— 126 — Gabe zu weissagen, hieß bei ihnen Mantik. Man glaubte, daß die Weissagung sowohl von einzelnen, durch die Gottheit begeisterten, Sehern als auch von den Orakeln ausgeübt werden könne. Als solche Seher kennen wir den T e i r e s i a s in der Sage vom Oidipus, den A m p h i a r a o s, einen der sieben Fürsten, die gegen Theben zogen, denKalchasim trojanischen Kriege, denHelenos, einen Sohn des Königs Priamos von Troja. Doch von viel größerer Bedeutung als die Seher, die zudem nur in der ältesten Zeit vorkamen, waren die Orakel. Man glaubte, daß an der Orakelstätte der Gott, dem sie geweiht war, durch seine Diener, die Priester des Orakels, den Menschen die Zukunft und den Willen der Götter offenbare. Die bedeutend- sten Orakel der Griechen zu Dodona und Delphi haben wir schon kennen gelernt. Jenes stand in der älteren Zeit im höchsten Ansehen, wurde aber durch das letztere zurückgedrängt. Das Orakel zu Delphi war nicht blos in Griechenland, sondern weit über die Grenzen desselben hinaus berühmt. Außer zu Delphi gab es noch Orakel des Apollon zu Delos, zu Patara in Lykien, zu Di- dyme bei Milet, zu Klaros bei Kolophon und anderswo. Außer- dem hatten auch andere Gottheiten Orakel: Hermes zu Pharae in Achaia, Asklepios bei Epidauros und noch andere Gottheiten an anderen Orten. B. Bei den Kömern. §. 44. Die Priester. Bei den Römern bildeten die Priester teils Genossenschaften, Priester-Kollegien, teils waren sie einzeln dem Dienste bestimmter Gottheiten überwiesen. Die Erfordernisse an die Person dessen, der Priester werden wollte, waren ungefähr dieselben, die wir bei den Griechen kennen gelernt haben. Wie der Nachfolger des Romulus Numa, den römischen Götterdienst geordnet hat, so soll er auch die meisten Priestertümer der Römer eingesetzt haben. 1. Die Pontifices, deren anfangs vier, nachher aber sogar sechszehn waren, hatten die Aufsicht über den ganzen römischen Götterdienst. Sie mußten dafür Sorge tragen, daß derselbe in der richtigen Weise stattfand, und hatten die Feierlichkeiten des