II 28 Leidens kehrte er sofort aus Italien nach Berlin zurück. Er begann auch alsbald mit der Regierung. Während sein Volk für sein Leben zitterte und bebte, widmete sich der Herrscher noch den Staatsgeschäften; er ließ sich Vorträge halten und traf Verfügungen und Anordnungen. Sein gütiges Herz zeigte sich darin, daß er vielen treuen Dienern Aus¬ zeichnungen verlieh und vielen Verurteilten die Gefängnisstrafe ganz oder teilweise erließ. 3. Der weitere Verlauf der Krankheit. Tod des Kaisers. Als der Frühling kam, schien es mit dem Befinden des Kaisers besser zu werden. Er konnte noch einmal in Berlin umherfahren und wurde vom Volke mit Jubel begrüßt. Bald aber verschlimmerte sich die Krank¬ heit wieder. Er konnte nicht mehr sprechen und mußte sich darum durch Schreiben verständigen. Starkes Fieber und Erstickungsanfälle quälten ihn. Allein er ertrug dies alles mit großer Geduld. Eines Tages schrieb er seinem Sohne, unserm Kaiser Wilhelm II., auf ein Blatt: „Lerne leiden ohne zu klagen; es ist das Einzige, was ich dich lehren kann!" Seine Gemahlin pflegte ihn mit großer Sorgfalt. Das ganze deutsche Volk betete zu Gott, daß er den Kaiser wieder gesund werden lasse. Allein der liebe Gott hatte es anders beschlossen. Er schenkte dem kranken Kaiser die Gesundheit nicht wieder, sondern erlöste ihn von seinen Qualen durch den Tod; am 15. Juni entschlummerte Kaiser Friedrich still und friedlich. Am 18. Juni wurde er in der Friedenskirche zu Potsdam beigesetzt. Kaiser Friedrich hat nur 99 Tage regiert, aber sein Andenken lebt im deutschen Volke unvergeßlich fort. Werliefung. 1. Wann zeigten sich die ersten Anzeichen der Krankheit? Wie alt war damals der Kronprinz? Für einen kräftigen Mann sind 56 Jahre noch kein hohes Alter. Wohin ging der Kronprinz, um Heilung zu suchen? (An manchen Orten springen warme Quellen aus der Erde, die oft mancherlei Salze oder andere Stoffe enthalten. Sie erweisen sich als sehr heilsam in ber« chiedenen Krankheiten, wenn man im Wasser badet, oder es trinkt. Solche Quellen heißen Bäder. — Am Meere oder in den hohen Gebirgen ist die Luft sehr rein; es giebt wenig Rauch und Staub dort; daher können Halskranke dort eher gesund werden, als in der Stadt.) — An welcher Krankheit litt der Kron¬ prinz? An einer bösartigen Geschwulst. Die Krankheit des Kronprinzen war deshalb so gefährlich und schmerzlich, weil sie den Kehlkopf ergriffen hatte. Diesen brauchen wir zum Atmen und Sprechen. Was mußten die Ärzte zuletzt thun, um dem Kronprinz Linderung zu verschaffen? Das Ausschneiden des Kehlkopfes war gefährlich, denn leicht konnte der Arzt zu tief schneiden. Es war aber auch schmerzlich/ und das Röhrchen mußte täglich mehreremale herausgenommen und gereinigt werden, was jedesmal große Schmerzen verursachte. 2. Wie alt war Kaiser Wilhelm I.? Wie ist die Gesundheit eines Mannes in so hohem Alter? Wie wirkte die Nachricht von der Krankheit seines Sohnes auf den greisen Kaiser ein? Oftmals fand der Kammerdiener ihn des Nachts im Bette aufrecht sitzend und hörte ihn unter lautem Schluchzen die Worte sagen: „O mein Sohn, mein armer Fritz!" — Was that Kaiser Friedrich, als er die Kunde vom Tode seines Vaters erfuhr? In Italien ist es sehr warm,