188 Karl der Kühne von Burgund. beruhigt hatte, von diesem Friedrich sei nichts zu fürchten,1) hatten eine traurige Bestätigung erfahren. Denn nun zog „der Herr der Welt" wie ein Bettler durch Schwaben, oft auf einem mit Ochsen be¬ spannten Wagen fahrend, und ließ sich von den Reichsstädten und Klöstern ohne Entgelt bewirten. Aber auch jetzt noch bewahrte er seinen ans Unglaubliche streifenden Gleichmut, gab keines feiner Rechte auf, verzichtete auf keinen Anspruch seines Hauses und glaubte unerschütterlich an dessen künftige Weltherrfchaft. Und merkwürdiger Weise sollte er die Anfänge dazu noch erleben. Karl der Kühne von Burgund. In demselben Jahre, in dem das wittelsbachische Haus, das von Ludwig dem Bayern erworbene Tirol an die Habsburger verlor (1363), gab der französische König (Johann der Gute) seinem Sohne Philipp Die Herzoge Kühnen Burgund zu Lehen, das unter dieser Seitenlinie des fran- von Burgund, Mischen Königshaufes sich bald zum mächtigsten Fürstentum in Frank- reich aufschwang. Denn seine Herzoge erwarben zur Bourgogne (am Cöte d'or mit der Hauptstadt Dijon) noch die Freigrafschaft Burgund (Franche-Comte mit Besanyon a/Donbs) und die Niederlande, die mit ihren gewerbetreibenden Städten Gent, Brügge u. a. damals die reichsten Länder Enrops waren. Als Sinnbild für die Macht und den Reichtum ihres Nauses stifteten sie den Orden des goldenen Vließes. Der letzte Karl d. Kühne. ihnen, Karl ber Kühne (1467—1477) trug- sich mit dem Plane, seine Besitzungen noch zu erweitern und den Aönigstitel dafür zu er- werben. So schien sich am Ausgange des Mittelalters zwischen Deutsch- land und Frankreich ein neues Königreich aus deutsch und französisch redenden Landschaften erheben zu wollen, wie schon zu Anfang dieses Zeitraums durch den Vertrag von Verdnn ein solches geschaffen worden war. Lange verhandelte Karl zu diesem Zwecke mit dem Kaiser, aber gegenseitiges Mißtrauen ließ die Sache nicht zum Abschluß kommen; Karl der Kühne da vertrieb Karl der Kühne 1475 den Herzog Renatus von Lothringen erobert und hatte so das bedeutendste Gebiet, das zwischen seinen burgundischen lothrmgen. niederländischen Besitzungen lag, gewonnen. Dazu hatte er sich noch von dem Herzog Siegmund, der Tirol und die vorderen Lande Karl der Kühne besaß, den österreichischen Teil vom Elsaß und den Breisgau verpfänden setzt Vögte im [a|fen- Diese deutschen Gebiete empörten sich gegen den Druck der bur- Elsaß em. g^ischen Vögte und erhielten von den Eidgenossen Hilfe. Deshalb Karl zieht wandte sich Karl 1476 gegen die letzteren, ward aber in zwei großen gegen die Schlachten bei Granson (am Neuchäteler See im Kanton Waadt) und Schweiz. gjiurtm Kanton Freiburg) besiegt. Darauf drangen die Schweizer in Lothringen ein und vernichteten ein burgundisches Heer vor den Karl der Kühne Mauern von Nancy, wo Karl der Kühne fiel 1477. Die burgundische f 1477- Macht zerfiel, da Karl keinen Sohn hinterließ. Nach Lothringen kehrte !) „da er mehr nach dem Himmelreich, als nach irdischer Herrschaft strebe". Man beachte, wie selbst damals noch zwischen Kaisertum und Papsttum Mißtrauen herrschte. Friedrichs III. Geheimschreiber war der rhetorisch gewandte Aneas Sylvius (Piecolomini), der später (1458) als Pius II. Papst wurde. Von ihm stammt eine rhetorisch gefärbte Beschreibung des damaligen Deutschland.