— 274 - zu tun. Dreißig Jahre hindurch ist der Dreibund ein Bollwerk des euro- Päischen Friedens gewesen. 2. Heer und Flotte. Kaiser Wilhelm verließ sich indessen nicht bloß aus Bündnisse; er wußte, daß der beste Hort des Friedens eiue starke, schlag, fertige Wehrmacht ist. Deshalb vermehrte er das Heer ganz bedeutend. Um selbst zu prüfen, ob die Ausbildung der Truppen gut sei, hielt er jedes ^ahr in einer Provinz ein großes Kaisermanöver ab. Ebenso sorgte er für die Gründung und den Ausbau einer deutschen Kriegsflotte. Wilhelms- Häven und Kiel entwickelten sich zu gewaltigen Kriegshäfen. 3. Einheitliches Recht. Ein großer Mangel im neuen Reiche war die Verschiedenheit des Rechts. Was in einem Lande Recht war, war oft im andern Unrecht. Da erschien 1879 das Strafgesetzbuch für das ganze Reich. Seitdem werden Übertretungen, Vergehen und Verbrechen in ganz Deutschland mit demselben Maße gemessen. Nicht so schnell ging es mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Es wurde zwar schon unter der Regierung Wilhelms I. ausgearbeitet, trat aber erst am 1. Januar 1900 in Kraft. Der höchste Gerichtshof ist das Reichsgericht zu Leipzig. „Leipzig hat gesprochen, der Streit ist aus." 4. Wirtschaftliche Fortschritte. An die alte Zersplitterung erinnerte auch die bunte Mannigfaltigkeit der Münzen, Maße und Gewichte in den einzelnen deutschen Ländern. In Preußen rechnete man nach Talern, in den Südstaaten nach Gulden. Es gab Groschen, Batzen und Kreuzer. Elle, Fuß und Zoll hatten die verschiedensten Längen, und ebenso waren Pfund und Lot, Maß und Schoppen hier größer, dort kleiner. Diesen Mißständen wurde 187o mit einem Schlag ein Ende gemacht. Von jetzt ab rechnete man überall nach Mark, Meter, Liter, Kilogramm. 5. Post- und Telegraphenwesen. Das Reich übernahm ferner das Post- und Telegraphen Wesen in allen deutschen Ländern mit Aus- nähme von Bayern und Württemberg und ließ es fortan durch das Reichs- Postamt verwalten. An seiner Spitze stand lange Zeit der Generalpost- meister Heinrich Stephan. Durch ihn erhielt selbst jedes größere Dorf seine Postanstalt; die kleineren bekamen Postagenturen oder Posthilfsstellen. Telegraph und Telephon verbanden allmählich die meisten Städte und Dörfer. Diesen Mann verehren nicht nur die Deutschen; ganz Europa uud viele überseeische Länder sind ihm großen Dank schuldig. Früher war nämlich das Porto für Briefe, die ins Ausland gingen, sehr hoch; ein einzelner kostete wohl mehrere Mark. Da rief Stephan 1875 den Weltpostverein ins Leben. Seitdem zahlt man für einen Brief, der nach dem entferntesten Punkte nnsrer Erde geht, nur doppelt so viel wie für den, der nach einem Orte des Inlandes befördert wird. 6. Eisenbahn- und Kanalbau. Auch das Eisenbahnwesen nahm einen gewaltigen Aufschwung. Bis dahin hatte der Staat den Bau und den Betrieb von Eisenbahnen meistens Privatgesellschaften überlassen. Diese legten natürlich nur solche Strecken an, die ihnen Gewinn brachten. Arme Gegenden blieben darum ohne Schienen. Jetzt übernahm Preußen die wichtigsten Eisen¬ bahnlinien in seinem Gebiet. Der Staat konnte auch Strecken bauen, die sich nicht lohnten. Da wurde mancher abgelegene Winkel mit der Welt ver-