l�er aus der aterl�n�isihen
von
Zrie�rich Donat
Nittelschullehrer
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Halle o, S. 1911 Verlag von Hermann Schroe�el.
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Georg-Eckert-Institut BS78
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aus der vaterl�ndischen Geschichte.
F�r Klaffe V der. Mittelschulen.
( Auf Grund der Bestimmungen �ber die Neuordnung des Mittelschulwesens in Preu�en vom 3. Februar 1910 bearbeitet
von
Friedrich Donat,
Mittelschullehrer. /
Halle a. S.
P�dagogischer Verlag von Hermann Schroedel.
1911.
Qeorg-Eckert-Instltuf
fQr internationale Schulbuchforschung
Braunschweig Schulbuchbibliothek
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Vorwort.
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Die vorliegenden �Bilder aus der vaterl�ndischen Geschichte" enthalten den Stoff f�r die V. Klasse unserer Mittelschulen. Sie bilden demnach die Erg�nzung zu meinen �Lehrbuch der Geschichte", das in dem Verlage von G. Freytag in -Leipzig erschienen ist.
Bei der Auswahl des Stoffes waren die Bestimmungen �ber die Neuordnung des Mittelschulwesens in Preu�en vom 3. Februar 1910 ma�gebend. Sie stellen als Ziel f�r Klasse V hin: �Bilder aus der vaterl�ndischen Geschichte, besonders aus der brandenburgisch-preu�ischen von der Zeit des Gro�en Kurf�rsten bis auf die Jetztzeit". Es werden also Bilder aus der deutschen und brandenburgisch-preu�ischen Geschichte verlangt.
Bei der Darstellung habe ich das Hauptgewicht auf das Erz�hlen der geschichtlichen Tatsachen gelegt. Anekdoten sind nur hier und da eingeflochten worden. Wer der Meinung ist, seinen Kindern mehr bieten zu m�ssen, wird leicht das n�tige Material finden.
Halle a. (5., im Dezember 1910.
Friedrich Donat.
Inhaltsverzeichnis.
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Seite
1. Armin........................................................i
2. Siegfried....................................................3
3. Gudrun...........................10
4. Bonifatius..........................13
5. Karl der Gro�e........................16
6. Heinrich 1...........................20
7. Otto der Gro�e........................22
8. Friedrich Barbarossa.....................25
9. Martin Luther........................28
10. Der Drei�igj�hriger Krieg...................33
11. Friedrich Wilhelm, der Gro�e Kurf�rst.............37
12. K�nig Friedrich 1.......................42
13. Friedrich Wilhelm 1......................44
14. Friedrich II., der Gro�e....................48
15. Friedrich Wilhelm III......................55
16. Die Befreiungskriege.....................60
17. Friedrich Wilhelm IV......................67
18. Wilhelm 1...........................68
19. Friedrich III..........................83
20. Wilhelm II..........................84
1. Armin.
1. Die Not der Germanen.
Unsere Vorfahren waren die alten Germanen. Sie bewohn-ten haupts�chlich das heutige Deutschland. Ihre westlichen und s�dlichen Nachbarn waren die m�chtigen R�mer, die ihr Reich bis zur Donau und zum Rheine ausgedehnt hatten. Kaiser Augustus wollte aber auch noch die Gebiete bis zur Elbe er-obern. Deshalb gab er seinem Stiefsohne Drusus den Auftrag die germanischen V�lkerschaften zu unterjochen. Drusus erf�llte den Befehl; er drang auf mehreren Z�gen bis zur Elbe vor und besiegte die germanischen St�mme. Auf dem letzten Zuge st�rzte er mit dem Rosse, brach den Oberschenkel und starb bald darauf Sem Nachfolger wurde der Statthalter Varus. Er war ein hartherziger und gewaltt�tiger Mann. Sein Streben ging dahin die Germanen zwischen Rhein und Elbe zu r�mischen Untertanen zu machen. Deshalb verlangte er von ihnen Steuern und Ab-gaben aller Art; auch lie� er sie auspeitschen und sogar mit dem Schwerte hinrichten. Das emp�rte naturgem�� die Germanen denn bis jetzt hatten sie als freie M�nner auf ihren Geh�ften ge-wohnt. Am liebsten h�tten sie die R�mer aus dem Lande gejagt Aber wie sollten sie das anfangen? Die R�mer besa�en ein gro�es Heer, das mit den besten Waffen ausger�stet war, und das von tapferen Offizieren befehligt wurde. Die Germanen bestanden aus vielen Stammen, waren uneinig und verstanden vom Kriege nicht so viel wie ihre Feinde. So stieg die Not immer h�her und
der Cherusker Retter; es war Armin, ein F�rstensohn
2. Armins Jugend.
(K Teil seiner Jugend verlebte Armin auf dem
Geh�fte semes Vaters, das rings von W�ldern, Wiesen und �bern umgeben war. Wenn er sich nicht im Gebrauche der
s �x " v'J� W *1 mtt den Volksgenossen hinaus in den un-durchdrmglichen Wald, um das fl�chtige Reh oder den schlauen Fuchs zu erjagen. So lernte der Knabe schon fr�hzeitig die Wege Stege femer Heimat kennen. Als Armin herangewachsen !�as 0tla er p"t andern F�rstens�hnen nach Rom. Hier trat er
nnuon5 $efcrT'-|tte� Zum Offizier empor und gewann einen ge-nauen Einblick m die Kriegskunst der R�mer. Zugleich lernte
Donat, Geschichtsbilder.
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er die r�mische Sprache und r�mische Sitten und Gebr�uche kennen. In seinem Herzen aber blieb er ein echter Germane. Bei seiner R�ckkehr sah er mit stillem Grimme, wie sein Volk unter dem Joche der Unterdr�cker zu leiden hatte. Er beschlo�, die Feinde vom heiligen Boden der Heimat zu vertreiben.
3. Armins Heldentat.
Das war nicht leicht, und Armin mu�te sehr vorsichtig zu Werke gehen. Zuerst offenbarte er sein Vorhaben seinen Ver-wandten; dann schlo� er heimlich mit anderen germanischen F�rsten einen Bund. Am Altare der G�tter schwuren sie ihm Treue. Dennoch war unter ihnen ein Verr�ter. Segestes, ein anderer Cheruskerf�rst, ritt zu Varus, der mit einem Heere an der Weser stand, und erz�hlte ihm alles. Segestes war Armin feindlich ge-sinnt, weil dieser seine Tochter Thusnelda ohne seine Einwilligung zur Frau genommen hatte. Varus lie� sich jedoch nicht warnen. Er sah in Segestes nur einen feigen Verleumder. Armin aber hatte schon l�ngst durch Schlauheit das Vertrauen des R�mers gewonnen. _f
Endlich war alles zum Befreiungskampfe vorbereitet. Auf Armins Anraten emp�rte sich ein entfernt wohnender Stamm. Sofort brach Varus mit feinen drei Legionen auf, um die Em-p�rer zu z�chtigen. In langem Zuge bewegten sich die R�mer langsam durch das waldige Gebiet. Unterdessen rief Armin feine Getreuen zu den Waffen; in kurzer Zeit war ein ansehnliches Heer beisammen. Auf wohlbekannten Wegen ging es in Eilm�rschen hinter den ahnungslos abziehenden Feinden her. Nach wenigen Tagen wurden sie in den Schluchten des Teutoburger Waldes eingeholt. Nun begann ein entsetzliches Ringen. Jeder Busch wurde lebendig; rauhe Schlachtges�nge ert�nten, Steine und Holz-st�cke flogen in die Glieder der �berraschten R�mer, Streit�xte krachten, Schwerter blitzten, und Speere und Pfeile durchpfiffen die Luft. Durch die Gipfel der alten Eichen raste der Sturm, und aus den zerrissenen Wolken str�mte der Regen. Der Boden wurde weich und machte ein Marschieren in geschlossenen Reihen unm�glich. Dennoch leisteten die Feinde verzweifelten Widerstand. Doch von Stunde zu Stunde verminderte sich ihre Zahl, immer mehrere verbluteten unter den Streichen der ergrimmten Germanen. Als Varus sah, da� alles verloren war, st�rzte er sich m fem Schwert, denn er wollte nicht lebendig in die H�nde seiner Uber-winder fallen. Damit war der Untergang der R�mer besiegelt. Was nicht get�tet worden war, wurde gefangen genommen. Nur ein kleiner Teil der Reiterei durchbrach die Schlachtreihen der Germanen und rettete sich durch eilige Flucht an den Rhern. Das war die Schlacht im Teutoburger Walde; sie wurde im
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Jahre 9 nach Christus geschlagen und befreite die Germanen von dem Joche der R�mer. Bald verbreitete sich die Kunde von der furchtbaren Niederlage in Rom. Als sie Kaiser Augustus ver-nahm, soll er verzweiflungsvoll ausgerufen haben: �Varus, Varus, gib mir meine Legionen wieder!" Er meinte sogar eine Zeitlang, die Germanen w�rden den Rhein �berschreiten und das r�mische Reich mit Krieg �berziehen. Aber daran dachten die Germanen nicht; sie waren froh, da� fie die Unterdr�cker bestraft hatten, und feierten in der N�he der blutigen Walstatt ein gro�es Siegesfest.
4. Armins Tod.
Nach dem Tode des Kaisers Augustus brachen zwischen R�mern und Germanen neue K�mpfe aus. Germanikus, ein tapferer und einsichtsvoller Feldherr, wollte die Schmach der Nieder-l�ge im Teutoburger Walde r�chen und die Herrschaft der R�mer in dem Gebiete zwischen Rhein und Elbe wiederherstellen. Er verw�stete das Land, besiegte Armin in mehreren Gefechten und nahm sogar Thusnelda gefangen. Aber sein Ziel erreichte er doch nicht.
Leider wurde Armin mit Undank belohnt. Seine Ver-wandten wurden neidisch auf feinen Ruhm und beschuldigten ihn, da� er eine K�nigsherrschaft aufrichten wolle. In einer Ver-fammlung fielen sie �ber ihn her und ermordeten ihn in seinem 37. Lebensjahre. Das Volk trauerte um seinen Befreier und verherrlichte seine Taten in Liedern. Im Jahre 1875 wurde Armin auf der Grotenburg bei Detmold ein hochragendes Denk-mal errichtet.
2. Siegfried.
1. Wie Siegfried den Drachen t�tet.
Zu Xanten am Niederrhein lebte ein m�chtiger K�nig. Der hatte einen Sohn mit Namen Siegfried. Dem gefiel es nicht auf der Burg seines Vaters. Eines Tages nahm er einen gro�en Stecken und wanderte in die Welt hinaus, um Abenteuer zu bestehen. Unterwegs begegneten ihm stolze Ritter, die sa�en auf pr�chtigen Rossen und trugen an der Seite breite Schwerter. Nach kurzer Zeit kam Siegfried in einen dunkeln Wald. Pl�tzlich stand er vor einer Waffenschmiede. Aus dem Herde flackerte ein lustiges Feuer, und auf dem blanken Ambo�e schmiedete der Meister ein scharfes Schwert. Sofort erwachte in dem J�nglinge der Wunsch, eine solche Waffe fein eigen nennen zu d�rfen. Er trat in die Werkstatt und bat den Schmied, ihn als G-ef eilen anzunehmen.
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Der Meister war dazu auch sogleich bereit. Allein Siegfried schlug mit solcher Kraft zu, da� das Eisen zersprang und der Ambo� in den Erdboden getrieben wurde. Da f�rchtete sich der Schmied vor dem J�nglinge und sann, wie er ihn wieder loswerden k�nnte. Eines Morgens schickte er ihn in einen Wald, in dem ein furchtbarer Drache h�ufte. Dort sollte Siegfried Holzkohlen brennen. Kaum hatte er den Meiler angez�ndet, so fuhr auch schon das Unget�m auf ihn los. Aber Siegfried sprang gewandt zur Seite, erfa�te einen dicken Baumstamm und schlug das Un-geheuer tot. Aus dem gro�en K�rper scho� ein Blutstrom und f�rbte den weiten Waldgrund. Da entledigte fich Siegfried seiner Kleider und badete in dem Blute. Sofort wurde seine Haut hart wie Horn, so da� sie mit keiner Waffe verletzt werden konnte. Nur zwischen den Schultern blieb eine verwundbare Stelle; hier hatte beim Baden ein -Lindenblatt gelegen. Ergrimmt kehrte Siegsried zu der Werkstatt zur�ck, erschlug den Schmied f�r seine T�cke und verfertigte sich ein Schwert, das so hart war, da� es Eisen zerspaltete.
2. Wie Siegfried den Nibelungenschatz gewann.
Nun ging Siegfried von neuem auf die Wanderschaft. Bald kam er in eine breite und tiefe H�hle, in der ein unerme�licher Goldschatz lag, der den Nibelungen geh�rte. Die Nibelungen waren ein Zwerggeschlecht aus dem Nebellande. Die beiden K�nigss�hne waren gerade dabei, den Hort unter sich zu teilen. Sie konnten aber nicht einig werden und baten deshalb Siegfried, die Teilung des Goldes vorzunehmen. Dieser war sogleich damit einverstanden und machte sich an die Arbeit. Doch seine Teilung befriedigte die K�nigss�hne nicht; sie wurden zornig und st�rzten sich auf den ahnungslosen Helden. Es entstand ein f�rchterliches Ringen, in dem die beiden Angreifer get�tet wurden. Nun hatte Siegfried den Schatz f�r sich gewonnen. Als er aber die H�hle verlassen wollte, stie� er unerwartet auf neuen Widerstand. Der Zwerg Alberich, der fr�here H�ter des Hortes, wollte feine Herren r�chen und den Schatz nicht entf�hren lassen. Mittels einer Tarn-kappe hatte er sich unsichtbar gemacht, so da� Siegfried w�hrend des ungleichen Kampfes in gro�e Not geriet. Allein es gelang ihm, dem Zwerge die Kappe vom Haupte zu streifen. Damit war der Streit f�r Siegfried entschieden. Er �berw�ltigte Alberich und lie� ihn schw�ren, den Hort in Zukunft f�r ihn treu und sorgf�ltig zu h�ten. Dann nahm er die Tarnkappe und kehrte zu seinen Eltern nach Ranten zur�ck.
3. Wie Siegfried nach Worms kam.
Am Mittelrhein hatten die Burgunder ein m�chtiges Reich gegr�ndet. Ihr K�nig war Gunther; fein pr�chtiges Schlo�
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stand zu Worms. An seinem Hofe lebten noch seine ritterlichen Br�der Gernot und Gifelher, seine alte Mutter Ute und seine liebliche Schwester Kriemhild. Unter seinen Rittern ragte der grimmige und finstere Hagen von Tronje hervor. Als Siegfried die Sch�nheit der Kriemhild preisen h�rte, beschlo� er, um ihre Hand anzuhalten. Mit zw�lf k�hnen Recken zog er den Rhein aufw�rts. Stolz ritt er in die K�nigsburg zu Worms ein. Alle staunten den Fremdling an; doch keiner kannte ihn. Nur der weitgereiste Hagen meinte: �Das kann nur der Held Siegfried aus Niederland sein." Nun eilte der K�nig schnell in den Hos und begr��te den Ank�mmling freundlich. Bald fanden die Helden aneinander gro�es Wohlgefallen. Sie unternahmen Jagd-z�ge in die nahen W�lder und erg�tzten sich an allerhand ft�h-liehen Kampfspielen, aus denen Siegfried meistens als Sieger hervorging. So verflo� ein Jahr. Aber die sch�ne Kriemhild hatte der K�nigssohn aus Niederland noch nicht zu sehen be-kommen. Da drang eine b�se Kunde nach Worms. Die Sachsen und D�nen waren in das Land eingefallen und hatten in den eroberten Strichen schrecklich gehaust. Sofort brachen die Bur-gunder auf, um die Feinde zu strafen. Es kam zu einem er-bitterten Kampfe, in dem die Burgunder Sieger blieben. Siegfried zeichnete sich besonders aus, er nahm die beiden K�nige gefangen. Ein Bote brachte die Siegesbotschaft nach Worms. Als Kriemhild die Nachricht erfuhr, wurde sie hoch erfreut und konnte die R�ck-kehr der Helden kaum erwarten. Endlich zogen fie mit den Ge-fangenen und der reichen Beute in der Burg ein. Nun wurde ein gro�es Siegesfest veranstaltet, das zw�lf Tage dauerte. Reich geschm�ckt erschien auch Kriemhild aus dem Platze und begr��te den Helden. Siegfried aber konnte keinen Blick von der Herr-lichen Jungfrau wenden; sie erschien ihm wie der milde Vollmond, der leuchtend seine Bahn vor den Sternen zieht.
4. Wie Gunther um Brunhild warb.
Ienseit des Meeres, auf Isenland, herrschte die sch�ne Komgm Brunhild. Wer sie zur Frau begehrte, der mu�te sie im Speerwerfen, Steinschleudern und Springen besiegen. Unterlag er aber im Kampfe, so verlor er das Leben. Schon mancher Ritter hatte seine K�hnheit mit dem Tode bezahlen m�ssen, aber immer neue Bewerber lockte die Sch�nheit der jungen K�nigin herbei. Auch Gunther beschlo�, um Brunhild zu werben. Allein wagte er jedoch den Kamps nicht auszusechten,' er bat deshalb (Sieg-sriei), ihm behilflich zu fein. Zugleich versprach er ihm die Hand femer Schwester Kriemhild. Der junge Held willigte ein. Nun wurde ein Schiff ausger�stet; mit gutem Winde fuhr es rheinab-warts in das Meer. Am zw�lften Tage tauchte aus den Fluten
das m�chtige Schlo� der K�nigin empor. Sie stand mit ihren Jungfrauen am Fenster und sah das Schiff landen. Nach wenigen Minuten ritten die k�hnen Helden durch das ge�ffnete Tor. Brunhild war in den Hof geeilt und fragte Siegfried, den sie schon kannte, was er w�nsche. Siegfried entgegnete, da� K�nig Gunther, fem Herr, gekommen sei, um sie im Kampfe zu erringen.
Sogleich begann Brunhild die Vorbereitungen zu den Spielen; sie legte ihre kostbare R�stung an und lie� die Waffen und den Stein, den zw�lf M�nner kaum tragen konnten, herbeischaffen. Mittlerweile hatte Siegfried die Tarnkappe aufgefetzt und ftand nun unsichtbar neben K�nig Gunther. Der Kampf begann. Zuerst schleuderte die K�nigin ihren Speer mit solcher Wucht gegen Gunthers Schild, da� die Spitze hindurchdrang und die beiden M�nner strauchelten. Doch schnell fa�te Siegfried die Waffe und warf sie noch kr�ftiger zur�ck, so da� Brunhild zu Boden sank. Zornig sprang sie auf, ergriff den Stein, schleuderte ihn zw�lf Klafter weit und �berholte ihn in k�hnem Sprunge. Nun packte Siegfried den Stein, warf ihn noch weiter und sprang mit K�nig Gunther auf den Schultern �ber das Ziel hinaus. Brunhild er-kl�rte sich f�r besiegt, ordnete die Regierung ihres Reiches und zog mit K�nig Gunther in das Land der Burgunder.
In Worms wurde die junge K�nigin mit Pracht und gro�er Herrlichkeit empfangen. Bald fand eine Doppelhochzeit statt. Bei dem Mahle fa� Brunhild ernst neben ihrem Gatten; sie z�rnte ihm, da� er feine Schwester Kriemhild einem Dienftmanne zum Weibe gegeben hatte. Eines Abends kam es zwischen den beiden Ehegatten sogar zu einem Streite; Brunhild wurde so ergrimmt, da� sie Gunther niederwarf, ihm H�nde und F��e band und ihn schlie�lich an einen Nagel hing. Ungern versprach Siegfried, die K�nigin noch einmal zu bek�mpfen. Doch auf vieles Bitten Gunthers fetzte er sich die Tarnkappe auf, schl�pfte mit Gunther in Brunhildens Gemach und rang mit ihr, bis sie am Boden lag und gelobte, in Zukunft gehorsam zu sein. W�hrend des Ringens nahm Siegfried den G�rtel der K�nigin und einen Ring und schenkte beide Gegenst�nde seiner Gattin. Gunther und Brunhilde lebten nun in Frieden. Siegfried aber f�hrte fein junges und sch�nes Weib in seine Heimat und �bernahm die Regierung des Landes.
b. Wie sich die beiden K�niginnen stritten.
Zehn Jahre mochte Siegfried die Herrfchaft �ber fein Volk ausge�bt haben. Da erschienen eines Tages Boten aus Worms und luden zu einem gro�en Feste ein. Sogleich brachen Kriemhild und Siegfried mit einem gl�nzenden Gefolge auf und wurden bei ihrem Einz�ge hoch gefeiert. Zehn Festtage gingen in ungetr�bter
Freude dahin, am elften aber brach das Unheil herein. Als die beiden K�mginnen zur Vesperzeit zusammensa�en und den Kamps-spielen der Ritter zuschauten, r�hmte Kriemhild die Kraft und die Gewandtheit ihres Gatten und meinte, er sei doch der herrlichste von allen Helden. Das verdro� Brunhild; sie entgegnete, das sei gar nicht m�glich, denn Siegfried sei doch nur ein Dienstmann ihres Gemahls. 'Kriemhild wurde dar�ber zornig, stand auf und verlie� ihre Schw�gerin. Am n�chsten Morgen trafen die beiden K�niginnen vor der Kirchent�r abermals zusammen. Sogleich erhob sich auch der Streit wieder �ber den Wert ihrer M�nner. Brunhild behauptete, da� ihr als K�nigin der Vortritt geb�hre, da ja Kriemhild nur die Frau eines Dienstmannes sei. Da ver-lor Kriemhild vor Wut alle Besinnung und schrie: �Wenn Sieg-fried ein Dienftmann ist, so wisse, da� dich ein Dienstmann besiegt hat, denn du bist nicht von Gunther, sondern von (Siegfried �berwunden worden!" Und zum Beweise zeigte sie der K�nigin den Ring und den G�rtel. Wie vom Blitze getroffen lehnte Brunhild an der Kirchent�r, dann suchte sie weinend ihr Gemach auf, a� nicht und klagte Tag und Nacht, da� der ihr angetane Schimpf ger�cht werden m�sse. Als der finstere Hagen von dem, was ge-schehen war, Kunde erhielt, knirschte er vor Wut mit den Z�hnen und gelobte, den Mann zu t�ten, der seine K�nigin so gekr�nkt habe.
6. Wie Siegsried get�tet wurde.
Hagen ersann nun einen Plan. Auf seinen Befehl mu�ten Boten in Worms einreiten und die falsche Nachricht verbreiten, da� die D�nen und Sachsen wieder pl�ndernd und mordend in das Land eingefallen seien. Der K�nig Gunther rief darauf seine Ritter zum Kampfe auf. Kaum hatte Siegfried von dem bevor-stehenden Kriegszuge geh�rt, so bot er seine Hilfe an. Als alles zur Ausfahrt bereit war, ging der listige Hagen zu Kriemhild, um von ihr Abschied zu nehmen. Kriemhild hatte �ber das, was geschehen war, schon l�ngst bittere Reue empfunden und bat Hagen, ihren Gemahl in dem Kampfe besch�tzen zu wollen. Ja sie vertraute dem hinterlistigen Manne sogar, da� Siegfried nur an einer Stelle zwischen den Schultern verwundbar sei. Die aber wollte der Falsche gerade wissen. Deshalb beredete er die K�nigin, die betreffende Stelle durch ein Kreuzchen von roter Seide auf dem Gew�nde ihres Gatten zu bezeichnen. Am andern Morgen sah Hagen, da� seine List gelungen war. Nun lie� er das Ge-r�cht aussprengen, da� sich die Feinde zur�ckgezogen h�tten, und da� die Heerfahrt aufgegeben werden m��te. An ihrer Statt sollte eine Jagd im Odenwalde veranstaltet werden.
Siegfried war auch damit einverstanden. Als er aber von seiner Gattin Abschied nehmen wollte, suchte sie ihn weinend
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zur�ckzul)altert. 0te hatte n�mlich getr�umt, bafj Siegfried von Zwei Wildschweinen �ber die Heide gejagt wurde, so da� sich die Blumen von fernem Blute rot f�rbten. Allein er tr�stete sie schwang fich aufs Ro� und ritt beim luftigen Klange der Jagdh�rner mit den Burgundern in den wildreichen Tann. Bald trennten sich die Genossen. Siegfried nahm einen guten Sp�r-Hund mit sich und erlegte B�ren, Eber, Auerochsen und Elentiere. Pl�tzlich erklang das Horn in weiter Ferne und rief die J�ger zum Imbi� herbei. Siegfried wandte sein Ro� und ritt langsam durch Gestr�pp und Gestr�uch. Als er an eine Lichtung kam, Mang ein m�chtiger B�r vor ihm aus und suchte eine sch�tzende Schlucht zu erreichen. Allein Siegfried stieg behend vom Pferde, eilte dem Tiere nach, fing es ein und band es lebendig an feinen Sattel. Art der Feuerst�tte befreite er den B�ren von feinen Fefseln. Sofort st�rzten sich die bellenden Hunde auf das Tier und jagten es durch die K�che, fo da� Kessel und Br�nde unter-einander geworfen wurden.
Bei dem Mittagsmahle fehlte der Wein; er war von Hagen absichtlich nach dem Spessart geschickt worden. Als Siegfried �ber Durst klagte, meinte der Hinterlistige, in der N�he sei eine Kuhle Quelle, und schlug zugleich vor, nach ihr einen kleinen Wettlauf zu unternehmen. Ahnungslos willigte Siegfried ein und erreichte zuerst den Brunnen. Dennoch b�ckte er sich nicht, um zu trinken, fondern legte feine Waffen ab und wartete, bis sich K�nig Gunther erquickt hatte. Nun neigte sich Siegfried zur Quelle. Schnell sprang Hagen hinzu, fa�te �Siegfrieds Speer und stie� ihn dem Helden durch das Kreuzeszeichen tief in den R�cken, fo da� das Blut hoch aufspritzte und das Gras und die Blumen rot f�rbte. Zum Tode verwundet, schnellte Siegfried empor, er-griff seinen Schild und schlug den M�rder damit zu Boden. Doch die Kr�fte verlie�en den Helden, er sank bleich in das Gras und hauchte seine reine Seele aus.
7. Wie Siegfried betrauert wurde.
Iu der Nacht wurde der Leichnam auf einer Bahre nach Worms geschafft und auf Hagens Gebot vor Kriemhilds T�r niedergelegt. Als Kriemhild am andern Morgen zur Messe gehen wollte, fand sie den toten Gatten. Vor Schreck sank sie ohn-m�chtig auf den Erdboden, und vor Jammer und Herzeleid brach ihr das Blut aus dem Munde. Im Nu verbreitete sich die Kunde von dem grausigen Morde im ganzen Schlosse. Laute Klage erhob sich um den tapferen Helden. Noch an demselben Tage wurde der Tote in einen Sarg von Gold und Silber ge-legt und auf einer Bahre im M�nster ausgestellt. Nun erschienen alle Verwandten, um ihre Unschuld an dem Morde zu bekunden.
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Als aber Hagen an die Leiche trat, da quoll das Blut wieder aus der Wunde. Nach drei Tagen wurde Siegfried ins Grab gesenkt. Zuvor aber lie� Kriemhild den Sarg noch einmal �ffnen, hob mit ihrer wei�en Hand das sch�ne Haupt des Helden empor und k��te es. Dann sank sie wie tot nieder und wurde bewu�t-los Dort dannen getragen. Sp�ter lie� sie neben dem M�nster eine Wohnung erbauen, um das Grab des geliebten Mannes immer besuchen zn k�nnen. Auch der Nibelungenschatz, den bis jetzt der Zwerg Alberich treu beh�tet hatte, wurde auf Kriemhilds Veranlassung nach Worms geschafft. Davon verteilte sie freigebig unter Arme und Kranke; auch die burgundifchen Mannen be-dachte sie mit reichlichen Geschenken. Als Hagen die �berzeugung gewann, sie wolle Freunde gewinnen, um den Tod ihres Gatten r�chen zu K�nnen, raubte er den Schatz und versenkte ihn in den Rhein.
8. Wie sich Kriemhild r�chte.
Dreizehn Jahre waren vergangen. Da erschien in Worms eine Gesandtschaft des m�chtigen Hunnenk�nigs Etzel, die die Nachricht brachte, da� Etzel um Kriemhild werbe. Anfangs weigerte sich Kriemhild, eines andern Weib zu werden. Als sie aber erkannte, als K�nigin leichter Rache an den M�rdern Sieg-frieds nehmen zu k�nnen, entschlo� sie sich, die Heimat mit der Fremde zu vertauschen. Sie zog mit der Gesandtschaft die Donau abw�rts. In Wien traf sie mit Etzel zusammen; hier wurde die Hochzeit gefeiert, sie dauerte siebzehn Tage. Dann ging es weiter nach der Burg Etzels, wo Kriemhild von den Lehnsleuten ihres Gemahls feierlich begr��t wurde.
Als abermals dreizehn Jahre vergangen waren, schritt Kriemhild zur Ausf�hrung ihres Racheplanes. Auf ihren Wunsch lud Etzel alle ihre Verwandten zu einem Feste nach Ungarn ein. Hagen erriet die Gedanken der K�nigin und warnte, die Einladung anzunehmen. Allein die Burgunder achteten nicht auf den Rat, r�steten ein gro�es Gefolge aus und machten sich auf die Reife. Endlich zogen sie in der K�nigsburg ein. Etzel begr��te feine Verwandten herzlich und freundlich; Kriemhild aber k��te nur ihren j�ngsten Bruder Gifelher. Am andern Tage fa� Etzel mit feinen G�sten an der Tafel beim Mahle. Pl�tzlich st�rzte ein Mann herein und erz�hlte mit hastigen Worten, da� die Knechte der Burgunder niedergemetzelt feien. Sofort sprang Hagen auf, ri� sein Schwert aus der Scheide und schlug dem jungen Sohne Etzels das Haupt ab. Nun begann ein gewaltiger Kampf zwischen den Hunnen und den Burgundern; das Blut flo� zu den Stufen des Saales hinunter, und alles fiel unter den Streichen der scharfen Schwerter. Nur Gunther und Hagen waren noch �brig geblieben. Sie wurden schlie�lich gefesselt und zu der
K�nigin gebracht. Nun waren die M�rder ihres Gemahls in ihrer Hand. Sofort befahl sie, Gunther zu t�ten; Hagen aber schlug sie mit Siegfrieds Schwerte selber das Haupt ab. In demselben Augenblicke traf sie der Schlag eines andern Helden; mit lautem Schrei sank sie neben der Leiche ihres Todfeindes leblos nieder.
3. Gudrun.
1. Wie Gudrun geraubt wurde.
Vor alten Zeiten lebte an den Ufern der Nordsee das Volk der Hegelingen. Der K�nig hie� Hettel, seine Gemahlin war die sch�ne und edle Hilde. Das K�nigspaar hatte zwei lieb-liche Kinder, einen Knaben, namens Ortwin, und eine Tochter, Gudrun. Diese war so sch�n, da� viele F�rsten und K�nige sie zur Frau begehrten. Eines Tages warb auch der junge Hartmut um die Hand der holden Jungfrau. Sein Vater, K�nig Ludwig, herrschte �ber die Normannen. Doch die K�nigin Hilde lieferen Freier schroff abweisen. Bald stellte sich ein neuer Werber ein; �es war der tapfere K�nig Herwig von Seeland. Er ge-wann das Herz der sch�nen K�nigstochter. Nach wenigen Wochen wurde eine fr�hliche Verlobung gefeiert. Im n�chsten Jahre sollte eine gl�nzende Hochzeit stattfinden.
Allein als Hartmut von Gudruns Verlobung horte, er-grimmte er und beschlo�, die Jungfrau mit Gewalt zu entf�hren. Die Umst�nde waren seinem Plane g�nstig. Hettel hatte n�mlich mit seinen Mannen das Land verlassen, um einen fernen Feind zu bekriegen. Pl�tzlich erschienen die Normannen in dem wehr-losen Lande und belagerten die Burg Hettels, die nur von einer kleinen Anzahl Ritter verteidigt werden konnte. Schon nach wenigen Tagen wurde die Feste erst�rmt und auf der Mauer das feindliche Banner aufgepflanzt. Gudrun wurde als Gefangene entf�hrt.
2. Wjie um Gudr|un gek�mpft wurde.
Als K�nig Hettel von dem Raube feiner Tochter Kunde er-hielt,'jfchlo� er schnell mit seinem Feinde Frieden, bestieg seine Schiffe und eilte den Normannen nach. Auf dem W�lpenfande, einer Insel in der Nordsee, holte er die Fliehenden ein. Sofort begann ein entsetzliches Ringen. Die Speere flogen wie die Schneeflocken durch die Luft. Doch behende sprangen die Hege-lingen ans Land, zogen die scharfen Schwerter und schlugen manche tiefe Wunde. Am furchtbarsten w�tete der alte Wate, ein Ritter K�nig Hettels. Seinen Hieben konnten die Feinde nicht widerstehen. Mitten im Kampfgew�hle traf er auf K�nig
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Ludwig. Mit m�chtigem Schlage zerspaltete er des K�nigs Helm. Immer heftiger tobte die Schlacht; das Blut raun ins Meer und f�rbte es rot. Schon senkte sich der Abend auf das w�ste Feld. Da flog noch ein Speer daher und drang dem K�nig Hettel tief in die Brust; leblos brach der edle F�rst zusammen. Als die Hegelingen den Tod ihres Herrschers erfuhren, griffen sie von neuem zu den Waffen. Aber die Nacht machte dem Kampfe ein Ende. Die Streitenden konnten nicht mehr Freund und Feind unterscheiden und mu�ten die Schwerter sinken lassen. Die Hege-lingen z�ndeten Nachtfeuer an und hatten die Absicht, am andern Morgen den Tod ihres K�nigs zu r�chen. Allein die Normannen benutzten die Dunkelheit zur Flucht. Sie schlichen sich auf ihre Schiffe und fuhren heimlich davon. Als die Sonne aufging, sahen die Hegelingen zu ihrem Erstaunen, da� die Insel von dem Feinde ger�umt war. An eine Verfolgung konnten aber die Hegelingen nicht denken, denn sie waren zu schwach, und au�erdem hatten die Fl�chtlinge einen zu gro�en Vorsprung gewonnen. Die Hege-lingen begruben nun ihre Toten, brachten die Verwundeten auf die Schiffe und fuhren traurig in die Heimat zur�ck. K�nigin Hilde brach in lautes Klagen aus, als sie den Ausgang der Schlacht erfuhr.
3. Wie Gudrun dienen mu�te.
Unterdessen fuhren die Normannen mit der geraubten K�nigs-lochtet ihrem Lande zu. Als sich die heimische K�ste aus den Fluten des Meeres erhob, trat K�nig Ludwig zu Gudrun und zeigte ihr alle Burgen und Schl�sser, die ihr Eigentum sein sollten, wenn sie Hartmut zum Manne n�hme. Doch Gudrun erkl�rte, sie w�rde lieber den Tod erleiden, als ihrem Verlobten die Treue brechen. Da geriet Ludwig in Zorn, ergriff das K�nigskind bei den Haaren und warf es in das Meer. Gudrun w�re sicher ertrunken, wenn Hartmut nicht schnell nachgesprungen w�re und sie den Wellen entrissen h�tte. Bei der Landung wurde Gudrun von der K�nigin Ger linde und Ortrun, der Schwester Hart-muts, gar herzlich empfangen. Die beiden K�nigst�chter schloffen bald innige Freundschaft. Auch Gerlinde war anfangs freund-lich, denn sie meinte, durch G�te die sch�ne Gudrun f�r ihren Sohn gewinnen zu k�nnen. Aber die Geraubte dachte nicht daran, ihren Entf�hrer zum Manne zu nehmen. Da �nderte Gerlinde ihren Sinn. Sie befahl der edlen K�nigstochter, die niedrigsten Magddienste zu verrichten. Gudrun mu�te die Ofen heizen, die Br�nde mit eigener Hand sch�ren, Staub wischen und die Zimmer reinigen. �ber die Lippen der Gequ�lten kam keine Klage. Da beschlo� die b�se Gerlinde, Gudrun noch tiefer zu dem�tigen. Sie gab ihr den Auftrag, t�glich zum Strande zu gehen und dort die
W�sche zu waschen. Auch diese Schmach ertrug Gudrun und bewahrte ihrem Verlobten die Treue. Eine treue Helferin fand ste in Hildburg, einer Jungfrau, die mit ihr aus der Heimat entfuhrt worden war.
4. Wie Gudrun die erste Nachricht von ihrer bevor-stehenden Rettung erhielt.
Dreizehn Jahre hatte Gudrun schon im Lande der Nor-mannen gedient. Eines Tages stand sie wieder mit der treuen Hildburg am Meere und reinigte die Gew�nder der K�nigin. Da nahte sich unerwartet ein Vogel. Er betrachtete die beiden Freundinnen eine Weile, dann fing er pl�tzlich an zu sprechen, so da� die M�dchen erschrocken aufhorchten. �Ich bin ein Bote Gottes", sagte er. �Aus dem Meere sah ich eine gro�e Flotte,' morgen werden zwei M�nner erscheinen, die werden frohe Kunde bringen." Dann erhob er sich von den Wellen und flog davon. Die Nachricht erregte die beiden Frauen so, da� sie den ganzen Tag von der Heimat erz�hlten. Als der Abend hereinbrach, hatten sie nur wenig gewaschen. Die b�se Gerlinde empfing sie deshalb sehr zornig und schickte sie ohne Essen in ihre Schlafkammer. Aber die Jungfrauen empfanden keinen Hunger; sie lagen mit offenen Augen in ihren harten Betten und erwarteten mit Sehnsucht den kommenden Morgen. Endlich wurde es in dem Schlosse lebendig. Die beiden Freundinnen eilten hinunter, nahmen die W�sche und schritten barfu� durch den frischen Schnee hinab zum Meeresstrande.
5. Wie die Retter nahten.
Schon waren mehrere Stunden vergangen; gegen die Klippen schlugen die sch�umenden Wellen und besp�lten die blo�en F��e der Waschenden. Zitternd vor Frost und K�lte starrten die Jung-frauen hinaus auf das weite Meer. Endlich erhob sich in der Ferne etwas aus den Fluten; es war ein Nachen, der mit kr�f-tigen Ruderschl�gen dem Lande zugetrieben wurde. Gudrun wollte entfliehen, als sie in dem Fahrzeuge zwei M�nner erkannte. Auf das Zureden der Freundin blieb sie jedoch stehen. Nun war der Nachen heran, die Ritter sprangen ans Ufer und schritten auf die frierenden Jungfrauen zu. Es waren Ortwin und Herwig. Nach einem freundlichen Gru�e erkundigten sie sich nach dem Herren des Landes; auch fragten sie, ob nicht vor vielen Iahren eine Jungfrau Gudrun als Geraubte hierher gebracht worden fei. Gudrun gab Bescheid und bemerkte, da� sie einst mit Gudrun in das Land gekommen sei. Sogleich streckte Herwig seine Hand aus und rief: �Seid ihr eine der Geraubten, so m��t ihr diesen Ring erkennen, denn ich bin Herwig, Gudruns Verlobter!" Da
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erkannten sich die so lange Geschiedenen und sanken einander vor Freude in die Arme. Am liebsten h�tte Herwig seine Braut so-gleich von hinnen gef�hrt; allein Ortrom meinte: �Im Kampfe ist sie uns genommen, im Kampfe wollen wir sie auch wieder-gewinnen." Nun fuhren die Helden zur�ck, um den Sturm auf die Burg der Normannen vorzubereiten. Gudrun aber warf die W�sche der K�nigin ins Meer. Als die b�se Gerlinde die leeren K�rbe sah, wurde sie zornig und drohte, die beiden Freundinnen mit Ruten peitschen zu lassen. Allein Gudrun griff zur List; sie versprach, nun Hartmuts Frau werden zu wollen. Dar�ber wurde die K�nigin so erfreut, da� sie den Gefangenen k�stliche Kleider gab und sie in weichen Betten schlafen lie�.
6. Wie Gudrun befreit wurde.
W�hrend der Nacht f�hrten Herwig und Ortwin ihre Mannen vor die feindliche Burg. Am andern Morgen entspann sich ein f�rchterlicher Kampf. Die Normannen st�rmten aus den Toren und griffen die Hegelingen im freien Felde an. K�nig Ludwig raste auf mutigem Schlachtrosse mitten in die Feinde. Aber bald ereilte ihn sein Geschick. Herwig ersp�hte ihn und schlug ihm mit wuchtigem Streiche das Haupt ab. Da entfiel den Nor-mannen der Mut; sie flohen zur�ck und suchten Schutz hinter den festen Mauern ihrer Burg. Doch Wate war ihnen aus den Fersen und verh�tete das Schlie�en des Tores. Die Hegelingen drangen ncich und nahmen alles gefangen. Gerlinde bekam den verdienten Lohn; Wate entdeckte sie im Frauengemach und hieb ihr den Kspf ab. Damit war der Kamps beendet.
Mit"'reicher Beute kehrten die Hegelingen in die Heimat zur�ck. Als 'die K�nigin Hilde ihre Tochter wiedersah, waren aller Gram und alles Leid vergessen. Eine dreifache Hochzeit brachte ; Frieden und Vers�hnung. Herwig verm�hlte sich mit Gudrun, Ortwin heiratete die edle Ortrun, und Hartmut freite die treue Hildburg.
4. Bonifatius.
1. Die Religion der alten Germanen.
Die Germanen zwischen Rhein und Elbe waren Heiden ge-blieben. Noch im siebenten Jahrhundert nach Christus brachten .sie auf Bergen oder unter uralten Eichen ihren G�ttern blutige und unblutige Opfer dar. Ihr oberster Gott war Wodan; er war de^�Vater der Menschen und der Herrscher �ber Himmel und Erde. Sein goldener Thron stand �ber den Wolken; zu seinen F��en lagen zwei W�lfe, und auf seinen Schultern sa�en zwei
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Raben. Die flogen t�glich zur Erde hinab und brachten dem Gebieter der Welt von allen Geschehnissen Kunde. Ein Sohn Wodans war der gewaltige Donar, der Gott des Gewittersund des Ackerbaues. Er sandte den Sonnenschein und Regen und verwandelte die oberste Schicht des Erdreiches in fruchtbares Acker-land. Zuweilen fuhr er auf einem Wagen, der von zwei Ziegen-b�cken gezogen wurde, �ber die Wolken. Dann donnerte es. Und wenn er seinen Hammer schleuderte, so zuckten grelle Blitze zur Erde. Ein anderer Sohn Wodans war Ziu, er war der Kriegsgott der alten Germanen. Sie riefen ihn an, wenn sie in den Kampf zogen. Ihm zu Ehren wurde der Schwerttanz auf-gef�hrt, bei dem sich nackte J�nglinge zwischen blo�en und scharfen Schwertern bewegten. � Aber die Tage der germanischen G�tter waren gez�hlt. Um das Jahr siebenhundert kamen M�nner in das Land Germanien, die der staunenden Menge von einem Gotte, der der Vater aller Menschen sei, erz�hlten, die die W�lder aus-rodeten, Kirchen und Kl�ster bauten und zugleich die frohe Bot-fchaft von Jesus Christus verk�ndigten. Der bedeutendste Missionar wurde der Angelsachse Wynsrith.
2. Wynsriths Jugend.
Wynsrith stammte aus einem vornehmen Geschlechte, das in S�dengland gro�e Besitzungen hatte. Sein Vater war ein hoher Beamter des K�nigs und w�nschte, da� sein begabter Sohn einst-mals auch in den Dienst des Herrschers treten solle. Dazu hatte aber der Knabe keine Lust, er fand auch kein Wohlgefallen an der Jagd und den Waffenspielen. Dagegen sehnte er sich nach einer stillen Schule im Kloster, wo er sich ungest�rt in den In-halt der Heiligen Schrift vertiefen konnte. Der Vater gab endlich dem Dr�ngen des Sohnes nach, und fo wurde Wynsrith kein Staatsmann, sondern ein Geistlicher. Er bekam auch bald eine Pfarrstelle und predigte so schlicht und innig, da� sein Gotteshaus die Zuh�rer kaum fassen konnte.
3. Wynsrith bei den Frieden.
Trotz der Erfolge fand Wynfrith keine rechte Befriedigung in feinem Berufe; es dr�ngte ihn, den heidnischen Germanen das reine Evangelium zu bringen. Er gab sein Amt auf und wurde Missionar. Zuerst suchte er die Friesen auf; sie wohnten an der K�ste der Nordsee und waren in ununterbrochenem Kampfe mit dem Meere ein z�hes, energisches Volk geworden. Hier hatten schon fr�her Glaubensboten gewirkt, und der wilde Herzog Rad-bob war schon einmal so weit gewesen, sich taufen zu lassen. Er hatte schon einen Fu� in bas Wasser gesetzt, als er ben Missionar
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pl�tzlich fragte: �Frommer Bater, wenn ich nun in den Himmel Komme, werde ich ba auch meine Vorfahren finden? �Nein, antwortete der Geistliche, �beim sie waren Heiden/' Sofort zog Radbob feinen Fu� zur�ck und erkl�rte stolz: �So will ich lieber mit meinen Vorfahren in der H�lle, als mit euch armseligen Christen im Himmel sein!" Seit dem Tage war er em unversohn-lieber Feind aller Glaubensboten, so da� keiner unter den � riefen erfolgreich zu wirken vermochte. Auch Wynfriths T�tigkeit war umsonst. Drei Jahre hatte er mit Energie und Z�higkeit gepredigt und unterrichtet und doch nichts erreicht. Er verlie� deshalb das Land der Friesen und ging wieder in seine Heimat zuruck.
3. Wynsrith bei den Hessen.
Bald aber trieb es ihn zu neuer Arbeit. Er zog den Rhein aufw�rts und ging dann �ber die Alpen nach Rom, um sich von dem Papste, dem Oberhaupte der christlichen Kirche, Ratschlage zu seinem Bekehrungswerke zu erbitten. Der Papst nahm den eifrigen Mann sehr freundlich auf, gab ihm den Namen Bonifatius (b. h. bet vom Schicksal Beg�nstigte) und machte ihn zugleich um obersten Geistlichen (Bischof) �ber alle christlichen Gemeinden in Deutschland. � Nun wandte sich Bonifatius den innern St�mmen Germaniens zu. Er ging mit feinen Gehilfen zu den Hessen; sie hatten ihre Wohnsitze an der Fulda. Diesmal hatte seine T�tigkeit Erfolg; von fern und nah Kamen die Heiden und lie�en steh taufen. Viele aber blieben auch bei ihrem Glauben. Am meisten w�rbe ben G�ttern bei bem Orte Geismar unter ber uralten Donareiche geopfert. Da beschlo� Bonifatius, ben Hessen bie Ohnmacht ihrer G�tter zu zeigen. Er zog nach bem Dorfe, unb als viele Heiben versammelt waren, gab er seinen Helfern ben Befehl, ben Baum umzuhauen. Die Umstehenben wichen vor Angst zur�ck unb meinten, ber m�chtige Donar m��te jeben Augenblick einen Blitz vom Himmel schleubern unb bie Frevler zerschmettern. Aber kein W�lkchen zog am tiefblauen Himmel herauf, unb kein Blitzstrahl zuckte zur Erbe. Die Eiche aber st�rzte Krachenb zu Boben unb zerbrach in brei Teile. Donar hatte fein Heiligtum nicht zu sch�tzen vermocht. Da sahen bie Hessen ein, ba� ihre G�tter machtlos waren, unb lie�en sich taufen. � Mit ben Erfolgen im Hessenlanbe war aber Bonifatius noch nicht aufrieben. Er wanbte steh nun zu ben Th�ringern. Unter vielen Befchwerben zog er von Ort zu Ort,- prebigte unb _ unterrichtete unb f�hrte ben gr��ten Teil bes Volkes bem (Ehriftengotte zu. Unter ben Sachsen vermochte er jeboch nichts auszurichten; hier w�rben feine Boten entweber vertrieben ober erschlagen. � Bonifatius sorgte auch, ba� bie Bekehrten noch mehr von bem neuen Gott erfuhren. Er lie� Kl�ster erbauen, in benen M�nche die
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?rn)a5JeiIen die ^n^er unterwiesen. Das ber�hmteste wurde das Kloster ^ulda. Auch entstanden �berall Meine, h�lzerne Kirchen. Der Papst war mit den Erfolgen so zufrieden, da� er Bonifatius zum obersten Bischof, zum Erzbischos, ernannte.
4. Bonifatius Ende.
Aber Bonifatius fand noch keine Ruhe. Als Greis von fahren zog er noch einmal in das Land der Friesen. Mit gro�em Elser begann er das Bekehrungswerk. Er hatte auch Erfolg; mele trotzigen Friesen lauschten seinen Worten. Als er aber eines Morgens die Willigen taufen wollte, wurde er pl�tzlich mit fernen Gef�hrten von einer wilden Schar �berfallen. Mit dem Kreuze und dem Evangelienbuche in der Hand empfina er *1 ?odessto� (754). Die Leiche wurde rheinausw�rts gebracht und m dem Kloster Fulda bestattet.
5. Karl der Gro�e (768�814).
1. Karl der Gro�e als Kriegsheld.
Um das Jahr achthundert lebte ein m�chtiger K�nig, Karl der Gro�e. Er beherrschte das Frankenreich, das sich vom Main und Rhein bis zum Atlantischen Ozean erstreckte. Sein Streben ging dahin, alle germanischen St�mme zu einem christ-hchen Reiche zu vereinigen. Deshalb mu�te er mehrere Kriege fuhren; besonders bekamen die Sachsen die Sch�rse seines Schwertes zu f�hlen.
Die Sachsen waren die Nachbarn der Franken; ihr Land erstreckte sich vorn Rhein bis zur Elbe und von der Vereinigung der Werra und Fulda bis zur Nordsee. Sie unternahmen h�ufig Einf�lle in das Frankenreich, pl�nderten- die Ortschaften aus, trieben das Vieh weg und t�teten M�nner und Frauen, Greise und Kinder. Au�erdem waren sie der einzige Volksstamm, der sich noch nicht zum Christentum bekehrt hatte. Auf den Bergen und in den dunkeln W�ldern opferten fie noch immer ihren G�ttern.
Im Jahre 772 unternahm der Frankenherrscher den ersten Kriegszug gegen die Sachsen. Mit einem Reiterheere zog er an der Fulda entlang. Er eroberte die Feste Eresburg und zerst�rte das Irminsul. Das war ein s�chsisches Heiligtum. Die Sachsen waren auf einen Kampf nicht vorbereitet; sie unterwarfen sich und traten zum Christentum �ber. Nun zogen Priester und M�nche in das Sachsenland ein; es entstanden Kirchen und Kl�ster. Wo fr�her den G�ttern geopfert wurde, da riefen jetzt die Gl�cklein
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zum Gottesdienste. Au�erdem erbaute Karl einige Festungen, in die er fr�nkische Krieger legte. Auch mu�ten sich die Sachsen verpflichten, den zehnten Teil aller Feldfr�chte an die Geistlichen abzuliefern.
Karl der Gro�e glaubte, die Sachsen wirklich unterworfen zu haben. Er hatte sich aber sehr geirrt. Kaum hatte er mit seinem Heere das Land verlassen, so rief der Herzog Widukind fein Volk zum Kampfe gegen die fremden Unterdr�cker auf. Die zur�ckgebliebenen Franken wurden vertrieben oder get�tet, die Festungen zerst�rt und die Kirchen und Kl�ster niedergebrannt. Der Frankenherrscher war �ber die Treulosigkeit der Sachsen er-grimmt; er sandte ein neues Heer aus, um die Emp�rer zu be-strafen. Aber der Feldherr war unbedachtem; als er mit seinen Truppen arglos durch die W�lder und Berge an der Weser zog, wurde er pl�tzlich von Widukind �berfallen und v�llig geschlagen. Nur wenige Franken konnten sich retten; sie brachten die Kunde von der schweren Niederlage zu ihrem K�nige.
Kaum hatte Karl die Schreckensbotschaft vernommen, so eilte er selbst mit einem gr��eren Heerhaufen in das Sachsenland. Mit schonungsloser H�rte zeigte er den Emp�rern seine Macht. Er verw�stete ihre Felder, verbrannte ihre Geh�fte und lie� zu Verden an der Aller eine Anzahl der vornehmsten Sachsen hin-richten. Dadurch entfachte er aber nur die Wut der Unterjochten; sie griffen zu den Waffen und stellten sich unter der F�hrung ihres Herzogs den Franken zweimal in offener Feldschlacht ent-gegen. Sie k�mpften wie Verzweifelte, wurden aber doch von der �bermacht besiegt. Da sah Widukind ein, da� jeder weitere Widerstand nutzlos sei. Zugleich aber hatte Karl erfahren, da� ein selbst�ndiges Volk nicht mit Gewalt zur Annahme des Christen-tums gezwungen werden k�nne. Er sandte t�chtige Missionare aus, zeigte sich mild und vers�hnlich und versuchte Widukind zu bewegen, zum Christentum �berzutreten. Der Herzog erschien auch und lie� sich taufen. Damit war der Kampf mit den Sachsen beendet. Karl dehnte sein Reich bis zur Elbe und Nordsee aus, stellte die Sachsen den Franken gleich und gr�ndete zur Be-ses�gung des Christentums eine Anzahl Bist�mer, wie M�nster, Paderborn, Osnabr�ck, Bremen und Halberstadt.
K�nig Karl mu�te auch mit den Langobarden, die ihre Wohnsitze in Norditalien hatten, Krieg f�hren. Der Herrscher der Langobarden, der K�nig Desiderius, bedr�ngte den Papst in Rom. Dieser rief Karl den Gro�en zu Hilfe. Sofort sammelte der Frankenk�nig ein Heer und f�hrte es auf einem beschwer-lichen Marsche �ber die Alpen in die Poebene hinab. Desiderius war zu schwach; er wagte keine offene Feldschlacht, sondern zog sich mit seinen Getreuen in seine feste Hauptstadt Pavia zur�ck. Aber auch hier fand er keinen dauernden Schutz. Karl schlo� die
Donat, Geschichtsbilder. ->
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Stadt ein und zwang sie schon nach sieben Monaten zur �ber-g�be. Der Langobardenk�nig erfuhr eine harte Behandlung; er wurde seiner K�nigslocken beraubt und in ein Kloster gesteckt. Dann setzte sich Karl die �Eiserne Krone" der Langobarden aufs Haupt und dehnte sein Reich �ber Nord- und Mittelitalien aus.
2. Die Kaiserkr�nung Karls.
K�nig Karl hatte sich ein gro�es Reich geschaffen; es reichte von Italien bis zur Nordsee und vom Atlantischen Ozean bis zur Raab. Solche Macht hatte noch kein K�nig der Germanen vor ihm besessen. Deshalb war es seine Absicht, sich zum Kaiser kr�nen zu lassen. � Da geschah es, da� der Papst Leo bei einem feierlichen Umz�ge von feinen Feinden mi�handelt wurde. Er floh aus Rom und suchte Schutz bei dem m�chtigen K�nige der Franken. Karl nahm sich seiner an, f�hrte ihn nach Italien zur�ck und setzte ihn wieder in seine W�rde ein. Nun wollte sich der Papst dankbar erweisen. Als K�nig Karl am ersten Weihnachtsfeiertage des Jahres 800 im langen Purpurmantel am Altare der Peters-Kirche kniete und betete, trat unerwartet Papst Leo hervor und fetzte ihm die goldene Kaiserkrone aufs Haupt. Sogleich erhob sich unter dem anwesenden Volke ein gro�er Jubel. Der Papst aber verbeugte sich vor dem Kaiser und huldigte ihm als Ober-Herrn. Von jetzt ab war Karl der Gro�e der erste F�rst der ganzen Christenheit.
3. Karl der Gro�e als Landesvater.
Kaiser Karl war nicht blo� ein gro�er Kriegsheld, sondern auch ein Vater feiner V�lker. Sein m�chtiges Reich teilte er in Gaue ein. Sie wurden von Gaugrafen verwaltet. Ein Gaugraf mu�te Br�cken unb Stra�en bauen lassen, Gericht abhalten und die Krieger im Kampfe anf�hren. An ben Grenzen hie�en bie Gaue Marken; an ihrer Spitze stanben Markgrafen. Sie mu�ten stets zum Kriege mit ben unruhigen Nachbarn bereit sein. Zur Beaufsichtigung ber hohen Beamten stellte Karl ber Gro�e bie Sendgrafen an. Sie bereisten j�hrlich gr��ere Teile bes Reiches, nahmen etwaige Klagen gegen die Gau- oder Markgrafen ent-gegen, sprachen Gericht �ber Leben und Tod, besuchten die k�niglichen G�ter (Pfalzen) und erstatteten dem Herrscher nach ihrer R�ckkehr genauen Bericht.
Karl der Gro�e war ein eifriger F�rderer des Ackerbaues. Er vergr��erte das anbauf�hige Land, indem er gro�e Waldstrecken ausroden lie�. Auf feinen eigenen G�tern legte er Musterwirtschaften an und zeigte den Gro�grundbesitzern, welche Getreide-und Gem�searten angebaut werden sollten. Mit dem Ackerbaue
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suchte der Kaiser auch zugleich die Viehzucht zu heben; besondere Sorgfalt verwandte er auf die Pferde-, Schaf-, Schweine- und Gefl�gelzucht. � Auch der Handel wurde beg�nstigt. Die alten Stra�en wurden ausgebessert und neue hergestellt. Die Fl�sse wurden schiffbar gemacht, und an den Ufern erhoben sich bald sch�tzende D�mme. Der Kaiser hatte auch den Plan, den Main mit der Donau durch einen Kanal zu verbinden. � F�r die Bildung seines Volkes war Kaiser Karl ebenfalls eifrig besorgt. Er selbst bem�hte sich, noch im Alter das Schreiben zu erlernen. Allein die Hand, die das schwere Schwert zu schwingen wu�te, war f�r den leichten Griffel zu ungelenk. Bei jedem Kloster wurde eine Schule errichtet, in denen die Z�glinge Psalmen, geist-liehe Ges�nge, das Vaterunser und das Glaubensbekenntnis zu lernen hatten. Die Hofschule wurde von den Kindern der Beamten besucht. Die Sch�ler lernten haupts�chlich lesen, schreiben und rechnen, damit sie einst in den Dienst des Kaisers treten konnten. � Mit gro�er Vorliebe lauschte Karl den alten Sagen und Heldenliedern; er lie� sie sammeln und aufschreiben. �berhaupt war er ein Freund der Muttersprache. Auf seinen Befehl mu�ten die Geistlichen deutsch predigen und religi�se St�cke in das Deutsche �bertragen. Selbst die Monate erhielten deutsche Namen; so hie� der M�rz Lenzmonat, der Mai Wonnemonat, der Juli Heu-monat, der Oktober Weinmonat, der Dezember Christmonat.
4. Karls Pers�nlichkeit.
Karl war von gro�er und kr�ftiger Gestalt. Von fr�hester Jugend hatte er seinen K�rper abgeh�rtet und gest�hlt. Im Reiten, Fechten, Schwimmen und Jagen konnte es so leicht keiner mit ihm aufnehmen. Noch im sp�ten Alter schwang er sich gern aufs Ro�, um den starken Auerochsen und den wilden Eber zu erlegen. Die Nahrung des Kaisers war einfach; am besten schmeckte ihm der Braten, den seine J�ger am Spie�e ger�stet hatten. Auch in der Kleidung verschm�hte er allen Prunk und alle Pracht. Gew�hnlich trug er fr�nkische Gew�nder, die von seiner Frau und seinen T�chtern gewebt und gen�ht worden waren. Nur bei festlichen Gelegenheiten erschien er im golddurchwirkten Kleide. Eine feste Hauptstadt hatte Karl der Gro�e nicht; er lebte auf feinen Pfalzen bald hier, bald da. In den letzten Iahren hielt er sich meistens in Aachen auf. Hier ift er auch (814) verschieden. Der Leichnam wurde in der Marienkirche beigefetzt. Karls des Gro�en Gestalt aber lebte noch lange in Sagen und Liedern unter den Deutschen fort.
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6. Heinrich I. (919�936).
1. Sein Vorg�nger Konrad von Franken.
Das m�chtige Frankenreich hatte keinen Bestand; schon unter dem Enkel Karls des Gro�en fand eine Teilung statt. Es bildeten sich drei Reiche, n�mlich Westftanken oder Frankreich, Ostftanken oder Deutschland und Italien. In Deutschland re-gierten die Karolinger noch bis zum Jahre 911. Sie waren jedoch meistens schwache Herrscher und konnten den weiteren Ver-fall des Reiches nicht aufhalten. Es entwickelten sich nach den bedeutendsten St�mmen f�nf Herzogt�mer; sie hie�en Sachsen, Franken, Lothringen, Schwaben und Bayern. Die Herz�ge rissen die fr�heren k�niglichen G�ter an sich und regierten wie selb-st�ndige F�rsten. � Nach dem letzten Karolinger w�hlte ein Teil der Deutschen den Frankenherzog Konrad zum K�nige. Aber nicht alle Herz�ge wollten ihn als Herrscher anerkennen, denn sie wu�ten, da� dann ihre Macht beschr�nkt w�rde. Da griff Konrad zum Schwerte. Er war jedoch zu schwach und wurde besiegt. Der Sachsenherzog Heinrich brachte ihm eine besonders schwere Niederlage bei. Da erkannte Konrad, da� sein Geschlecht nicht die Macht habe, Deutschland vor v�lliger Zersplitterung zu retten. Auf seinem Sterbebette bat er deshalb seinen Bruder, dem m�ch-tigsten Herzoge des Reiches, Heinrich von Sachsen, die K�nigs-Krone zu bringen. Der Wunsch des K�nigs wurde erf�llt; im Jahre 919 wurde Heinrich zu Fritzlar von den s�chsischen und fr�nkischen Gro�en zum deutschen K�nig ausgerufen.
2. Heinrich sucht die Reichseinheit herzustellen.
Heinrich I. war kl�ger als sein Vorg�nger; er suchte die Herz�ge, die ihn nicht mit gew�hlt hatten, auf friedlichem Wege zur Anerkennung seiner W�rde zu gewinnen. Der Schwaben-herzog war sogleich dazu bereit; er gab die k�niglichen Pfalzen heraus , und versprach auch, den K�nig mit seinen Kriegern zu unterst�tzen. Der Bayernherzog dagegen war ein trotziger Mann, er war bereit, sich dem Herrscher mit dem Schwerte in der Hand zu widersetzen. Doch Heinrich wollte keinen Kampf; er ritt mit wenigen Reitern in das Lager des Herzogs und ge-wann ihn durch G�te und Leutseligkeit. Am l�ngsten widerstrebte der Herzog von Lothringen; allein durch Klugheit brachte Heinrich auch ihn auf seine Seite. Sp�ter gab ihm der K�nig sogar seine Tochter zur Gemahlin. So wurde Heinrich von allen St�mmen und Herz�gen als K�nig anerkannt.
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3. Der Einfall der Ungarn.
Kaum hatte Heinrich die Einigung der deutschen St�mme zuwege gebracht, so brachen die Ungarn in das -Land ein. Auf ihren kleinen, struppigen und ausdauernden Pferden zogen sie an der Donau entlang und fielen sengend, raubend und mordend in Th�ringen und Sachsen ein. Zertretene Felder, einge�scherte St�dte und D�rfer, erschlagene M�nner, Frauen, Greise und Kinder be-zeichneten den Weg, den diese wilden Horden gezogen waren. Der K�nig konnte sein eigenes Herzogtum nicht sch�tzen; er mu�te sich in eine feste Burg zur�ckziehen und zusehen, wie seine Unter-tanen get�tet und ausgeraubt wurden. Da gelang es Heinrich, bei einem Ausfalle aus der Feste einen ungarischen H�uptling gefangen zu nehmen. Sogleich boten die Feinde ein hohes L�se-gelb. Davon aber wollte Heinrich nichts wissen; er versprach, den Gefangenen freizugeben und einen j�hrlichen Tribut zu zahlen, wenn die Ungarn geloben w�rden, neun Jahre nicht wieder nach Sachsen und Th�ringen zu kommen. Die Ungarn waren damit einverstanden und zogen ab.
4. Heinrich bereitet sein Volk und sein Land zu einem Kampfe mit den Ungarn vor.
Die gewonnene Zeit benutzte nun der K�nig, um sein Land und sein Volk zu einem Kampfe mit den Feinden vorzubereiten. Die Sachsen wohnten noch in einzelnen Geh�ften oder in offenen D�rfern; ummauerte Ortschaften gab es bei ihnen noch nicht. Nur hie und da ragte eine stolze K�nigsburg oder ein unein-nehmbarer Bischofssitz empor. Heinrich ging nun daran, die S�d-und Ostgrenze von Sachsen und Th�ringen zu befestigen. Die Niederlassungen wurden mit Wall und Graben umgeben, und auf den Anh�hen entstanden feste Burgen. In die Sicherheitspl�tze wurde schon im Frieden eine Besatzung gelegt, indem Heinrich allemal den neunten Mann seiner Dienstleute verpflichtete, hier Wohnung zu nehmen. Die �brigen acht mu�ten einen Teil ihrer Feldfr�chte in die Burg abliefern. In Kriegszeiten fanden dann die Bewohner des offenen Landes in der Burg eine Zufluchts-statte. Sp�ter siedelten sich viele Menschen in der N�he der Befestigung an; so entstanden gr��ere Niederlassungen, aus denen St�dte, wie Merseburg, Quedlinburg und Goslar, hervor-gingen. � Heinrich wollte aber den Ungarn sp�ter in offerier Feld-fchlacht entgegentreten. Er mu�te also bedacht sein, ein t�chtiges Neiterheer zu schaffen. Er vermehrte die Zahl seiner Krieger und gew�hnte sie an den Dienst zu Ro�.
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5. Heinrich besiegt die Reichsfeinde.
Zun�chst wollte Heinrich die T�chtigkeit seines Reiterheeres erproben; er beschlo�, einen Kriegszug gegen die Wenden zu unternehmen. Diese wohnten an der Havel und waren oftmals in Sachsen und Th�ringen eingefallen. Heinrich besiegte sie und nahm sogar ihre von Seen und S�mpfen umgebene Hauptstadt Breuna bor, das heutige Brandenburg, ein. � Nun war Heinrich bereit, den Kampf mit den Ungarn aufzunehmen. Er verweigerte den Gesandten den Tribut und wies sie h�hnend ab. Sofort kamen die wilden Reiterschw�rme wieder und fielen mor-dend und raubend in Sachsen und Th�ringen ein. Allein die meisten Ortschaften waren leer. Die Bewohner hatten sich in die ummauerten St�dte und in die festen Burgen gefl�chtet. Mutig und entschlossen f�hrte der K�nig seine Krieger dem Feinde ent-gegen. An der mittleren Unstrut stie�en die Heere (933) zusammen. Im Nu waren die Ungarn auf ihren flinken Pferden heran. Doch die Sachsen warteten den Anprall nicht ab; sie jagten den Feinden entgegen und ritten sie in geschlossenen Reihen nieder. Die Ungarn stoben auseinander und eilten in wilder Flucht davon. Heinrich kehrte sieggekr�nt nach Sachsen zur�ck und wurde in allen deutschen Gauen ger�hmt und geehrt.
6. Heinrichs Tod.
Die letzten Lebensjahre verbrachte K�nig Heinrich auf feiner Pfalz zu Memleben an der Unstrut. Hier schied er auch aus dem -Leben, nachdem er noch seinen �ltesten Sohn Otto zu seinem Nachfolger hatte w�hlen lassen. Seine Gebeine wurden im Dome zu Quedlinburg beigesetzt. Hier ruht auch seine Gemahlin Mathilde. Sie stammte aus dem alten Geschlechte WiduKinds und war in ihrer Mildt�tigkeit und Freundlichkeit gegen die Armen und Kranken eine echte K�nigin.
7. Otto der Gro�e (936�973).
1. Sein Kampf mit den Herz�gen.
Otto I. war der zweite deutsche K�nig aus dem Geschlechte der Sachsen. Er war energischer als sein Vater. Sein Streben ging dahin, die Selbst�ndigkeit der Herz�ge zu vernichten. Sie sollten nur seine Beamten sein und seinen Willen tun. Schon bei der gl�nzenden Kr�nung in der Pfalz Karls des Gro�en zu Aachen brachte er diesen Gedanken zum Ausdruck. Die Gro�en des Reiches, Herz�ge, F�rsten und Grafen, mu�ten ihm unter Handschlag stetige Treue geloben, und bei dem Kr�nungsmahle
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hatten die Herz�ge dem jungen K�nige aufzuwarten. Der Franken-herzog sorgte f�r die Speisen (Erztruchse�), der Schwabenherzog f�r den Wein (Erzmundschenk), der Herzog von Lothringen f�r die Wohnung (ErzK�mmerer) und der Bayernherzog f�r das Unterbringen der Ritter und ihrer Pferde (Erzrnarfchall).
Nat�rlich wollten sich die Herz�ge von ihrer Macht nichts nehmen lassen; sie griffen zu den Waffen und emp�rten sich. Zu den Aufr�hrern gefeilte sich auch Ottos j�ngerer Bruder Heinrich. Dieser war ehrgeizig und trachtete selbst nach der K�nigskrone. Doch der K�nig besiegte die Herz�ge. Da stiftete Heinrich eine Verschw�rung an und wollte feinen Bruder in Quedlinburg am Osterfeste ermorden. Allein der verr�terische Anschlag wurde noch rechtzeitig entdeckt. Heinrich floh, wurde aber ergriffen und nach Ingelheim gebracht. In der strengen Hast kam er zur Einsicht, da� er sich an dem K�nige schwer vers�ndigt hatte. Er entkam aus dem Kerker und warf sich im B��ergewande seinem Bruder am Weihnachtsfefte im Dome zu Frankfurt a. M. zu F��en. Otto verzieh ihm und gab ihm sp�ter das Herzogtum Bayern zur Verwaltung. Heinrich erwiderte die Gnade des K�nigs mit unersch�tterlicher Treue.
2. Otto erwirbt Italien und die Kaiserw�rde.
In Italien herrschten nach dem Mussterben der Karolinger erbitterte Kampfe unter den Gro�en des Landes. Als der junge K�nig pl�tzlich starb, lie� sich der Markgraf Berengar von Ivrea zum Herrfcher kr�nen. Zugleich wollte er die Witwe des letzten K�nigs, Adelheid, mit feinem Sohne verm�hlen. Adelheid wollte aber von dem Ehebunde nichts wissen; sie floh und wandte sich hilfesuchend an den deutschen K�nig. Otto zog auch mit einem Heere �ber die Alpen nach Italien, schlug Berengar, feierte mit Adelheid eine gl�nzende Hochzeit und nahm das Land in Besitz. Von jetzt ab nannte sich Otto auch noch K�nig der Langobarden.
Als sp�ter Berengar den Papst in Rom bedr�ngte, �berstieg Otto zum zweiten Male die Alpen. Er besiegte den Friedensst�rer und schickte ihn nach Deutschland in die Gefangenschaft. Dann zog er nach Rom und wurde hier (962) vom Papste zum r�mischen Kaiser gekr�nt. So ging die Kaiserw�rde auf den deutschen K�nig �ber. Das Reich aber, das Otto schuf, nannte man das �Heilige r�mische Reich deutscher Nation".
3. Ottos Kampf mit den Reichsfeinden.
Im Jahre 955 fielen die Ungarn abermals in Deutschland ein. Sie chatten von den vielen K�mpfen vernommen, die Otto
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mit den Herz�gen zu bestehen gehabt hatte, und meinten, die Kraft der Deutschen sei geschw�cht. Ihre Scharen w�lzten sich an der Donau entlang und �berschwemmten das Herzogtum Bayern. �berall stiegen die Feuers�ulen zum Himmel empor und ver-k�ndigten, welch schrecklicher Feind die friedlichen D�rfer und St�dte heimgesucht hatte. Wohl suchte der Bayernherzog Heinrich sein Land zu sch�tzen; allein er wurde geschlagen und mu�te sich zur�ckziehen. Die Ungarn zogen sengend und brennend weiter und kamen vor die Mauern der Stadt Augsburg. Sie schlugen ein Lager auf und schl�ssen den Ort ein. Ehe sie aber einen Sturm unternehmen konnten, war Otto mit einem Heere herbei-gekommen. Er hatte die Sachsen und Franken, die Schwaben und Bayern zum Kampfe aufgerufen, und sie waren alle herbei-geeilt, um den alten Feind gemeinsam niederzuringen. Zum ersten M<-le f�hrte der deutsche K�nig alle St�mme ins Feld. Auf dem Lechfelde stie�en die Deutschen mit den Ungarn zusammen. Es entwickelte sich ein furchtbarer Reiterkampf. Der Boden erdr�hnte von dem Gestampf der Rosse. Wie der Blitz waren die Ungarn an den geschlossenen Reihen der Deutschen; doch sie wurden abgeschlagen und ergriffen die Flucht. Nur wenige retteten das nackte Leben. Was den scharfen Schwertern der ergrimmten Deutschen entrann, das ertrank in den Fluten des Lech oder wurde von den zornigen Landbewohnern erschlagen. Die schreck-liche Niederlage brach die Kraft der Ungarn; sie wagten nie wieder, deutschen Boden zu betreten. � Auch die Wenden bekamen den starken Arm Ottos des Gro�en zu f�hlen. Ihr Land wurde fast bis Zur Oder unterjocht. Deutsche Priester und M�nche verk�ndigten das Christentum und bauten Kirchen und Kl�ster. Im Wendenlande wurden die Bist�mer Havelberg und Brandenburg gegr�ndet; beide geh�rten zu dem Erzbistum Magdeburg.
4. Ottos Pers�nlichkeit.
Otto war von gro�er und kr�ftiger Gestalt; aus den hellen, leuchtenden Augen sprachen eiserne Energie und scharfer Verstand. Von gelehrter Bildung hielt er nicht viel, aber er konnte lesen und schreiben. Gegen seine Untertanen war er freundlich und freigebig. Die Jagd liebte er �ber alles. Wie oft ist er als fr�hlicher J�ger durch die W�lder des Harzes gestreift! Eine feste Residenz kannte er nicht; er lebte auf feinen Pfalzen bald hier, bald dort. Am liebsten hielt er sich in Magdeburg auf. Hier fand er auch feine letzte Ruhest�tte. Der Tod �berraschte ihn zu Memleben. Die Geschichte nennt Otto mit Recht den Gro�en.
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8. Friedrich I. Barbarossa (1152�1190).
1. Sein Kampf mit den lombardischen St�dten.
Friedrich I. war ein Spro� aus dem Geschlechte der Hohenstaufen. Die Stammburg desselben lag auf dem Schw�bischen Iura in der N�he der Hohenzollernburg. Die Italiener nannten Friedrich wegen seines r�tlichen Bartes Barbarossa.
Unter den Nachfolgern Ottos des Gro�en war die Kaiser-geroalt in Italien sehr gesunken. Die St�dte in der Lombardei roaren durch ihren Handel mit dem Morgenlande zu reichen Ge-meint)en emporgebl�ht. Sie machten sich selbst�ndig und erkannten die Macht des Kaisers nicht mehr an. Sie pr�gten Geld und regierten sich selbst, indem sie B�rgermeister und Ratsherren an ihre Spitze stellten. Am m�chtigsten roar Mailand geworden; es unterdr�ckte die kleinen St�dte und D�rfer und erhob an den Stra�en und Br�cken Z�lle.
Friedrichs Streben ging nun dahin, die Macht des Kaisers in Italien wieder herzustellen. Deshalb unternahm er mehrere Z�ge �ber die Alpen. Auf dem ersten Zuge vermochte er gegen die St�dte nichts auszurichten, weil fein Heer zu schwach war. Er setzte sich in Paoia die lombardische K�nigskrone aufs Hau^t und lie� sich in Rom zum Kaiser kr�nen. Aber die R�mer waren den Deutschen feindlich gesinnt. W�hrend der Kr�nung brach ein Aufstand aus, der den Kaiser zwang, die unruhige Stadt zu verlassen. Es kam zu einem erbitterten Kampfe; Friedrich st�rzte mit dem Rosse und w�re vielleicht in dem Gero�hle umgekommen, wenn ihn nicht Heinrich der L�we, der Herzog von Sachsen, besch�tzt h�tte.
Den zweiten Zug unternahm Barbarossa mit einem gr��eren Heere. Diesmal galt es, die trotzigen St�dte zum Gehorsam zu zwingen. Mailand wurde belagert und nach kurzer Zeit ein-genommen. Es mu�te versprechen, Friedrich als Kaiser anzuer-kennen und Steuern an die kaiserliche Kasse abzuliefern. Kaum hatte jedoch Barbarossa den R�cken gewendet, so brachen die Mail�nder den geleisteten Eid. Sie emp�rten sich und vertrieben des Kaisers Beamte. Sofort kehrte Friedrich um und belagerte die ungetreue Stadt zum zweiten Male. Allein zwei Jahre lang schlugen die wachsamen B�rger alle St�rme der Deutschen ab. Endlich mu�ten sie sich doch ergeben. Mit Stricken um den Hals und mit Asche auf dem Haupte erschienen sie in dem Lager des Kaisers. Sie wurden ungn�dig empfangen; sie mu�ten die Stadt verlassen und sich an vier Ortschaften ansiedeln. Dann wurde das stolze Mailand zum gr��ten Teile zerst�rt. Friedrich war nun Herr von Italien, denn als die andern St�dte von dem furchtbaren Strafgericht h�rten, dem�tigten sie sich vor dem Kaiser.
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Doch Barbarossas Macht hatte keinen Bestand, Er hatte kaum den deutschen Boden betreten, so erhielt er die Kunde, da� der Papst zu seinen Feinden �bergegangen sei. So mu�te Friedrich seine Krieger zum dritten Male �ber die Alpen f�hren. Er erreichte auch Rom und belagerte es. Doch pl�tzlich brach eine entsetzliche Seuche unter seinem Heere aus. Tausende starben dahin und fanden ein Grab in fremder Erde. Die �berlebenden aber eilten in flucht�hnlichem Zuge in die Heimat zur�ck.
Friedrichs Feinde jubelten auf, schl�ssen einen Bund und bauten das zerst�rte Mailand wieder auf. Erst nach langer Zeit konnte der Kaiser ein neues Heer nach Italien f�hren; aber es war zu klein, um den Truppen der lombardifchen St�dte in offener Feldschlacht entgegentreten zu k�nnen. Deshalb bat er die deutschen F�rsten um Unterst�tzung. Doch ber m�chtigste unter ihnen, Heinrich der L�we, der vom Kaiser noch das Herzog-tum Bayern erhalten hatte, war zu Keiner Hilfe bereit. So mutzte Friedrich den Kampf allein wagen. Bei Legnano (1176) trafen die Heere unerwartet aufeinander. Deutsche Tapferkeit zerschellte an der �bermacht ber Feinde. Der Kaiser st�rzte mitten im Kampfe. Seine Ritter hielten ihn f�r verloren. Doch er rettete sich durch eine abenteuerliche Flucht und gelangte erft nach mehreren Tagen wieder zu den Seinigen. Die Niederlage belehrte den Kaiser, da� seine Mittel nicht ausreichend waren, die verlorene Macht in Italien wieder herzustellen. Er vers�hnte sich mit dem Papste und schlo� mit den lombardischen St�dten Frieden. Sie erhielten das Recht, sich selbst zu verwalten, und erkannten den Kaiser als ihren Oberherrn an.
2. Friedrich I. und Heinrich der L�we.
Heinrich der L�we war ein Spro� des W elf eng ef chl echtes. Neben feinen Stamml�ndern Braunfchweig und L�neburg befa� er noch die Herzogt�mer Sachsen und Bayern. Seine Macht reichte also von dem Fu�e der Alpen bis zur Nordsee. Und doch war er damit noch nicht zufrieden. In ununterbrochenem Kampfe dehnte er feine Herrschaft �ber Holstein, Mecklenburg und Pommern aus. Seinen Kriegern folgte der deutsche Bauer und der deutsche M�nch. So entstanden in den wendischen L�n-dern deutsche Geh�fte und D�rfer, und in den wendischen W�ldern erhoben sich bald Kirchen und Kl�ster. Das Wirken des ge-w�ltigen Mannes gereichte also unferm Vaterlande zum Vorteil. Am liebsten weilte Heinrich in Braunschweig; hier erbaute er sich eine Pfalz und errichtete zum Zeichen feiner Macht vor ihrem Tore einen ehernen L�wen.
Heinrich war aber auch gewaltt�tig gegen feine Nachbarn; er �berzog sie mit Krieg und entri� ihnen D�rfer und St�dte.
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Da verklagten sie ihn wegen Landfriedensbruch beim Kaiser. Friedrich Rotbart forderte ihn dreimal auf, sich zu rechtfertigen. Doch dazu war der L�we zu stolz. Da sammelte Friedrich das Reichsheer, durchzog Sachsen, eroberte Stadt auf Stadt und nahm auch endlich das feste L�beck ein. Damit war die Macht des Herzogs gebrochen; er warf sich in Erfurt dem Kaiser zu F��en und bat um Gnade. Allein Friedrich konnte seinem Lebensretter nicht helfen. Ein F�rstengericht verbannte den L�wen drei Jahre vom deutschen Boden. Au�erdem verlor er seine beiden Herzog-t�mer; nur seine Erbl�nder Braunschweig und L�neburg blieben sein Eigentum. Den gr��ten Teil von Sachsen erhielt der Erz-bischos von K�ln. Bayern bekam Otto von Wittelsbach; seine Nachkommen regieren heute noch in dem Lande. � Heinrich der L�we lebte sp�ter still und zur�ckgezogen aus seiner Pfalz in Braunschweig und erfreute sich an den Heldenliedern und an der Geschichte seines Volkes.
3. Friedrichs Tod.
Friedrich Barbarossa aber sollte noch keine Ruhe finden. Pl�tzlich durcheilte die Trauerkunde Europa, da� es dem Sultan Saladin von �gypten gelungen fei, im Heiligen Lande ein Christenheer zu vernichten und Jerusalem einzunehmen. Sofort fa�te der alte Kaiser den Entschlu�, die heiligen St�tten den T�rken wieder zu entrei�en. Aus allen Gauen Deutschlands str�mten die Ritter herbei, um an dem Kreuzzuge teilzunehmen. Auf einem beschwerlichen Landwege ging es an der Donau ent-lang durch die Balkanhalbinsel nach Kleinasien. Hier erlitt das Heer gro�e Verluste. Hunger, Durst und Hitze rafften manchen tapferen Ritter dahin. Auch die Rosse mu�ten in den steinigen, unfruchtbaren Landschaften uns�glich leiden. Endlich waren das �de Hochland und die H�hen des Gebirges �berwunden. Sieges-freudig stiegen die Ritter in die Ebene hinab. Aber bald er-klangen laute Trauerges�nge. Als n�mlich das Heer an den Flu� Saleph kam, nahm der alte Herrscher ein Bad m den kalten Fluten und wurde vom Schlage getroffen. Die Leiche konnte geborgen werden. Fern von der Heimat wurde sie in fremder Erde bestattet.
Da kehrten viele Krieger um und brachten die traurige Kunde nach Deutschland. Das Volk aber schenkte der Nachricht keinen Glauben; es meinte, Barbarossa sitze im Kyffh�ufer und warte, bis einst ein m�chtiger Kaiser komme, der Deutschland wieder stark und gro� mache. Der Traum des deutschen Volkes hat sich erf�llt; Kaiser Wilhelm I. hat die Raben verscheucht und ein neues Deutsches Reich geschaffen. Darum hat man auch ihm auf dem Kyffh�ufer ein herrliches Denkmal errichtet. In dem
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Unterbau sitzt der alte Barbarossa, der Oberbau enth�lt in einer halbrunden Nische die Reitergestalt Wilhelms I.
9. Martin Luther (1483�1546.)
1. Luthers Jugend.
Martin Luther war der Sohn eines armen Bergmannes. Er wurde am 10. November 1483 zu Eisleben geboren. Am andern Tage, dem Martinstage, wurde er getauft, �nt n�chsten Fr�hjahre siedelten die Eltern nach dem St�dtchen Mansseld �ber, weil der Vater hoffte, dort mehr zu verdienen. Hier verlebte der kleine Martin eine entbehrungsreiche Jugend. Oftmals ging er mit der flei�igen und sparsamen Mutter hinaus in die W�lder, um f�r den Winter trockenes Holz aufzulesen. Die Zucht im Vaterhause war streng; jedes Vergehen wurde mit der Rute be-straft, so da� der Knabe ganz versch�chtert wurde. Auch in der Schule ging es �berm��ig streng zu. Luther erz�hlt selbst, er habe an einem Vormittage f�nfzehnmal Schl�ge bekommen, weil er etwas nicht habe aufsagen k�nnen. Martin durfte keine Stunde vers�umen: war das Wetter schlecht, so trug ihn der Vater aus den Schultern zur Schule. Bald besserten sich die Verm�gens-Verh�ltnisse der Eltern. Daher fa�te der Vater den Entschlu�, den flei�igen und begabten Knaben studieren zu lassen. Im vier-zehnten Lebensjahre kam Luther auf die Lateinschule nach Mag de-b�rg. Doch der Unterhalt kostete zu viel; deshalb sang Martin mit anderen bed�rftigen Sch�lern vor den T�ren der reichen Leute, um selbst etwas zu verdienen. Nach einem Jahre schickte ihn der Vater nach Eisenach. Hier wohnten Verwandte, und der alte Luther hoffte, sie w�rden seinen Sohn unterst�tzen. Doch die Verwandten waren selber arm. So mu�te der angehende I�ng-ling abermals als Kurrendesch�ler durch Singen in den Stra�en f�r seinen Unterhalt sorgen. Eines Tages kam er vor das Haus der Frau Cotta, die an der sch�nen Stimme und dem bescheidenen Wesen des Knaben ein solches Wohlgefallen fand, da� sie ihn aufnahm und ihn wie ihr eigenes Kind pflegte. Nun war Luther aller Sorgen enthoben.
2. Luther in Erfurt.
Als Martin achtzehn Jahr alt war, ging er auf die Uni-verfit�t nach Erfurt, um nach dem Willen des Vaters die Rechtswissenschaft zu studieren. Er war ein flei�iger und frommer Student. Jeden Morgen sprach er sein Gebet; denn er meinte: �Flei�ig gebetet ist �ber die H�lfte studiert." Einst besuchte er die Universit�tsb�cherei und bemerkte auf einem Tische ein gro�es
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und starkes Buch. Er schlug es auf und erkannte zu seinem Er-staunen die Bibel. Nun kam er t�glich wieder, um in der Heiligen Schrift zu lesen. Je tiefer er aber eindrang, desto mehr wurde er gewahr, da� die Lehren der Kirche mit dem Worte Gottes nicht �bereinstimmten. Da erfa�te ihn eine unbeschreibliche Angst; er sah in Gott nicht den g�tigen Vater, sondern den strafenden Nichter. Auch meinte er, niemals selig werden zu k�nnen. Schon jetzt kam ihm der Gedanke, sich von der Welt in die Stille des Klosters zur�ckzuziehen. Ein Erlebnis bestimmte ihn, den ent-scheidenden Schritt bald auszuf�hren. Auf der R�ckreise von Mansseld nach Erfurt �berraschte ihn ein Gewitter; ein Blitz schlug neben ihm in die Erde. Erschrocken sank er zu Boden und rief: �Hilf, heilige Anna, ich will ein M�nch werden!" Nach wenigen Tagen nahm er Abschied von seinen Freunden und trat in das Augustinerkloster zu Erfurt ein.
Im Kloster verrichtete -Luther anfangs die niedrigsten Dienste. Er fegte die Kirche und die Zellen, l�utete die Glocken und hielt am Tore Wache. Zuweilen nahm er auch den Bettelsack auf die Schulter, um f�r die Klssterbr�der allerlei Nahrungsmittel einzu-sammeln. Aber er fand keinen Frieden f�r seine Seele. Da versuchte er es mit Fasten und Gei�eln. Er schlug sich blutig, a� und trank nicht und rang Tag und Nacht mit seinem Gott. Allein die Gewi�heit, da� ihm die S�nden vergeben waren, konnte er nicht erlangen. Da trat eines Tages ein alter Klosterbruder zu ihm und sagte: �Ich glaube an eine Vergebung der S�nden." Auch der Ordensvorsteher Johann von Staupitz nahm sich seiner liebevoll an und wies ihn auf den Spruch hin: �So halten wir es nun, da� der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werk, allein durch den Glauben." Nun wurde Luther ruhig, denn ihm war zur Gewi�heit geworden, da� der Mensch nur selig wird durch den Glauben an Jesus Christus. Bald wurde er zum Priester geweiht.
Zu dieser Zeit regierte in Sachsen - Wittenberg Kurf�rst Friedrich der Weife. Er hatte in seiner Hauptstadt Witten-berg eine neue Hochschule ins Leben gerufen und sah sich nach t�chtigen Lehrern um. Staupitz empfahl Luther. Der Kurf�rst ging auf den Vorschlag ein und berief den flei�igen M�nch als Professor an die Universit�t Wittenberg. Zugleich wurde Luther Prediger an der Schlo�kirche.
3. Luther und der Papst.
I� R�m lebte damals der Papst Leo X.; er hatte die Absicht, die pr�chtige Peterskirche zu vollenden. Dazu brauchte er viel Geld. Deshalb schrieb er f�r Deutschland einen allgemeinen Abla� aus. Nun durchzogen viele H�ndler unser Vaterland und
boten Abla�zettel ans. Einer unter ihnen war der Dominikaner-m�nch Johann Tetzel. Er besonders betrieb den Verkanf als Gesch�ft in marktschreierischer Weise; f�r alle S�nden verkaufte er Briese. Einst kam er auch nach J�terbog; von nah und fern, von Stadt und Land kamen die Menschen herbei Auch von Wittenberg liefen die Leute hinaus, kauften Abla�zettel und glaubten nun, von ihren S�nden befreit zu fem. Da beschlo� Luther, dem Treiben Tetzels Einhalt zu gebieten. Er verfa�te 95 Thesen (Streits�tze) gegen den Abla�handel und schlug sie am 31. Oktober 1517 an die T�r der Schlo�kirche zu Wittenberg. Damit begann die Reformation; denn die S�tze wurden in die deutsche Sprache �bertragen, aus Flugbl�tter gedruckt und in wenigen Wochen in ganz Deutschland verbreitet. Tausende von Menschen jubelten aus und freuten sich, da� endlich ein Mann den Mut gefunden hatte, die falschen Lehren der Kirche zu bek�mpfen.
Anfangs k�mmerte sich der Papst nicht um den Streit. Als er aber bemerkte, da� Luther immer mehr Anh�nger gewann, forderte er ihn zur Verantwortung nach Rom. Der Kurf�rst Friedrich der Weise setzte es jedoch durch, da� Luther in Deutschland durch den Kardinal Kajetan verh�rt wurde. In Augsburg kam der k�hne M�nch mit dem hohen Kirchenf�rften zusammen. Kajetan glaubte, mit dem einfachen Priester bald fertig zu werden; er verlangte kurz und barsch einen Widerruf. Dazu war aber Luther nur dann bereit, wenn man ihm aus der Heiligen Schrift nachweisen k�nne, da� er Falsches gelehrt h�tte. Das vermochte der Kardinal nicht und wurde zornig. Darauf verlie� Luther bei Nacht die Stadt und ritt verkleidet nach Wittenberg zur�ck. Im n�chsten Jahre sandte der Papst den Kammerherrn von Miltitz nach Deutschland. Ihm gelobte Luther in der Unterredung zu Altenburg zu schweigen, wenn feine Feinde schweigen w�rden. Die Gegner schwiegen aber nicht. Deshalb f�hlte sich auch Luther nicht an fein Versprechen gebunden; er ver�ffentlichte mehrere Schriften, in denen er noch andere Mi�br�uche und Irrlehren der Kirche aufdeckte. Da tat ihn der Papst in den Bann; er verfluchte ihn und stie� ihn aus der Gemeinschaft der Christen. Die Bannbulle hatte jedoch keine Wirkung; das Volk ri� sie von den Toren und Stra�enecken und trat sie in den Schmutz. Luther aber zerri� das Band, das ihn noch mit Rom verkn�pfte. An einem hellen Dezembertage 1520 zog er mit den Professoren und Studenten vor das Elstertor zu Wittenberg und verbrannte die Bannbulle. Damit sagte er sich vollst�ndig von der r�mischen Kirche los.
4. Luther in Worms und auf der Wartburg.
Der alte Kaiser Maximilian war gestorben; fein Enkel Karl V. bestieg den erledigten Thron. Im Jahre 1521 hielt er
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seinen ersten Reichstag zu Worms ab. Hier sollte auch Luthers Sache entschieden werden. Der Reformator war auch bereit, seine Lehre vor Kaiser und Reich zu verteidigen. Nachdem er von Karl V. freies Geleit zugesagt erhalten hatte, machte er sich mit mehreren Freunden auf den Weg. Man warnte ihn und meinte, er w�rde verbrannt werden. Luther antwortete jedoch mutig: �Wenn sie ein Feuer machten, das zwischen Wittenberg und Worms bis gen Himmel reichte, so will ich im Namen des Herrn erscheinen und Christum bekennen und denselben walten lassen!" Auf eine andere Warnung gab er die Antwort: �Und wenn in Worms so viel Teufel w�ren als Ziegel auf den D�chern, so wollte ich doch hinein!" Am Morgen des 16. April war das Ziel der Reise erreicht. Sie hatte einem Triumphzuge geglichen; denn von fern und nah waren die Menschen gekommen, um den k�hnen Mann zu sehen. Bei der Einfahrt in Worms konnte sich der Wagen nur langsam einen Weg durch die Menge bahnen; selbst auf D�chern und Mauern hatten die Leute Platz gesucht. � Am n�chsten Tage wurde Luther vor die Reichsversammlung ge-laden. Das Gedr�nge in den Stra�en war so gro�, da� an ein Durchkommen nicht zu denken war. Durch G�rten und Gassen gelangte der Reformator endlich nach dem Sitzungssaale. Nach wenigen Minuten �ffnete sich die T�r. Luther �berschritt die Schwelle und stand unter den F�rsten des Reiches. Der Glanz blendete ihn; er wurde befangen und bat sich auf die Frage, ob er seine Lehre widerrufen wolle, einen Tag Bedenkzeit aus. Am 18. April stand er wieder vor den versammelten Kurf�rsten, F�rsten, Grafen, Bisch�fen und Erzbifch�fen. Diesmal war die Angstlich-keit verschwunden; frei und offen schweifte sein Blick �ber seine Zuh�rer, und mit lauter und kr�ftiger Stimme wies er in l�ngerer Rede die Richtigkeit seiner Lehre aus der Bibel nach. Er betonte, da� er sich nur durch Zeugnisse aus der Heiligen Schrift �ber-winden lasse, und schlo� mit den Worten: �Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen!" Damit war Luthers Sache vor dem Reichstage entschieden. Der Kaiser hielt sein Wort und lie� den Reformator unter sicherem Geleite abreisen. Aber nach vier Wochen sprach er �ber ihn die Reich sacht aus, so da� jeder das Recht hatte, ihn zu fangen und zu t�ten.
Kurf�rst Friedrich der Weise hatte jedoch seinen Sch�tzling schon in Sicherheit bringen lassen. Als Luther n�mlich auf seiner R�ckreise durch den Th�ringer Wald fuhr, wurde er pl�tzlich von verkappten Rittern �berfallen, aus dem Wagen gerissen und auf die Wartburg gebracht. Hier lebte er als �Junker J�rg", trug ritterliche Kleidung, ging auch zuweilen auf die Jagd und �ber-setzte das Neue Testament in die deutsche Sprache. Er schrieb einfach, klar und volkst�mlich, so da� auch der einfachste Mann nun selber lesen und suchen konnte. Die �bertragung der ganzen
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Bibel wurde erst nach mehreren Jahren mit vieler Arbeit und M�he vollendet.
5. Die Ausbreitung der Lehre Luthers.
Nach der R�ckkehr von der Wartburg lebte Luther unan-.gefochten von feinen Feinden wieder als Professor und Prediger in Wittenberg. Er verfa�te noch verschiedene B�cher, so den Gro�en und Kleinen Katechismus, und schuf auch eine Anzahl vortrefflicher Kirchenlieder. Seine Lehre breitete sich �ber fast ganz Deutschland aus. Im Norden und S�den traten die F�rsten zu feiner Lehre �ber; fie hoben die Kl�ster auf, schafften die Messe und die Ohrenbeichte ab und f�hrten den evangelischen Gottesdienst ein. Der Kaiser und die Katholiken waren von der Ausbreitung ber neuen Lehre wenig erbaut. Auf bem Reichstage zu Speyer (1529) w�rbe deshalb jede weitere Einf�hrung der Reformation untersagt. Mit dem Beschl�sse waren die Evangelischen unzufrieden; sie protestierten und wurden seitdem Protestanten genannt. Auf dem Reichstage zu Augsburg legten die Evangelischen dem Kaiser ihr Glaubensbekenntnis (die Augsburger Konfession) vor; es war von'Melanchthon, Luthers Freunde, verfa�t worden.
6. Luthers Familienleben und Tod.
Im Jahre 1525 verm�hlte sich Luther mit der ehemaligen Norme Katharina von Bora; sie entstammte einem alten Adels-gefchlechte und war schon in fr�hester Jugend zum Eintritt in das Kloster gezwungen worden. Die Ehe war gl�cklich; Katharina war nicht nur eine treue Gattin und liebende Mutter, fondern auch eine umsichtige und sparsame Hausfrau. Das war auch notwendig, denn Luther war �u�erst mildt�tig und freigebig. Von feiner T�r ging kein Notleidender unbefchenkt. Einst kam ein armer Student zu ihm und bat um das Reifegeld; er hatte feine Studien vollendet und wollte Wittenberg verlassen. Luther war selber in Geldverlegenheit und konnte nichts geben. Pl�tzlich fiel fein Blick auf einen vergoldeten Becher, den ihm einst fein Kursivst geschenkt hatte. Schnell ergriff er das Kleinod und reichte es bem Bittenben. Dieser war bar�ber best�rzt unb konnte sich nicht entschlie�en, zuzugreifen. Da dr�ckte der Reformator den Becher zusammen und sprach: �Ich brauche keinen goldenen Becher. Da nimm ihn, trag ihn zum Goldschmied, und was er dir gibt, das behalte!" � Luther war auch ein liebevoller und z�rtlicher Vater; das hinderte ihn jedoch nicht, seine Kinder streng zu erziehen. Sein zw�lfj�hriger Sohn hatte einmal ein Unrecht begangen; da lie� ihn der Vater drei Tage nicht vor sich kommen und fagte: �Ich wollt' lieber einen toten als ungezogenen Sohn haben!" �
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Luther war ein tief religi�ser Mann; jeden Morgen und Abend sprach er mit hei�er Andacht sein Gebet. Die Psalmen trug er als Gebetbuch immer bei sich. Alle Zweifel seiner st�rmischen Seele rang er im Gebete nieder; er war der unersch�tterlichen �berzeugung, da� sich Gott durch unser anhaltendes Bitten in seinen Entschl�ssen beeinflussen lasse. � Luther liebte auch die Fr�hlichkeit; er scherzte und spielte mit seinen Kindern und be-gleitete ihren Gesang mit Fl�tenspiel oder mit der Laute. �Musik," sagte er, �ist das beste Labsal eines betr�bten Menschen, dadurch das Herz wieder zufrieden, erquickt und erfrischt wird."
Zu Anfang des Jahres 1546 unternahm Luther eine Reife nach Eisleben; die Grafen von Mansfeld hatten ihn gerufen, um einen Streit in ihrer Familie zu schlichten. Unterwegs zog sich der Reformator eine ftarke Erk�ltung zu; krank und schwach betrat er seinen Geburtsort. Dennoch gelang es ihm, in dem gr�flichen Haufe den Frieden herzustellen. Auch bestieg er �fters die Kanzel, um der herbeigestr�mten Menge das Wort Gottes auszulegen. Doch bald verschlimmerte sich das Leiden. Am 18. Februar 1546 hauchte der gro�e Gottesmann seine reine Seele aus. Sein letztes Gebet war: �Vater, in deine H�nde befehle ich meinen Geist. Du hast mich erl�set, du treuer Gott!" Auf Befehl des Kurf�rsten wurde die Leiche nach Wittenberg gebracht; hier wurde sie unter gro�er Beteiligung des Volkes in der Schlo�-Kirche zur ewigen Ruhe bestattet.
10. Der Drei�igj�hrige Krieg.
1. Der Ursprung des Krieges.
Ungef�hr 70 Jahre nach Luthers Tode brach in Deutschland ein furchtbarer Krieg aus; er dauerte 30 Jahre, man nennt ihn darum den Drei�igj�hrigen Krieg. Er hatte seinen Ursprung in der Religion, denn er war ein Kampf zwischen den Katholiken und Protestanten. Die Katholiken wollten die weitere Ausbrei-tung der Lehre Luthers nicht dulden, und die Evangelischen waren nicht gewillt, sich ihre Rechte nehmen zu lassen. So war der Kamps anfangs ein Bruderkrieg, Deutsche rangen gegen Deutsche. Die Sache der Katholiken vertraten der Herzog Maximilian von Bayern und der Kaiser Ferdinand II., der aus der Familie der Habsburger stammte und in Wien residierte. Ihre Feld-Herren waren Tilly und Wallenstein. Tilly schlug die Evan-gelischen, die uneinig waren und keinen bedeutenden Feldherrn hatten, am Wei�en Berge bei Prag in B�hmen. Dann er-oberte er ganz S�ddeutschland. Mittel- und Norddeutschland
D o n a t, Geschichtsbilder. Z
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wurden in der Hauptsache durch Wallenstein f�r den Kaiser ge-wonnen.
2. Wallenstein.
Wallenstein entstammte einer armen, b�hmischen Adelsfamilie. Die Eltern waren zum Protestantismus �bergetreten. Da sie ft�h-zeitig ins Grab sanken, wurde der Knabe von einem katholischen Oheim in der katholischen Lehre erzogen. Als Wallenstein zum J�ngling herangewachsen war, besuchte er die Universit�t. Auf Reisen durch Frankreich, Deutschland und Italien vervollst�ndigte er seine Bildung. Mit Vorliebe besch�ftigte er sich mit der Sternen-Kunde; er war der festen �berzeugung, aus dem Laufe der Ge-ftirne seine Zukunft zu erkennen. Doch die B�cher vermochten ihn nicht lange zu fesseln. Er wurde Soldat und erlangte durch Tapferkeit, Mut und Entschlossenheit bald das Wohlwollen des Kaisers. Als Oberst verm�hlte er sich mit einer reichen Gr�fin. Durch Ankauf gro�er G�ter brachte er bald ein Drittel von ganz B�hmen in seinen Besitz. Nun gab ihm der Kaiser auch den entsprechenden Namen, er ernannte ihn zum Herzog von Friedland.
Aus Dankbarkeit erbot er sich, f�r den Herrscher ein Heer von 50000 Mann anzuwerben und es auf eigene Kosten zu unter-halten. Der Kaiser befand sich in Geldverlegenheit; er nahm des-halb das Anerbieten sofort an und �bertrug Wallenstein den un-umschr�nkten Oberbefehl �ber die Truppen. Nun war der Ehr-geiz des unheimlichen Mannes erf�llt. Er lie� die Werbetrommel r�hren und hatte in kurzer Zeit eine ansehnliche Armee beisammen. Aus allen L�ndern waren arbeitsscheue und beutelustige Gesellen herbeigestr�mt; denn es war bekannt, da� der Friedl�nder Tapfer-keit zu belohnen wu�te und Pl�nderungen aller Art gestattete. Bald hatte er auch die zusammengew�rfelten Haufen an Ordnung und Zucht gew�hnt; mit r�cksichtsloser Strenge verschaffte er seinen Befehlen Gehorsam. Wollte sich einer nicht f�gen, so hie� es: �La�t die Bestie h�ngen!"
Nun eilte Wallenstein auf den Kriegsschauplatz. Er schlug die Feinde des Kaisers an der Dessauer Elbbr�cke (1626) und drang bis zur Ostsee vor. Seine raublustigen Scharen ergossen sich �ber Brandenburg, Pommern und Mecklenburg. Sie hausten wie Mordbrenner, trieben den Bauern das Vieh weg und mordeten M�nner, Frauen, Greise und Kinder. Rauchende Tr�mmer be-zeichneten den Weg, den das Heer gezogen war. Nur in Mecklen-b�rg verbot Wallenstein alle Ausschreitungen, weil er hoffte, das Herzogtum als Ersatz f�r seine Auslagen behalten zu d�rfen.
So hatte der Friedl�nder die Evangelischen �berall geschlagen und den Kaiser zum Herrn von ganz Deutschland gemacht. Aber seine Erfolge zogen ihm den Neid und den Ha� der deutschen F�rsten zu. Sie verklagten ihn wegen seiner r�cksichtslosen Kriegs-
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f�hrung bei Ferdinand II. und verlangten seine Absetzung. Der Kaiser mu�te nachgeben; Wallenstein wurde entlassen. Ohne Murren legte der ruhmgekr�nte Herzog den Feldherrnstab nieder, entlie� sein Heer und zog sich auf sein F�rstentum Friedland in B�hmen zur�ck. Hier wartete er, bis der Kaiser ihn wieder rufen w�rde. Und die Sterne hatten ihn nicht get�uscht; denn kaum hatte er sich auf seinen G�tern eingefunden, so erstand dem Kaiser und den Katholiken ein neuer Feind. Der Schwedenk�nig Gustav Adolf landete mit einem Heere von 13000 Mann auf der Insel Usedom.
3. Gustav Adolf.
Gustav Adolf kam jung zur Regierung. Er war nicht nur ein t�chtiger Feldherr, sondern auch ein kluger Staatsmann. Zwei Gr�nde waren es, die ihn bewogen, seinen Fu� auf deutschen Boden zu setzen. Erstens wollte er Teile der deutschen Ostseek�ste erobern, denn er wollte die Ostsee zu einem schwedischen Meere machen, um den Handel seines Landes heben zu k�nnen, und zweitens wollte er seinen deutschen Glaubensbr�dern im Kampfe gegen die Katholiken beistehen. Nach der Landung vertrieb er die Kaiserlichen aus Pommern und Mecklenburg. Die protestan-tische Bev�lkerung Norddeutschlands atmete auf und jubelte dem Retter aus tiefster Not zu. Die F�rsten dagegen stellten sich dem K�nige feindlich gegen�ber. Erst nach langen Verhandlungen gelang es Gustav Adolf, die Kurf�rsten von Brandenburg und Sachsen auf seine Seite zu bekommen. Mittlerweile hatte Tilly die Stadt Magdeburg belagert, eingenommen und g�nzlich zerst�rt. Nur der Dom und einige Fischerh�tten waren stehen geblieben; von 40000 Einwohnern hatten ungef�hr nur 5000 das nackte Leben ge-rettet. Doch Tilly bekam bald seinen Lohn. Bei Breitenfeld in der N�he von Leipzig wurde er von den Schweden v�llig ge-schlagen; verwundet und ohne Heer floh er vom Schlachtfelde. Mit diesem Siege entri� Gustav Adolf dem Kaiser ganz Nord-deutschend. Nun ging es in schnellem Zuge durch Mittel- und S�ddeutschland. Am Lech kam es zu einer zweiten Schlacht. Abermals entschied das Kriegsgl�ck gegen Tilly; er wurde von einer Kanonenkugel verwundet und starb bald darauf.
Jetzt war der Kaiser ohne Heer und General. In seiner Not wandte er sich an Wallenstein; doch nur unter den schwersten Bedingungen lie� sich der Friedl�nder erbitten, eine neue Armee aufzustellen: nur er hatte zu befehlen, in den eroberten L�ndern sollte nur sein Wille gelten, und nach dem Friedensschl�sse hatte ihm der Kaiser ein neues F�rstentum zu �bertragen. In kurzer Zeit hatte der ber�hmte Feldherr ein schlagfertiges Heer beisammen, s�uberte B�hmen von den Feinden und wandte sich dann nach Sachsen. Der Schwedenk�nig eilte ihm nach. Bei L�tzen kam
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es am 16. November 1632 zu einer m�rderischen Schlacht. Als sich der Herbstnebel zerteilte, griffen die Schweden nach einem Gottesdienste die Kaiserlichen an. Wohl empfing sie ein ver-nichtendes Feuer, aber sie drangen unaufhaltsam vorw�rts, ge-wannen die Gr�ben und brachten die Gegner zum Weichen. Da griff Wallensteins General Pappenheim mit frischm Truppen in das Gefecht ein; es entspann sich ein furchtbarer Reiterkampf. Gustav Adolf, der sich durch seine Kurzsichtigkeit verleiten lie�, dem Feinde zu nahe zu kommen, wurde von mehreren Kugeln durchbohrt und sank tot zu Boden. Sein blutbedecktes Schlacht-ro� jagte durch die Reihen der Schweden. Sie ahnten, was geschehen war, und st�rzten sich wutentbrannt auf die Kaiserlichen. Als der fr�he Abend hereinbrach, zog Wallenstein ab und �ber-lie� seinen Gegnern das Schlachtfeld. Die Leiche des K�nigs wurde erst am anderen Tage in der N�he eines gro�en Steines gefunden und sp�ter nach Stockholm gebracht. Der Granitblock erhielt den Namen �Schwedenstein".
4. Wallensteins Tod.
Wallenstein f�hrte seine geschlagenen Truppen nach B�hmen und blieb hier unt�tig stehen. Zugleich kn�pfte er mit den Schweden Unterhandlungen an und verpflichtete seine h�heren Offiziere, in allen Lagen getreulich bei ihm auszuharren. Er hatte jedenfalls die Abficht, sich mit den Feinden des Kaisers zu ver-binden und f�r sich das K�nigreich B�hmen zu erwerben. Als man in Wien seine Pl�ne durchschaute, setzte ihn Ferdinand ab und befahl, den Verr�ter zu verhaften und ihn tot oder lebendig zu �berliefern. Sofort traten die meisten Regimenter zum Kaiser �ber. Wallenstein aber f�hrte seine Getreuen nach Eger, um hier Schutz zu suchen. Aber hier ereilte ihn sein Verh�ngnis. Einige Offiziere beschlossen, ihn zu ermorden. Zuerst wurden die Freunde des Feldherrn unsch�dlich gemacht. Als sie im Schlosse beim Mahle sa�en, st�rzten pl�tzlich Dragoner in den Saal und hieben sie nieder. Dann st�rmte ein Hauptanf�hrer in das Haus des B�rgermeisters, wo Wallenstein Wohnung genommen hatte. Wehrlos und unangekleidet stand er am Fenster, als die Ver-schw�rer in sein Schlafgemach eindrangen. �Bist du der Schelm," schrie ihn einer an, �der des Kaisers Volk zu den Feinden �ber-f�hren und Seiner Majest�t die Krone vom Haupte herunterrei�en will? Jetzt mu�t du sterben!" Ein Hellebardensto� endigte das Leben des gewaltigen Mannes.
Nach dem Tode Wallensteins verheerte der ungl�ckselige Krieg noch vierzehn Jahre unser armes Vaterland. Endlich lie�en die K�mpfenden die blutigen Schwerter sinken. Im Jahre 1648 wurde zu Osnabr�ck und M�nster der Friede geschloffen, man nennt
ihn den Westf�lischen Frieden. Die Evangelischen erhielten mit den Katholiken gleiche Rechte.
11. Friedrich Wilhelm, der Gro�e Kurs�rst (1640�1688).
1. Des Kurf�rsten Jugend.
Zur Zeit des Drei�igj�hrigen Krieges regierte in Branden-b�rg der Kurf�rst Georg Wilhelm. Ihm wurde am 16. Februar 1620 ein Sohn geboren, der die Namen Friedrich Wilhelm er-hielt. Anfangs verlebte der Kurprinz feine Jugend unter der sorg-samen Pflege seiner Mutter im Schlosse zu Berlin. Aber bald drangen fremde Kriegsv�lker in das Land ein und pl�nderten in der Hauptstadt. Da war Friedrich Wilhelm in Berlin nicht mehr sicher; seine Eltern brachten ihn in die Festung K�strin an der Oder. Hier leiteten einsichtsvolle M�nner seine Erziehung. Da-neben wurde die Ausbildung des K�rpers nicht vergessen; durch Baden, Schwimmen, . Reiten und Fechten wurde derselbe ge-kr�ftigt und abgeh�rtet. In K�strin h�rte der Prinz auch von den Taten der Kriegshelden, und schon jetzt erwachte seine Liebe f�r das Soldatenwesen. Sp�ter kam er nach Stettin an den Hof des Herzogs von Pommern. Auf dem Wege dahin sah er mit eigenen Augen die furchtbaren Greueltaten der rohen Soldaten. Die menschlichen Wohnst�tten waren zerst�rt worden, auf den zertretenen und zerstampften Feldern wuchs fast nur Unkraut, und zwischen den mit Str�uchern bedeckten Mauerresten hausten die Tiere des Waldes. Als Friedrich Wilhelm vierzehn Jahre alt war, schickte ihn sein Vater zur weiteren Ausbildung nach Holland. Hier war alles anders als in Brandenburg. Die flei�igen Be-wohner gingen friedlich ihrer Besch�ftigung nach. Auf den faf-tigen Wiesen weideten die kr�ftigen Rinder, auf dem fetten Acker-boden stand das hohe Getreide, und auf den Fl�ssen fuhren schwerbeladene Frachtk�hne. In den Niederungen breiteten sich schmucke D�rfer aus, und an dem Meeresftrande erhoben sich m�chtige St�dte. In den H�fen herrschte ein lebendiges Treiben; Schiffe segelten ein und aus und brachten die Erzeugnisse fremder L�nder nach Holland.
Gro�en Einflu� auf den Kurprinzen gewann sein Oheim Friedrich Wilhelm von Oranien, der Erbstatthalter des Landes. Friedrich Wilhelm weilte oft an seinem Hose und folgte ihm gern in den Krieg und in die Schlacht. Einst wurde im Haag, der Hauptstadt von Holland, eine gro�e Festlichkeit ab-gehalten. Reiche, sittenlose J�nglinge suchten bei dieser den jungen Prinzen zu Schwelgereien zu verleiten. Doch Friedrich Wilhelm
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blieb fest und sagte: �Ich wei�, was ich meinen Eltern, meiner Ehre und meinem Lande schuldig bin!" Voll Abscheu verlie� er sogleich die Stadt und begab sich zu dem Statthalter, der gerade die Festung Breda belagerte. Freundlich klopfte ihm dieser auf d:e Schulter und sprach: �Vetter, eure Flucht beweist mehr Helden-mut als wenn ich Breda eroberte. Wer sich selbst zu �berwinden wei�, der ist gro�er Taten f�hig!" So war der Aufenthalt in Holland f�r den Kurprinzen von gro�er Bedeutung. Er lernte in seinem Oheime einen t�chtigen Regenten und tapferen Kriegs-mann kennen und kam zu der Einsicht, da� Ackerbau, Viehzucht Handel und Gewerbe den Wohlstand eines Volkes erzeugen
2. Sein Regierungsantritt.
Friedrich Wilhelm war erst zwanzig Jahre alt, als er den Thron femer V�ter bestieg. Er hatte schwere Aufgaben zu l�sen Es galt, erstens ein eigenes Heer zu schaffen, zweitens die drei Teile, aus denen der Staat bestand, n�her zu verbinden, drittens den Wohlstand des Volkes zu bessern und viertens das Ansehen des Landes, das unter dem wankelm�tigen Kurf�rsten Georg Wilhelm sehr gelitten hatte, wieder zu heben.
t Entschlossen und mutig ging der junge Herrscher an die Arbeit. Zuerst suchte er sein ausgepl�ndertes und verarmtes Land vor den Einf�llen und Durchz�gen der Schweden zu sch�tzen, in-dem er mit ihnen einen Waffenstillstand abschlo�. Sodann ging er daran, ein Heer zu schaffen; denn er hatte in Holland erkannt, da� ein Volk nur dann seiner Besch�ftigung in Frieden nachgehen kann, wenn zu seinem Schutze eine schlagfertige Armee bereitsteht. Wohl gab es in Brandenburg schon Truppen, aber sie waren dem deutschen Kaiser verpflichtet und bedr�ckten au�erdem noch Land und Volk. Das mu�te anders werden. Der junge Kur-f�rft verlangte, da� Offiziere und Soldaten ihm den Eid der Treue leisteten. Die meisten Offiziere wollten jedoch dem Befehle nicht nachkommen: sie weigerten sich, den Kurf�rsten als ihren Herrn anzuerkennen. Doch Friedrich Wilhelm duldete keinen Wider-spruch; wer sich seinem Willen nicht f�gen wollte, wurde gefangen gesetzt oder aus dem Lande gejagt. Die zuverl�ssigen Mann-seh asten wurden zu einem Regimente vereinigt. Das war der Anfang des brandenburgischen Heeres. Bald wuchs die Zahl von 3000 auf 26000; denn der Kurf�rst schickte Werber aus, die aus allen L�ndern dienstf�hige M�nner herbeibrachten. Zugleich fand der Kurf�rst t�chtige Helfer. Der Feldmarschall Dersslinger schus die Neiterei, und der General Otto von Sparr wurde der Sch�pfer des brandenburgischen Gesch�tzwesens.
Nun konnte Friedrich Wilhelm auch ein wichtiges Wort bei den Friedensunterhandlungen zu Osnabr�ck und M�nster
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mitreden. Man wagte nicht, seine Forderungen zu �bergehen und sprach ihm Hinter p ommern bis zur Oder, das Erzbistum Magdeburg und die Bist�mer Halberstadt, Minden und Kammin zu. Durch die Erwerbungen wurden zwar die Teile des Staates, Preu�en, Brandenburg und die rheinischen Besitzungen, noch nicht verbunden, aber doch abgerundet und n�her aneinander ger�ckt.
3. Sein Kampf mit den Schweden.
Zu dieser Zeit herrschte in Frankreich K�nig Ludwig XIV.; er wollte sein Land m�glichst vergr��ern. Deshalb �berzog er die Holl�nder mit Krieg, verw�stete die Pfalz, zerst�rte das Herr-liche Heidelberger Schlo� und raubte mitten im Frieden die freie Stadt Stra�burg. Friedrich Wilhelm war �ber die L�ndergier des franz�sischen Herrschers emp�rt, f�hrte fein Heer an den Rhein und errang im Verein mit den kaiserlichen Truppen verschiedene Vorteile �ber die Franzosen. Ludwig merkte bald, da� der Kur-f�rst sein gef�hrlichster Feind war. Er verband sich mit dem Schwedenk�nige, gab ihm Geld und veranla�te ihn, mit einer Armee in Brandenburg einzufallen. Bald �berschritten auch die Schweden von Vorpommern aus die Grenze und raubten und pl�nderten in Brandenburg wie in den Tagen des Drei�igj�hrigen Krieges. Ihr Feldherr schrieb selbst: �Solange ich Soldat bin, habe ich solche Greuel von Christen nicht gesehen." Die armen Bauern suchten sich eigenm�chtig zu helfen; sie scharten sich zu-sammen und bewaffneten sich mit Sensen, Heugabeln und Dresch-flegeln. Auf ihre Fahnen schrieben sie:
Wir sind Bauern von geringem Gut Und dienen unserm gn�digsten Kurf�rsten mit unferm Blut.
Doch vermochten sie gegen die kriegsge�bten Feinde nichts auszurichten. Als der Kurf�rst von dem Einfalle Kunde erhielt, rief er aus: �Das kann Schweden Pommern kosten!" In Eil-M�rschen f�hrte er sein Heer vom Main durch Th�ringen nach Magdeburg. Von hier aus drang er blitzschnell zur Havel vor und �berrumpelte in einer Nacht mit seiner Reiterei die Feinde in der Stadt Rathenow. Dadurch war das schwedische Heer in zwei Teile zerrissen. Der rechte Fl�gel zog sich auf Ruppin zur�ck, und der linke fl�chtete von Brandenburg nach Fehrbellin. Beide hofften, sich vor einer Schlacht wieder vereinigen zu k�nnen. Aber gerade das mu�te der Kurf�rst Krh�ten. Mit verh�ngten Z�geln jagte seine Reiterei hinter dem linken Fl�gel her, holte ihn ein und stellte ihn am 18. Juni 1675 zur Schlacht bei Fehrbellin. Als sich die Morgennebel auf das sumpfige Land senkten, be-merkte Friedrich Wilhelm, da� der schwedische General von Wrang el einen H�gel zu besetzen vergessen hatte. Sofort pflanzte
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er feine Kanonen dort auf. Ein m�rderischer Eisenhagel fcbluq tit bte Rechen der Schweden. Sie stutzten. Dann aber st�rmten ftc heran, um die Gesch�tze auf der Anh�he zu erobern. Schon wollten die Brandenburger weichen. Da sprengte der Kurf�rst heran, ri� das breite Schwert aus der Scheide und rief: �Getrost tapfere Soldaten! Ich, euer F�rst und euer Kapit�n, will mit euch stegen oder ritterlich sterben!" Die Schweden wurden abgeschlagen und fluteten zur�ck. Diesen Augenblick benutzte die brandenbur-gtsche Reiterei. Im Nu war sie am Feinde, hieb alles nieder und zersprengte ihn. In wilder Flucht suchte der Rest die sch�tzende Grenze zu erreichen. Der gl�nzende Sieg von Fehrbellin hob Brandenburgs Ansehen. Friedrich Wilhelm aber wurde von dem Tage an der Gro�e Kurf�rst genannt
Doch Friedrich Wilhelm war mit dem Erfolge noch nicht zufrieden. Nach kurzer Rast f�hrte er fein Heer �ber die Grenze, um die Schweden f�r immer vom deutschen Boden zu vertreiben'. Ein fester Platz Vorpommerns nach dem andern fiel in feine Handel Stralsund ergab sich, und Stettin mu�te nach harter Belagerung die Tore �ffnen. Selbst die Inseln Usedom, Wollin und R�gen wurden den Schweden entrissen. Somit war ganz Vorpommern in den H�nden des Gro�en Kurf�rsten.
Aber er sollte es nicht lange fein Eigentum nennen. Der Kaiser wurde neidisch auf feine Erfolge, verlie� ihn schn�de und schlo� mit den Franzosen einen Sonderfrieden. Nun stand der Kurf�rst allein gegen den m�chtigen Ludwig XIV., und dieser Zwang ihn zum Frieden zu St. Germain bei Paris. Der Kurf�rst mu�te alle Eroberungen den Schweden zur�ckgeben. Bei der Unterzeichnung der Friedensurkunde �u�erte Friedrich Wilhelm: �M�ge dereinst aus meinen Gebeinen ein R�cher erstehen!"
4. Der Gro�e Kurf�rst als Landesvater.
Friedrich Wilhelm war nicht nur ein Kriegsheld, sondern auch ein Vater feines Volkes. Gro�e Sorgfalt verwandte er auf die Hebung des Ackerbaues. Er verteilte unter die armen Landbewohner Saatkorn, Vieh, Ackerger�te und Geld; auch bestimmte er, da� jeder Bauer feine Felder von Unkraut und Gestr�uch zu reinigen habe. Die Bewohner in den kleinen St�dten mu�ten bei ihren H�ufern G�rten anlegen und Obstb�ume anpflanzen. Es durfte kein junger Mann heiraten, der nicht wenigstens sechs Obstb�ume veredelt und ebenfoviele angepflanzt hatte. Auch f�hrte der Gro�e Kurf�rst feinem entv�lkerten Lande neue Bewohner zu. Aus Holland und der Schweiz rief er Ansiedler herbei, schenkte ihnen Ackerland und Baumaterial und lie� durch sie S�mpfe trocken legen und �de, fandige Strecken in fruchtbare Landstriche
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verwandeln. Die Schweizer und Holl�nder zeigten dem uner-fahrenen brandenburgischen Bauer, wie man das Vieh pflegt und aus Milch Butter und K�se bereitet.
Auch der Handel fand in Friedrich Wilhelm einen eifrigen F�rderer. Es wurden Br�cken gebaut, alte Wege ausgebessert und neue angelegt. Zur Bef�rderung der Briefe und Personen richtete der Kurf�rst die Staatspost ein; die Hauptpostlinie f�hrte von K�nigsberg in Preu�en �ber Berlin und Magdeburg nach den rheinischen Besitzungen. Au�erdem gingen Postlinien von Berlin nach Dresden, Breslau und Hamburg. Auch suchte der Gro�e Kurf�rst den Handel zu Wasser zu heben. Er lie� die Oder mit der Spree durch den Friedrich-Wilhelms-Kanal verbinden, wodurch Berlin zu einer bedeutenden Handelsstadt emporbl�hte. Selbst eine kleine Flotte rief der Kurf�rst ins Leben. W�hrend feines Aufenthaltes in Holland hatte er beobachten k�nnen, da� der Seehandel ein Land reich macht. Unter ber F�hrung eines t�chtigen Mannes wagten sich bie kleinen Schiffe bcilb in bas Weltmeer hinaus. Sie kamen bis an bie Westk�ste von Afrika, schloffen mit ben Negern einen Hanbelsvertrag ab unb kauften ein St�ck Lanb, auf bern sich balb eine kleine Festung, bas Fort Gro�-Friebrichsburg, erhob.
5. Luise Henriette.
Ein treue Gehilsin fanb ber Gro�e Kurf�rst in seiner Ge-mahlin Luise Henriette. Sie war eine Tochter bes Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien. Trotz ihrer schwachen Gesunb-heit begleitete sie ihren Gatten auf allen feinen Reifen. Sie jagte: �Ich will lieber alle Unbequemlichkeiten ber Welt haben unb bei ihm fein als alle Bequemlichkeiten ber Welt haben unb ihn nicht sehen." Mit gro�er Gewissenhaftigkeit �berwachte fie bie Erziehung ihrer Kinber. Unabl�ssig war sie bem�ht, bie Wunben, bie ber Drei�igj�hrige Krieg ihrem Laube geschlagen hatte, zu heilen. Sie f�rberte bie Einwanberung frentber Anfiebler unb legte zu B�tzow an ber Havel eine Musterwirtschaft nach holl�ndischem Vorbilde an. Hier gr�nbete sie auch ein Waisenhaus. Seitbem w�rbe biefer Ort ihr zu Ehren Oranienburg genannt. Luise Henriette war ihrem Gatten auch eine treue Beraterin. Als sie gestorben war, staub ber Kurf�rst oftmals klagenb vor ihrem Bilbe: �O, Luise, wie sehr vermisse ich beinen Rat." Die Kur-f�rftin war noch nicht 40 Iahrr alt, als sie ins Grab sank. � Der Kurf�rst schieb am 29. April 1688 aus bern Leben. Seine letzten Worte waren: �Ich wei�, da� mein Erl�ser lebt!"
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12. Friedrich I., K�nig in Preu�en (1688�1713).
1. Sein Streben nach der K�nigskrone.
Der Nachfolger des Gro�en Kurf�rsten wurde sein Sohn Friedrich. Er war von schw�chlichem K�rperbau und etwas ver-wachsen. Neben guten Eigenschaften besa� er gro�e Liebe zu Prunk und Pracht. An seinem Hofe konnte es nicht gl�nzend genug zugehen. Die kostbarsten Gew�nder und die feurigsten Rosse waren sein Eigentum. Sein ganzes Streben ging dahin, sich und dem Lande, das unter seinem Vater so bedeutend an Macht und Umfang zugenommen hatte, einen w�rdigen Titel zu verschaffen. Friedrich wollte K�nig werden. Das war aber f�r feinen brandenburgischen Besitz unm�glich, denn dieser geh�rte zum Deutschen Reiche. Hier durfte aber nur ein K�nig sein, und das war der Kaiser. Friedrich besa� jedoch noch das Herzogtum Preu�en. Das lag au�erhalb des Reiches. Als Herzog von Preu�en war Friedrich selbst�ndig und unabh�ngig. Die K�nigs-Krone konnte er also nur auf seinen preu�ischen Besitz erlangen. Allein auch hier wollte der Kaiser in die Rangerh�hung nicht einwilligen. Er f�rchtete jedenfalls, ein K�nig w�rde sich nicht so willig unterordnen wie ein Kurf�rst. Bald aber mu�te der Kaiser fein Widerstreben aufgeben; er wurde in einen Krieg mit Frankreich verwickelt und brauchte dazu die Hilfe der branden* burgifchen Truppen. Er versprach, Friedrich als K�nig in Preu�en anzuerkennen. Daraus schickte ihm der Kurf�rst 10000 Mann zur Unterst�tzung.
2. Die Kr�nung.
Nun brach Friedrich nach Preu�en auf, um sich in K�nigsberg, der Hauptstadt des Landes, die K�nigskrone aufs Haupt zu setzen. Mitten im Winter wurde die Reise unternommen. 400 Wagen und 30000 Pferde sollen n�tig gewesen sein, die Personen, Gegenst�nde und Kleider an Ort und Stelle zu schaffen. Am 15. Januar 1701 sprengten vier Herolde durch die Stra�en der Stadt und verk�ndigten aus allen Pl�tzen die Erhebung Preu�ens zum K�nigreiche. Am 17. Januar stiftete der K�nig den �Schwarzen Adlerorden". Er ist noch heute der h�chste Orden des preu�ischen Staates. Seine Inschrift lautet: �Suum cuique", d. h. �Jedem das Seine". Der 18. Januar war der eigentliche Kr�nungstag. Kanonendonner und Glockengel�ut verk�ndigten den Beginn der feierlichen Handlung. Der K�nig trug einen scharlachroten Rock, der mit Diamantkn�pfen verziert war. Von den Schultern wallte der lange Kr�nungsmantel. Auch die K�nigin war mit den pr�chtigsten Kleidern angetan. In dem
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gro�en Saale des Schlosses setzte sich Friedrich selbst die Krone aufs Haupt. Damit wollte er andeuten, da� er sie keinem Men-schert, sondern nur Gott zu verdanken habe. Dann ergriff er eine zweite Krone und zierte damit das Haupt seiner Gemahlin Sophie Charlotte. Nachdem die Anwesenden den Eid der Treue ge-schworen hatten, ging es im feierlichen Zuge nach der Schlo�-Kirche. Der Weg war mit rotem Tuche belegt; links und rechts standen Soldaten zu Fu� und zu Ro�. Der K�nig und die K�nigin schritten je unter einem prachtvollen Thronhimmel, der von zehn Edelleuten getragen wurde. In der Kirche knieten die Majest�ten nach dem Gottesdienste vor dem Altare nieder und empfingen die heilige Salbung. Gebet und Gesang beschlossen die erhebende Feier. Unter dem Jubel der Bev�lkerung ging es zum Schlosse zur�ck, wo das Kr�nungsmahl eingenommen wurde. Auch f�r Belustigung des Volkes war gesorgt worden. Auf dem Schlo�platze wurde ein gro�er Ochse, der mit Hasen, H�hnern und Rehen gef�llt war, gebraten und unter die Menge verteilt. Ein Springbrunnen mit zwei Adlern spendete unabl�ssig roten und wei�en Wein. Au�erdem erhielten die B�rger Denkm�nzen und das Tuch, das man auf den Weg zur Kirche gelegt hatte. Den Armen schenkte der K�nig Geld, und zur Erbauung eines Waisen-Hauses in K�nigsberg und Berlin gab er 30000 Mark.
Mit der Erwerbung der K�nigskrone war kein Zuwachs an Macht verbunden; dennoch war sie f�r das Land von gro�er Bedeutung. Von jetzt ab hatten die Gebiete der Hohenzollern einen gemeinsamen Namen, und au�erdem erhielt die Armee ein einheitliches Zeichen, die fchwarz-wei�e Fahne.
4. Friedrich I. als Herrscher.
Friedrich war ein F�rderer der K�nste und Wissenschaften. Besonders versch�nerte er Berlin durch prachtvolle Geb�ude. Er lie� das Zeughaus erbauen, das heute noch als Ruhmeshalle des preu�ischen Staates dient, und das K�nigliche Schlo� er-weitern und erneuern. Seinem gro�en Vater errichtete er ein herrliches Reiterstandbild, das der ber�hmte Bildhauer Andreas Schl�ter entworfen hatte. In Halle gr�ndete er eine neue Uni-versit�t. Einer der ersten Lehrer an der neuen Hochschule war August Hermann Francke, der Erbauer des Hallischen Waisen-Hauses.
Die Seele der k�nstlerischen und wissenschaftlichen Bestre-bungen war die Gemahlin des K�nigs, Sophie Charlotte. Sie entstammte dem hannoverschen F�rstenhause und hatte in Paris eine vorz�gliche Erziehung genossen. Am liebsten lebte sie auf ihrem Schlosse Charlottenburg. Hier versammelte sie einen Kreis kluger M�nner und Frauen um sich, lauschte den geistreichen
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Gespr�chen und �bte auf alle durch ihre anmutige Pers�nlichkeit einen nachhaltigen Einflu� aus.
13. Friedrich Wilhelm I. (1713�1740).
1. Der K�nig bringt die Einnahmen und Ausgaben des Staates in Ordnung.
K�nig Friedrich 1. hinterlie� seinem Nachfolger ein Land mit leeren Kassen und mit einer ziemlich hohen Schuldenlast. Der neue Herrscher sah deshalb seine erste Pflicht darin, die Einnahmen und Ausgaben des Staates (die Finanzen) zu ordnen. Er be-schr�nkte die Staatsausgaben, indem er seine Hofhaltung auf das einfachste einrichtete. Von den 100 Kammerherren seines Vaters behielt er nur 12; die �brigen wurden entlassen. Die kostbaren Pferde, Wagen, Perlen und Edelsteine wurden verkauft, und die Gold- und Silbersachen wanderten in die M�nze, damit Geld daraus gepr�gt wurde. Die Geh�lter der Hofbeamten wurden herabgesetzt. F�r seinen pers�nlichen Dienst standen dem K�nige nur ein Kammerherr und einige Diener zur Verf�gung; auch die K�nigin mu�te sich mit einer Kammerfrau behelfen. Der Haus-halt durfte nur wenig koften; tagaus, tagein kamen die einfachsten Speisen auf die Tafel. Auch in der Kleidung war der Herrscher sehr sparsam; gew�hnlich trug er nur den blauen Ossiziersrock. Zugleich suchte er die Staatseinnahmen zu vermehren. Er erh�hte die Pachtsumme f�r die Dom�nen und hob die Steuerfreiheit des Adels auf. Gro�e Einnahmen fl�ssen dem Staate aus der Rekrutenkasse zu. In diese mu�te jeder, der einen Titel erhalten hatte, eine Summe zahlen. So soll der Titel Hofrat 400, Kriegsrat 500 und Geheimrat 600 Taler gekostet haben. Nach der Meinung des K�nigs sollte das Geld im Lande bleiben. Des-halb wurden fremde Waren an den Grenzen mit hohen Steuern belegt, damit sie recht teuer auf den Markt kamen und nicht ge-kauft w�rben. Eine Einfuhr ausl�nbifcher Tuche w�rbe �ber-Haupt nicht gebulbet; die Untertanen sollten Stoffe tragen, bie im Lanbe hergestellt werben waren. So brachte es ber K�nig fertig, bie Staatseinnahmen auf rimb 7 Millionen Taler zu erh�hen.
2. Sorge f�r bas Heerwesen.
Die gr��te Sorgfalt verwanbte Friebrich I. auf bas Heerwesen; benrt er wu�te, ba� seine Stellung unter ben M�chten Europas von ber Schlagfertigkeit seiner Armee abhinge. Er selbst war mit Leib imb Seele Solbat unb brachte t�glich mehrere Stunben auf bem Exerzierplatze zu.
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Die gr��te Zahl der Mannschaften wurde angeworben. Preu�ische Werbeoffiziere durchzogen alle Staaten des Deutschen Reiches und suchten brauchbare M�nner f�r die einzelnen Regimenter zu gewinnen. Wer dem K�nige von Preu�en dienen wollte, bekam ein Handgeld und wurde aufgeschrieben. Allein es war nicht m�glich, mit den Angeworbenen den Bedarf an Soldaten zu decken. Deshalb befahl der K�nig, im eigenen Lande Rekrutenaushebungen vorzunehmen. Die S�hne der Adligen, der Staatsbeamten und die Erben von kleinen oder gr��eren G�tern waren aber von dem Milit�rdienste befreit. Diejenigen, die zum Waffendienste tauglich waren, mu�ten den Fahneneid leisten, wurden in besondere Rollen eingeschrieben und bekamen eine rote Halsbinde, die sie so lange als Abzeichen tragen mu�ten, bis sie zu den Regimentern einberufen wurden.
Bei der Ausbildung der Truppen fand Friedrich Wilhelm in dem F�rsten Leopold von Anhalt-Dessau einen treuen Helfer. Der �Alte Dessauer" hat sich um das preu�ische Heer gro�e Verdienste erworben. Auf seine Anregung wurde das Bajonett an den Gewehren angebracht und der h�lzerne Ladestock durch den eisernen ersetzt. Er war es auch, der den Gleichschritt beim Marschieren und das gleichzeitige Feuern einf�hrte.
Die Zucht war damals strenger als heute; denn nur die h�rtesten Strafen konnten die ans allen L�ndern zusammenge-w�rfelten Soldaten an Ordnung und P�nktlichkeit gew�hnen. Jedes kleine Versehen im Dienste wurde mit Stockschl�gen ge-ahndet. Der Korporalstock spielte �berhaupt bei dem Exerzieren eine gro�e Rolle. Der Fahnenfl�chtige wurde erschossen, und der Ungehorsame mu�te Spie�ruten laufen.
Eine besondere Vorliebe hatte der K�nig f�r sein Potsdamer Leibregiment, das nur aus lauter Riesen bestand. Der sonst so sparsame Herrscher scheute kein Geld, wenn es galt, einen lang-gewachsen, kr�ftigen Menschen zu gewinnen. So soll er f�r einen einzigen �langen Kerl" 9000 Taler ausgegeben haben. Kein gro�er Mensch war vor den preu�ischen Werbern sicher; sie durch-zogen alle L�nder, um mit Geld, List oder Gewalt hochgewachsene Burschen zu erlangen. Wollte ein fremder F�rst die Gunst des K�nigs erwerben, so �bersandte er ihm eine Anzahl gro�er Rekruten.
Mit besonderer Hochachtung behandelte Friedrich Wilhelm seine Offiziere. Er besetzte alle Stellen nur mit den S�hnen des Adels und sorgte zugleich f�r eine sorgf�ltige Erziehung. Von dem Ossizierstande verlangte er unersch�tterliche Treue und pein-lichste Pflichterf�llung. Wer sich unw�rdig oder unf�hig zeigte, wurde ohne Gnade aus dem Heere gesto�en.
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3. Friedrich Wilhelm erzieht den preu�ischen Beamtenstand.
Friedrich Wilhelm war ein Mann von gro�er Arbeitskraft. Von fr�h bis sp�t war er f�r das Wohl seines Landes und Volkes tatig. �Gott hat den K�nig nicht eingesetzt, um seine Tage im Genu� zuzubringen, wie die meisten tun, sondern um seine Lander wohl zu regieren. Zur Arbeit sind die F�rsten er-koren", sagte er �fters. Mit der gr��ten Gewissenhaftigkeit pr�fte er alle Eingaben, und bei Wind und Wetter bereifte er die ein-zelnen Teile seines Staates. In St�dten und D�rfern, auf Do-manen und Bauerng�tern sah er selbst nach dem Rechten. � Von seinen Untertanen verlangte er ebenfalls Arbeitsfreudigkeit und getreue Pflichterf�llung. Langschl�fer und M��igg�nger konnte er nicht leiden. In einem Erlasse verlangte er: �Die H�kerinnen und andern H�ndlerinnen auf den Stra�en und M�rk-ten sollen nicht Maulaffen feilhalten, sondern sie sollen Wolle und Flachs spinnen, stricken oder n�hen." Wehe, wenn er einem Faulenzer begegnete! Er rief ihn sogleich an und schickte ihn zu der n�chsten Baustelle. Wer den K�nig kommen sah, der arbei-tete deshalb mit doppeltem Eifer oder lief davon. Einst holte er zwei Fl�chtlinge ein. Er fragte sie, warum sie davongelaufen feien, und erhielt die Antwort: �Weil wir uns vor Ew. Majest�t f�rchten." Da wurde er zornig, schwang den Knotenstock und rief: �Ihr sollt mich nicht f�rchten, sondern lieben!" � Was der K�nig von seinem Volke forderte, das verlangte er in noch h�herem Ma�e von seinen Beamten. Sein scharfes Auge entdeckte die kleinste Unregelm��igkeit. Pflichtvergessene wurden hart bestraft oder aus dem Dienste gejagt. Eines Morgens kam er nach Potsdam und sah, da� die Bauern vor der Stadt warten mu�ten, weil das Tor noch nicht ge�ffnet worden war. Sofort packte ihn der Zorn, er eilte in die Schlafkammer des Torschreibers und pr�gelte ihn mit den Worten aus dem Bette: �Guten Morgen, Herr Torschreiber!" P�nktlichkeit, Sparsamkeit und Pflichttreue waren nach der Meinung des Herrschers die Tugenden, die jeder Staatsbeamte besitzen mu�te. Nur der treue Arbeiter konnte ge-wi� sein, das Wohlwollen seines F�rsten zu erwerben.
4. Friedrich Wilhelm als Landesvater.
Als Friedrich Wilhelm I. die Regierung antrat, sah es in einzelnen Teilen seines Landes ziemlich traurig aus. Krieg und Pest hatten die Bewohner hinweggerafft und die menschlichen Wohnst�tten zerst�rt. Der K�nig rief deshalb fremde Ansiedler herbei. ^ Besonders wichtig war die Aufnahme der Salzburger, die wegen ihres evangelischen Glaubens aus ihrer Heimat vertrieben
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worden waren. Sie wurden in Ostpreu�en angesiedelt, bekamen Geld, Felder und Baumaterial und gr�ndeten St�dte und D�rfer. Auch suchte der K�nig sumpfige Stellen f�r den Ackerbau zu ge-Winnen. So legte er nach sieben Iahren angestrengter Arbeit das Havelluch trocken. Auch einzelne Teile der Wartebr�che wurden entw�ssert.
Friedrich Wilhelm war kein Verehrer der K�nste und Wissen-fchaften; ihm konnte nur das Achtung einfl��en, was praktisch und n�tzlich war. Aus diesem Grunde war der K�nig ein eifriger F�rderer der Volksbildung. Er f�hrte den Schulzwang ein und bestimmte, da� in St�dten und D�rfern Schulen gebaut w�rden. Arme Gemeinden, die die Lasten nicht allein tragen konnten, be-kamen vom Staate Geld, Holz und Steine. So sollen 1800 Schulen entstanden sein. Jedes Kind mu�te bis zum 12. Jahre den Unterricht besuchen. Nur die sollten konfirmiert werden, die lesen, schreiben und rechnen gelernt hatten. Eine gro�e Freude war es f�r den K�nig, wenn er auf seinen Reisen die Schulen besuchte und feststellen konnte, da� die Sch�ler flei�ig und auf-merksam gewesen waren. � Einstmals kam der K�nig in ein Dorf bei K�strin, um der Schule einen Besuch abzustatten. Es war Nachmittag, und der Lehrer stand in seinem Hausrock im Garten und bego� die Blumen. Der K�nig war dar�ber erfreut und rief ihm zu: �Er soll mir eine Stunde halten mit seinen Jungen!" Bald f�llte fich auch die Schulstube; die meisten kamen in Hemds�rmeln und barfu�. Dann lie� sich der K�nig auf einen Stuhl nieder, betrachtete l�chelnd die wohlgen�hrten Burschen und befahl, die Pr�fung zu beginnen. Die Leistungen der Kinder fanden seinen Beifall, denn mehreremals nickte er beif�llig mit dem Kopfe. Die Rechenaufgaben stellte er selbst. Ein kleiner Knabe l�ste dieselben so schnell und sicher, da� ihn der K�nig lobte und ihm zwei Dukaten schenkte.
5. Dias TabakskolleWum.
Gro�es Vergn�gen bereitete dem K�nige die Jagd. Zer-streuung, Unterhaltung und Belehrung suchte er im Tabakskolle-gium. Das war eine regelm��ige Abendgesellschaft, zu der sich einige Generale und Minister und auch wohl fremde Gesandte einfanden. Die Hofsitte war hier verp�nt; keiner durfte sich er-heben, wenn der K�nig eintrat. Man sa� auf h�lzernen Schemeln an einem langen, wei� gescheuerten Tische. Jeder Gast erhielt eine t�nerne Pfeife und holl�ndischen Tabak zum Rauchen. Wer davon kein Freund war, der mu�te wenigstens die kalte Pfeife im Munde halten. Auf der Tafel standen Kr�ge mit selbstge-brautem Bier, und auf Nebentischen lagen Braten, Schinken, Butter, K�se, Brot und Fisch. Die Anwesenden mu�ten selbst
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zugreifen: Diener betraten nur dann den Raum, wenn sie frisches Bier brachten. Im Tabakskollegium wurde gescherzt, gelacht und geneckt; besonders beliebt waren die Witze und derben Sp��e des �Alten Dessauers". Man unterhielt sich aber auch �ber ernste Dinge. Hier war es auch, wo der K�nig Rat und Trost suchte, wenn schwere Sorgen seine Seele bedr�ckten.
6. Seine Erwerbungen.
Friedrich Wilhelm war ein gro�er Soldatenfreund; dennoch verabscheute er den Krieg. W�hrend seiner Regierung hat er nur einmal zur Vergr��erung seines Landes das Schwert gezogen. � In Schweden herrschte Karl XII.; er st�rzte sich in einen Krieg mit Peter dem Gro�en von Ru�land und wurde nach an-f�nglichen Siegen v�llig geschlagen. Da griff Friedrich Wilhelm in den Kampf ein. Seine Truppen eroberten Stettin, Stralsund und die Insel R�gen und vertrieben die Schweden aus ganz Vorpommern. Bei dem Friedensschl�sse erhielt er das Land bis zur Peette mit Stettin und den Inseln Usedom und Wollin. Somit war die M�ndung der Oder endlich an Preu�en gekommen; der Wunsch des Gro�en Kurf�rsten war teilweise in Erf�llung gegangen.
Friedrich Wilhelm I. starb am 31. Mai 1740 zu Potsdam und wurde in der dortigen Garnisonkirche beigesetzt. Er hinter-lie� seinem Sohne einen Staat mit gef�llten Kassen, eine gewissen-haste Beamtenschaft und ein trefflich ausgebildetes Heer von 83000 Mann.
14. Friedrich II., der Gro�e (1740�1786).
1. Friedrichs Jugend.
Friedrich II. wurde schon von seinen Zeitgenossen der Gro�e oder der Einzige genannt. Er erblickte am 24. Januar 1712 im Schlosse zu Berlin das Licht der Welt. Bis zum siebenten Jahre stand er unter der Obhut seiner Mutter und der Frau von Rocoulle. Sp�ter leitete die Erziehung ein gebildeter Offizier. Dreierlei verlangte der K�nig von den Lehrern des Prinzen: sie sollten ihn zu einem frommen Christen, zu einem sparsamen Haus-wirte und zu einem t�chtigen Soldaten heranbilden. Das erste Ziel sollte in der Hauptsache durch einen gr�ndlichen Religions-Unterricht erreicht werden. Allein er war langweilig unb trocken unb besriebigte ben lebhaften Knaben in keiner Weife. Es war auch verkehrt, bem Prinzen ganze Lieber unb Psalmen aufzugeben, wenn er sich irgertb einmal vergangen hatte. Die Folge baoon
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war, da� in Friedrich eine Abneigung gegen die Religion er-wachte. Schon ft�hzeitig sollte sich der Thronfolger an das Sparen gew�hnen. Er erhielt ein Ausgabenbuch, in das er jeden Pfennig eintragen mu�te. Von Zeit zu Zeit wurde es von dem K�nige einer Durchsicht unterzogen. Auch diese Ma�nahmen oer-fehlten eigentlich ihren Zweck. Friedrich hatte Neigung zu Prunk und Pracht und machte deshalb Schulden. Am wenigsten schien aus dem Kronprinzen ein t�chtiger Soldat werden zu wollen, ob-gleich auf die milit�rische Ausbildung das Hauptgewicht gelegt wurde. Schon im zehnten. Jahre mu�te er mit Flinte und Patronentasche auf Schlo�wache ziehen; auch wurde f�r ihn eine Kadetten-Kompagnie errichtet.
Doch das ewige Einerlei des Milit�rdienstes war dem Prinzen in tiefster Seele zuwider. Viel lieber sa� er im weichen Schlaf-rocke auf seinem Zimmer, spielte die Fl�te oder las franz�sische B�cher, die er sich hinter dem R�cken des Vaters angeschafft hatte. Nat�rlich blieb dem scharfblickenden Vater nicht lange oer-borgen, da� sein Sohn anders geartet war als er. Klagend rief er einmal aus: �Fritz ist ein Querpfeifer und Poet; er macht sich nichts aus den Soldaten und wird mir meine ganze Arbeit ver-derben!" Da Friedrich von seinen Liebhabereien nicht lie�, wurde die Kluft zwischen Vater und Sohn immer gr��er. Der K�nig ging sogar zu T�tlichkeiten �ber; er zerbrach die Fl�te, schleuderte die B�cher ins Feuer und mi�handelte den erwachsenen Prinzen mit Stockschl�gen.
Da fa�te Friedrich den Entschlu�, sich dem qualvollen Leben durch die Flucht nach England zu entziehen. Auf einer Reise nach S�ddeutschland sollte der Plan zur Ausf�hrung kommen. Zwei Freunde, die Offiziere von Keith und von Katte, sollten ihm behilflich sein. Doch das Geheimnis wurde verraten. Als sich Friedrich auf das bereitstehende Pferd schwingen wollte, wurde er angehalten. Der K�nig war au�er sich vor Zorn; er befahl, den Prinzen tot oder lebendig nach Wesel zu schaffen. W�hrend eines Verh�rs geriet der Vater in solche Wut, da� er seinen Degen zog und sein eigenes Kind durchbohrt h�tte, wenn ihn nicht der General von Mosel daran gehindert h�tte. Von Wesel wurde dann Friedrich nach K�strin in das Gef�ngnis gebracht. Ein Kriegsgericht sollte ihn zum Tode verurteilen. Allein die Richter hielten sich nicht f�r berechtigt, �ber den Kronprinzen ein Urteil zu f�llen. Der Leutnant von Katte mu�te sein Vergehen mit dem Tode b��en; er wurde vor den Augen des Kronprinzen ent-hauptet. Jetzt sah Friedrich ein, da� er eine schwere Schuld auf
Seele geladen hatte. Er bereute feine Tat, warf sich dem K�nige zu F��en und bat flehentlich um Verzeihung.
Der Vater begnadigte ihn und entlie� ihn aus der strengen Kerkerhaft. Vorl�ufig mu�te Friedrich noch in K�ftrin bleiben
Donat, Geschichtsbilder. .
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und bei der Regierung Tag f�r Tag arbeiten. Durch Flei� und Pflichttreue erwarb er sich bald die Zufriedenheit seiner Vorgesetzten. Der K�nig war dar�ber so erfreut, da� er ihn in K�strin besuchte. Bald darauf durfte Friedrich wieder nach Berlin kommen. Er beugte sich ganz unter den eisernen Willen des Vaters und heiratete auf dessen Wunsch die Prinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig. Zugleich bekam er ein Regiment und das Schlo� Rheinsberg bei Neu-Ruppin. Hier lebte er bis zu seiner Thronbesteigung, erf�llte seine Pflicht als Soldat und studierte eifrig Geschichte. Der Vater lie� ihn gew�hren, denn er hatte die gro�en Gaben seines Sohnes erkannt. Auf dem Sterbebette �u�erte er zu den Umstehenden: �Mein Gott, ich sterbe zufrieden, weil ich einen so w�rdigen Sohn zum Nachfolger habe."
2. Friedrich als Kriegsheld.
a) Die zwei ersten Schleichen Kriege. Friedrich der Gro�e bestieg im Jahre 1740 den preu�ischen K�nigsthron. In dem-selben Jahre starb der deutsche Kaiser Karl VI. Seine Nachfolgerin wurde seine Tochter Maria Theresia, die mit dem Herzoge Franz von Lothringen-Toskana verm�hlt war. Der Kurf�rst von Bayern aber glaubte, Anspr�che auf den �fter-reichischen Thron zu haben; er verband sich deshalb mit den Franzosen und erkl�rte Maria Theresia den Krieg. � Ein zweiter Feind erstand der jungen Herrscherin in dem K�nige von Preu�en. Friedrich suchte, f�r seinen Staat Schlesien zu erwerben. Vor vielen Iahren hatten die Herz�ge dieses Landes mit den Hohen-zollern einen Vertrag unterzeichnet. In demselben war bestimmt worden, da� bei einem Aussterben des F�rstenhauses Schlesien an Brandenburg kommen sollte. Als aber der letzte Herzog starb, nahmen die Habsburger das Land in Besitz. Der damalige Kur-f�rst von Brandenburg konnte nichts einwenden, weil er gegen den Kaiser zu schwach war. Jetzt nun hielt Friedrich der Gro�e den Augenblick f�r gekommen, seine Erbanspr�che auf Schlesien geltend zu machen.
Noch im Jahre 1740 griff er zu den Waffen; im Dezember �berschritt er mit 20000 Mann die �sterreichische Grenze und be-setzte, ohne Widerstand zu finden, das ganze Land. Allein im n�chsten Jahre war ein feindliches Heer zur Stelle. Bei Moll-witz, in der N�he von Brieg, kam es 1741 zur Schlacht. Die preu�ische Reiterei wurde v�llig geschlagen; aber die Infanterie brachte unter der F�hrung des t�chtigen Feldmarschalls Schwerin das Gefecht zum Stehen und errang schlie�lich einen vollst�ndigen Sieg. Maria Theresia erkannte, da� sie gegen zwei Feinde nichts ausrichten konnte. Sie schlo� mit Friedrich den Frieden zu Breslau
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und trat das bl�hende Schlesien an Preu�en ab. Der erste Schlesische Krieg war zu Ende.
Nun warf Maria Theresia ihre Truppen gegen die Franzosen und Bayern und trieb sie aus �sterreich und B�hmen hinaus. Dadurch sah sich Friedrich veranla�t, zum zweiten Male zum Schwerte zu greifen. 1744 entbrannte der zweite Schlesische Krieg. Bei Hohenfriedberg kam es (1745) zur Schlacht. Beim fr�-heften Morgengrauen griff der K�nig feine Feinde an und schlug sie vollst�ndig in die Flucht. Diesmal tat auch die Reiterei ihre Schuldigkeit. Ein einziges Dragonerregiment eroberte 66 Fahnen. Friedrich war dar�ber hocherfreut, so da� er die Tapferen mit den Siegeszeichen an sich vorbeireiten lie� und w�hrend der Zeit seinen Hut in der Hand hielt. Maria Theresia kam zur Einsicht, da� ihre Feldherren den preu�ischen K�nig nicht besiegen konnten; sie schlo� mit Friedrich den Frieden zu Dresden und verzichtete abermals auf Schlesien. Daf�r erkannte der Preu�enk�nig ihren Gemahl als deutschen Kaiser an.
b) Der Siebenj�hrige Krieg. Die Kaiserin konnte den Ver-lust der fruchtbaren und reichen Provinz nicht �berwinden. So oft ihr ein Schlesier begegnete, f�llten sich ihre Augen mit Tr�nen. Sie hoffte, Schlesien wiedergewinnen zu k�nnen. Deshalb bereitete sie alles zu einem letzten, entscheidenden Kampfe vor. Sie erh�hte die Einnahmen ihres Staates, vermehrte das Heer und lie� es nach preu�ischem Muster einrichten und ausbilden. Zu-gleich sah sie sich nach Bundesgenossen um. Sie verb�ndete sich mit der Kaiserin Elisabeth von Ru�land, gewann den un-f�higen K�nig Ludwig XV. von Frankreich und brachte au�er-dem noch Schweden, Sachsen und die andern deutschen Staaten auf ihre Seite. So war Friedrich ringsum von Feinden einge-schl�ssen. Im Jahre 1757 sollte er von allen Seiten �berfallen und wieder zum Kurf�rsten von Brandenburg erniedrigt werden. Allein die Verb�ndeten hatten die Rechnung ohne den K�nig ge-macht. Dieser hatte die �sterreichischen R�stungen mit scharfen Augen verfolgt und sein Heer ebenfalls vermehrt. Au�erdem hatte er die Pl�ne seiner Feinde erfahren. Deshalb entschlo� er sich, seinen Gegnern zuvorzukommen. Ohne Kriegserkl�rung r�ckte er im Sp�tsommer 1756 in Sachsen ein. Der Siebenj�hrige Krieg nahm seinen Anfang.
Darauf waren die s�chsischen Truppen nicht vorbereitet, sie wurden �berrascht und in einem festen Lager eingeschlossen. Die Kaiserin wollte ihnen Hilfe bringen; doch Friedrich r�ckte sofort den �sterreichern entgegen und schlug sie bei Lobositz an der Elbe zur�ck. Damit war das Schicksal der Sachsen entschieden; sie wurden gefangen genommen und zum Eintritt in das preu�ische Heer gezwungen.
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Im n�chsten Jahre (1757) drang Friedrich in B�hmen ein und besiegte die �sterreicher bei Prag. Hier starb der Sieger von Mollwitz, der greise Feldmarschall Schwerin, den Heldentod. Bei der Erst�rmung einer H�he wurde er von f�nf Kart�tschen-kugeln zu Boden gestreckt. Einige Wochen sp�ter kam es in B�hmen bei Kolin zu einer zweiten Schlacht. Sie verlief f�r die Preu�en ungl�cklich, General Daun blieb Sieger. Als Friedrich das Ungl�ck hereinbrechen sah, stellte er sich an die Spitze einer Abteilung Infanterie und griff damit eine feindliche Batterie an. Allein die Kugeln rissen Mann neben Mann nieder. Der K�nig aber merkte es nicht und ritt immer weiter. Da rief ein Adjutant: �Majest�t, wollen Sie die Batterie allein erobern?" Jetzt hemmte Friedrich sein Ro�, betrachtete noch einmal die Stellung der Feinde und gab den Befehl zum R�ckz�ge.
Nun mu�te Friedrich B�hmen r�umen; er ging nach Sachsen zur�ck und f�hrte dann sein Heer nach Th�ringen, wo sich in-zwischen die Franzosen mit der Reichsarmee, den Truppen der deutschen F�rsten, verbunden hatten. Bei Ro�bach kam es am 5. November zu einer kurzen, ruhmreichen Schlacht. Der fran-z�sische General Prinz von Soubife glaubte, mit den Preu�en leicht fertig zu werden. Er wollte sie umgehen und gefangen nehmen. Doch der K�nig war auf seiner Hut; er stand auf dem Boden des Ro�bacher Herrenhauses und verfolgte mit dem Fern-glase die Bewegungen der Feinde. Ruhig lie� er seine Soldaten abkochen und essen. Jetzt war die Zeit zum Handeln gekommen. Die Regimenter erhielten den Befehl zum Abmarsch. Im Nu waren die Zelte abgebrochen. Der junge General von Seydlitz setzte sich an die Spitze der Reiterei und f�hrte sie um einen H�gel. Da schleuderte er pl�tzlich seine Pfeife in die Luft. Ein helles Trompetensignal hallte �ber das Feld, und wie der Wind sausten K�rassiere, Dragoner und Husaren in den Feind. Auf dem H�gel pflanzten sich die Kanonen auf und sandten einen eisernen Hagel in die Reihen des �berraschten Gegners. Nach einer Viertelstunde waren die Franzosen v�llig geschlagen. Sie warfen die Gewehre und S�bel weg und suchten in wilder Flucht die sch�tzenden Unstrutbr�cken zu erreichen. Noch am Abend schrieb Friedrich an seine Schwester: �Nach so viel Unruhen ein g�nstiges Ereignis. Jetzt werde ich mit Frieden in die Grube fahren, nachdem der Ruf und die Ehre meines Volkes gerettet ist." Ganz Deutschland jubelte �ber den herrlichen Sieg und sang den Spottvers: Und wenn der gro�e Friedrich kommt Und klopft nur auf die Hofen,
So l�uft die ganze Reichsarmee,
Panduren und Franzosen.
Unterdessen waren die �sterreicher unter dem Oberbefehle des Prinzen Karl von Lothringen, eines Bruders des deutschen
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Kaisers Franz, in Schlesien eingedrungen, hatten einzelne Abtei-hingen der Preu�en geschlagen und fast das ganze Land ein-genommen. Friedrich eilte mit seiner Armee der bedrohten Provinz zu Hilfe und beschlo�, dem doppelt so starken Feinde aus alle F�lle eine Schlacht zu liefern. Am 5. Dezember traf er bei Leuthen, in der N�he von Breslau auf die �sterreicher. Vor dem Kampfe rief er seine Generale zu sich, um ihnen seine gro�e Not zu schil-dem. Er sagte: �Ich werde den Feind angreifen, wo ich ihn finde. Ich mu� diesen Schritt wagen, oder es ist alles verloren. Wir m�ssen den Feind schlagen oder uns vor seinen Batterien begraben lassen. So denke ich, so werde ich handeln. Sagen Sie das meinen Regimentern und leben Sie wohl. In kurzem haben wir den Feind geschlagen, oder wir sehen uns nie wieder!" Und der Feind wurde geschlagen. Als die Sonne unterging, w�lzte sich das zerschmetterte �sterreichische Heer auf der Stra�e nach Breslau zur�ck. Durch die Tapferkeit seiner Truppen und sein gro�es Feldherrntalent hatte Friedrich der Gro�e seinen herrlichsten Sieg errungen. Am Abend lagerten die Preu�en auf dem blut-getr�nkten Schlachtfelde. Pl�tzlich sang ein alter Krieger den Choral �Nun danket alle Gott". Ein Regiment nach dem andern stimmte mit ein, so da� nach wenigen Augenblicken das Danklied aus Tausenden von Soldatenkehlen zum Himmel empordrang.
Mittlerweile waren auch die Russen auf dem Kriegsschau-platze erschienen. Sie hatten ein kleines preu�isches Heer in Ost-preu�en zur�ckgeworfen und waren sengend und brennend bis zur Oder vorgedrungen. Friedrich eilte nach Norden und stie� bei Zorndorf (1758), in der N�he von K�sttin, auf den Feind. Nach hartem Kampfe, in dem sich der Reitergeneral von Seydlitz abermals auszeichnete, wurden die Russen zum R�ckz�ge ge-zwungen. Bald darauf traf den K�nig ein schweres Ungl�ck. Er mu�te bei dem s�chsischen Dorfe Hoch Kirch den �sterreichern gegen�ber ein ung�nstiges Lager beziehen. Daun benutzte die Gelegenheit zu einem n�chtlichen �berfalle. Fast das gesamte Gesch�tz fiel den Feinden in die H�nde. �Kanoniers," sagte der K�nig, �wo habt ihr eure Kanonen gelassen?" �Majest�t, die hat der Teufel bei der Nacht geholt", war die Antwort. �So wollen wir sie ihm bei Tage wieder abnehmen", rief der K�nig und sprengte davon.
Auch das n�chste Jahr begann f�r Friedrich ungl�cklich. Er konnte trotz aller Wachsamkeit eine Vereinigung der Russen und �sterreicher nicht verh�ten und erlitt bei Kunersdorf, nicht weit von Frankfurt a. O., eine solche Niederlage, da� er im Kugel-regen verzweiflungsvoll ausrief: �Kann mich denn keine ver-w�nschte Kugel treffen?" Am Abend schrieb er: �Das ist eine furchtbare Niederlage, ich werde sie nicht �berleben. Ich habe keine Hilfsquellen mehr, und um wahr zu sprechen, ich halte alles
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f�r verloren. Ich werde den Verlust meines Vaterlandes nicht �berleben." Doch die Feinde nutzten ihren Sieg nicht aus, sie trennten sich wieder. Und nun l�chelte dem k�niglichen Feldherrn das Gl�ck abermals. Im Jahre 1760 schlug er die �sterreicher bei Liegnitz und Torgau. In der letzteren Schlacht zeichnete sich der Husarengeneral von Zieten ruhmvoll aus.
In den n�chsten Iahren wurde Friedrichs Lage immer un-g�nstiger; seine Geldmittel versiegten, und sein Heer wurde immer kleiner. Dennoch verlor er den Mut nicht. Endlich lie�en seine Feinde das Schwert sinken, sie sahen ein, da� sie den K�nig doch nicht niederringen konnten. Aus dem s�chsischen Jagdschl�sse Hubertusburg kam 1763 der Friede zustande. Friedrich behielt Schlesien.
8. Friedrich als F�rst und Mensch.
Nach dem Friedensschl�sse war Friedrich eifrig bem�ht, die Wunden, die der lange Krieg seinem Lande geschlagen hatte, zu heilen. Er verteilte Saatkorn, Armeepferde und Geld unter die ver-armiert Landbewohner und lie� H�user und ganze Ortschaften aus Staatsmitteln aufbauen. In die d�nn bev�lkerten Strecken rief er fremde Ansiedler herbei, gab ihnen Land, Wiesen und Baupl�tze und befreite sie oftmals von allen Abgaben. Die sumpfigen Stellen suchte er durch Entw�sserung f�r den Anbau zu gewinnen. Viele M�he bereitete ihm die Trockenlegung des Oderbruches. Als hier auf den Feldern zum ersten Male das Getreide wogte, rief er begl�ckt aus: �Hier habe ich eine Provinz im Frieden erobert!" Den Anbau der Kartoffel suchte er mit allen Mitteln durchzusetzen. Selbst die Geistlichen mu�ten von der Kanzel auf den Wert dieser Frucht hinweisen.
Daneben f�rderte Friedrich auch das Gewerbe. Er lie� Spinnereien und Webereien anlegen und gr�ndete in Berlin die erste Porzellanfabrik.
Zur Hebung des Handels wurden neue Wasserstra�en gebaut; es entstanden der Plauesche Kanal, der Finow-Kanal und der Bromberger Kanal. Damit war eine Verbindung zwischen Elbe, Oder und Weichsel hergestellt.
Die Bildung seines Volkes lag dem K�nige sehr am Herzen. Er gr�ndete viele Volksschulen und lie� aus Sachsen t�chtige Lehrer kommen.
F�r die weitere Vermehrung des Heeres war er fortgefetzt besorgt; er brachte es nach und nach auf 200000 Mann. Mit gro�er Genugtuung erf�llte es den K�nig, da� er mitten im Frieden feinem Lande noch eine neue Provinz einf�gen konnte. Bei der ersten Teilung Polens gewann er Weftpreu�en und einen Teil Pofens. Nun war Preu�en eine wirkliche Gro�macht geworden.
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Friedrich der Gro�e war ein Mann von rastloser T�tigkeit. Er betrachtete sich nur als den �ersten Diener seines Staates". �Es ist nicht n�tig, da� ich lebe," schrieb er einmal, �wohl aber, da� ich meine Pflicht tue." Jede Stunde des Tages hatte ihre Bestimmung. Alle Eingaben wurden von dem K�nige selbst ge-pr�ft und oft mit treffenden Randbemerkungen versehen. All-j�hrlich unternahm er l�ngere Reifen in die einzelnen Provinzen des Landes, um selbst �berall nach dem Rechten zu sehen. Jedem seiner Untertanen schenkte er dann Geh�r, denn er meinte: �Die armen Leute wissen, da� ich ihr Landesvater bin, und oft haben sie gewi� Grund, sich zu beschweren." Bis zum letzten Tage er-f�llte er seine Pflicht als Herrscher. Erstarb am 17. August 1786. Als die Todesnachricht bekannt wurde, sagte ein Bauer in Schwaben: �Wer wird nun die Welt regieren?"
15. Friedrich Wilhelm III. (1797�1840).
1. Friedrich Wilhelm II. (1786�1797).
Friedrich der Gro�e hinterlie� keinen Erben; deshalb bestieg sein Neffe Friedrich Wilhelm II. den preu�ischen K�nigsthron. Er war anders geartet als sein gro�er Oheim; er liebte Prunk und Pracht und lie� die Regierungsgesch�fte in der Hauptsache von seinen Ratgebern besorgen. Die Kriege, die er mit Frank-reich f�hrte, brachten Preu�en keinen Ruhm ein. Sie verzehrten den Staatsschatz und st�rzten das Land in Schulden. Auch auf das Heerwesen wurde nicht die n�tige Sorgfalt verwandt. In die Regierungszeit Friedrich Wilhelms II. fiel die endg�ltige Auf-teilung des K�nigreichs Polen. Preu�en erhielt gro�e L�nder-strecken, die aber sp�ter zum gr��ten Teile wieder verloren gingen. Nur das Bindeglied zwischen Westpreu�en und Schlesien, die heutige Provinz Posen, blieb unserm Vaterlande erhalten.
2. Friedrich Wilhelm III. und die K�nigin Luise.
Friedrich Wilhelm III. war ein schlichter, ftommer Monarch. Seine Jugend verlebte er noch unter den Augen Friedrichs des Gro�en. Einst spielte der Prinz in dem Arbeitszimmer des K�nigs und warf seinen Ball wiederholt auf den Tisch seines Gro�oheims. Da wurde dieser �rgerlich und steckte den Ball ein. Allein der Prinz stellte sich vor den K�nig und sagte energisch: �Der Ball geh�rt mir; ich will ihn wieder haben!" Da l�chelte der K�nig, reichte ihm das Spielzeug zur�ck und meinte: �Du wirst Dir Schlesien nicht wieder nehmen lassen." Oftmals ging der K�nig auch mit dem kleinen Prinzen im Parke von Sanssouci spazieren
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und freute sich an seinen Fragen und Antworten. Einst lobte er ihn, weil er eine franz�sische Fabel ohne Ansto� ins Deutsche �bertragen konnte. Doch der Prinz gestand aufrichtig, da� sein Lehrer erst vor einigen Tagen das St�ck mit ihm einge�bt habe. Da legte ihm der alte K�nig die Hand auss Haupt, sah ihn mit seinen gro�en, blauen Augen lange an und sagte: �So ist's recht, lieber Fritz; immer ehrlich und aufrichtig. Wolle nie mehr scheinen, als Du bist; sei immer mehr, als Du scheinst."
Noch als Kronprinz gr�ndete Friedrich Wilhelm einen eigenen Hausstand. Zu Frankfurt a. M. lernte er 1793 die Prinzessin Luise von Mecklenburg - Strelitz kennen. Die anmutige, sch�ne und geistreiche F�rstentochter machte einen tiefen Eindruck auf ihn. Er verlobte sich mit ihr und f�hrte sie noch in dem-selben Jahre als seine Gemahlin heim. Am Vorabende des Weihnachtsfestes fand die Trauung im Wei�en Saale des Schlosses zu Berlin statt. Bei ihrem Einz�ge in die Hauptstadt wurde die Braut mit ungeheurem Jubel empfangen. Ein kleines M�dchen begr��te sie mit einem Gedichte und einem Blumenstrau�e. Luise wurde davon so ger�hrt, da� sie das Kind in ihre Arme schlo� und k��te. Erschreckt wandte sich die Oberhofmeisterin von Vo�, die mit im Wagen sa�, zu der Prinzessin und sagte: �Was haben Ew. K�nigliche Hoheit getan? Das ist gegen die Hofsitte!" Luise aber erwiderte betroffen: �Wie? Darf ich das nicht mehr tun?" Am 10. M�rz feierte sie als Kronprinzessin ihren ersten Geburts-tag. Da schenkte ihr der K�nig das Schlo� Oranienburg und fragte sie, ob sie noch einen Wunsch habe. �Ja", war die Ant-wort, �ein Handvoll Gold f�r die Armen." �Aber wie gro� denkst Du Dir diese Hand?" meinte forschend der K�nig. Luise entgegnete treffend: �So gro� wie das Herz des besten K�nigs."
Das junge Paar f�hrte eine �beraus gl�ckliche Ehe. Im Sommer hielt es sich meistens auf dem Landgute Paretz bei Potsdam auf. Der Kronprinz hie� hier der �Schulze" und die Kronprinzessin die �gn�dige Frau von Paretz". Allj�hrlich wurde das Erntefest mit den Gutsleuten gefeiert. �Gegen Mittag zogen dieselben mit ihrer Dorfmusik durchs Dorf und brachten die Ernte-Krone zum Schl�ffe. Wenn sie im Hofe ankamen, trat dann der K�nig heraus unter die T�r und h�rte die Ansprache an, die an ihn als den Gutsherrn von Paretz gehalten wurde. Nun winkte er denen, die die Krone trugen, n�her zu treten, sie ins Haus zu bringen und der K�nigin zu �berreichen. War das geschehen, so begann auf dem Hofe der Tanz, erst nach der Musik der Dorfbl�fer, dann nach der etwas besseren einer Regimentskapelle. Mitten unter den tanzenden Knechten und M�gden sah man den K�nig und die K�nigin und ihr (Befolge sich auch im Reihen drehen." Doch auch die Kinder sollten zu ihrem Vergn�gen kommen. Luise begab sich zu den Buden, die auf einer Wiese ausgeschlagen
waren, und kaufte allerhand Backwerk in ganzen K�rben ein. Buben und M�dchen dr�ngten sich heran, streckten die Arme aus und riefen: �Frau K�nigin, Frau K�nigin, mir auch etwas!"
1797 bestieg Friedrich Wilhelm III. den Thron seiner V�ter. Treu und gewissenhaft suchte er seine Pflichten als Herrfcher zu erf�llen. Er entlie� die G�nstlinge feines Vaters und entfernte pflichtvergessene Beamte. Er meinte, �der Staat sei nicht reich genug, um m��ige Glieder zu besolden". Durch Sparsamkeit kam allm�hlich wieder Ordnung in die Finanzen. Auch wurden im Heere manche Verbesserungen eingef�hrt. Friedrich Wilhelm war ein Mann des Friedens; nichts liebte er mehr als ein Leben in der Stille und Einsamkeit. Und doch sollte er schwere Jahre des Ungl�cks und der Unruhe erleben.
8. Der Krieg mit Napoleon.
Noch zu Lebzeiten Friedrich Wilhelms II. brach in Frankreich ein furchtbarer Volksaufftand, die gro�e franz�sische Revo-lution, aus. Der ungl�ckliche K�nig Ludwig XVI. wurde vom Throne gesto�en und hingerichtet. Auch die sch�ne K�nigin Marie Antoinette, eine Tochter der Kaiserin Maria Theresia, endete auf dem Schafott. Die Franzosen w�hlten keinen Herrscher wieder; ihr Staat wurde eine Republik. Zugleich wollten sie die Revolution nach andern L�ndern tragen. Junge, tatkr�ftige Generale stellten sich an die Spitze der Heere, �berschritten die Grenzen, errangen Sieg auf Sieg und eroberten St�dte und L�nder. Der bedeutendste Feldherr war der General Napoleon Bonaparte. Er besiegte alle Feinde der Republik, �bernahm die Leitung des Staates und lie� sich schlie�lich zum Kaiser der Franzosen w�hlen (1804). Als solcher f�hrte er viele Kriege; er unterwarf fast alle europ�ischen L�nder, wie Spanien, Italien, �sterreich und die Niederlande. Endlich bekam auch Preu�en seine gewaltige Faust zu f�hlen.
Friedrich Wilhelm III. hatte die feste Abficht, feinem Volke den Frieden zu erhalten. Napoleon aber dachte anders; er dem�tigte Preu�en, wo er nur konnte. Da verband sich Friedrich Wilhelm mit den Russen und erkl�rte an Frankreich den Krieg. Die preu�ische Armee sammelte sich in Th�ringen; sie stand unter dem Oberbefehle des Herzogs Ferdinand von Braunfchweig. Nach vielen Hin- und Herm�rfchen nahm sie am linken Saalufer Aufstellung. Die Soldaten waren vom besten Mute beseelt; sie brannten aus eine Schlacht und hofften bestimmt, den Sieg zu erringen. Die h�heren Offiziere hatten den Kopf verloren; sie wu�ten nicht recht, was sie machen sollten. Sie hielten mit dem K�nige Kriegsrat auf Kriegsrat und lie�en so Napoleon Zeit, seine Armee �ber den Th�ringer Wald zu f�hren. Bei Saal-
felb erzwang er sich den �bergang �ber die Saale, indem er die Vortruppen der Preu�en g�nzlich schlug. Ihr F�hrer, der mutige und tapfere Prinz Louis Ferdinand, starb den Heldentod. Er wollte sich nicht ergeben und wurde von feindlichen Reitern erstochen. Das war f�r die Preu�en ein harter Schlag. Die Kunde von der Niederlage rief im Hauptheere Verzweiflung und Schrecken hervor. In der Aufregung beschlo� man, die Armee von der Saale nach der Elbe zur�ckzuf�hren, um die Stra�en nach Berlin sch�tzen zu k�nnen. Allein der Plan kam nicht mehr zur Ausf�hrung. Napoleon war mit seinem Heere heran und zwang die Preu�en am 14. Oktober zu der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt. Die Preu�en fochten mit der alten Tapfer-keit, aber sie unterlagen und wurden nach allen Seiten hin aus-einandergefprengt. Als die Abendnebel aufstiegen, gab es keine preu�ische Armee mehr. Die umherirrenden Tr�mmer retteten sich entweder �ber den Harz nach Magdeburg oder wurden von der franz�sischen Reiterei eingeholt und gefangen genommen. Zu der Niederlage im Felde kam die Feigheit der Feftungskommandanten. Die Franzosen brauchten nur vor den W�llen der festen Pl�tze zu erscheinen, so entfiel den altersschwachen Generalen der Mut; sie verga�en Pflicht und Ehre, kn�pften Unterhandlungen an und �berreichten dann die Schl�ssel. Ohne auch nur einen Kampf zu wagen, ergaben sich Erfurt, Spandau, K�strin und Stettin. Selbst das starke und mit allem Kriegsmaterial reichlich versehene Magde-b�rg �ffnete ohne Schwertstreich die Tore.
Doch es gab auch noch M�nner, in denen Heldenmut und Tatkraft noch nicht erstorben waren. Oberst von 9)orK lieferte den nachdr�ngenden Feinden an der Elbe ein ernstes R�ckzugs-gefecht, und der General von Bl�cher zog sich k�mpfend nach L�beck zur�ck, um sich mit seinen Truppen nach Ostpreu�en einzuschiffen. Allein er konnte sein Vorhaben nicht ausf�hren; er mu�te sich der feindlichen �bermacht ergeben, weil er kein Brot und keine Munition mehr hatte. Auch einige Feftungskomman-danten retteten die Ehre des preu�ischen Namens. Gl atz ver-teidigte Graf G�tzen, und in Kolberg schlug Major von Gneisenau alle St�rme der Franzosen ab. Graudenz an der Weichsel fand in Courbiere einen mutvollen Verteidiger. Als ihm die Franzosen sagten, es g�be keinen K�nig von Preu�en mehr, antwortete er ihnen: �So gibt es doch noch einen K�nig von Graudenz."
Mittlerweile nahm Napoleon das preu�ische Land in Besitz. Er hielt einen gl�nzenden Einzug in Berlin und besuchte auch das Grab Friedrichs des Gro�en in Potsdam. Trotz seiner Ver-ehrung f�r den gro�en K�nig raubte er dessen Degen, Sch�rpe und Ordensstern. Nun f�hrte er seine sieggewohnten Scharen der Weichsel zu. Hier traf er auf neuen Widerstand, denn die Russen
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waren endlich herangekommen und lieferten ihm im Verein mit den Resten des preu�ischen Heeres die �beraus blutige Schlacht bei Preu�ifch-Eylau. Zum ersten Male hatte Napoleon keinen vollst�ndigen Sieg errungen. Doch er verst�rkte seine Armee. Dann brach er auf und brachte den Russen bei Friedland eine vernichtende Niederlage bei. Der russische Kaiser Alexander l. erkannte, da� weiterer Widerstand unm�glich sei. Er verst�ndigte sich mit Napoleon; im Juli 1807 kam der Friede zu Tilsit zustande.
Die edle K�nigin Luise war vor den Franzosen von K�nigs-berg nach Memel geflohen. Krank, im furchtbaren Sturm und Schneegest�ber hatte man sie �ber die Kurische Nehrung ge-sahren. Drei Tage und drei N�chte hatte die Reise gedauert. In der ersten Nacht mu�te die K�nigin in einer Bauernh�tte zu-bringen; durch die zerbrochenen Fenster wurde der Schnee auf das Bett geweht. Sie genas. Nun eilte sie nach Tilsit, um von dem Bezwinger ihres Vaterlandes mildere Friedensbedingungen zu erbitten. �Wenn ich Preu�en nur noch ein Dorf erhalten kann, so wird dieser Schmerzensgang doch nicht umsonst sein", �u�erte sie zu ihrer Umgebung. Doch der Gang war umsonst. Wohl empfing der Kaiser die K�nigin mit der gr��ten Hochach-tung, aber ihre r�hrende Bitte, dem preu�ischen Staate wenigstens die Festung Magdeburg zu lassen, erf�llte er nicht.
Preu�en mu�te auf harte Bedingungen eingehen. Es mu�te 120 Millionen Frank Kriegskosten zahlen und mu�te alles Land westlich der Elbe an Napoleon abtreten. Daraus bildete der Kaiser mit den Staaten Braunschweig und Hessen-Kassel das K�nigreich Westfalen, das er seinem Bruder Ierome gab.
4. Der Tod der K�nigin Luise.
Nach dem Frieden zu Tilsit berief K�nig Friedrich Wilhelm den Freiherrn vom Stein als Minister an die Spitze des Staates. Dessen erste Sorge war, die Kriegskosten an Napoleon abzuzahlen, damit das Land von den fremden Soldaten befreit w�rde. Der K�nig verpf�ndete viele seiner G�ter und richtete seine Hofhaltung auf das einfachste ein. Das ererbte silberne und goldene Tafel-gefchirr wurde eingeschmolzen und zu M�nzen gepr�gt und der Schmuck der K�nigin verkauft. Nur eine Perlenkette behielt sie; denn sie sagte: �Perlen bedeuten Tr�nen, und ich habe deren so viele vergossen." � Im Winter 1809 kehrte die k�nigliche Familie nach Berlin zur�ck. Unbeschreiblich war der Jubel der Bev�l-kerung. Aber Luise sollte sich der Liebe ihrer Untertanen nicht mehr lange erfreuen. Die Aufregungen auf der Flucht und der Schmerz �ber das Ungl�ck des Vaterlandes hatten ihre Gesund-heit untergraben. Todesahnungen erf�llten ihre reine Seele; eine
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unwiderstehliche Sehnsucht trieb sie nach Mecklenburg zu ihrem r ,ier' H^r wurde sie auf dem Schlosse Hohenzieritz von solchen Brustkrampfen befallen, da� der K�nig durch Eilboten an das Krankenlager gerufen wurde. Er erschien mit den beiden �ltesten S�hnen und bereitete dadurch der Mutter die letzte Freude. Am 19. Juli 1810 stand das Herz der edlen Dulderin still, Ihre sterblichen �berreste ruhen im Mausoleum zu Charlottenburg. Die Gruft deckt ein herrliches Denkmal aus wei�em Marmor, In diesen hat der Bildhauer Rauch die Gestalt der K�nigin, wie auf einem Ruhebette schlafend, eingemei�elt.
16. Die Befreiungskriege 1813�1815.
1. Napoleons Zug nach Ru�land.
Der Bund, den Napoleon mit Kaiser Alexander geschlossen hatte, war ohne Dauer. Im Jahre 1812 kam es zwischen den beiden m�chtigsten Staaten Europas zu einem furchtbaren Kampfe. Im Juni �berschritt der franz�sische Kaiser mit einem Heere von �ber einer halben Million Streitern die russische Grenze und drang unaufhaltsam vor. Seine Absicht war, das feindliche Heer im wuchtigen Anprall �ber den Haufen zu werfen und dann Mos-kau, die Hauptstadt des gro�en Reiches, einzunehmen. Allein die Russen lie�en sich zu keiner Schlacht zwingen; sie wichen immer weiter in das Innere ihres Landes zur�ck und zerst�rten und verbrannten alles, was den Franzosen Obdach und Nahrung gew�hren konnte. So kam es, da� die Feinde gro�e Not litten. Noch hatte Napoleon nichts gewonnen, und doch waren schon �ber 130000 Mann zu Grunde gegangen. Endlich boten die Russen dem Kaiser die so hei� ersehnte Schlacht an. Bei Boro-dino stie�en die beiden Heere zusammen. Napoleon siegte und zog nach wenigen Tagen in Moskau ein. Doch kaum hatten seine Soldaten in den leeren H�usern Quartiere bezogen, so brach an verschiedenen Stellen Feuer aus. Ein Sturm erhob sich und trieb die Flammen von Dach zu Dach, von Stra�e zu Stra�e und von Stadtteil zu Stadtteil. Bald glich Moskau einem wogenden Feuermeere. Alles, was die geflohenen Bewohner zur�ckgelassen hatten, verbrannte. Napoleon sah ein, da� der Feldzug verloren war, dennoch blieb er wie verblendet einen Monat bei den grausigen Tr�mmern der russischen Hauptstadt stehen. Endlich trat er den R�ckzug an. Pl�tzlich tauchte der Feind auf und zwang die Franzosen, die alte Heerstra�e zu be-nutzen. In Eilm�rschen ging es an dem Schlachtfelde von Boro-dino und an den zerst�rten D�rfern und Ortschaften vor�ber. Kein Brot, kein Mehl, kein Schlachtvieh war aufzutreiben.
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Haufenweis blieben die hungernden Krieger liegen und wurden eine Beute der gefr��igen W�lfe. Bald meldete sich auch der Winter. Wagen und Gesch�tze blieben im Schnee stecken, Rosse st�rzten auf den glatten Stra�en, und Tausende von Menschen erfroren. Dazu kamen noch die unerm�dlich nachsetzenden Kosaken. Von Tag zu Tag wurde das Elend gr��er. An der Beresina erreichte es seinen H�hepunkt. Napoleon lie� zwei Br�cken �ber den Flu� schlagen. In wilder Hast ging es hin�ber. Pl�tzlich erschienen die Feinde und feuerten unter die Fliehenden. Nun st�rzte alles auf die Br�cken los. Es entstand ein grauses Ge-wirr. Viele wurden zermalmt, zertreten oder in die eiskalten Fluten gesto�en. Schlie�lich konnten die Balken die Last nicht mehr tragen; sie brachen und begruben Tausende in den gurgeln-den Wellen. Napoleons Heer war vernichtet; er verlie� die Tr�mmer und fl�chtete in einem Schlitten �ber Warschau und Dresden nach Paris. Bald wankten auch die kl�glichen Reste der einst so stolzen Armee �ber die Grenze. In Lumpen geh�llt, die F��e mit Stroh umwickelt, auf St�cke gest�tzt und den Tod im Herzen, so suchten die Fl�chtlinge die Heimat zu er-reichen. Das war Gottes Strafgericht!
1. �Mit Mann und Ro� und Wagen,
So hat sie Gott geschlagen!
Es irrt durch Schnee und Wald umher Das gro�e, m�cht'ge Franzosenheer,
Der Kaiser auf der Flucht,
Soldaten ohne Zucht.
2. Mit Mann und Ro� und Wagen,
So hat sie Gott geschlagen!
J�ger ohne Gewehr,
Kaiser ohne Heer,
Heer ohne Kaiser,
Wildnis ohne Weiser.1
3. Mit Mann und Ro� und Wagen,
So hat sie Gott geschlagen!
Trommler ohne Trommelstock,
K�rassier im Weiberrock,
Ritter ohne Schwert,
Reiter ohne Pferd.
4. Mit Mann und Ro� und Wagen,
So hat sie Gott geschlagen!
F�hnrich ohne Fahrt',
Flinten ohne Hahn,
B�chsen ohne Schu�,
Soldaten ohne Fu�."
1. Preu�ens Erhebung.
Jetzt war f�r Preu�en der Augenblick gekommen, die eisernen Fesseln des fremden Unterdr�ckers f�r immer abzuwerfen. Keiner
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f�hlte das klarer als der t�chtige General von York. Er hatte die Preu�en befehligt, die auf dem linken Fl�gel Napoleons gegen dre Russen gek�mpft hatten. Auf dem R�ckz�ge sagte er sich von den Franzosen los und schlo� einen Bund mit den Russen Dann f�hrte er seine Truppen nach Ostpreu�en und rief hier im Verein nnt dem Freiherrn vom Stein die Bewohner zum Befreiungs-Kampfe auf. Sein Ruf verhallte nicht unerh�rt. Die R�stungen begannen, und Ostpreu�en stellte allein 20000 Mann Landwehr auf. Nun entschlo� sich auch der K�nig zum Handeln. Er ver-ke� Berlin und siedelte nach Breslau �ber, weil er in der Haupt-stadt vor einer Gefangennahme durch die Franzosen nicht sicher war. Zugleich kn�pfte er mit Alexander I. Unterhandlungen air es kam zu einem Vertrage, in dem der russische Kaiser gelobtes erst dann die Waffen niederzulegen, wenn Preu�en in seiner alten Gro�e wiederhergestellt sei. Am 10. M�rz, dem Geburtstage der edlen K�nigin Luise, stiftete der K�nig das Eiserne Kreuz. Es erhielt die Inschrift: �Mit Gott f�r K�nig und Vaterland" und sollte tapferen Kriegern verliehen werden. Am 17. M�rz erschien der ber�hmte Aufruf �An mein Volk". Es hei�t darin-�Brandenburger, Preu�en, Schlesier, Pommern, Litauer! Ihr wi�t, was ihr seit sieben Iahren erduldet habt, ihr wi�t, was euer trauriges Los ist, wenn wir den beginnenden Kampf nicht ehrenvoll enden. Erinnert euch an die Vorzeit, an den Gro�en Kurf�rsten, an Friedrich den Gro�en! Es ist der letzte, entscheidende Kampf, den wir bestehen f�r unsere Existenz, unsere Unabh�ngig-keit, unsern Wohlstand. Keinen andern Ausweg gibt es, als einen ehrenvollen Frieden oder einen ruhmvollen Untergang!"
Jetzt erhob sich das preu�ische Volk wie ein Mann. Aus allen Gegenden des Vaterlandes eilten M�nner und J�nglinge zu den Sammelpl�tzen, um in dem Kampfe f�r Freiheit, Recht und Sitte die Waffen zu tragen. Selbst aus den links elbischen L�nderstrichen str�mten die Scharen herbei. Der Handwerker ver-lie� die Werkstatt, der Professor den H�rsaal, der Lehrer die Schulstube und der Bauer das Geh�ft. Die Universit�ten und die oberen Klassen der h�heren Schulen mu�ten geschlossen werden, weil Studenten und Sch�ler dem Rufe des K�nigs gefolgt waren. Selbst Frauen legten M�nnerkleider an und traten in die neuen Regimenter ein. Es fei nur an Leonore Prohaska aus Potsdam und an Auguste Kr�ger aus Kolberg erinnert. So brachten die vier Provinzen Brandenburg, Pommern, Ostpreu�en und Schlesien ein Heer von �ber einer viertel Million Streitern auf.
Und wer die Waffen nicht selber zu tragen vermochte, der opferte auf dem Altare des Vaterlandes, was er nur irgend ent-behren konnte. Die Beamten verzichteten auf ihr Gehalt, aus-gepl�nderte Bauern schickten den letzten Pfennig oder das letzte Pferd, und die Reichen brachten Geld oder wertvolle Gold- und
Silbersachen. Arme Eheleute sandten ihre goldenen Trauringe ein und erhielten daf�r eiserne mit der Inschrift: Gold gab ich f�r Eisen. Andere wieder �berreichten Tuch, Leinwand, Schuhe, Str�mpfe, Hofen, R�cke und alte Gewehre. Die edle Jungfrau Ferdinande von Schmettau lie� sich ihr prachtvolles Haar ab-schneiden. Es wurden Ringe daraus hergestellt, die beim Verkauf eine Summe von 750 Mark ergaben.
8. Der Krieg 1813 und 1814.
Mittlerweile hatte Napoleon ein neues Heer ausgehoben und ausger�stet. Ende April 1813 erschien er mit 200000 Mann an der Saale. Trotzdem die verb�ndeten Preu�en und Russen noch in der Minderheit waren, griffen sie den Feind bei Gro�-G�tschen an. Sie wurden abgeschlagen und zogen sich langsam zur�ck. An der Spree bei Bautzen stellten sie sich dem Kaiser zum zweiten Male entgegen. Abermals entschied das Kriegsgl�ck gegen sie. Aber keine Fahne, kein Gesch�tz siel den Siegern in die H�nde. Napoleon sah ein, da� er mit den Kr�ften, die ihm augenblicklich zu Gebote standen, die Preu�en und Russen nicht v�llig vernichten konnte. Er beschlo�, sein Heer zu vermehren und den Verb�ndeten einen Waffenstillstand anzubieten. Die Russen und Preu�en waren damit einverstanden. Sie vollendeten nun ebenfalls ihre R�stungen und gewannen au�erdem noch Schweden und �sterreich zu Bundesgenossen. Nun hatten die Ver-b�ndeten das �bergewicht und konnten drei Armeen bilden. Die Nordarmee wurde von dem schwedischen Kronprinzen Bernadette befehligt; sie stand in der N�he von Berlin. Die Hauptarmee hatte in B�hmen Aufstellung gefunden; sie wurde von dem F�rsten Schwarzenberg gef�hrt. Bei ihr befanden sich die drei Monarchen K�nig Friedrich Wilhelm III. von Preu�en, Kaiser Alexander I. von Ru�land und Kaiser Franz I. von �sterreich. Der Oberbefehlshaber der fchlefifchen Armee war der ungest�me Bl�cher, der in dem t�chtigen Generale von Gneisenau einen klugen Berater hatte.
Die Hauptarbeit in dem gewaltigen Kampfe leistete die schlesische Armee. Am 26. August traf sie zum ersten Male mit dem Feinde zusammen. Die Franzosen �berschritten bei str�men-dem Regen die Katzbach; sie Hattert keine Ahnung, da� Bl�cher mit seiner ganzen Armee auf der Hochebene hinter dem Flusse Stellung genommen hatte. Die Preu�en brannten auf eine Schlacht. Endlich gegen drei Uhr nachmittags hob sich Bl�cher im Sattel und rief mit lauter Stimme: �Nun, Kinder, jetzt habe ich genug Franzofen her�ber, nun vorw�rts in Gottes Namen!" In kurzer Zeit war das Gefecht im vollen Gange. Da wegen der N�sse die Gewehre versagten, mu�ten Bajonett und Kolben die Haupt-
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arbeit vemchten. Gegen bte kraftigen preu�ischen Lanbwehrm�nner konnten bte klemm Franzosen nichts ausrichten; sie w�rben nieber-ge chlagen ober bte steilen Abh�nge hinabgest�rzt. In ben an-geschwollenen Fluten bes Flusses fattbett Tausenbe ihren Tob �m Herritcher Steg war errungen. Aber Bl�cher unb Gneisenau gaben steh bamtt noch nicht zusrieben, sie wollten mehr, sie wollten ben Mnb vernichten. Deshalb trieben sie bie ermatteten Solbaten zur ununterbrochenen Verfolgung an. Unb sie erreichten ihr *iel. �te� franz�sische Armee w�rbe zersprengt unb bis hinter bie Spree zur�ckgeworfen. Schlesien war vom Feinbe befreit. Bl�cher aber w�rbe seit bem Tage �Marschall Vorw�rts" genannt.
Em zweites franz�sisches Heer w�rbe von ber Norbarrnee bet Dennewttz (6 (September) v�llig geschlagen. Der Ungl�ck-ltche Felbherr schneb an seinen Kaiser: �Ich bin nicht mehr Herr ber Armee; fte versagt mir ben Gehorsam unb hat sich in sich selbst ausgel�st." 1 J
Nun brangen bie Verb�nbeten von allen Seiten gegen P0L hatte Napoleon seine Truppen zum letzten,
entfchetbenben Kampfe zusammengezogen. Am 16. Oktober begann bas gewaltige Ringen ber V�lker. Im Siiben ber Stabt suchte bie Hauptarmee ber Verb�nbeten Napoleons Stellung bei bem Dorfe Wachau vergeblich zu erst�rmen. F�nfmal brang sie tn ben Ort ein, unb f�nfmal w�rbe sie wieber hinausgeworfen Aber auch ber Kaiser vermochte trotz aller Anstrengungen Keine Erfolge zu erringen. Als sich bie Nacht auf bas blutige Felb senkte, war im ��ben keine Entscheibung gefallen. Anbers staub bie Sache im Norben. Hier erfocht bie schleiche Armee einen gl�nzenben Sieg. Sie schlug bie Franzosen bei bem Dorfe M�ckern unb warf sie bis nach Leipzig zur�ck. Am 17. Oktober, einem Sonntage, ruhten bie Waffen. Napoleon suchte mit ben Verb�nbeten zu unterhanbellt, aber er w�rbe abgewiesen. So entbrannte am 18. Oktober bie V�lkerschlacht von neuem. Im ��ben behauptete ber Kaiser abermals bas Schlachtfelb; alle Ver-suche, bie franz�sische Stellung bei bem Dorfe Probftheiba zu burchbrechen, waren erfolglos. Aber im Norben unb Osten w�rben bie Franzosen bis an bie Tore ber Stabt Leipzig zur�ckgebr�ngt. Damit war ber furchtbare Kampf gegen Napoleon in ber Hauptfache einschieben. Der Kaiser sah bie UnHaltbarkeit seiner Stellung ein unb befahl ben R�ckzug. Am 19. Oktober brangen bie Heere ber Verb�nbeten in Leipzig ein unb nahmen noch viele Feinbe gefangen. Gegen 1 Uhr hielten bie Monarchen ihren Einzug in bie Stabt, bei bem fie �berall von ben siegreichen Truppen mit lautem Jubel empfangen w�rben. Balb barauf kamen auch Bl�cher unb Gneisenau. Da umarmte Kaiser Alexanber ben greisen Heerf�hrer unb sagte: �Mein lieber General, Sie haben das Beste getan, Sie sinb ber Befreier Deutschland." Bl�cher
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aber antwortete: �Majest�t, ich habe nur meine Schuldigkeit ge-tan." K�nig Friedrich Wilhelm ernannte Bl�cher zum Feld-Marschall. Napoleons Herrschaft war zert�mmert; Deutschland war wieder frei.
Napoleon eilte nach Frankreich, um ein neues Heer auszu-r�sten. Aber dazu lie�en ihm die Verb�ndeten keine Zeit. In der Neujahrsnacht setzte Bl�cher bei Kaub �ber den Rhein. Auf franz�sischem Boden kam es noch zu mehreren Schlachten, von denen die meisten f�r Napoleon ungl�cklich ausfielen. Schon am 31. M�rz 1814 zogen Alexander I. und Friedrich Wilhelm an der Spitze ihrer Garden in Paris ein. Damit war Napoleons Kaisertum zu Ende. Er wurde abgesetzt und auf die kleine Insel Elba verwiesen. Frankreich wurde wieder ein K�nigreich; den Thron bestieg Ludwig XVIII., der Bruder des enthaupteten K�nigs.
4. Der Wiener Kongre�.
Nach der R�ckkehr aus Frankreich versammelten sich die Vertreter aller europ�ischen Staaten in Wien zu dem Wiener Kongre�. Sie hatten die Absicht, die Angelegenheiten ihrer L�nder gr�ndlich zu ordnen. Das war keine leichte Ausgabe. Mehr als einmal stie�en die Meinungen hart aufeinander. Es bildeten steh sogar zwei Gruppen, Ru�land und Preu�en einerseits und �sterreich, Frankreich und England andererseits. So drohte Mischen den M�chten, die eben erst vereint Napoleon niedergerungen hatten, ein Krieg auszubrechen. Doch es kam nicht zum Kampfe; man einigte sich wieder. � Nach den Bestimmungen des Wiener Kongresses erhielt Preu�en zu seinen alten Besitzungen Danzig, Thorn, Posen, den Netzedistrikt, Schwedisch-Vorpommern mit der Insel R�gen, den n�rdlichen Teil von dem K�nigreiche Sachsen, Westfalen, die Herzogt�mer J�lich und Berg und die Erzbist�mer K�ln und Trier. Es bestand nun aus folgenden Provinzen: Preu�en, Pommern, Brandenburg, Posen, Schlesien, Sachsen, Westfalen und Rheinprovinz. Auch die deutschen Verh�ltnisse wurden geordnet. Das deutsche Kaiserreich, das 1806 aufgel�st worden war, wurde nicht wieder errichtet. An feine Stelle trat der Deutsche Bund. Nun hatten die Deutschen keinen Kaiser mehr.
5. Der Krieg 1815.
Von der Uneinigkeit der M�chte in Wien hatte auch Napoleon auf der Insel Elba geh�rt. Au�erdem war ihm er-kl�rt worden, da� das ftanz�sische Volk und Heer mit der Herrschaft des neuen K�nigs unzufrieden feien. Da fa�te er einen k�hnen Entschlu�. Er verlie� mit feinen Getreuen die Insel und landete (1. M�rz 1815) in S�dfrankreich. �berall wurde er
Donat, Geschichtsbilder. k
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jubelnd aufgenommen; selbst die Offiziere und Soldaten, die Ludwig XVIII. den Eid der Treue geschworen hatten, gingen zu ihm �ber. Der K�nig verlie� in aller Eile das Land und begab sich nach Belgien. Napoleon hielt schon nach wenigen Tagen seinen Einzug in Paris. Doch die Tage seines neuen Glanzes sollten von keiner Dauer sein. Als die europ�ischen M�chte von seiner Landung Kenntnis erhielten, erkl�rten sie ihn als Friedens-brecher in die Acht und r�steten zum neuen Kampfe.
Die Preu�en und die Engl�nder erschienen zuerst auf dem Plane; sie versammelten sich in Belgien. Die Preu�en befehligten wieder Bl�cher und Gneifenau; die Engl�nder standen unter dem Herzoge von Wellington. Zu seiner Armee geh�rten auch noch Holl�nder, Hannoveraner und Braunschweiger. Napoleon konnte den 220000 Mann der Verb�ndeten nur 120 000 Mann entgegenstellen. Dennoch wagte er einen Kampf. Er warf sich mit gewaltigem Sto�e auf feine Feinde, trennte sie und trieb sie einzeln zur�ck. Nun st�rzte er sich auf die Preu�en. Bei dem Dorfe Lignt) kam es (16. Juni) zur Schlacht. Bl�cher nahm sie an, denn Wellington hatte ihm versprochen, mit einem Teile seiner Armee Hilfe zu bringen. Doch der englische General hielt sein Wort nicht. Somit waren die Preu�en gezwungen, den Kamps allein auszufechten. Und es ging hei� her. Gegen Abend beschlo� Napoleon, die Schlachtlinie der Preu�en zu durchsto�en. Sein Vorhaben gelang. Sofort sammelte Bl�cher seine Reiterei und jagte den Feinden entgegen. Allein der Angriff wurde abgeschlagen. Bl�chers Pferd bekam einen Schu�, st�rzte und be-grub den greisen Heerf�hrer unter seiner Last. Nur mit M�he Konnte der Feldmarschall vor der Gefangennahme gerettet werden. Die Schlacht war verloren. Gneifenau befahl den R�ckzug nach Norden. Er wollte den Engl�ndern nahe bleiben, um mit ihnen gegen Napoleon die gro�e Entscheidungsschlacht schlagen zu K�nnen.
Sie wurde am 18. Juni bei Belle-Alliance ausgekochten. Napoleon griff gegen Mittag die Engl�nder an. Durch wuchtige St��e suchte er sie zum Weichen zu bringen. Doch sie standen anfangs wie die Mauern und wiesen alle St�rme _ ab. Allein ihre Kr�fte ersch�pften sich; besorgt schaute Wellington nach den Preu�en aus. Bl�cher war schon seit dem fr�hesten Morgen auf dem Marsche. Aber die vom Regen aufgeweichten Wege gestatteten nur ein langsames Vorw�rtskommen. Endlich hatten sich die Preu�en herangearbeitet und fa�ten die Franzosen in der rechten Seite und im R�cken. Damit war die Schlacht gewonnen. Napoleon sah, da� alles verloren war; er opferte das letzte Bataillon seiner alten Garde, konnte aber dadurch den v�lligen Zusammenbruch seines Heeres doch nicht aufhalten. In wilder Flucht eilten die Franzofen vom Schlachtfelde; sie warfen die Waffen weg, lie�en die Gesch�tze stehen und suchten das nackte
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Leben zu retten. Gneisenan aber raffte von den Preu�en zu-fammen, was er finden konnte, und jagte den Fliehenden nach. Unerme�liche Siegestroph�en fielen den Verfolgern in die H�nde. Selbst Napoleons Reisewagen mit des Kaisers Hut, Degen und Orden und sein K�chenwagen mit dem Silbergeschirr wurden er-beutet. Nirgends fanden die Franzosen Ruhe, immer wieder wurden sie aufgeschreckt und weiter gejagt. Als die Morgen-sonne am Himmel ausstieg, gab es kein franz�sisches Heer mehr. Napoleon eilte als Fl�chtling nach Paris. Bl�cher und Gneisenau ober sprachen ihren tapferen Truppen ihren Dank aus. Ihr Armeebefehl schlo� mit den Worten: �Nie wird Preu�en unter-gehen, wenn eure S�hne und Enkel euch gleichen."
Napoleons Herrschaft war nun f�r immer zu Ende. Er er-gab sich den Engl�ndern,' diese brachten ihn nach der einsamen Felseninsel St. Helena, wo er im Mai 1821 sein tatenreiches Leben beschlo�. Sp�ter wurden seine Gebeine nach Paris gebracht und im Invalidendome beigesetzt. � Im zweiten Pariser Frieden zahlte Frankreich 700 Millionen Frank Kriegskosten.
Friedrich Wilhelm III. lebte nach den furchtbaren Kriegsst�rmen noch 25 Jahre. Er verbesserte das Heerwesen, indem er die allgemeine Wehrpflicht einf�hrte, und ordnete die Einnahmen und Ausgaben des Staates. Besondere Sorgfalt verwandte er auf die Bildung des Volkes. In Bonn am Rheine wurde eine neue Hochschule ins Leben gerufen, und �berall entstanden Volksschulen. Friedrich Wilhelm entschlief 1840; er liegt an der Seite der K�nigin Luise im Mausoleum zu Charlottenburg begraben. Sein Wahlspruch war gewesen: �Meine Zeit in Unruhe, meine Hoffnung in �Ott!"
17. Friedrich Wilhelm IV. (1840�1861).
Friedrich Wilhelm IV. war der �lteste Sohn Friedrich Wilhelms III. und der K�nigin Luise. Er wurde 1795 geboren. Schon fr�hzeitig entwickelte er sich zu einem kr�ftigen und gesunden Knaben. Im Kreise seiner Eltern und Geschwister ver-lebte er frohe und heitere Jugendjahre. Dann kamen die Tage des Ungl�cks und der Schmach. Napoleon besiegte die Preu�en und zwang die k�nigliche Familie zur Flucht. 1810 kniete der Kronprinz am Sterbebette seiner geliebten Mutter. Als der Kampf gegen ben fremden Unterdr�cker ausbrach, eilte er mit in das Feld. Aber der Kronprinz fand kein Wohlgefallen am Waffen-Handwerke; nach dem Friedensschl�sse zog er sich ganz vom Soldatenleben zur�ck.
Friedrich Wilhelm war ein F�rst des Friedens. Er liebte und f�rderte die K�nste und Wissenschaften. An feinem Hofe
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gingen die Gelehrten und K�nstler ein und aus. W�hrend seiner Regierungszeit lehrten an der Universit�t in Berlin die Br�der Jakob und Wilhelm Grimm, die Erz�hler der sch�nen Sagen und M�rchen. In der Hauptstadt entstanden herrliche Bauten. Der Bildhauer Rauch schuf das pr�chtige Reiterstandbild Friedrichs des Gro�en, und auf der Rauhen Alb erhob sich die Stammburg der Hohenzollern aus den Tr�mmern. Auch begann der K�nig den Ausbau des K�lner Domes. In allen Teilen des Landes wurden neue Gottesh�user errichtet oder verfallene wiederher-gestellt.
Bis jetzt hatte der preu�ische K�nig unumschr�nkt regiert. Er und seine Minister erlie�en die neuen Gesetze und schrieben die Steuern aus. Friedrich Wilhelm IV. �nderte die Regierungs-weise. Er gab seinem Volke das Recht, M�nner zu w�hlen, die bei der Aufstellung neuer Gesetze behilflich sein sollten. Der K�nig verzichtete also auf einen Teil seiner Macht. Er gab dem Lande eine Verfassung. Sie ist das oberste Gesetz des Staates.
Die Sehnsucht der Deutschen nach einem Kaiser erf�llte Friedrich Wilhelm nicht. Als ihm die Vertreter des Volkes die Kaiserkrone anboten, lehnte er sie ab, weil die deutschen F�rsten nicht der Meinung ihrer Untertanen waren.
Friedrich Wilhelm IV. starb an: 2. Januar 1861 zu Sanssouci. Sein Nachfolger wurde sein Bruder Wilhelm.
Wilhelm I. (1861�1888).
1. Wilhelm I. als Prinz.
Wilhelm I. war der zweite Sohn Friedrich Wilhelms III. und der unverge�lichen K�nigin Luise. Er wurde am 22. M�rz 1797 zu Berlin geboren. Er war anfangs ein schw�chliches und kr�nkliches Kind. Deshalb geno� er in besonderem Ma�e die Liebe und Pflege seiner Mutter, so da� er sich bald zu einem ge-sunden und kr�ftigen Knaben entwickelte. Gl�ckliche Jugend-j�hre verlebte er mit seinen Eltern und Geschwistern in l�ndlicher Stille auf dem Gute Paretz bei Potsdam. Sein Wesen �hnelte dem seines Vaters; die Mutter schrieb: �Unser Wilhelm wird, wenn nicht alles tr�gt, gerade wie sein Vater, einfach, bieder und verst�ndig."
Aber bald klopfte das Ungl�ck an das Iugendparadies des Prinzen. Napoleon I. schlug die preu�ische Armee und zersprengte sie vollst�ndig. Nach wenigen Wochen war das Land in den H�nden des fremden Eroberers. Da kamen schwere Tage �ber die k�nigliche Familie. Die Prinzen mu�ten Berlin verlassen und nach dem Osten fliehen. In Schwedt traf die K�nigin Luise
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mit ihren Kindern zusammen und erz�hlte ihnen mit Tr�nen in den Augen von dem Ungl�cke, das �ber Preu�en hereingebrochen war. �Arbeitet, entwickelt eure Kr�fte", rief sie ihren S�hnen zu. �Vielleicht senkt sich der Schutzgeist Preu�ens auf euch nieder. Werdet M�nner und trachtet nach dem Ruhme gro�er Feldherren und Helden!" Von Schwedt ging es nach K�nigsberg und Memel. Wie oft sah der Prinz die geliebte Mutter hier weinen. Erst nach drei Iahren kehrte die k�nigliche Familie nach Berlin zur�ck. Prinz Wilhelm war unterdessen in die Armee eingetreten; mit dem Garderegiment zu Fu� zog er in die Hauptstadt ein. Doch damit waren die Leidenstage noch nicht vor�ber. Im n�chsten Jahre traf den Prinzen ein neuer schwerer Schlag; am 19. Juli 1810 entri� ihm der Tod die teure Mutter.
Als im Jahre 1813 der Kampf gegen Napoleon ausbrach, w�re der Prinz am liebsten mit ins Feld gezogen. Allein der Vater erlaubte es nicht, er meinte, der Prinz fei noch zu schw�chlich. Erst nach dem herrlichen Siege bei Leipzig durste Prinz Wilhelm an dem Kampfe teilnehmen. Voller Freuden eilte er in das Lager und zog an der Seite feines Vaters mitten im Winter nach Frankreich hinein. Bald fand er auch Gelegenheit, seinen Mut und seine Kaltbl�tigkeit zu zeigen. Am 27. Februar entbrannte bei Bar-sur-Aube eine hei�e Schlacht. Ein russisches Regiment erlitt w�hrend des Kampfes gro�e Verluste. Da wandte sich der K�nig pl�tzlich zu seinem Sohne Wilhelm und sagte: �Reite einmal hin und erkundige dich, was f�r ein Regiment das ist, von dem die vielen Blessierten sind. Sie mehren sich ja jeden Augenblick!" Der Prinz gab ohne Zaudern dem Rosse die Sporen, ritt durch den Kugelregen, erkundigte sich und brachte dem Vater die gew�nschte Auskunft. F�r die bewiesene itnerschrockenheit verlieh ihm der K�nig einige Tage sp�ter das Eiserne Kreuz, dem der Kaiser Alexander noch das St. Georgskreuz hinzuf�gte. Beide Ehrenzeichen hat Kaiser Wilhelm bis an sein Ende gern getragen.
Nach dem Kriege wurde der Prinz in der Schlo�kirche zu Eharlottenburg konfirmiert. Damals gelobte er: �Meine Kr�fte geh�ren dem Vaterlande. Ich will unabl�ssig in dem mir angewiesenen Kreise t�tig sein, meine Zeit aufs beste anwenden und so viel Gutes stiften, als in meinem Verm�gen steht. Ich achte es viel h�her, geliebt zu fein, als gef�rchtet zu werden oder blo� ein f�rstliches Ansehen zu haben. Ich will ein aufrichtiges und herzliches Wohlwollen gegen alle Menschen, auch gegen den geringsten � denn sie sind alle meine Br�der � bei mir erhalten und beleben."
In den nun folgenden Friedensjahren bem�hte steh Prinz Wilhelm, das preu�ische Heer gr�ndlich kennen zu lernen. Er war mit ganzer Seele Soldat, stieg schnell von Stufe zu Stufe
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und erwarb sich bald durch Flei�, Gerechtigkeit und Gewissen-haftigkeit das Vertrauen der ihm unterstellten Offiziere und Sol-daten. Im Jahre 1829 verm�hlte er sich mit der Prinzessin Augusta von Sachsen-Weimar. Der gl�cklichen Ehe ent-sprossen zwei Kinder, der Prinz Friedrich Wilhelm, der sp�tere Kaiser Friedrich, und die Prinzessin Luise, die nachmalige Gro�herzogin von Baden. Sp�ter wurde Prinz Wilhelm mili-t�rischer Verwalter der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen. Als solcher wohnte er in Koblenz, das seine Gemahlin durch An-legen herrlicher Anlagen versch�nerte.
2. Wilhelm I. als K�nig.
a) Otto von Bismarck. 1861 bestieg Wilhelm I. den K�nigsthron. Er war bereits 64 Jahr alt, und doch ging fem Streben dahin, Preu�en gro� und m�chtig zu machen und es an die Spitze Deutschlands zu stellen. Deshalb galt es, das preu�ische Heer zu verst�rken und es neu zu ordnen. Damit alle waffen-f�higen J�nglinge Soldaten werden konnten, wurde die Zahl der Truppen auf 200 000 Mann erh�ht. Die dreij�hrige Dienstzeit sollte genau inne gehalten werden, um eine gr�ndliche und all-fettige Ausbildung der Mannschaften zu erm�glichen. Auch wurde in der Armee das Z�ndnadelgewehr eingef�hrt; das war die erste Schu�waffe, die von hinten geladen wurde. Es war nat�rlich nicht leicht, diese Verbesserungen durchzuf�hren; aber der K�nig fand t�chtige und treue M�nner, die ihm bei seinem Werke halfen. Es waren der Kriegsminister Albrecht von Roon, der General Helmut von M oltke und der Ministerpr�sident Otto von Bis-mar ck.
Otto von Bismarck wurde am 1. April 1815 zu Sch�nhaus en a. E. geboren. Die Eltern aber siedelten bald nach dem Gute Kniephos in Pommern �ber. Hier verlebte der kr�ftige und gesunde Knabe eine gl�ckliche Jugend. Als er sechs Jahre alt geworden war, kam er auf eine h�here Schule nach Berlin. In G�ttingen und Berlin studierte er die Rechtswissenschaft. Nach bestandener Pr�fung wurde er Referendar und arbeitete eine Zeitlang an mehreren Gerichten. Doch diese Besch�ftigung befriedigte ihn nicht, er gab fie auf, wurde Landwirt und �bernahm die Bewirtschaftung feiner v�terlichen G�ter. Zugleich gen�gte er seiner Milit�rpflicht. W�hrend einer milit�rischen �bung verdiente sich Otto von Bismarck seinen ersten Orden, n�mlich die Rettungs-medaille. Eines Tages brachte sein Reitknecht das Pferd in die Schwemme. Da er aber das Gew�sser nicht genau kannte, ritt er zu weit und versank in den Fluten. Bismarck stand auf der Br�cke und beobachtete den Vorgang. Sofort schnallte er den S�bel ab, zog den Rock aus und sprang in den See. Nach
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wenigen Augenblicken gelangte er zur Ungl�cksstelle packte den Ertrinkenden und brachte ihn mit vieler M�he ans Land. Der K�nig verlieh ihm f�r diese k�hne und edle Tat die Rettungs-medaille, die die Inschrift tr�gt: F�r Rettung aus Gefahr. Bismarck achtete das Ehrenzeichen sehr hoch. Als ihn ernst der �sterreichische Gesandte sp�ttisch nach der Bedeutung des einfachen Ordens fragte, erwiderte er stolz: �Ich habe die Gewohnheit, zu-weilen einem Menschen das Leben zu retten." Sp�ter wurde der K�nig auf Bismarck aufmerksam. Er ernannte ihn zum preu�ischen Gesandten in' Petersburg und Paris und dann zu seinem ersten Minister. Als solcher war er der st�ndige Ratgeber des K�nigs; ersetzte die Heercsverbesserung durch, erhob Preu�en zur ersten Gro�macht Deutschlands und vereinigte die deutschen Staaten zu einem neuen Kaiserreiche. Das war freilich ohne blutige Kriege
nicht m�glich. ^ , ..
d) Der D�nische Krieg (1864). 1. Veranlassung. Die heutige Provinz Schleswig-Holstein bestand fr�her aus den Herzogt�mern Schleswig und Holstein. Dieselben wurden von Herz�gen regiert. Als im Jahre 1460 die Herzogsfannke ausstarb, w�hlten die beiden L�nder den K�nig von D�nemark zu ihrem Herzoge. Vorher hatte dieser aber schw�ren m�ssen, die Selbst�ndigkeit der beiden Staaten niemals anzur�hren und sie beide auf �ewig ungeteilt zu lassen". Die Schleswig-Holsteiner hatten also ihre eigenen Gesetze, ihre eigene Sprache und ihre eigenen Sitten und Gebr�uche. Da bestieg im Jahre 1863 Christian IX. den d�nischen K�nigsthron. Er erlie� ein Gesetz, in dem bestimmt wurde, da� Schleswig von Holstein losgerissen und dem d�nischen Staate einverleibt werden sollte. Zugleich be-fahl er, in Schleswig die d�nische Sprache anzuwenden. Das konnten sich die Deutschen unm�glich gefallen lassen. Deshalb forderten die beiden Staaten Preu�en und �sterreich den K�nig von D�nemark auf, die alten Rechte in Schleswig wiederherzu-stellen. Dieser wies jedoch das Verlangen zur�ck. Da erkl�rten Preu�en und �sterreich den Krieg.
2. Die Erst�rmung der D�ppeler Schanzen. Am 1. Februar 1864 r�ckten die Verb�ndeten �ber die Eider, schlugen die D�nen in mehreren Gefechten und trieben fie in die D�ppeler Schanzen. Diese Schanzen lagen auf einem kleinen H�henzuge, der stch_ an der Ostk�ste Schleswigs, der Insel Alfen gegen�ber, hinzieht. Es waren Erdbefestigungen, die durch Gr�ben und Zwischen-werke miteinander verbunden waren. Vor den Schanzen waren spitze Pf�hle in die Erde geschlagen, Drahtz�une gezogen und Eggen hingeworfen. Die Befestigungen sollten von den Preu�en, die von dem Prinzen Friedrich Karl befehligt wurden, erobert werden. Das war keine leichte Arbeit. Es wurden Laufgr�ben ausgeworfen und schwere Belagerungsgesch�tze herbeigeschafft. Am
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18. April sollte der Sturm unternommen werden, ^n der Nackt ruckten 10000 Mann in die Gr�ben. Gegen Morgen er�ffneten dte Kanonen ein furchtbares Feuer; heulend und krachend flogen die Granaten in die Befestigungen, zerst�rten die Schanzen und rtfsen die Pakfadenrechen hinweg. Da verk�ndigte die Glocke die zehnte Stunde. Pl�tzlich verstummten die Gesch�tze, und mit lautem Hurra st�rzten die Sturmkolonnen aus den Gr�ben hervor Em m�rderischer Kugelregen empfing sie; aber im Nu waren alle Hindernisse hinwegger�umt. Schon nach 15 Minuten waren sechs Schanzen in den H�nden der Preu�en. Nur ein Befestigungswerk schien uneinnehmbar zu sein, weil m�chtige Palisadenreihen jeden Zugang versperrten. Da ri� der Pionier Klinke seinen Pulver-sack von der Schulter, legte ihn unter den Schanzzaun und z�ndete thn an. Im n�chsten Augenblicke ert�nte ein furchtbarer Krach die Palisaden flogen in die Lust, und der Held lag zerrissen ani Boden. Durch die �ffnung aber drangen die St�rmenden ein, nahmen die Feinde gefangen und pflanzten auf dem Walle die Siegesfahne auf. Nach zwei Stunden waren die D�nen aus allen Schanzen vertrieben, sie flohen und suchten Schutz auf der Insel Alsen. Unerme�licher Jubel hallte durch das deutsche Land, als sich die Nachricht von dem Siege verbreitete. K�nig Wilhelm aber eilte auf den Kampfplatz und dankte feinen Truppen f�r die herrliche Tat.
2. Der Friede. Trotz der Niederlage wollten die D�nen noch keinen Frieden schlie�en; sie meinten, auf der Insel Alsen vor den Angriffen der Preu�en sicher zu fein. Allein in den fr�hen Morgenstunden des 29. Juni fetzten diese auf kleinen Fahrzeugen �ber den schmalen Meeresarm und brachten nach einem erbitterten Kampfe die Insel in ihren Besitz. Nun war der Trotz der D�nen gebrochen. Sie schl�ssen Frieden und traten Schleswig und Holstein an Preu�en und �sterreich ab.
c) Der Krieg gegen �sterreich. 1. Veranlassung. Die �sterreicher und Preu�en hatten den Krieg gegen D�nemark teil-weis gemeinsam _ durchgefochten. Dennoch bestand zwischen den beiden Staaten eine tiefe Feindschaft, die zu einem neuen Kampfe f�hren sollte. Der �sterreichische Kaiser und seine Minister waren neidisch auf die wachsende Macht Preu�ens. Au�erdem wollten sie �ber Deutschland herrschen und die Zersplitterung in viele Einzelstaaten aufrecht erhalten. K�nig Wilhelm und fein Minister aber wollten unfer Vaterland einigen und wieder einen m�chtigen Kaiser an feine Spitze stellen. Den Anla� zu dem Bruderkriege gab Schleswig-Holstein. Die Bewohner der beiden Herzogt�mer wollten einen selbst�ndigen Staat bilden und den Herzog Friedrich von Augustenburg, den Vater unserer jetzigen Kaiserin, als ihren F�rsten einsetzen. Darin fanden sie die Unterst�tzung �sterreichs. Auch Preu�en war dem Plane nicht abge-
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neigt; doch sollte sich der Herzog verpflichten, zur besseren Ver-teidigung Deutschlands den Oberbefehl �ber das Heer und �ber die Festungen K�nig Wilhelm zu �bergeben. Allein dazu war der Herzog Friedrich von Augustenburg nicht zu bewegen, weil er von den �brigen deutschen Staaten und von �sterreich zum Widerstande aufgereizt wurde. Da behandelte Bismarck die beiden Herzogt�mer wie preu�ische Gebiete; auf seinen Antrag wurde die Marine von Danzig nach Kiel verlegt. Infolgedessen kam es zum Kriege. Auf �sterreichs Seite standen die deutschen Mittelstaaten, wie Sachsen, Hannover, Kurhessen, Bayern und W�rttemberg. Nur Oldenburg, Mecklenburg und die Th�ringischen Staaten hielten zu Preu�en.
2. Der Kampf in Norddeutschland. Zuerst kam es f�r Preu�en darauf an, mit den Feinden in Norddeutschland abzu-rechnen. Deshalb r�ckten verschiedene Heeresabteilungen in Hessen, Hannover und Sachsen ein. Die hessischen Truppen entkamen; der Kurf�rst aber wurde auf Wilhelmsh�he bei Kassel gefangen genommen und nach Stettin gebracht. Der K�nig Georg von Hannover hatte die Absicht, seine Armee mit der bayerischen zu vereinigen. Bei Langensalza warf sich ihm eine schwache Ab-teilung der Preu�en entgegen. Die Hannoveraner dr�ngten den Feind zur�ck; aber schon am n�chsten Tage waren sie so umstellt, da� sie sich ergeben mu�ten. Die Truppen wurden entwaffnet und in die Heimat entlassen. Gl�cklicher waren die Sachsen; sie entwichen mit ihrem K�nige nach B�hmen und vereinigten sich mit den �sterreichern.
3. Die Schlacht bei K�niggr�tz. Die Hauptmacht der Preu�en stand unter dem Befehle des K�nigs. Den Feldzugsplan hatte der schweigsame General Helmut von Moltke ausgearbeitet; er verwirklichte den Gedanken: �Getrennt marschieren, vereint schlagen!" Deshalb zogen die Preu�en mit drei Heeren auf verschiedenen Wegen in B�hmen ein. Die Armee in Schlesien f�hrte der Kronprinz Friedrich Wilhelm, die mittlere Prinz Friedrich Karl, der Erft�rmer der D�ppeler Schanzen, und die Elbarmee Herwarth von Bittenfeld. Nach schweren und blutigen K�mpfen erzwangen sich die einzelnen Heere den Eingang in das feindliche Land.
Am 3. Juni kam es bei K�niggr�tz an der Elbe zur Entscheidungsschlacht. Der �sterreichische Feldherr Benedek hatte eine vorz�gliche Stellung gew�hlt. Seine Truppen standen auf einem H�gelkranze, an dessem Fu�e sich ein Fl��chen hinschl�ngelte, das infolge der starken Regeng�sse angeschwollen war. Au�erdem besa�en die �sterreicher zu Anfang der Schlacht eine gro�e �ber-zahl; denn der Kronprinz stand mit seiner Armee noch meilenweit entfernt und konnte bei den aufgeweichten Wegen erst ziemlich sp�t eintreffen. Dennoch befahl der K�nig fr�hmorgens den An-
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griff. Todesmutig stiegen die Regimenter in das Flu�tal hinab. Ein eiserner Hagel von Geschossen empsing sie; reihenweis wurden die Tapferen niedergem�ht. Nach schweren Verlusten wurde auch noch der �bergang �ber den Flu� erzwungen. Dann aber kam der Kamps zum Stehen. Von den H�hen zuckte Blitz auf Blitz, und Granate auf Granate schlug vernichtend in die Glieder. An ein Erst�rmen der H�gel war nicht zu denken; es w�re wohl kein Mann hinausgekommen. Noch verlustreicher gestaltete sich der Kampf in einem Walde, der von der Division Franse cky erobert werden sollte. Der tapfere General wurde von allen Seiten angegriffen; er wich langsam in ein Dorf zur�ck und rief: �Nicht weiter zur�ck? Hier sterben wir!" So war es Mittag geworden, und noch hatten die Preu�en keinen Erfolg errungen. Da wurde die Umgebung des K�nigs unruhig; alle Blicke wandten sich sehns�chtig nach der Richtung, in der der Kronprinz erscheinen mu�te. Nur General Moltke blieb ruhig und rauchte kaltbl�tig seine Zigarre. Aus die Frage des K�nigs, was er von dem Verlaufe des Gefechtes halte, sagte er zuversichtlich: �Ew. Majest�t gewinnen heute nicht nur die Schlacht, sondern den ganzen Feld-zug." Und Moltke sollte recht behalten. Endlich gegen 1 Uhr erschien der Kronprinz auf dem Kampffelde. Seine Truppen zerschmetterten den rechten Fl�gel des Feindes und eroberten nach furchtbaren Anstrengungen das Dorf Chlum, das den Schl�ssel der �sterreichischen Stellung bildete. Als BenedeK davon Nachricht erhielt, gab er sofort den Befehl zum R�ckz�ge und rettete so fein Heer vor g�nzlicher Umzingelung. Von allen Seiten drangen nun die Preu�en vor, so da� der R�ckzug der Feinde in eine regellose Flucht ausartete. K�nig Wilhelm sprengte mit seinem Gefolge �ber das Schlachtfeld und wurde von feinen sieg-reichen Truppen mit lautem Jubel begr��t. Gegen Abend traf er feinen Sohn, umarmte ihn und schm�ckte ihn mit feinem eigenen Orden Pour le merite.
4. Der Friede. Der Sieg von K�niggr�tz hatte tats�chlich den Feldzug entschieden. Das �sterreichische Heer war so zerr�ttet, da� es keinen ernstlichen Widerstand mehr leisten konnte. Die Preu�en drangen nun unaufhaltsam bis Wien vor. Einen Einzug in die stolze Kaiserstadt wollte aber der �sterreichische Kaiser verh�ten. Deshalb schlo� er mit dem Sieger den Frieden von Prag. �sterreich schied aus Deutschland aus, stimmte der Aufl�sung des Deutschen Bundes zu und trat alle seine Rechte auf Schleswig-Holstein an Preu�en ab. Von den norddeutschen Staaten wurden das K�nigreich Hannover, das Kurf�rstentum Hessen, das Herzogtum Nassau und die freie Stadt Frankfurt am Main dem preu�ischen Staate einverleibt. Alle deutschen Staaten n�rdlich des Mains schl�ssen sich zu dem Norddeutschen Bunde zusammen, in dem Preu�en die F�hrung
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hatte. Mit den s�ddeutschen Staaten Bayern, W�rttemberg und Baden schlo� Preu�en bald nach dem Kriege geheime Schutz- und Trutzb�ndnisse, in denen festgesetzt wurde, da� im Falle eines Krieges die Truppen dieser Reiche unter dem Oberbefehle des K�nigs von Preu�en stehen sollten. Somit war Preu�en, das sich jetzt un-unterbrochen von der Memel bis zum Rheine und zur Mosel aus-dehnte, an die Spitze von Norddeutschland gekommen, und au�er-dem war es mit den s�ddeutschen Staaten zur gemeinsamen Ab-wehr aller �u�eren Feinde eng verbunden.
d) Der Krieg mit Frankreich 1870�71. 1. Veranlassung. Seit 1852 sa� Napoleon III. auf dem franz�sischen Throne; er war ein Neffe Napoleons I. Zwei siegreiche K�mpfe hatten feine Herrschaft bei dem Volke beliebt gemacht. Nach dem Deutschen Kriege aber waren, die Franzosen mit seiner Regierung nicht mehr zufrieden; sie warfen ihm vor, er habe den Ruhm der Nation verdunkelt und habe Preu�en und Deutschland zu m�chtig werden lassen. Die Franzosen waren neidisch auf unsere Siege und wollten eine v�llige Einigung der deutschen Staaten nicht zugeben. Bei jeder Gelegenheit ert�nte aus den Stra�en von Paris der Ruf: �Rache f�r Sadowa!" Die Franzosen wollten also mit Preu�en einen Krieg ansangen. Eine Veranlassung dazu sollten sie bald finden.
Im Jahre 1868 hatten die Spanier durch einen Volks-aufstand ihre K�nigin Isabella vertrieben. Der gr��te Teil des Volkes wollte einen neuen Herrscher haben. Nach langen Er-w�gungen fiel die Wahl auf den Prinzen Leopold von Hohen-zollern-Sigmaringen. Er war ein Verwandter des preu�ischen K�nigs. Der Prinz war auch bereit, den spanischen K�nigsthron zu besteigen. Als die Absicht des Prinzen bekannt wurde, erhob sich in Frankreich ein gewaltiger Sturm. Die Franzosen wollten nicht dulden, da� ein Hohenzoller in Spanien regiere. Kaiser Napoleon schickte sosort seinen Gesandten, den Grafen Bene-detti, zu K�nig Wilhelm, der sich gerade in dem Bade Ems aufhielt, und verlangte, der K�nig solle dem Prinzen befehlen, die spanische Krone nicht anzunehmen. Der greise Herrscher emp-sing den Botschafter �u�erft freundlich, erkl�rte aber gleichzeitig, da� er seinem Verwandten nichts zu gebieten habe. Prinz Leopold merkte, da� die Franzosen einen Krieg heraufbeschw�ren wollten, und verzichtete auf den spanischen K�nigsthron. Jetzt aber zeigten die Franzosen, da� sie einen Krieg auf jeden Fall haben wollten, um das verha�te Preu�en dem�tigen zu k�nnen. Kaiser Napoleon verlangte n�mlich von K�nig Wilhelm, er solle ein Entschuldigung^ schreiben an ihn richten und versprechen, da� er keinem Hohen-zoller erlauben werde, die spanische K�nigskrone jemals anzu-nehmen. Benedetti richtete den Befehl seiner Regierung am Morgen des 13. Juli aus. K�nig Wilhelm war �ber die dreiste
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Forderung �berrascht und lehnte sie h�flich, aber bestimmt ab. Als der franz�sische Gesande noch zweimal um eine Audienz bat, lie� ihm der K�nig sagen, er habe ihm in dieser Angelegenheit ntchte weiter mitzuteilen. Das sahen die Franzosen als eine gro�e Beleidigung an und erkl�rten an Preu�en den Krieg.
2. Die Vorbereitungen zum Kampfe. Am 15. Juli verlie� K�nig Wilhelm das Bad Ems und kehrte nach Berlin zur�ck. �berall wurde er mit gro�em Jubel empfangen: das ganze preu�i-sche Volk f�hlte die Beleidigung, die die Franzosen dem greisen Herrscher zugef�gt hatten. Noch an demselben Abend begab sich General von Moltke ins Schlo�, um mit dem obersten Kriegs-Herrn die n�chsten Ma�nahmen zu beraten. Es wurde beschlossen, das gesamte Herr sofort mobil zu machen. Eine gewaltige Be-geisterung ergriff nun ganz Deutschland, von dem Rheine bis zur Memel, von dem Meere bis zu den Alpen erklang das Trutzlied: �Es braust ein Ruf wir Donnerhall". Im Norden und S�den, im Osten und Westen eilten die J�nglinge und M�nner zu den Waffen. Zum ersten Male wieder waren die Krieger von ganz Deutschland bereit, unter einem Befehle gemeinsam in den Kampf zuziehen. � Am 19. Juli wurde die franz�sische Kriegserkl�rung in Berlin �berreicht. An demselben Tage erneuerte K�nig Wilhelm den Orden des Eisernen Kreuzes, und an demselben Tage suchte er tief bewegt das Mausoleum zu Charlottenburg auf, um an der Ruhest�tte der geliebten Eltern in stiller Andacht zu verweilen.
3. Der Aufmarsch der Heere. Bei der Mobilmachung des preu�ischen Heeres zeigt es sich bald, da� der Kriegsminister von Roon und der General von Moltke alles zu einem Kriege vor-bereitet hatten. In wenigen Tagen war die Armee kriegsbereit; schon am 24. Juli begannen die Transporte der Truppen nach der Grenze. Er wurden drei Heere gebildet. Die erste Armee stand an der Mosel; sie wurde von dem General von Stein-metz gef�hrt. Die zweite Armee sammelte sich an der Nahe, ihr Befehlshaber war Prinz Friedrich Karl. Die dritte Armee fand in der Pfalz Aufstellung; sie befehligte Kronprinz Fried-rich Wilhelm. Zu ihr geh�rten die Truppen der s�ddeutschen Staaten. � Der Aufmarsch des franz�sischen Heeres vollzog sich bedeutend langsamer; es war durchaus nicht �fertig bis zum letzten Gamaschenknopf", wie der Kriegsminister prahlerisch versichert hatte. Erst am 31. Juli waren ungef�hr 200000 Mann h�chst unfertig in der Ausr�stung nach der Grenze vorgeschoben. Sie wurden in zwei Heere eingeteilt. Das eine stand bei Metz unter dem General Bazaine und das andere in der Hauptsache bei Stra�burg unter Mac Mahon.
4. Die ersten K�mpfe. Gespannt lauschte das deutsche Volk auf die ersten Nachrichten vom Kriegsschauplatze. Sie klangen
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recht ung�nstig! Napoleon hatte n�mlich einem Teile seines Heeres befohlen, die preu�ische Stadt Saarbr�cken einzunehmen. Die kleine Besatzung von 800 Mann zog sich fechtend zur�ck. Na-poleon selbst war bei dem Kampfe zugegen, und sein junger Sohn, Prinz Louis, gew�hnlich Prinz Lulu genannt, feuerte das erste Gesch�tz ab. In Paris jubelte die Bev�lkerung auf, als die Nachricht von dem gro�en Siege eintraf. �berall meinte man, die tapferen Truppen w�rden bald ihren Einzug in Berlin halten. Aber die Franzosen sollten sich arg get�uscht haben.
Kronprinz Friedrich Wilhelm �berschritt zuerst die franz�sische Grenze. Am 4. August kam es bei Wei�enburg zum ersten Gefechte. Eine feindliche Division hatte die Stadt und den s�d-lieh davon gelegenen Geisberg besetzt. Auf der H�he standen haupts�chlich die schwarzen Turkos, Truppen aus den franz�sischen Kolonien. Nach erbittertem Kampfe erst�rmten die Preu�en und Bayern die Stadt und den Berg und zersprengten die Feinde. Deutsche S�hne aus Nord und S�d hatten gemeinsam den ersten Sieg erfochten.
Als Mac Mahon die Niederlage von Wei�enburg erfuhr, zog er schnell seine Armee zusammen. Auf dem H�henzuge bei W�rth, der durch Feldbefestigungen aller Art fast uneinnehmbar gemacht wurde, fanden die Franzosen eine vortreffliche Aufstellung. Au�erdem zog sich am Fu�e der H�he ein ziemlich breites Tal hin, das von den weittragenden Gewehren der Feinde bestrichen werden konnte. Dennoch griffen die Deutschen am 6. August be-herzt an, durchschritten unter gro�en Verlusten die Niederung, er-stiegen von allen Seiten die H�gel und eroberten schlie�lich das Dorf Fr�sch weiler, das auf der H�he lag und den Schl�ssel der franz�sischen Stellung bildete. Der geschlagene Feind eilte in wilder Flucht durch die P�sse des Wasgenwaldes. Leider war die deutsche Reiterei nicht zahlreich genug zur Stelle, sonst w�re die Niederlage s�r die Franzosen vernichtend geworden.
� Unterdessen hatten auch die erste und zweite Armee ihren Vormarsch nach der Grenze angetreten. Am 6. August stie�en sie auf den Feind. Ein franz�sisches Korps hatte die steilen H�hen von Spichern s�dlich von Saarbr�cken besetzt und er-wartete in gesch�tzter Stellung den Angriff. Und doch st�rmten die Deutschen vor. Auf F��en und H�nden kriechend, das Ge-wehr als St�tze benutzend, suchten die Tapferen die H�hen zu er-klimmen. Gleich zu Anfang der Schlacht sank General von Francis, von f�nf Kugel durchbohrt, vom Rosse. Er verschied mit den Worten: �Es ist doch ein sch�ner Tod auf dem Schlacht-felde; ich sterbe gern, da ich sehe, da� das Gefecht vorw�rts geht." Nach furchtbaren Anstrengungen waren die Franzosen an allen Punkten geschlagen. � Das waren drei herrliche Siege; sie befreiten unser Vaterland von der Gefahr eines feindlichen Einfalls
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und erh�hten den Mut und das Selbstvertrauen der Offiziere und Mannschaften.
5. K�mpfe um Metz. Nach der Niederlage von W�rth war die Armee Mac Mahons nicht mehr kriegsf�hig. Der General f�hrte sie deshalb nach Chalons zur�ck, um sie hier zu erg�nzen. Mithin hatten die Franzosen nur noch ein Heer im Felde stehen; es wurde von Bazaine befehligt. Bazaine wagte aber nicht, allein den vorr�ckenden Deutschen eine Schlacht anzubieten. Er fa�te den Entschlu�, seine Armee �ber Metz nach Chalons zur�ck-zuf�hren, um im Verein mit Mac Mahon die gro�e Entfchei-dungsschlacht zu schlagen. General von Moltke erriet die Absicht der Franzosen; sofort tauchte in seinem Kopse der Plan auf, Bazaine s�dlich zu umfassen, ihm den R�ckzug in das Innere des Landes abzuschneiden und ihn mit allen seinen Truppen in die Festung Metz zu werfen. Bazaine selbst arbeitete den Deutschen in die H�nde, indem er nur z�gernd abzog. So entbrannten um Metz am 14., 16. und 18. August drei furchtbare Schlachten. Nach gewaltigem Ringen bei Vionville, Mars la Tour, Gravelotte und St. Privat wurde Bazaine mit seiner Armee in die Festung getrieben und dort eingeschlossen. � Besonders hei� tobte der Kampf bei Vionville und Mars la Tour; 30 000 Preu�en hatten die schwere Aufgabe, 80000 Franzosen festzuhalten. Eine Zeitlang raste die Schlacht hin und her. Dann aber sammelte Bazaine gewaltige Massen, um den Gegner zu umklammern und zur�ckzutreiben. Da gab der preu�ische General von Alvensleben den Halberst�dter K�rassieren und den alt-m�rkischen Ulanen den Befehl, den bedr�ngten Kameraden Hilfe zu bringen. Sofort schmetterten die Trompeten zum Angriff; 800 Pferde setzten sich zum Opferritt langsam in Trab. Dann aber brausten die Reiter wie ein Sturmwind �ber das Feld, �ber-ritten das erste Treffen der feindlichen Infanterie, jagten in die Artillerie hinein, zersprengten eine zweite Linie Fu�volk und hieben von einer zweiten Batterie die Mannschaften nieder. Aber die Tapferen wurden in ihrem Kampfesmut zu weit fortgerissen. Die �berm�chtige franz�sische Reiterei stob heran, umzingelte die kleine Schar und trieb sie unter schweren Verlusten zur�ck. Die H�lfte der todesmutigen Reiter lag tot auf dem blutigen Felde. Doch der Zweck des verwegenen Rittes war erreicht. Die Fran-zofen stellten f�r eine Weile ihre Angriffe ein. Unterdessen er-hielten die Preu�en Hilfe und dr�ngten die Feinde zur�ck. � Die Belagerung der Festung Metz �bernahm Prinz Friedrich Karl.
6. Die Schlacht bei Sedan. Mittlerweile hatte Mac Mahon seine Armee wieder kampff�hig gemacht. Er verlie� das Lager von Chalons und zog nach Norden. Seine Absicht war, Bazaine in Metz zu entsetzen und sich mit ihm zu verbinden. Allein Moltke durchschaute seinen Plan. In Eilm�rschen f�hrte er die
Deutschen hinter den Franzosen her und dr�ngte sie bei der kleinen Festung Sedan auf das rechte Ufer der Maas. Den Aufmarsch hatte er so geleitet, da� die Feinde vollst�ndig umzingelt wurden. In den fr�hesten Morgenstunden des 1. September begann die denkw�rdige Schlacht bei Sedan. Noch lag der Nebel auf dem Flu�tale, als die Bayern die Ortschaften s�d�stlich der Festung angriffen. Bald entbrannte der Kampf auf allen Seiten. Wie zwei Riesenarme schoben sich die Deutschen immer weiter nach Norden. Endlich war der Ring geschlossen. Die Franzosen fochten mit wahrer Verzweiflung; bald unternahmen fie einen Gewaltsto� nach Osten, bald nach Westen, um aus der eisernen Umklamme-rung herauszukommen. Aber alles war vergebens. Da versuchte die Reiterei ihr Heil. Ein junger, tatkr�ftiger General setzte sich an ihre Spitze und f�hrte fie zum Angriffe vor. Die Erde erdr�hnte unter den Hufen der Rosse. Wohl wurden einzelne deutsche Sch�tzenreihen durchbrochen, wohl wurden die Mannschaften einiger Gesch�tze niedergeritten, aber der gewaltige Ansturm blieb erfolg-los. An dem ruhigen und sicheren Feuer der Deutschen zer-schellten Ro� und Reiter. Weithin war der Kampfplatz mit toten und verwundeten Soldaten und Pferden bedeckt. Die Franzosen waren v�llig geschlagen. Sie verlie�en das Schlachtfeld und fluteten hinab in die kleine Festung. Zwischen die Fliehenden rasten reiterlose Rosse und bespannte Gesch�tze. Schon sielen die deutschen Granaten in die Stadt und z�ndeten an mehreren Stellen, als eine wei�e Fahne �ber der Festung aufstieg. Sofort schwiegen die Gesch�tze. Zugleich sandte K�nig Wilhelm einen Offizier nach Sedan, der den Befehl hatte, die franz�sische Armee und die Festung zur �bergabe aufzufordern. Er wurde zu seinem Erstaunen zu Napoleon gef�hrt, der gerade damit besch�ftigt war, einen Brief an den K�nig zu schreiben. Gegen 7 Uhr abends ritt ein ftanz�sischer General langsam aus dem Tore; er �berreichte K�nig Wilhelm das Schriftst�ck seines Kaisers. ,Es enthielt folgende Worte: �Nachdem es mir nicht verg�nnt war, in der Mitte meiner Truppen zu sterben, bleibt mir nichts �brig, als meinen Degen in die H�nde Ew. Majest�t zu legen." In dem Antwortschreiben wurde Napoleon gebeten, einen Offizier zu be-vollm�chtigen, der mit Moltke �ber die Kapitulation der Armee zu verhandeln habe. Kaum hatte sich der franz�sische General verabschiedet, so brach in dem Gefolge des Herrschers helle Freude aus. Der K�nig umarmte den Kronprinzen und sprach mit be-wegten Worten allen denen seinen Dank aus, die bei dem Herr-liehen Siege mitgewirkt hatten. Die Truppen aber stimmten ein brausendes Hurra an und fangen den frommen Feldgesang �Nun danket alle Gott".
Noch in derselben Nacht wurden die Unterhandlungen wegen der �bergabe des Heeres eingeleitet. Am n�chsten Morgen wurde
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die Kapitulation unterzeichnet. Daraufhin streckten �ber 100000 Mann die Waffen; au�erdem eroberten die Deutschen 419 Feldgesch�tze, 139 Festungskanonen und ungef�hr 66000 Gewehre. Kaiser Napoleon bekam das Schlo� Wilhelmsh�he bei Kassel als Wohnsitz angewiesen. Der greise K�nig beugte sich vor �Ott; an seine Gemahlin depeschierte er: �Welch eine Wendung durch Gottes F�hrung!"
7. Der Festungskrieg. Nachdem die Verh�ltnisse vor Sedan geordnet waren, f�hrte K�nig Wilhelm seine siegreichen Armeen nach Paris, der Hauptstadt des feindlichen Landes. Hier war unterdessen die Regierung des Kaisers gest�rzt worden; an die Stelle das Kaiserreiches trat wieder eine Republik. Die Kaiserin Eugenie fl�chtete mit ihrem jungen Sohne nach England. Nun traten tatkr�ftige M�nner an die Spitze des Landes. Sie riefen das ganze Volk zu den Waffen, um den Feind von dem heiligen Boden des Vaterlandes zu vertreiben. In kurzer Zeit waren auch mehrere Heere kampff�hig; aber auch sie erlagen nacheinander den Waffen der Deutschen. Gleichzeitig belagerten die deutschen Truppen einige der bedeutendsten Festungen. Ende September ergab sich Stra� b�rg, nachdem die Festungswerke faft zerst�rt waren. So kam die alte deutsche Stadt wieder in unfern Besitz. Metz hielt sich einen Monat l�nger. Vergeblich hatte Bazaine versucht, den eisernen Ring der Belagerer zu durch-brechen. Nun waren die Lebensmittel aufgezehrt. �ber 170000 Mann wurden nach Deutschland in die Gefangenschaft gef�hrt. Am l�ngsten hielt sich die Riesenfestung Paris. Es hatte starke Befestigungswerke (Forts) und war reichlich mit Lebensmitteln versehen. Zu seiner Einschlie�ung waren 200000 Mann n�tig. Anfangs fehlte es an den gro�en Belagerungsgesch�tzen; sie mu�ten erst m�hsam aus Deutschland herbeigeschafft werden. Endlich zu Anfang des neuen Jahres begann die Beschie�ung. Nun kamen die neuen Leiter des Staates zu der �berzeugung, da� fernerer Widerstand nutzlos sei. Am 28. Januar ergab sich die stolze Stadt. Damit war der eigentliche Krieg zu Ende; es wurde ein Waffenstillstand ^abgeschlossen, dem der endg�ltige Friede bald folgte.
8. K�nig Wilhelm^wird Deutscher Kaiser. Zum ersten Male nach vielen Jahrhunderten waren die deutschen St�mme gemein-farn gegen den Feind in den Krieg gezogen. Schulter an Schulter hatten Deutschlands S�hne aus Nord und S�d auf den Schlachtfeldern gefochten und hatten gl�nzende Siege errungen. Es hatte sich gezeigt, was Deutschland vermag, wenn es einig ist. Da erwachte der Wunsch, wieder ein Reich mit einem machtvollen Kaiser an der Spitze zu bilden. Der konnte nat�rlich nur K�nig Wilhelm sein. Deshalb richteten bte F�rsten und die Vertreter
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des deutschen Volkes an ihn die Bitte, den Titel eines Deutschen Kaisers anzunehmen. K�nig Wilhelm erkl�rte sich dazu bereit; am 18. Januar 1871 wurde er in dem Spiegelsaale des Schlosses zu Versailles zum Deutschen Kaiser ausgerufen. Eine stattliche Versammlung von F�rsten, Staatsm�nnern und Heerf�hrern war zusammengekommen. Nach einem feierlichen Gottesdienste betrat der K�nig mit den F�rsten eine Stufenb�hne, auf der eine Anzahl Krieger mit den Fahnen Aufstellung gefunden hatte. Nach einer kurzen Ansprache verlas Gras Bismarck die Proklamation des Kaisers an das deutsche Volk. Sie schlo� mit den sch�nen Worten: �Uns aber und unfern Nachfolgern an der Kaiferkrone wolle Gott verleihen, allzeit Mehrer des Deutschen Reiches zu sein, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an den G�tern und Gaben des Friedens auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung." Kaum hatte Bismarck geendet, so trat der Gro�herzog von Baden hervor und rief: �Seine Majest�t, der Kaiser Wilhelm lebe hoch!" Mit dem Ges�nge des Liedes �Heil dir im Siegerkranz" schlo� die erhebende Feier.
9. Der Friede. Am 10. Mai 1871 wurde der endg�ltige Friede zu Frankfurt am Main unterzeichnet. Frankreich trat Deutsch-Lothringen und Elsa� an Deutschland ab. Au�erdem mu�te es 4 Milliarden (4000 Millionen) Mark Kriegskosten zahlen. Zur bleibenden Erinnerung an den glorreichen Krieg wurde im Jahre 1883 das Nationaldenkmal auf dem Niederwalde bei R�desheim errichtet.
3. Wilhelm I. als Kaiser.
a) Seine Sorge f�r Reich und Volk. Wilhelm I. stand noch siebzehn Jahre an der Spitze des Deutschen Reiches. W�hrend dieser Zeit war er mit seinem gro�en Kanzler Bismarck bestrebt, die deutschen St�mme immer noch mehr aneinander zu gew�hnen. Im ganzen Reiche wurden gleiches Ma�, Gewicht und Geld ein-gef�hrt. Die Landesm�nzen verschwanden, und aus der Preu�i-schen Bank wurde eine Reichsbank. Au�erdem wurde ein ein-heitliches Recht geschaffen und ein Reichsgericht ins Leben gerufen. Es hat feinen Sitz in Leipzig. Auch die Einrichtung der Reichs-poft trug dazu bei, in dem deutschen Volke das Bewu�tsein der Zusammengeh�rigkeit zu st�rken.
Die Franzosen konnten die Niederlage von 1870 und 1871 nicht �berwinden; am liebsten h�tten sie das deutsche Land mit einem Kriege �berzogen. Aber Kaiser Wilhelm und Bismarck wollten ihrem Volke den Frieden erhalten. Darum vermehrten sie das Heer und suchten ihm immer die besten Waffen zu verschaffen. Zugleich sahen sie sich aber auch nach treuen Bundesgenossen um. Mit dem Kaiser von �sterreich und dem K�nige
Donat, Geschichtsbilder. �
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von Italien wurde der Dreibund geschlossen. Die drei Staaten versprachen, sich im Falle eines Krieges gegenseitig zu unterst�tzen. Der Dreibund hat viel dazu beigetragen, den Frieden in Europa zu erhalten. r
W�hrend der Friedenszeit bl�hten im Deutschen Reiche das Gewerbe und der Handel empor. Besonders der Seehandel nahm bedeutend zu. Zu seinem Schutze wurden Kriegsschiffe gebaut Nun suchte das Deutsche Reich auch Kolonien zu erwerben Es gewann gro�e Besitzungen an der West- und Ostk�ste von Afrika und auf den australischen Inseln.
Mit v�terlichem Wohlwollen suchte Kaiser Wilhelm das harte Los der Arbeiter zu mildern. Er erlie� weise Gesetze, die sogenannten Arbeitergesetze. Nach dem Krankenkassen-gesetz erh�lt jeder Arbeiter, wenn er krank wird, viele Wochen em Krankengeld. Nach dem Unfallversicherungsgesetz be-kommt jeder Arbeiter, der in seinem Berufe verungl�ckt einen Schadenersatz. Hat der Unfall den Tod zur Folge, so erhalten die Witwe und die Kinder eine bestimmte Geldsumme, die man Rente nennt. Das Alters- und Invalidenversicherung^ gesetz wurde erst unter unserm jetzigen Kaiser fertig. Es be-stimmt, da� jeder Arbeiter im Alter, oder wenn er erwerbsunf�hig wird, eine j�hrliche Unterst�tzung zu beanspruchen hat.
b) Seine Pers�nlichkeit und sein Tod. Kaiser Wilhelm war ein frommer, einfacher und pflichttreuer Monarch. Sein Wahlspruch war: �Gott mit uns!" Er war stets bereit, Gott die Ehre zu geben. Nach dem herrlichen Siege bei Sedan schrieb er an seine Gemahlin: �Ich beuge mich vor Gott, der allein mich, mein Heer und meine Verb�ndeten ausersehen hat, das Geschehene zu vollbringen." ? Der Kaiser war allem Prunke und aller Pracht abhold. Er schlief auf einem einfachen Feldbette und trug meistens einen gew�hnlichen grauen Mantel, der nur selten einmal durch einen neuen ersetzt wurde. Im Kriege war seine Feldausr�stung aus das allernotwendigste beschr�nkt; sie stach in ihrer Einfach-heit gegen die Napoleons au�erordentlich ab. Wenn der Kaiserin Berlin weilte, so bewohnte er das einfache Palais �Unter den Linden". Dann trat er regelm��ig, sobald um die Mittagszeit die Wache mit Musik vor�berkam, an das Fenster seines Ar-beitszimmers, das im Volksmunde das �historische Eckfenster" genannt wurde. Stundenlang standen hier die Einheimischen und die Fremden, um das freundliche Angesicht des greisen Kaisers einmal zu sehen. Seine Pflichttreue zeigte Kaiser Wilhelm noch auf dem Kranken- und Sterbebette. Als ihn feine Tochter, die Gro�-Herzogin von Baden, liebevoll mahnte, sich doch mehr zu schonen, antwortete er: �Ich habe keine Zeit, m�de zu sein." Selbst noch am Tage vor seinem Tode erf�llte er seine Regentenpflicht. F�rst Bismarck erschien im Krankenzimmer und hatte ein Schriftst�ck
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zum Unterzeichnen mitgebracht. Er meinte, es w�rde gen�gen, wenn der Kaiser nur den Anfangsbuchstaben seines Namens auf das Papier schriebe. Allein der Todkranke antwortete: �Ich glaube, da� ich noch den ganzen Namen schreiben kann." Er vollzog auch mit zitternden H�nden die Unterschrift und f�gte sogar noch den gewohnten Schn�rkelzug hinzu. Am Morgen des 9. M�rz 1888 starb Kaiser Wilhelm. Seine sterblichen �berreste ruhen im Mausoleum zu Charlottenburg.
19. Kaiser Friedrich III.
(Vom 9. M�rz bis zum 15. Juni 1888.)
Kaiser Friedrich war der einzige Sohn Wilhelms I.; er wurde geboren am 18. Oktober 1831, am Jahrestage der V�lkerschlacht bei Leipzig. Als Kronprinz hie� er Friedrich Wilhelm. Seine Erziehung lag in den H�nden vortrefflicher -Lehrer und wurde von feiner geistreichen und gebildeten Mutter sorgf�ltig �berwacht. Wie alle Hohenzollern, so mu�te auch er von fr�hester Jugend an den Soldatenrock anziehen. Ein Unteroffizier lehrte ihn marschieren, fechten und schie�en, Einst exerzierte der neunj�hrige Prinz auf dem Schlo�hofe; pl�tzlich fing es an zu regnen. So-gleich brachte ein Diener einen Schirm. Der Prinz aber meinte: �Hast du schon einmal einen Soldaten unter einem Regenschirme gesehen?" �Nein, K�nigliche Hoheit!" war die Antwort. �Nun dann mache das dumme Ding zu und geh!" Der Diener entfernte sich, der Prinz aber marschierte ruhig weiter. � Im 18. Lebensjahre kam Prinz Wilhelm auf die Universit�t Bonn, um in der Hauptsache Geschichte zu studieren. Dann unternahm er Reisen durch Deutschland, Italien, �sterreich und England. Im Jahre 1858 verm�hlte er sich mit der Prinzessin Viktoria von England. Das kronprinzliche Ehepaar f�hrte ein �beraus gl�ck-liches Familienleben^ oft hielt es sich aus dem Gute Bornstedt bei Potsdam auf. Den Dorfbewohnern erwies der Kronprinz viel Gutes; er unterst�tzte die Kranken und gab den Armen gesunde und freundliche Wohnungen. Als eine Feuersbrunft ausbrach, eilte er selbst herbei und hals sp�ter den Gesch�digten ihre H�user wieder ausbauen. In Bornstedt besuchte der Kronprinz auch �fters die Schule. Als er einstmals wieder das Schulhaus be-trat, fand er den Lehrer recht traurig. Er fragte und erfuhr, da� die Mutter des Lehrers erkrankt fei und noch einmal den Sohn sehen wolle. Sofort befahl der Kronprinz dem Lehrer, mit dem n�chsten Zuge abzureisen. Daraus betrat er die Klaffe und erteilte den Kindern Unterricht in der Geschichte und Erdkunde. �berhaupt war der Kronprinz ein gro�er Kinderfreund. Oftmals
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lud er die Dorfkinder aufs Schlo�, bewirtete sie mit Kaffee und Kuchen und veranstaltete mit ihnen allerlei lustige Spiele.
Kronprinz Friedrich Wilhelm war auch ein tapferer Soldat und ein unerschrockener, k�hner Feldherr. Im Kriege gegen �sterreich hatte er eine Armee durch die P�sse der Sudeten zu f�hren. Er l�ste die schwierige Aufgabe und erschien noch recht-zeitig auf dem Schlachtfelde von K�niggr�tz. Seinem energischen Angriffe war es haupts�chlich zu verdanken, da� die Niederlage f�r die Feinde so vernichtend wurde. 1870 stand er an der Spitze der dritten Armee, zu der die Truppen der s�ddeutschen Staaten geh�rten. Bei Wei�enburg, W�rth und Sedan f�hrte er sie zum Siege. Durch Leutseligkeit, Geradheit und Freundlichkeit gewann er die Herzen seiner Soldaten: sie waren stolz auf ihn und hingen an ihm mit Liebe und Verehrung.
Leider erkrankte Kronprinz Friedrich Wilhelm 1887 an einem t�ckischen Halsleiden. Er suchte Linderung in Ems und Tirol; aber die �rzte vermochten die Krankheit nicht zu beseitigen. Da begab er sich nach dem S�den; in der milden Lust Italiens hoffte er wieder zu genesen. Allein das �bel verschlimmerte sich. Um einer Erstickung vorzubeugen, mu�ten die Arzte die Luftr�hre aufschneiden und eine silberne R�hre einsetzen. Nun konnte der edle Dulder wohl atmen, aber nicht mehr sprechen. Da erhielt er die Nachricht von dem Tode seines Vaters. Sofort war er entschlossen, die Heimreise anzutreten, um seine Pflichten als Kaiser erf�llen zu k�nnen. Er eilte �ber die Alpen und kam nach 36st�ndiger Fahrt in Berlin an. Der Beisetzung des geliebten Vaters konnte er der rauhen Witterung wegen nicht beiwohnen. Die Krankheit griff immer weiter um sich und verursachte ihm gro�e Qualen. Doch der Kaiser klagte niemals. Dem Kronprinzen schrieb er auf ein Blatt Papier: �Lerne leiden, ohne zu klagen." Und feiner j�ngsten Tochter Margarete schrieb er an ihrem Geburtstage ins Stammbuch: �Bleibe fromm und gut, wie du bisher gewesen. Dies ist der letzte Wunsch deines sterbenden Vaters." Am 15. Juni 1888 schlo� Kaiser Friedrich die Augen zum letzten Schlummer. Seine Regierung hatte nur 99 Tage gedauert.
20. Wilhelm II.
((Seit dem 15. Juni 1888.)
1. Wilhelm II. bis zu seinem Regierungsantritte.
Wilhelm II. wurde am 27. Januar 1859 als �ltester Sohn des Kronprinzen Friedrich Wilhelm und seiner Gemahlin Viktoria zu Berlin geboren. Unter den Bewohnern der Hauptstadt herrschte unendlicher Jubel. Er steigerte sich noch, als der alte Feldmarschall
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�Papa" Wrangel der harrenden Menge zurief: �Kinder, es steht alles gut; es ist ein t�chtiger, derber Rekrut, wie man ihn nur ver-langen kann." Auf die Erziehung des Prinzen wurde die gr��te Sorg-falt verwandt; von Anfang an suchten die beiden Eltern die Bildung ihres begabten Sohnes m�glichst vielseitig zu gestalten. Bis zu seinem sechsten Lebensjahre stand Prinz Wilhelm ausschlie�lich unter der Obhut seiner Mutter. Dann erhielt er einen milit�rischen Erzieher, der die Aufgabe hatte, aus dem Prinzen einen t�chtigen Soldaten zu machen. Die wissenschaftliche Ausbildung �bernahm Dr. Hinzpeter: er war ein geschickter Lehrer und ein vortreff-licher Charakter. Unter feiner Leitung erteilten dem Prinzen noch andere Lehrer Unterricht. Oftmals besuchten der Kronprinz und die Kronprinzessin die Unterrichtsstunden, um sich von den Leistungen ihres Kindes zu �berzeugen. Die gleiche Sorgfalt wurde auf die k�rperliche Ausbildung des Prinzen gelegt. Er galt bald als ein ausgezeichneter Turner, k�hner Schwimmer und geschickter Reiter. Zur St�rkung der Gesundheit und zur Kr�fti-gung des K�rpers dienten auch l�ngere Fu�reisen, die Prinz Wilhelm unter der Leitung seines Erziehers nach dem Harze, dem Riesengebirge, dem Schwarzwalde und Th�ringen unternahm.
Am 1. September 1874 fand in der Friedenskirche zu Pots-dam die Konfirmation statt. Der Prinz gelobte �ffentlich, Gott, den Heiland und alle Menschen zu lieben. Sein selbstverfa�tes Glaubensbekenntnis schlo� mit den Worten: �Ich wei�, schwere Ausgaben warten meiner im Leben, aber dies soll meinen Mut st�hlen, nicht niederdr�cken."
Nach der Einsegnung wurde Prinz Wilhelm mit seinem j�ngeren Bruder Heinrich dem Gymnasium zu Kassel �ber-geben. Es war das erstemal, da� der zuk�nftige Erbe der preu�ischen K�nigskrone mit den Schulb�chern unter dem Arme eine �ffentliche Schule betrat. Eine Bevorzugung der beiden Prinzen wurde weder gew�nscht noch geduldet; sie hatten sich in allen Dingen der Zucht und der Ordnung zu f�gen und alle Pflichten getreulich zu erf�llen. Prinz Wilhelm war ein musterhafter Sch�ler, er war flei�ig, p�nktlich, gehorsam und aufmerksam. Seinen Mitsch�lern gegen�ber war er stets freundlich, offen und liebensw�rdig. Er ging mit ihnen w�hrend der Zwischenpausen auf dem Schulhofe spazieren oder unternahm mit ihnen an freien Nachmittagen Ausfl�ge in die Umgegend von Kassel. Im Sommer wohnten die Prinzen in dem herrlichen Schlosse Wilhelmsh�he, im Winter dagegen lebten sie in dem F�rstenhause, das in un-mittelbarer N�he der Schulanstalt lag. Im Jahre 1877 legte Prinz Wilhelm die Abgangspr�fung ab. Er bestand fie in ehrenvoller Weife. Er erhielt eine von den drei M�nzen, die an die besten und flei�igsten Sch�ler der ersten Klaffe verteilt wurden. Bei der �berreichung der Denkm�nze betda�
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die Auszeichnung den Prinzen nicht wegen seiner f�rstlichen Ab-Kunst, sondern lediglich wegen seines anhaltenden Flei�es und seines guten Benehmens zuteil roM)e. Nun trat Prinz Wilhelm in das Heer ein, um den praktischen Dienst aus eigener Anschau-ung kennen zu lernen. Kaiser Wilhelm I. stellte ihn pers�nlich den zuk�nftigen Vorgesetzten vor, ermahnte ihn, auf alles genau zu achten, und entlie� ihn mit den Worten: �Nun gehe hin und tue deine Pflicht, wie man es dir zeigen wird!" Der Prinz beherzigte die Worte seines Gro�vaters. Er wurde ein eifriger und t�chtiger Soldat.
Noch in demselben Jahre wurde die milit�rische Ausbildung unterbrochen. Der junge Prinz bezog auf zwei Jahre die Uni-versit�t Bonn, um Geschichte und die Staatswissenschaften zu studieren.
Am 27. Februar 1881 trat Prinz Wilhelm in den heiligen Stand der Ehe. Er verm�hlte sich mit Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein-Augustenburg. Das ganze Volk nahm Anteil an dem freudigen Ereignisse; aus allen Gauen des Vaterlandes wurden dem hohen Paare Geschenke und Gl�ck-w�nsche �berbracht. Die Prinzessin war eine echt deutsche Frau. Ihr edles und frommes Herz bewirkte, da� der Prinz in der Ehe das Gl�ck fand, das er erhofft hatte. Sie schenkte ihrem Gemahl sechs S�hne und eine Tochter. Als Kaiser Wilhelm V. die Geburt des �ltesten Kindes, des jetzigen Kronprinzen Friedrich Wilhelm, erfuhr, rief er freudig aus: �Hurra, vier Kaiser!"
Doch bald kam das Trauerjahr 1888; zwei Kaiser sanken ins Grab. Kronprinz Wilhelm war noch nicht drei�ig Jahre alt, als er die Z�gel der Regierung in die Hand nehmen mu�te.
2. Kaiser Wilhelms II. Negierung.
Kaiser Wilhelm ist ein F�rst des Friedens. Bei der Er-�ffnung des Reichstages erkl�rte er den F�rsten und den Ver-tretern des deutschen Volkes: �Ich bin entschlossen, Frieden zu halten mit jedermann, soviel an mir liegt. Deutschland bedarf weder neuen Kriegsruhms, noch irgendwelcher Eroberungen." Deshalb war er bestrebt, das deutsche Heer zum besten auf der Welt zu machen. Die Schu�waffe wurde verbessert und die ganze Reiterei mit Lanzen versehen. Zugleich galt es, alle waffenf�higen M�nner dem Dienste bei der Fahne zuzuf�hren. Man suchte es dadurch zu erreichen, da� man bei der Infanterie die dreij�hrige Dienstzeit in eine zweij�hrige umwandelte. Das deutsche Volk begr��te die Neuerung mit gro�er Freude. � Besondere Sorgfalt verwandte der Kaiser auf die Vergr��erung der deutschen Flotte. Schon fr�hzeitig hatte er erkannt, da� Deutschland zum Schutze seiner K�ste, seines Seehandels und seiner
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Kolonien viele Kriegsschiffe besitzen mu�. � Unter der Regierung Wilhelms II. wurde der Kais er - Wilhelm - Kanal vollendet. Er ist f�r die Verwendbarkeit der Flotte von gr��ter Bedeutung, denn er verbindet die Kriegsh�fen Kiel und Wilhelmshaven und erm�glicht eine schnelle Vereinigung aller Schiffe. � 1890 erwarb Kaiser Wilhelm von den Engl�ndern die Insel Helgoland. Er schlug den Besitz der Insel sehr hoch an; denn er meinte: �Das Eiland ist dazu berufen, ein Bollwerk zur See zu werden, den deutschen Fischern ein Schutz, ein St�tzpunkt f�r die Kriegsschiffe, ein Hort und ein Schutz f�r das deutsche Meer gegen jeden Feind, dem es einfallen sollte, auf demselben sich zu zeigen."
Zum Wohle der Arbeiter erlie� der Kaiser das Arbeiter-Schutzgesetz. Es enth�lt genaue Vorschriften �ber die Arbeit an Sonn- und Festtagen, �ber die Besch�ftigung der Frauen und Kinder, �ber die Dauer der Arbeitszeit und �ber die Beschaffen-heit der Arbeitsr�ume.
Den Handel suchte der Kaiser durch Erweiterung des deutschen Kolonialbesitzes und durch Anlegen neuer Kan�le zu heben. Er entwarf den gro�artigen Plan, den Rhein mit der Weser und Elbe durch eine neue Wasserstra�e zu verbinden. Leider stie� anfangs der Gedanke des Herrschers auf Widerspruch, so da� bis jetzt von dem Mittellandkanal erst das St�ck vom Rheine bis Hannover in Angriff genommen wurde.
Zugleich ist Kaiser Wilhelm ein gro�er Freund der K�nste und Wissenschaften. Auf feine Anregung hin entstanden in Berlin die Siegesallee, das Kaiser-Wilhelm-Denkmal und das Bismarck-Denkmal. Auch weihte er 1896 das riesige Kyffh�user-Denk-mal ein.
M�ge es Kaiser Wilhelm II. beschieden sein, noch lange f�r das Gl�ck seines Volkes und den Ruhm seines -Landes arbeiten zu k�nnen!
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Zeittafel.
9 n. Chr. Schlacht im Teutoburger Walde. Armin besiegt Varus. 754 M�rtyrertod des Bonifatius.
768�814 Karl der Gro�e.
800 Kaiserkr�nung.
� 919�936 Heinrich I.
933 Niederlage der Ungarn an der Unftrut.
936�973 Otto 1., der Gro�e.
955 Niederlage der Ungarn auf dem Lechfelde. 1152�119^Friedrich I., Barbarossa.
1483 10. November Martin Luther zu Eisleben geboren.
1517 31. Oktober Luther schl�gt die 95 Thesen an die Schlo�kirche zu Wittenberg.
1520 Luther verbrennt die Bannbulle.
1521 Reichstag zu Worms.
1546 18. Februar Luther stirbt zu Eisleben.
1618�1648 Der Drei�igj�hrige Krieg.
1632 Schlacht bei L�tzen. Gustav Adolf f�llt.
1648 Westf�lischer Friede.
1640�1688 Friedrich Wilhelm, der Gro�e Kurf�rst.
1675 Schlacht bei Fehrbellin.
1701 18. Januar Erhebung Preu�ens zum K�nigreiche.
1713�1740 K�nig Friedrich Wilhelm 1.
1740�1786 K�nig Friedrich II., der Gro�e.
1756�1763 Der Siebenj�hrige Krieg.
1757 Siege bei Ro�bach und Leutheu.
1758 Sieg bei Zorndorf.
1760 Sieg bei Torgau.
1797�1840 K�nig Friedrich Wilhelm III.
1806 14. Oktober Niederlage der Preu�en bei Jena und Auerstedt.
1807 Friede zu Tilsit.
1810 19. Juli Tod der K�nigin Luise.
1813�1815 Die Befreiungskriege.
1813 26. August Sieg an der Katzbach.
1813 16.�19. Oktober V�lkerschlacht bei Leipzig.
1815 18. Juni Napoleons v�llige Vernichtung bei Belle-Alliance. 1840�1861 K�nig Friedrich Wilhelm IV.
1861�1888 Wilhelm 1., K�nig von Preu�en, Deutscher Kaiser.
1864 Krieg mit D�nemark. Erst�rmung der D�ppeler Schanzen. 1866 Krieg mit �sterreich. 3. Juli Schlacht bei K�niggr�tz. 1870�1871 Krieg mit Frankreich. 1. September Sieg bei Sedan.
1871 18. Januar Wilhelm I. wird Deutscher Kaiser.
1888 vom 9. M�rz bis 15. Juni Kaiser Friedrich III.
Seit 1888 Kaiser Wilhelm II.
Druck von Gebauer-Schwetschke G. m. b. H., Halle a. S.
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