Borgeschichte des Reiches. 35 von äußeren Feinden bedroht. Hierzu kam nun noch große Not, verursacht durch die Einfälle der räuberischen Grenznachbarn. Bon Norden kamen die Normannen, d. i. Nordgermanen (§ 2, c). Auf ihren flinken Schiffen fuhren sie die Flüsse hinauf, raubten und plünderten an den Ufern und verwüsteten die Städte, z. B. Hamburg, Köln, Trier u. a. m. (Ihre Plünderungsfahrten nahmen erst ein Ende, als das deutsche Reich erstarkte, und nachdem die Normannen mehrere Reiche gegründet hatten, so gegen Ende des 9. Jahrhunderts in Island, zur selben Zeit durch Rurik im heutigen Rußland. Zu Anfang des 10. Jahrhunderts besetzten sie die nördliche Halbinsel von Frankreich und gründen das Herzogtum der Normandie. Von hier aus setzte der tapfere Herzog Wilhelm über den Kanal und unterwarf sich durch den ent* scheidenden Sieg bei Hastings 1066 das angelsächsische Reich. Bald danach ließen sie sich auch in Unteritalien nieder und gründeten hier das Königreich Neapel und Sizilien.) Im Osten verloren die Deutschen nicht nur die den Wenden ent- riffenen Gebiete, sondern sie wurden jetzt oft von diesen heimgesucht und zeitweilig bis über die Elbe zurückgedrängt. Erst unter dem kräftigen deutschen König Heinrich I. wurden die Wenden bestraft und unterworfen <§ 11, e, 1). — Ein noch gefährlicherer Feind drang von Südosten in Deutschland ein, einige Male sogar bis Bremen und an den Rhein, alles vor sich her verwüstend, die Ungarn. Diese waren ein Nomadenvolk von finnischer Abkunft. Vordem hatten sie ihren Wohnsitz am Uralgebirge. Von hier verdrängt, fetzten sie sich in dem heutigen Ungarn fest, doch oft die westlichen und südlichen Länder Europas durch ihre Raubzüge in Schrecken setzend. Sie waren ein ebenso gewandtes Reitervolk wie die Hunnen, oftmals werden sie geradezu Hunnen genannt. Im Angriff waren sie kühn und listig; in großen Schwärmen drangen sie plötzlich gegen den Feind vor, überschütteten ihn mit Pfeilen und wandten sich schnell zur Flucht, um gleich darauf aus einem Hinterhalte hervorzubrechen. „Grausam waren sie im Kampfe, schonungslos im Benutzen des Sieges. Sie kannten kein Erbarmen; iver sich ihnen entgegenstellte, wurde erschlagen. Es soll unter ihnen der Glaube geherrscht haben, daß die, welche auf Erden ihrem Schwerte erlegen feien, ihnen einst nach dem Tode als Knechte dienen müßten; deshalb vernichteten sie er- barmungslos ihre Gegner, und wohin sie ihre Rosse lenkten, machten sie den Boden zur traurigsten Einöde." 1). Konrad I. von Franken (911—918). Als das Geschlecht der 911 Karolinger erloschen war, wählte man den tapferen Franken Konrad I. 9bfg zum Könige. Hinfort blieb Deutschland ein Wahlreich, d. h. nach dem Tode des Königs traten die Freien, später nur die Großen — welt¬ liche und geistliche Fürsten — zusammen und wählten ein neues Reichs- oberhaupt. Meistens kürte, d. i. wählte, man den ältesten Sohn des verstorbenen Herrschers. Konrad, beeinflußt durch die Geistlichkeit, geriet bald mit den Großen seines Reiches in unheilvollen Streit, der nicht allein die stolze Manneskraft des Königs nutzlos aufrieb, sondern auch die Deutschen zu Bürgerkriegen antrieb und sie so unfähig machte, der äußeren Feinde Herr zu werden. Als der mächtige und weise Sachsenherzog Otto starb, weigerte sich König Konrad, dessen umsichtigem Sohne, Herzog Heinrich, 3*