— 196 — desto besser fortkäme, gab der Soldat ihm seine Muskete, die er tragen mußte. Er sah in Wahrheit einem Soldaten nicht gar unähnlich; denn unter dem An¬ gesichte war er ganz schwarz von dem Schießen geworden, und wie er den Ofen, die Fenster und Türen eingeschlagen, hatte er sich so garstig zugerichtet, hatte keinen Kragen um und ein braun ledern Wams und graue tuchene Hosen an und alte Stiefel. So ging er neben der Mutter und hat mich oftmals, wenn es an ein Gedränge kam, in den Gassen durchgerissen wie ein Soldat und zur Mutter gesagt: „Frau, gehet fort!" wie man sonst zu jemand Fremden sagen möchte. Als wir nun durch ein paar Gassen gegangen waren, sahen wir ver¬ schiedene Tote aneinander liegen, mußten oft in großem Gedränge über die toten Körper hinwegschreiten. Unter andern sahen wir auch einen Bauer oben aus dem Giebel herunterwerfen, welcher mit heißem Wasser verbrannt war und ge¬ waltig rauchte. Ferner lag eine Magd auf der Gasse, welche Fleisch in einem Handkorbe getragen und also erschossen war, und ein Hund stand dabei, der das Fleisch fraß. Der Soldat aber ging in ein Haus und wir ihm nach. Daselbst sagte er, er müsse uns Kindern etwas zu essen und zu trinken holen, denn es sei sehr weit in das Lager, wir könnten sonst nicht ausdaueru; stieg in die Esse und langte Würste und Speckseiten herab, ergriff einen bunten türkischen Teppich, band die Speckseiten und Würste darein und trug sie also hinaus. Unterdessen aßen wir Kinder von dem Brote, so wir mitgenommen. Es waren aber etliche zwanzig kleine Kinder in dem Hanse, die liefen zu unserer Mutter, wollten auch Brot haben, und die Mutter teilte ihnen fast das halbe Brot aus. Der Soldat aber lief in den Keller und brachte in einem Eimer Bier herauf; da tranken wir und wurden erquickt; danach gingen wir ein wenig weiter hinaus. Unterwegs begegnete ein Soldat der Mutter und riß ihr die Schaube von dem Leibe; ein andrer wollte die Kinderfrau, so die kleine Schwester Anna Magdalena trug, anpacken, aber unser Soldat nahm sich ihrer an; da ließ er sie wieder gehen. Wir sahen sehr viele Tote auf den Gassen, was ein schrecklicher Anblick war. Endlich hals uns der liebe Gott durch die Pforte, da die Kroaten herein¬ geritten kamen und immer neben uns niederhieben, auf den Wall; von dannen kamen wir rechtsum und mußten den Wall hinunterrutschen. _ So gelangten wir endlich ins Lager zu des Soldaten Hütte, der eine Frau hatte, die eine Nürnbergerin war. Diese empfing uns nicht gar zu freundlich und sagte zu ihrem Manne: „Was den Teufel bringst du? Du bringst die Hütte voll Kinder; ich dachte, du brächtest Beute!" Der Mann stillte sie mit den Worten, er hätte die Bübel müssen herausführen, Gott würde ihm Beute bescheren, und legte dann seinen Teppich mit den Speckseiten in die Hütte. Dar¬ aus setzten wir uns und waren froh, daß wir ein wenig Schutz und Sicherheit haben konnten. Die Soldatenfrau gab sich endlich auch zufrieden. Sie kochte für die Offiziere des Regiments und hatte viel zu schaffen mit dem Essen, da half ihr die Mutter anrichten, kochen und braten und ging ihr zur Hand wie eine Magd. Diese Nacht, ungefähr um elf Uhr, stand die ganze Stadt Magdeburg im Feuer, und der Vater führte uns aus der Hütte, damit wir die Zeit unseres Lebens davon sagen könnten. Es war im Lager, das doch so weit von der Stadt gelegen, alles von der großen Feuersglut so hell, daß man einen Brief dabei lesen konnte. Des andern Tags, den 21. Mai, ging der Soldat mit seiner Frau in die Stadt und holten Beute. Die Mutter mußte indessen das Kind des Soldaten warten und das Essen besorgen, was sie auch willig und gern tat. Wir machten die Hütte zu, und der Vater saß stets darinnen, damit man ihn nicht kennen mochte. Er konnte aber durch das Glas der Hütte sehen, wie viele gute Freunde, Bekannte, Bürger, auch Weibspersonen gefangen durch das Lager an