Die Karolinger. — Karl der Große. 67 war weit verbreitet. An seinem gastfreien Hofe sah man neben dem ge- lehrten Mönche aus Italien den Saracenenhänptling aus Spanien, vor- nehme Sachsen in langem Linnengewande, den longobardischen Grafen in kurzem Purpurmantel, den er mit Pfauenfedern besetzt hatte, Avaren mit geflochtenem Haarzopf, dazwischen Gesandte des Kaisers von Byzanz, braune Mauren und schlanke Perser. Mit dem berühmten Kalifen Harun al Raschid von Bagdad am Tigris wechselte er Geschenke aus. Wohl war Karl ein Freund der Wissenschaft, aber erst als vierzigjähriger Mann konnte er seine Ausbildung beginnen. Der deutschen und latei- nischen Sprache war er mächtig, konnte ein griechisches Buch lesen und besaß eine natürliche Beredsamkeit. Im übrigen blieb er trotz alles Fleißes in den elementaren Fähig- feiten des Rechnens und Schrei- bens ein Anfänger, namentlich letzteres machte ihm fast uuüber- windliche Schwierigkeiten. In seinen letzten Lebensjahren verlor der Kaiser seine beiden ältesten Söhne, Pippin und Karl, durch den Tod. Als er sein Ende nahen fühlte, berief er die Großen seines Reiches nach Aachen, wo er in der von ihm erbauten Marienkirche vor versammeltem Volke seinem Sohne Ludwig die Pflichten eines Königs ans Herz legte. Nachdem dieser gelobt hatte, mit Gottes Hilfe den Fig. 8. Kleines Bronzestandbild Karls d. Gr. väterlichen Worten nachzuleben, (in Paris). mußte er sich selbst die Krone aussetzen. Bald darauf starb der große Kaiser. Uber seiner Gruft in der Marienkirche zu Aachen errichtete man einen vergoldeten Bogen mit der Inschrift: „Unter diesem Grabmal liegt der Leib Karls des großen und rechtgläubigen Kaisers, der das Reich der Franken herrlich vergrößert und 47 Jahre hindurch glücklich regiert hat. Er starb, ein siebzigjähriger Greis, im Jahre des Herrn 814 am 28. Januar." Jetzt trägt die Grabstelle eine einfache Metallplatte mit der Inschrift: „Carßlus Magnus." Fig. 8 ist eine Nachbildung der 1871 nach dem Aufstande der Pariser Kommune unter den Trümmern des eingeäscherten Stadthauses gefundenen, kaum 1li m hohen Statue, des einzigen glaubhaften Bildes Karls des Großen. 5*