160 B. Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart. freuten sich, daß jetzt die Zeit gekommen sei, das verhaßte Joch abzuwerfen. König Friedrich Wilhelm wagte freilich noch nicht, den Krieg zu erklären: er war rings von Franzosen umgeben; Österreich war noch nicht zum Kröge geneigt, und Rußland hatte sich 1807 unzuverlässig erwiesen. Aber diese vorsichtigen Erwägungen wurden zerrissen durch die Tat des Generals von Aorck, der das preußische Hilfsheer nach Rußland ge¬ führt hatte. Er geriet auf dem Rückzüge in einen schweren Kampf: die Ehre des Soldaten verlangte von ihm Schutz der Franzosen, die Liebe zum Vaterlande das Gegenteil. Das russische Heer war ihm hart auf den Fersen; die Führer, teils geborene Preußen, mahnten ihn, von dem gemeinschaftlichen Feinde abzufallen. Endlich schloß er mit dem russi- scheu General bei Tauroggen einen Vertrag, der das preußische Heer für ueutral erklärte. Der König mußte diesen Schritt Iorcks öffentlich mißbilligen und erklärte ihn sür abgesetzt; den Boten aber, der diesen Befehl überbringen sollte, ließen die Russen nicht durch, und so blieb Iorck in seiner Stellung. Sein Vorgehen rief in Preußen große Be- geisterung hervor. Stein kam nach Königsberg als Bevollmächtigter des Kaisers Alexander. Die Stände wurden einberufen; sie erteilten Aorck den militärischen Oberbefehl über die Provinz. (Bild 73.) Eine Landwehr wurde errichtet; alle wehrfähigen Jünglinge und Männer von 18 bis 45 Jahren mußten eintreten. b) Die Kriegserklärung. Napoleon hatte den Befehl gegeben, den König gefangen zu nehmen; daher verlegte dieser seine Residenz nach Breslau. Dort sammelten sich um ihn alsbald mehrere zum Kriege drängende Männer, wie Blücher und Scharnhorst, und sofort er- schien des Königs Aufruf zur Bildung freiwilliger Jägerkorps. Die Hörsäle der Universitäten und die Oberklassen der höheren Schulen leerten sich; von Berlin allein kamen 1200 Freiwillige nach Breslau. Zur Aufnahme der nichtpreußischen Jünglinge bildeten sich Freikorps, von denen das Lützowsche durch Theodor Körner am berühmtesten geworden ist. Er gab eine sehr angenehme Stellung in Wien auf, ver- ließ Eltern und Braut, um für Deutschlands Befreiung zu kämpfen. Stein vermittelte einen Vertrag zwischen Preußen und Rußland, durch den Alexander sich verpflichtete, „die Waffen nicht eher niederzulegen, bis Preußen in dem Umfange und mit der Kraft, die es vor 1806 be¬ sessen, wiederhergestellt sei". Diesem Bunde trat auch England bei. Am 10. März, dem Geburtstage der Königin Luise, stiftete der König den Orden des Eisernen Kreuzes. Am 16. März erfolgte die preußische Kriegserklärung an Frankreich; am folgenden Tage erließ der König den denkwürdigen Aufruf „An Mein Volk", der auch die Worte enthält: