Die Heldensagen der Griechen. 31 6. Odysseus auf der Königsburg. Odysseus trat in den Speisesaal, Db|t^ea"„_m wo die Freier beim Mahle saßen, und bettelte. Er wurde verhöhnt und verspottet, doch er ertrug es ruhig. Die jungen Leute drängten den zurück- gekehrten Telemach, er möge seine Mutter bereden, nun endlich einen aus ihrer Mitte zu wählen; es sei doch keine Hoffnung mehr, daß ihr Gatte nach so vielen Jahren noch einmal zurückkehren würde. Daraufhin trat Penelope in den Saal. Sie trug Bogen und Köcher des Odysseus und sprach: „Ich nehme den von euch zum Manne, der diesen Bogen spannen und den Pfeil durch die Öhre von zwölf hintereinander aufgepflanzten Äxten schießen kann." Doch es war keiner, der dies vermochte. Da bat der verkleidete Bettler sich den Bogen aus. Die Werber gerieten über diese Dreistigkeit in großen Zorn, doch Telemach willfahrte der Bitte. Mit Leichtigkeit spannte der Alte den Bogen und schnellte den Pfeil durch die zwölf Äxte. Darauf rief er mit mächtiger Stimme: „Ihr meintet, ich käme nimmer von Troja zurück; darum vertilgt ihr mein Gut, verführt meine Diener und werbt bei meinen Lebzeiten um meine Gemahlin. Meinem Sohne habt ihr nach dem Leben getrachtet. Jetzt ist eure Todesstunde gekommen!" Dann schoß er nacheinander sämtliche Freier mit Pfeilen nieder. Die Diener und Dienerinnen, die nicht treu gewesen waren, wurden ebenfalls getötet. 7. Odysseus und Penelope. Nach diesem blutigen Strafgericht TäuchnleW«™ man den Saal aus. Odysseus wurde gebadet und gesalbt und erhielt Leibrock und Mantel. Dann gab Athene ihm seine wirkliche Gestalt zurück. Seine treue Gemahlin war sprachlos vor Freude und Staunen, als sie ihn erblickte. Einen Augenblick zweifelte sie, ob er wirklich ihr Gemahl sei; denn 20 Jahre verändern den Menschen. Um sicher zu werden, stellte sie ihn auf die Probe. Sie sagte zu der Schaffnerin: „Bereite deinem Herrn ein Lager außerhalb des Schlaf gemaches, das er sich selbst ge- zimmert; stelle ihm das Bett hinaus und lege ihm wollene Vliefe, Mäntel und Teppiche hinein!" Darauf erwiderte Odysseus: „Niemand kann mein Bett verstellen. Als ich diese Wohnung herrichtete, habe ich den Stamm eines Ölbaumes zum Fuße für mein Bett zurechtgefchnitten und dieses künstlich darangefügt, mit Gold, Silber und Elfenbein ausgelegt. Wer dieses Bett von der Stelle rücken will, muß erst den Fuß des Ölbaumes abhauen." Nun zweifelte Penelope nicht länger mehr, daß ihr Gemahl zurückgekehrt fei, uud die Freude des Wiedersehens nach so langer Trennung war unbeschreiblich. Am andern Tage besuchte Odysseus seinen alten Vater Laertes, der ein Landgut auf der Insel bewohnte. Odysseus traf ihn auf dem Felde, wie er um ein Bäumchen den Boden lockerte. Die Verwandten der getöteten Werber kamen bald bewaffnet nach Jthaka, um Rache zu nehmen. Der alte Laertes eröffnete den Kampf und tötete durch einen Lanzenwurf den Anführer der Feinde. Odysseus und Telemach wollten eben gegen sie losziehen, da trat Athene zwischen die Kämpfenden und stiftete Frieden uud Versöhnung.