; das dritte ist durch ununterbrochene Stürme beständig in wutvoll brausender Bewegung. Von Jumne aus rudert man in kurzer Fahrt nach der Stadt Demmin hinüber, die an der Mündung des Peeneflusses gelegen ist, wo auch die Runen (Rugianer) wohnen. Von da kommt man nach Samland, das die Pruzen (Preußen) innehaben. Die Reise ist derart, daß man von Hamburg oder vom Elbeflusse in sieben Tagen nach der Stadt Jumne gelangt, und zwar zu Lande; denn will man zu Wasser reisen, so muß man zu Sliaswig (Schleswig) oder Oldenburg zu Schiff gehen, um nach Jumne zu kommen. Von Jumne aus fortsegelnd, landet man in vierzehn Tagen in Ostrogard in Ruzzien (Rußland), dessen Hauptstadt Chive (Kiew) ist, eine Neben-- buhlerin Konstantinopels, einer der herrlichsten Zierden Griechenlands. Die Oder, von der schon vorhin die Rede war, entspringt in dem sehr tiefen Maraherwalde (Mährischen Walde), wo auch unsere Elbe ihren Ursprung hat; sie entspringen auch nicht fern voneinander, aber sie schlagen verschiedene Richtungen ein. Die Oder nämlich wendet sich nach Norden und fließt mitten durch die Stämme der Winuler (Wenden) hindurch, bis sie nach Jumne gelangt, wo sie die Pomeranen von den Witzen scheidet. Die Elbe aber, welche nach Westen strömt, benetzt im ersten Anlaufe die Ufer des Landes der Böhmen und Soraben (Sorben), trennt in ihrem mittleren Laufe die Heiden von den Sachsen und betritt, indem sie durch das Ende ihres Laufes den Hamburger Kirchensprengel von der Bremer Diözese scheidet, zuletzt als Siegerin den britannischen Ozean. 2. Von den Sitten der Slawen. Helmold,! Chronik der Slawen. Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit. 2. Gesamtausgabe. Leipzig, Dyk. 56. Bd. S. 121. Außer den heiligen Hainen und Hausgöttern, an denen Land und Städte der Slawen Überfluß hatten, gab es noch eine Menge von Göttern, 1 Helmold war im 12. Jahrhundert Pfarrer zu Bosow am Plöner See und ein Freund der Slawenmissionare Vicelin (gest. 1154) und Gerold (gest. 1163). Sein den Domherren zu Lübeck gewidmetes Buch behandelt die Kämpfe mit den Slawen und die Versuche, sie zu bekehren, von der Zeit Karls d. Gr. bis 1170. Es wurde von Arnold von Lübeck fortgesetzt. 1*