— 257 — 9. Die Kaiserin Augusta. Die Kaiserin Augusta war fast 60 Jahre lang die treue Lebensgefährtin Kaiser Wilhelms. Am 30. September 1811 als Prinzessin von Sachsen-Weimar geboren, wuchs sie zu einer durch Frömmigkeit und Mildtätigkeit gleich ausgezeichneten Fürstin heran. Durch ihre Güte und Leutselig- fett gewann sie nach ihrer Vermählung mit dem Prinzen Wilhelm von Preußen im Fluge die Verehrung der Berliner Bürgerschaft. Als sie in Koblenz lebte, ließ ihr herablassendes und liebenswürdiges Wesen die Herzen der Rheinländer bald hoch für sie schlagen. In herrlicher Weise hat Augusta als Königin und Kaiserin die auf sie gesetzten Hoffnungen erfüllt. Als rechte Landesmu-tter stand sie während der Kriegszeiten an der Spitze der Vereine, die in großartiger Weise für die Truppen im Felde und für die Pflege der Verwundeten sorgten. Der von ihr 1866 gegründete Vaterländische Frauen verein soll nicht nur in Kriegs-, sondern auch in Friedenszeiten Hilfsbedürftige und Notleidende unterstützen. Tränen zu stillen, Wunden zu heilen, Kummer zu lindern und frohe und glückliche Menschen zu machen, sah sie überhaupt als ihre Lebensaufgabe an. Eine ganze Reihe von Wohl- tätigkeits- und Erziehungsanstalten hat sie ins Leben gerufen und unterstützt. Ihre stille Wirksamkeit als Trösterin und Helferin bei Kranken, Notleidenden und Bedrängten wird unvergessen bleiben. Im Jahre 1879 feierte sie mit ihrem Gemahl das seltene Fest der goldenen Hochzeit, und mit unbegrenzter Verehrung schaute ganz Deutschland auf feine ehrwürdige Kaiserin. Aber Kronen schützen nicht vor Tränen! Der unerbittliche Tod raubte ihr nachein- ander den hohen Gemahl und den vielgeliebten einzigen Sohn. Nur ihr unerschütterliches Gottvertrauen konnte die Dulderin in dieser Zeit aufrecht halten. Zwei Jahre überlebte sie diese Schicksalsschläge. Am 7. Januar 1890 legte Kaiserin Augusta ihr müdes Haupt zur ewigen Ruhe nieder: sie wurde an der Seite Kaiser Wilhelms bestattet. 10. Kaiser Wilhelms Ratgeber und Helfer. Großen Scharf- blick zeigte Kaiser Wilhelm bei der Wahl seiner ersten Ratgeber; ans den Millionen seiner Untertanen wählte er die richtigen Männer für die wichtigsten Amter aus. Otto von Bismarck wurde am 1. April 1815 zu Schön¬ hausen in der Altmark geboren. Als preußischer Bundestagsge- sandter in Frankfurt lernte er die fürchterliche Verlogenheit der dortigen Diplomatie kennen und setzte ihr ehrliche Klugheit entgegen. Auch kam ihm hier, wie wir schon erwähnten, die Überzeugung, daß Deutschland nur gedeihen könne, wenn O st erreich ausschiede und Preußen an die Spitze träte; mit außerordentlicher Umsicht hat er diesen Gedanken in die Tat umgesetzt. 1862 berief ihn König Wilhelm in schwerer Zeit zum ersten Minister, und von dieser Zeit an war er der treueste Berater des Monarchen. Sein Scharfblick Froning und Wewer, Geschichte. Ausg. C. 1. M. 17