Geschichte von Sachsen
zum Unterricht
in den vaterländischen Schulen. *
Von
Karl August Friedrich Mohr
weiland Oberpfarrer in Kolditz.
Neunte, mit der achten übereinstimmende Anflage.
Von
Di* Th. JFlatlj»,
Professor ai^^pr königlichen Landesschule zu Meihen.
Mit einer Abbildung der Albrechtsburg in Meißen.
Leipzig 1902.
Verlag von Johann Ambrosius Barth.
Georg-Eckert-Institut BS78
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Die Albrechtsburg in Meißen.
Geschichte vo
zum Unterricht
in den vaterländischen Schalen.
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Karl August Friedrich Mohr
weiland Oberpfarrer in Kolditz.
Nennte, mit der achten übereinstimmende Auflage.
Von
Dr. Th. JFlathc,
Professor an der königlichen Landesschule zu Meißen.
Mit einer Abbildung der Albrechtsburg in Meißen.
Leipzig 1902.
Verlag von Johann Ambrosius Barth.
Qeorg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung Erauncchweig •Sohulbuchbibüothek -
Druck von Metzger <L Wittig in Leipzig.
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Vorwort zur ersten Äustage.
Die sächsische Geschichte im Zusammenhange für Volksschulen und die unteren Klassen der Bürgerschulen zu erzählen, ist bei aller Kleinheit des Sachsenlandes nicht so leicht, als es auf den ersten Anblick scheinen mag. Wer auch nur eine kleine Zahl von Unterrichtsplänen in verschiedenen Schulen gesehen hat, der wird inne geworden sein, wie verschieden und wie mangelhaft die Ansichten und die Vortragsweisen bei diesem Unterrichtsgegenstande sind. Einige verfehlen ihren Zweck schon von Anbeginn durch allzu weites Ausholen, vergessen über den Sachsen-Namen das Sachsen-Land und verwickeln sich bei der Erzählung der allmählichen Bildung, Vergrößerung oder Zerteilung unseres Vaterlandes dergestalt, das ein einfach klares Bild der vaterländischen Geschichte in der Seele des jungen Vaterlandsbürgers gar nicht entstehen kann. Andere erzählen eine reine Regenten-Geschichte, vielleicht sogar von Herzog Wittekind an und vernachlässigen dabei notwendigerweise den geschichtlichen Zusammenhang und die unerläßliche Hindeutung auf die Kultur-Fortschritte. Wieder andere — auch in den Lehrbüchern finden wir das — geben viel zu viel von Politik, von Statistik und anderen fürs Kindesalter offenbar unwesentlichen Dingen, verlieren aber darüber die kostbare Zeit und können das wahrhaft Wesentliche und Interessante nicht so einprägen, wie es geschehen sollte. Noch andere endlich fehlen in der Verteilung des Unterrichtsstoffes und verweilen bei diesem Gegenstände zu lange, bei jenem zu kurze Zeit. Alles hinlängliche Beweise, daß gerade für die Voklsfchule mit ihren ungeübten Schülern und ihrer karg gemessenen Unterrichtszeit eine Erzählung der vaterländischen Geschichte nicht so ganz leicht sei. Nun fehlt es aber offenbar an einem Büchlein, das für diese Klasse von Schülern in klar verständlichem und zugleich möglichst anziehendem Tone geschrieben wäre; das mit Ausscheidung aller Nebendinge nur die Hauptpersonen und Hauptveränderungen, vor allem aber auch die Kulturgeschichte berücksichtigt; das endlich den Zusammenhang der Geschichte stets im Auge hält und dabei patriotischen Sinn ebenso, wie echte Religiosität unablässig zu beleben bemüht ist. Ich habe in vorliegenden Bogen versucht, ein solches Büchlein zu schreiben, und würde, falls diese Anleitung günstig ausgenommen würde, gern auch das größere, ganz für Lehrer in Volksschulen bestimmte Handbuch, das bereits zur Hälfte fertig vor mir liegt, nachfolgen lassen.
Ich habe die sächsischen Geschichten für Volksschulen in dreißig ziemlich gleichmäßige Lektionen verteilt und den Ton so zu halten gestrebt, daß sie — versteht sich wohl nur im Notfälle — abgelesen
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oder ziemlich wörtlich so vorerzählt werden können, wie sie hier stehen. Will der Lehrer frei erzählen und den Kindern das Büchlein hauptsächlich zum Lesen zu Hause überlassen, so bleibt das, wie bei den biblischen Geschichten, mit Recht seinem Ermessen anheimgestellt. Und glaubt jemand, daß dreißig Lektionen für den Unterricht in der inhaltreichen Geschichte unseres Vaterlandes „bei weitem zu viel seien", und daß darüber die uubezweiselte Hauptsache: „das Christum Predigen", durchaus vernachlässigt werden müsse: so mag er's versuchen, die wenigen Seiten des vorliegenden Büchleins noch mehr abkürzen, und auch da noch anziehend und erwecklich, zusammenhängend und möglichst vollständig zu erzählen.
Über alle hier nur kurz angedeutete historische Fakta dürften übrigens, außer den größeren sächsischen Geschichtswerken, meine „täglichen Erinnerungen aus der sächsischen Geschichte" ^Leipzig, 1840 bei L. H. Bösenberg erschienen] gerade einen solchen Aufschluß geben, wie er für Lehrer und die Jugend Bedürfnis ist.
Und so möge denn das vorliegende Büchlein auch bei seinem kleinen Umfange und seiner einfachen Bestimmung große Erinnerungen in Kindesherzen wecken, innige Liebe zum Vaterlande und Fürstenhause beleben, vor allem aber Gott und sein Walten predigen.
Kolditz, im November 1842.
Vorwort M fünften Auflage.
Die einzige wesentliche Veränderung bei dieser Auflage besteht darin, daß die früheren Abschnitte hier und da einige Kürzungen erfahren haben, um die Erzählung mit möglichst geringer Erweiterung des Umfangs und ohne Vermehrung der Lektionen bis auf die Gegenwart fortführen zu können.
Meißen, im Mai 1874.
Vorwort M achten Äuflage.
Verschiedene mit dem Text vorgenommene Veränderungen sowie die Beigabe einer Ansicht der Albrechtsburg werden hoffentlich den Beweis liefern, daß Herausgeber und Verleger fort und fort bemüht sind, das Buch unter steter Bewahrung seines ursprünglichen Charakters in seiner Brauchbarkeit auch für die Folgezeit zu erhalten.
Meißen, im Mai 1891.
Th. Flache.
1. Die alten Sorben.
Betrachtet dort auf der Karte des Königreichs Sachsen die Länder und Gegenden, die man jetzt mit dem Namen „Sachsen" bezeichnet:
— noch vor 400 Jahren hieß das Hauptstück davon Meißen, wie
gegenwärtig nur eine einzelne Stadt des Landes heißt, nno gar vor 1000 ^abren bieken sie Sorabia. denn damals hatten die Sorben oder Sorbenwenden ikre Wohnsitze in unseren Gegenden, ein slawisches Volk, das seit dem vierten Jahrhundert nach Christi Geburt von Osten her eingewandert war und sich durch dunklere Ham- und Haarfarbe, durch plattes Gesicht, ferner durch Religion, Sitten und
Sprache bedeutend von den Völkern deutschen Ursprungs unterschied.
Tw der Lausitz*) findet ihr noch schwache Überreste dieses uralten Stammes. die Wenden, in der Umgegend von Bautzen giebt es noch heutzu-tage einige Dörfer, in denen kaum ein Wori^euIM^gespröchen wird? Äreser Menschen Voreltern waren einst unseres Landes Herren; sie sind im Laufe von neun Jahrhunderten immer mehr und mehr von unseren deutschen Vorfahren verdrängt worden; sie sind aber schon vor einem Jahrtausend nicht unbildsam und nicht geistesarm gewesen, denn ihnen verdankt das jetzige Sachsen die Anfänge seiner trefflichen Bebauung, seiner berühmten Viehzucht, seiner blühenden Gewerbe und seines
ergiebigen Handels. Die alten Sorben waren nämlich nach damaligem Zeitbegriffe gar wohlerfahren in den Fertigkeiten, die die äußere Wohlfahrt eines Landes fördern. Sie trieben emsig Ackerbau und Obstbau
— und ihr wisset, dieser ist in den Elbgegenden und von Lommatzsch bis Leisnig noch immer in vorzüglichem Flor. Sie hatten schöne Viehzucht — und dadurch behauptet Sachsen noch jetzt einen hohen Ruf, selbst im fernen Auslande. Sie baueten Flachs, spannen und webten ihn; sie verwandelten die Wolle ihrer Schafe in Fries und Pferdedecken, welche von den Deutschen gern gekauft wurden; — seht ihr darin nicht den Ursprung der höchst gewinnreichen Leinwand- und Tuchmanufaktur,
*) Auch in Böhmen, Österreich, Mähren und Polen wohnen noch Abkömmlinge der Slawen. In Sachsen beträgt ihre Zahl etwa noch 47000.
Mohr, Die Geschichte von Sachsen. 9. Aufl. 1
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die in unserem Vaterlande im Laufe der Zeiten Millionen Hände beschäftigt hat? Sie schufen aus Thon und Holz kunstreiche Produkte; ihre unverwüstlichen Töpferwaren könnt ihr noch jetzt bewundern, wenn ihr eine sorbische Urne, oder einen von den Aschenkrügen betrachtet, die sie auf ihren Begräbnisplätzen eingruben, und die um Dresden, Radeburg, Leipzig, Bautzen u. s. w. öfter gefunden worden sind; — erinnert euch das aber nicht an die zahlreichen Töpfereien, namentlich in den Städten an der jetzigen Nordgrenze unseres Landes? Dabei trieben die gewerbthätigen Menschen einen ausgedehnten und gewinnreichen Handel mit den Nachbarvölkern; einige kauften von ihnen Leinwand und Wollwaren, welche letztere selbst Kaiser Karl der Große von ihnen bekommen haben soll; andere Holzschnitzereien und Wachs, die insonderheit bei den christlichen Deutschen beliebt waren; noch andere Getreide, das sie oft weit hin verführten. Kurz, die Sorben waren ein fleißiges, arbeitsames Volk, das noch immer die dankbare Achtung der späten Nachwelt verdient. Wie es übrigens noch jetzt bei den Slawen in Rußland und Polen ist, daß sie gern singen und tanzen, gern fröhlich und munter sind, so war's auch einst in unserem Sorbenlande. Gastfreundschaft übten sie mit großer Gewissenhaftigkeit, und selbst der Fremdling ward unter ihrem Dache zuvorkommend
aufgenommen.
Hon dem sächsisch-böhmischen Sandsteingebirge an bis hinunter in die Geaend von Naumbura wobnten sie auf beiden Ufern der Elbe — links bis Chemnitz und Zwickau hinüber — und legten überall Dörfer und starkverfchanzte Festungen an. Städte aber und mit Mauern umschlossene Wohnplätze liebten sie nicht. Am liebsten siedelten sie sich in den fruchtbaren Flußthälern an; aber hoch ins Gebirge hinauf drangen sie nicht vor, das haben erst die Deutschen urbar gemacht. Älteste Ortschaften aus der Sorbenzeit scheinen gewesen zu sein: Drezdzane
(Waldort. Dresden). Loschwitz, Briesnitz, Pesterwitz, Kostebaude; dann in der Lommatzscher Gegend: Ozzeck (Oschatz), Schrebitz, Glomaci, Zehren; in der Pleißnergegend: Lipsk (Lindenstadt, Leipzig), Zwenkowa, Taucha u. s. w. Sie hatten das Land in zwei Hauptsudpanien oder Gaue geteilt; die Sudpanie Nisan,, die von Böhmen bis Scharfenberg, und die Sudpanie Glomaci, die von Scharfenberg bis Grimma reichte; in letzterer wohnte der Stamm der Daleminzier, ihr Hauptsitz war um Glomaci oder LommatzsA Äber ihr wohlangebautes und liebgewonnenes Vaterland verteidigten sie auch mit großer Tapferkeit, denn sie waren ebenso kriegserfahren und mutig, als thätig und betriebsam.
Wir finden noch an verschiedenen Orten Streitäxte und kurze Schwerter,
die aus der Sorbenzeit herstammen, und wir hören, daß sie sogar, wenn sie angegriffen wurden, ihre Erdwälle mit glühenden Steinen, die sie warfen, und mit siedendem Wasser geschützt haben Ihre ärgsten Feinde waren die nach Westen zu wohnenden Deutschen. Seit Karl dem Großen
haben sie mit diesen unablässig gekämpft — länger als 100 Jahre!
Der glorreiche König der Deutschen. Heinrich, den man den Städteerbauer nennt, "ward endlich ihr Überwinder. Er zog mit bedeutenden Kriegsvölkern gegen die Saale und Elbe und suchte das Land der Daleminzier mit Feuer und Schwert heim. Ums Jahr 928 kam der König mit einem noch weit stärkeren Heere wieder und sand diesmal die Sorben nicht im freien Felde, sondern verschanzt in dem sehr festen Orte Jahna bei Lommatzsch. Diese Veste ward 20 Tage hart belagert, im Sturm genommen nnd alle Erwachsenen wurden niedergemetzelt, die . . # y
Knaben und Mädchen als Gefangene fortgeschleppt. Zu gleicher Zeit rt*xn*cq h ließ der König einen Berg an der Elbe, der noch ganz dicht mit Bäumen 9-2 5* bewachsen war, entwalden und baute darauf eine starke Burg, welche Sxtry Misni, später Meißen genannt wurde. Seht, Kinder, dre Anlegung dieser Düw Ist ber eMe" Ansang' M "unserem jetzigen Königreich Sachsen geworden. Denn von Heinrichs Sohn, dem Kaiser Otto öein Großen, ward ein Markgraf mit starker Kriegsmannschaft in hiesige Gegend gesetzt, um die unterjochten Sorben im Zaume zu halten oder die über die Elbe zurückgedrängten zu bewachen. Nun kamen deutsche Anbauer in die Saal- und Elbgegend, nahmen die Ländereien der Sorben in Besitz und brauchten zum Teil die unglücklichen früheren Besitzer als Leibeigene. Der bezwungene Sorbe murrte zwar noch oft und versuchte das Joch der Deutschen abzuschütteln, ward aber mit dem Schwerte zur Unterwürfigkeit gezwungen. So wurde das alte Sorbenland allmählich ein deutsches Land, und fiiefi nun nicht mehr Sorabia^^midern Mark- oder Grenzgrafschaft Meißen, ein Name, den es viele Jahrhunderte lang behalten hat.
Doch wir wollen zum Schluffe noch einmal auf die Sorbenzeit zurückblicken und fragen: Welcher Art war die Religion der Sorben, da sie, wie wir hören, die christliche noch nicht hatten? Sie war freilich ein ziemlich rohes Heidentum mit einer großen Anzahl von Göttern und Göttinnen. Ihr wichtigster Gott war Swantowit, der Sonnengott, und neben ihm Bielbog, der gute, und Zfchernebog, der böfe Geist. Ihnen opferten sie in heiligen Hainen Rinder, Schafe, auch Kriegsgefangene. Bei Radegast hatten sie ein berühmtes Orakel, einen Ort, wo man sich Rats erholte und die Zukunft zu erforschen suchte, und bei Lommatzsch lag ein See, den sie als heilig verehrten, das ist der jetzt verschwundene Pöltzscher See. Bei Wantewitz und Zschorna, zwei Dörfern in der Großenhainer Gegend, sollen sie vorzugsweise dem Swantowit und dem furchtbaren Zfchernebog geopfert haben. Dem ersteren zu Ehren feierten sie ein großes, fröhliches Fest im Augustmonat; denn Swantowit galt ihnen als der Geber der Ernte, und während man ihm im August für die beendigte Ernte dankte, fragte man ihn auch durch die Priester, wie wohl das neue Erntejahr gesegnet sein werde. Außer den höheren Göttern verehrte man auch noch gar viele
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niedere, wie Nixen, Kobolde, Nachtjäger, Drachen, und ihr bemerkt wohl, daß der sorbische Aberglaube auch durch alle Jahrhunderte hindurch bis in unsere Zeit herübergedrungen ist. Seitdem nun aber die Deutschen in das Land der Sorben eingedrungen waren, fing man auch an, sie zum Christentum zu bekehren. Da zog mancher fromme Geistliche mit Lebensgefahr mitten unter die Heiden, um ihnen die Lehre von dem gekreuzigten Heiland zu predigen, es wurden Kirchen gebaut, und besonders sorgte der Kaiser Otto der Große für die Ausbreitung des Christentums, indem er m Meißen. Mersebura und Retfr Bischöfe, d. h. Oberaufseher über die christliche Geistlichkeit, einsetze Freilich verfuhren die Deutschen auch dabei gar oft mit Gewalt. Wer nicht pünktlich fastete, dem wurden ein oder mehrere Zähne ausgebrochen, und wer den Zehnten an die Geistlichkeit nicht abtrug, der konnte „einen Vorschmack der Hölle leicht schon auf Erden bekommen".
2. Einiges von den nicht erblichen Markgrafen Meißens.
Bis 1123.
Zweihundert Jahre hindurch schickten die deutschen Kaiser nach Willkür bald diesen, bald jenen angesehenen Herrn und Kriegsmann nach Meißen, daß er dort eine Zeitlang oder auch für Lebenszeit Markgraf sei; aber erblich war ihre Würde nicht. Sie waren nur ungefähr das, was die Statthalter oder Landpfleger bei den Römern einst waren, nämlich vornehme Diener ihres kaiserlichen Herrn. Viel Zuverlässiges wissen wir freilich aus jener wilden verworrenen Zeit nicht: da gehörte das Schreiben und Büchermachen zu den schwersten und wichtigsten Arbeiten.*) Nur so viel ist gewiß, daß die Markgrafen unablässig in Kampf und Waffen sein mußten. Hier gab's deutsche Herren zu bekämpfen, die nach und nach ins Meißnerland gekommen waren, sich mit des Kaisers Ländern bereichern wollten und auf die Stimme des kaiserlichen Statthalters nicht achten mochten; dort lagerten sich Raubritter mit ihren Reisigen an den Landstraßen und beraubten die Reisenden und Kaufleute; dort riefen die ergrimmten Sorben, die das deutsche Joch mit Abscheu trugen, ihre slawischen Brüder aus der
*) Ein Mann aus jener Gegend hat sich um die Geschichte der alten Sorben und der frühesten Markgrafenzeit unschätzbare Verdienste erworben; es ist der Bischof Thitmar von Merseburg. Er war von 1008 bis 1018 Bischof und verfaßte eine Chronik, die zwar viele Fabeln und Wunderdinge enthält, aber doch schlicht, treu und sorgfältig geschrieben und für uns eine kostbare Reliquie der grauen Vorzeit ist.
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Nähe und Ferne zu Hilfe; es kamen große Massen von Lausitzern,
Böhmen und Polen herbei: mit diesen verbanden sich die mutigsten und hartnäckigsten unter den Meißner Sorben: es entstanden langwierige Kämpfe auf Leben und Tod, denn es handelte sich um Wiedererlangung der goldenen Freiheit auf der einen und um das Fortbestehen der mühsam errungenen Mark auf der anderen Seite. — So ist Markgraf Riddaas Name berühmt, der die empörten Sorben^avfer *um ^,3 _ Gehorsam Zurückführte und die Böhmen fns in ihr Land hinein ver- " folgte. Noch berühmter ist Ekkard I./'der beim Kaiser Otto HI und +- *7002* im ganzen deutschen Reichs wegen seiner Klugheit uno Tapferkeit in großem Ansehen stand. Er zog auf Befehl des Kaisers nach Italien und eroberte in Rom die feste Engelsburg; er eilte nachmals nach Meißen zurück und trieb die Polen, die seine Abwesenheit benutzen wollten, kräftig aus der Markgrafschaft; er trachtete endlich sogar, als der Kaiser Otto iunq gestorben war, nach der Kaiserkrone, ward aber mitten in seinen hochfahrenden Plänen von den Söhnen des Grafen Siegfried von Nordheim in einem Meierhofe überfallen und meuchlings ermordet (April 1002). Über den Tod dieses gewaltigen Grenzhüters frohlockte niemand mehr als die Polen, die sich bisher aus Furcht vor ihm stille gehalten hatten. Nun aber kamen sie abermals mit großer Macht heran, steckten über 100 Dörfer in Brand und schleppten 9000 Menschen hinweg. Sogar die Stadt Meißen wurde von ihnen erobert und verbrannt, nur 'in der festen Burg hielten sich noch die tapferen Verteidiger; als aber die Polen auch diese in Brand zu stecken versuchten, da eilten selbst die Weiber herbei und löschten das Feuer, da es an Wasser fehlte, mit Meth, und endlich, nachdem die gehoffte Verstärkung angelangt, wurden die mächtigen Feinde doch zum Rückzüge gezwungen.
— Einen großen Namen in jener Zeit behauptet auch Wiprecht von Groitzsch, der Besitzer von Groitzsch, Leisnig und Pegau war Äon' diesem gewaltigen Kriegsmann, der so viel Gutes, aber auch viel Schlimmes stiftete, muß ich euch nachher noch etwas Ausführlicheres erzählen, jetzt aber ^bemerken wir nur, daß er die Markgrafenwürde, die ihm der Kaiser' zugedacht hatte, nicht wirklich erlangte, weil ein anderer höchst tapferer und angesehener Graf, Konrad von Wettin^ ihn daraus verdrängte. Dieser Konrad, der in der Gegend von Halle,
Delitzsch und Eilenburg große Besitzungen von seinem Vater Timo und von seinem Vetter Heinrich geerbt hatte, gelangte im Jahre 1123' Y zur Markgrafschaft Meißen und ist der erste erblicke Markaraf.Vker ehrwürdige Stammvater unseres ^ürstenbauies.
Doch ihr solltet aus der Zeit, von der wir eben redeten, noch zwei höchst wichtige Männer genauer kennen lernen, deren einer schon erwähnt worden ist. Graf Wiprecht von Groitzsch war ein echter Ritter, wie sie etwa vor 800 Jahren waren, immer kämpf- und raublustig und von gewaltiger Tapferkeit. Er besaß außer seiner großen Grafschaft auck
.die Oberlausitz, die ihm der König von Böhmen sckenkte. als Wivreckt seine Tochter Judith heiratete: später wurde er auch Burggraf von Magdeburg. Er zog, immerfort kämpfend, nach Polen, Thüringen, ja auch nach Italien. Dort wollte der Kaiser einmal versuchen, ob er wirklich so tapfer wäre, wie die Leute sagten, und ließ einen Löwen gegen ihn los; aber Wiprecht, obgleich unbewaffnet, trat unerschrocken auf das furchtbare Tier zu und gab ihm einen solchen Faustschlag ins Gesicht, daß es sich ganz furchtsam verkroch.^ In Polen ließ er einen Fürsten unrechtmäßig ermorden: überall scharrte er geraubtes Gut zusammen: gegen den Kaiser selbst zog er als Rebell los, aber das bekam ihm schlecht. Er wurde vom Kaiser, den er so höchlich beleidigt hatte, gefangen genommen und wäre in Würzburg enthauptet worden, wenn er fein Leben nicht dadurch gerettet hätte, daß er dem Kaiser fast alle feine Länder abtrat. Späterhin griff ihn fein eigener Sohn mit einem Kriegsheere an und belagerte ihn in der Burg Groitzsch. So war Gras Wiprecht bald reich und mächtig und hatte Ländereien gleich einem Könige; bald wieder waren ihm Güter und Burgen von feinen Feinden genommen, und er schmachtete in Armut. Jetzt war er des Kaisers Freund, dann wieder fein erbitterter Feind; jetzt zerstörte er Städte, Kirchen und Klöster und schleppte ihre Schätze fort, dann wieder erbaute er Kirchen und Klöster, und trug sogar zu dem Pegauer Klosterbau selbst zwölf Körbe Steine herbei. Um feine Sünden abzubüßen, reifte er nicht allein nach
Rom, sondern auch nach Compostella in Spanien. Zuletzt ließ er sich
zu Pegau in das von ihm gestiftete Kloster aufnehmen, und der große vjlann ftarfrTs24 friedlich~tn~ der^Mönchskutt?..- tötn bleibendes Ändenken, das noch immer dankbar gesegnet werden muß, erwarb sich Wiprecht übrigens dadurch, daß er fleißige und sehr geschickte Ansiedler aus Franken herbeirief, die die waldigen Gegenden von (Seithain, Lausigk und Frohburg urbar machten und neben dem Ackerbau auch manches nützliche Gewerbe eifrig förderten.
Ein anderer merkwürdiger Mann zu jener Zeit war der Meißner Bischof Benno. Dieser lebte hier ums Jahr 1066, wo ihn Kaiser
Heinrich IV. zum Bifchof ernannte. Er that sehr viel für die bessere
Bebauung des vielfältig verwüsteten Meißnerlandes. Ackerbau und Obst-baumzucht brachte er wieder empor; die ersten Kirfchbäunte pflanzte er bei Meißen an und in feinem ganzen weitläufigen Sprengel, besonders um Meißen, Lommatzsch und Leisnig, geschah erstaunlich viel zum Besten des Bodenbaues. Wegen feiner Frömmigkeit ehrte ihn auch das Volk als einen Wunderthäter, der trockenen Fußes bei Siebeneichen über die Elbe ging, der durch ein bloßes Wort den Kornfeldern Gedeihen gab und auf dessen Befehl die Frosche verstummten, um ihn nicht im Beten zu stören. Zur Zeit der Reformation wurde Benno vom Papst unter die Heiligen versetzt, woran unser Dr. Luther großes Ärgernis nahm und das mit Recht.
3. Konrad von Wettin, erster erblicher Markgraf. 1123.
Ein merkwürdiger Mann und ein merkwürdiges Leben! Man hat diesen Konrad daher auch seiner Thaten und seiner weitläufigen Güter wegen ..den Großen" genannt. Er hatte ursprünglich, wie wir schon neulich hörten, nur die aroße Grafschaft Wettin an der Saale inne, die sein Vater Timo besessen? Aber schon als Herr dieser Herrschaft verrichtete er berühmte Kriegsthaten. Namentlich kämpfte er aufs härteste mit seinem Vetter Heinrich von Eilenburg, welchem er die Markgraf- vLrfx schaft Meißen entreißen wollte Dieser nahm "ihn aber in einem unglücklichen Gefecht "gefangen, behandelte ihn in dem harten Gefängnis sehr grausam, ließ ihn in einem eisernen Bette schlafen und hätte ihn sicherlich nicht so- bald freigelassen, wenn er nicht selbst durch Vergiftung einen plötzlichen Tod gefunden hätte. Und nun erst gelangte Konrad mit Hilfe mächtiger Nachbarn, die ihm wohlwollten, namentlich des Herzogs Lothar von Sachsen, in den Besitz der Markarafschaft und zwar so. dafi sie fortan erblick in feinem und feiner Nachkommen Besitz verblieben ist. Wie inhaltreich war nun erst sein Leben als Markgraf!
Jetzt kämpfte er glorreich in Italien für den Kaiser, dann in Polen gegen die heidnischen Slawen, dann wieder im eigenen Lande gegen streitsüchtige Nachbarn und Ritter. Auch ins gelobte Land unternahm er eine Heerfahrt und kämpfte dort tapfer gegen die ungläubigen Sarazenen.
Nach und nach wuchs übrigens "semLänbergeblek tmmeiTmehr unb mehr, so daß er einer der mächtigsten Fürsten im ganzen Reiche wurde. Er bekam viel als Mitgift bei seiner Verheiratung," viel durch" Schenkung unb viel durch Erbschaft. Ansetzt reichte seine Herrschaft von ber Neiße uflb bem Erzgebirge bis an ben Harz unb bie Saale hinaus. Schabe, baß er bas schöne Besitztum burch Teilung zersplitterte! (Schabe, baß er iebent i feiner fünf Sohne ein kleines Stück, unb sonach bem ältesten nur bie wieder verkleinerte Markgrasschast uberließ! Aber bas lag freilich in ber bamaligen Zeitsitte unb war auch so in anberen beutfchen Länbern. Konrab muß euch sonach merkwürdig fein als großer unb tapferer Mann, als erster erblicher Markgraf, als Vergrößerer bes Meißnerlanbes. als Stammvater des Wettiner Hauses und als erster Zertejler feiner Lander. — Nach einem langen und thatenreichen Lebenslaufe begab er sich, allex weltlichen Herrlichkeit überdrüssig, in das von ihm erbaute Kloster Petersberg bei Halle, nachdem er feierlich in der Domkirche zu Meißen feinen Fürstenschmuck abgelegt hatte, und starb als Mönch schon zwei Monate nach seiner Einkleidung im Februar 1157.
Die Zeit von 928 bis 1157, wo Konrad starb, war übrigens eine traurige Zeit, in welcher Roheit und Gewaltthat, Parteisucht und blutige Fehden die Mark Meißen schmählich verwüsteten. Damals galt das Schwert des Ritters und die Faust des Gewaltigen mehr als jedes Gesetz. War ein Rittersmann beleidigt worden, so schickte er dem Beleidiger, mochte er Ritter oder Fürst oder Stadtrat sein, einen Fehdebrief zu und überfiel ihn bald darauf mit seinen Reisigen und Genossen. Wer da siegte, der hatte Recht; das war das eiserne Gesetz des Faust-rechts. Dafür brauchte aber auch in jenen Tagen der Roheit und der tiefsten Unwissenheit ein Ritter nichts weiter, als die körperlichen Übungen und Kriegskünste seiner Zeit zu wissen. Lesen und Schreiben konnte selbst mancher Kaiser nicht; einige lateinische Gebete, die beim Gottesdienste notwendig waren, wurden dem jungen Edelmanne beigebracht, und damit war die geistige Bildung vollendet. Dagegen mußte der Edelknabe von seinem zehnten Jahre an bei einem anderen Ritter, außer dem elterlichen Hause, als Page oder Edelknecht dienen, ward dann im fünfzehnten Jahre Ritterknappe und erhielt im zwanzigsten den feierlichen Ritterschlag. — Wenn die Vornehmsten so tief standen und so unwissend waren, was könnt ihr dann von dem damaligen Bauernstande erwarten? Die Bauern deutschen Ursprungs hatten zum Teil ihr eigenes ärmliches Besitztum und fristeten wenigstens durch Ackerbau und Händearbeit mehr und minder gemächlich ihr und der Ihrigen Leben. Dagegen waren die, welche sorbischer Abstammung waren, fast durchgehends Leibeigene oder Knechte. Sie bebauten ein Stück Landes, aber ein anderer war der Grundeigentümer, und sie selbst erhielten von diesem bloß Nahrung und Kleider. Oder sie verrichteten häusliche Arbeiten und andere niedrige Geschäfte auf den Burgen und in den Klöstern, und erhielten zum Lohne abermals nur ihren kärglichen Lebensunterhalt. Diejenigen, denen ein besseres Los zu teil geworden war, hatten ein Feld, das man ihnen eingeräumt hatte, mußten aber davon dem über sie gesetzten Hofmeister oder Richter gewisse Zinsen und Abgaben entrichten. Nur die aus Franken, vom Rheine und aus Holland gekommenen Ansiedler, welchen bei Geithain und unterhalb Düben Ländereien angewiesen waren, hatten mehr Bildung und mehr Freiheit.
So war demnach jede höhere geistige Bildung damals nur bei den Geistlichen zu finden. 'Diese allein konnten lesen^und schreiben und verstanden ein weniges von der lateinischen Sprache, in welcher der Gottesdienst gehalten und vor Gericht verhandelt wurde. Das war der Inbegriff der damaligen Gelehrsamkeit, und schon das Schreiben allein nannte man ehrerbietig „die geistliche Kunst". Darum waren auch die Priester jener Zeit überall unentbehrlich und dienten bei weitem nicht bloß Gott und der Kirche. Sie vertraten Kanzler- und Schreiber-stelle, fertigten Rechnungen und Zinsregister, faßten Testamente und
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wichtige Urkunden ab. Auch die dürftige Arzneikunde war nur bei Mönchen, Einsiedlern, Juden und Scharfrichtern zu finden. — Den Handel mit einigen wenigen in- und ausländischen Produkten trieben meist Juden, die mit italienischen Kaufleuten in Verbindung standen, aber bei der großen Unsicherheit aller Wege war ihr Geschäft höchst mühselig und gefahrvoll. — Kirchen und Klöster standen, ebenso wie die Geistlichkeit, im größten Ansehen. Von Jahr zu Jahr wuchs die Zahl der Kirchen, der Mönche und Nonnen. Wer ein solch heiliges Haus baute oder auch nur reichlich beschenkte, hatte sich trotz aller vorangegangenen Sünden den Weg in den Himmel geöffnet. — Noch kamen damals zuerst in Erwähnung die Kirchweihfeste in Meißen, sodann die Similae (Semmeln) und Pretiolae (Brezeln).^.
4. Otto der Reiche. 1170. Albrecht der Stolze. 1190.
a) Otto der Reiche.
Dieser höchst ehrwürdige Ahnherr unserer Landesfürsten stiftete, um sür sich und seine Nachkommen eine eigene Begräbnisstätte zu haben, nach der Sitte der damaligen Zeit ein Kloster, das bald eins der berühmtesten im Markgraftume wurde, das Kloster Altzelle. Ihm schenkte er über 800 Hufen Landes, und das Kloster ward späterhin eine Wobnstätte für die gesittetsten und gelehrtesten Mönche Meißens und gab einstmals binnen drei Jahren 20000 Reisenden zu Fuß und 14000 zu Pferde Obdach, Nachtquartier und Verpflegung. Als man aber das Land, welches Otto geschenkt hatte, urbar machen wollte, mußten große Strecken des Miriquidiwaldes, der einst das jetzige Erzgebirge bedeckte, ausgerodet werden. Bei, dieser Gelegenheit entdeckte man unter dem aufgegrabenen Gestein auch Silberstufen-*) Otto ließ Bergleute vom Harz und aus Böhmen kommen und legte bei den Dörfern Lösnitz und Christiansdorf eine Stadt an, das altehrwürdige Freiberg. So war der Anfang des segensreichen sächsischen Bergbaues' gemacht (um 1180). Aus den reichen Silbersckätzen ließ der Markgraf die ersten Meißner Münzen prägen, meistenteils Hohlmünzen oder Brakteaten. Von dem gewonnenen Gelde verwandte er bedeutende Summen auf dre Befestigung mehrerer Städte, wie Freiberg, Leipzig, Eisenberg, und so durch Graben
*) Dies ist das wahrscheinlichste. Die Sage berichtet allerdings auch, es seien Fuhrleute aus der Harzgegend, wo schon seit 200 Jahren Silberbergbau getrieben worden war, in die jetzige Freiberger Gegend gekommen und hätten da, als sie im Miriquidiwalde eines Tages Halt machten, Silberstufen entdeckt.
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und Stadtmauer geschützt, konnte sich nunmehr der Bürger der Stadt in größerer Sicherheit seines wachsenden Wohlstandes freuen. Denn auch den Handel förderte Otto mit der Ausbeute der Bergwerke. Ersuchte naWütlich Leidig, das er besonders lieb hatte, in Flor zu bringen H dort einen Hauptsitz des HandelsU gründen. Er"verlieK der Stadt daä Recht jährlich zwei Jahrmärkte ^u Kalten und veranlaßte dadurch die Entstehung der beiden Leipziger Haupt messen zu Ostern und zu Michaelis, zugleich baute er daselbst die ehrwürdige Nicolaikirche. Sehet da, welch eine inhaltreiche Kette von Ursachen und Wirkungen! Otto wußte den Segen des Bergbaues wohl zu verwenden. — Aber er hatte doch bei feinem Reichtume nicht immer Ruhe. — Seine Grenznachbarn waren neidisch und befehdeten ihn unablässig um feines äußeren Glückes willen. Sein eigener Sohn Albrecht überzoa ibn mit Kriea. nahm ihn gefangen und ließ ihn lange Zeit in dem Taubenturme auf dem Schlosse Dewin (Dvben bei Grimma) schmachten. Freilich hatte der Vater den Zorn des Sohnes gereizt, Seine Gemahlin Hedwig nämlich, welche ihren jüngeren Sohn Dietrich mehr liebte als den älteren, hatte den Markgrafen überredet, er solle in seinem Testamente jenen statt diesen zum Nachfolger in der Mark bestimmen, und das wollte sich Albrecht nicht gefallen lassen. Erst aus Furcht vor des Kaisers Zorn ließ er den Vater wieder los. So hatte denn der „reiche" Otto in seinen letzten Lebensjahren oft Kummer und Drangsal und stieg voll Kummer hinab in die neue Fürstengruft zu Attzelle, wohin ihm bis zu Friedrich dem Strengen die "meisten ^Meißner Fürsten folgten. Er starb 1190^
Unter Otto dem Reichen ward am Fuße des Collmbergs bei Ofchatz eine Art Landtag, eine Versammlung von Rittern, Bischöfen und Vornehmen des Landes gehalten, und bei dieser Gelegenheit erbat sich der Markgraf von den Landständen eine Beisteuer zu den Kriegskosten, eine Abgabe, die den Namen einer Beede hatte. — In welchem Ansehen übrigens in dieser Zeit die Geistlichkeit stand, mag folgende Begebenheit lehren: Ottos Bruder Dietrich, der gewöhnlich Markgraf von Landsberg heißt, hatte einen sehr geliebten Sohn, der als großer Freund von ritterlichen Übungen einst ein berühmtes Turnier oder Kampffpiel in Wien besuchte. Nun waren aber auf mehreren Turnieren Kämpfer getötet oder verletzt worden, und deshalb hatte der Erz-bifchof zu Magdeburg gedroht, daß er jeden in den Bann thun werde, der wieder ein Turnier besuchte. Unglücklicherweise fand auch Dietrichs einziger Sohn in Wien feinen Tod, und der Vater sah nur feine Leiche wieder. Aber niemand wollte den Getöteten begraben, weil er im Bann war. Sein Vater und dessen Bruder, der mächtige Otto, reisten nach Magdeburg, thaten einen Fußfall, vermochten aber nicht eher etwas auszurichten, als bis sie versicherten, der Verstorbene fei in großer Reue über feinen Ungehorsam aus der Welt gegangen. Nun erst ge-
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nehmigte der Erzbischof, daß die Leiche nach eingeholter Erlaubnis des Papstes auf dem Petersberge begraben würde, jedoch nicht im Innern, sondern vor dem Eingänge der Kirche, -r/'
b) Albrecht der Stolze.
Auf Otto folate der älteste seiner beiden Sökne. iener rauhe und streitlustige Albrecht. Ob er wirklich so übermütig und dabei bösartig gewesen sei, wie die Nachrichten aus jener Zeit melden, bleibt immer ungewiß. Denn die Mönche, welche damals die Geschichten schrieben, waren Albrechts Feinde, weil er nicht sehr ihr Freund war. Die Mönche verdroß es aufs äußerste, daß der junge Markgraf bald nach seinem Regierungsantritte nach Kloster Zelle kam und einen Schatz von angeb-Üch 3000 Mark Silbers heftig"verlangte, den sein Bater uY"M Testen Zeit bei den Mönchen niedergelegt hatte. Sie wollten ihn nicht herausgeben, sondern meinten, der Vater habe ihnen das Geld geschenkt; weil sie aber auch nicht wagten, dem Markgrafen geradezu Trotz zu bieten, so legten sie es auf dem Altar in der Klosterkirche nieder: aber Albrecht kümmerte das wenig, er nahm es auch von dort ohne viele Umstände fort. Das konnten die frommen Väter nicht vergessen: sie verfolgten den Markgrafen, überall mit Haß und Verleumdung. Bald darauf gerieten auch die beiden Brüder in Streit miteinander, man weiß selbst nicht recht worüber. Da sich der Jüngere. Dietrich, nicht zu helfen wußte, so verlobte er sich aus Not mit der noch im Kindesalter stehenden Tochter des tapferen Landgrafen Hermann von Thüringen, Jutta, und dieser kam ihm dafür U Kriegsleuten gegen seinen Bruder zu Hilfe. Nun mußte Albrecht freilich unterliegen. Er ward bei Reveningen von Dietrich und Hermann gänzlich geschlagen und konnte nur in erner Mönchskutte versteckt heimlich nach Leipzig zurückgelangen. Er starb bald hernach plötzlich auf dem ÄZege von Freiberg nach Meißen, nachdem er nur fünf Jahre regiert hatte.
Jetzt wollte der auf die Erweiterung seiner Macht bedachte Kaiser Heinrich VI., der damals über Deutschland regierte, sich an den Meißner Ländern vergreisen. Weil Meißen ein reiches Land geworden war. so wünschte er es in seine eigene Gewalt zu bekommen. Er schickte deshalb ein Kriegsheer herein und ließ das Land in Beschlag nehmen; er behauptete, die Erblichkeit, welche seit Konrad von Wettin die Markgrafen besaßen, gelte nur für die Söhne nach des Vaters Tode, aber nicht für den Bruder. Da ging's nun wieder traurig in unseren Gegenden her. Allein da fügte es die Vorsehung unerwartet, daß der Kaiser in Italien an einem Trunke während der Hitze starb, so daß das schon fast verlorene Meißen wieder frei aufatmen konnte.
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V 5. Dietrich der Bedrängte,
der,^weite Sohn Ottos, gelangte nun zu seinem rechtmäßigen Erbteil
und ward Markgraf. Er war allerdings in seinem Leben viel bedrängt. Ihr habt das zum Teil schon aus dem vorigen ersehen; aber ebenso schlimm ging's ihm auch ferner, nachdem er Markgraf geworden war. Freilich hatte er's oft auch durch seine Schwachheit und Hinterlist verschuldet. @>o geriet er in Streitigkeiten mit dem angesetzten Abte
des_MM^LuMgau unb mit der GeMichkett a er nicht nachgeben wollte, sprach der Erzbischof zu Magdeburg über die ganze Mark Meißen das^Interdikt^ aus. Da war eine jammervolle Zeit für die Einwohner! Es durfte niemand mehr getauft, begraben, getraut werden; aller Gottesdienst hörte auf; keine Glocke wurde geläutet. Da mußte Dietrich sich schwer demütigen und von der Geistlichkeit den Frieden erbitten und erkaufen. Einen langen, harten Kampf hatte er ferner mit den Leipzigern. Er wollte ein Kloster in ihrer Stadt anlegen. Da widersetzte sich aber die Bürgerschaft, weil sie meinte, das sei nur ein Vorwand, um eine Zwingburg innerhalb der Stadtmauern zu errichten, und viele benach-
barte Ritter standen ihr in der nun entstehenden Fehde kräftig bei. Nach zwei Jahren mußte der Markgraf auch hier nachgeben, und es kam zur Versöhnung; da aber übte Dietrick, eine schimpfliche List. Er gab eines Tages vor, er wolle gern mit dem Kaiser, der zum Besuche in Meißen war, die Stadt Leipzig besehen. Die Leipziger kamen beiden Fürsten sehr gastfreundlich entgegen. Dietrich aber ließ als Bauern verkleidete Reisige in die Stadt mit einschleichen, zugleich den Klöppel aus der Sturmglocke nehmen und nun die unvorbereitete Stadt überfallen. So ward Leipzig zwar bezwungen und verlor manche seiner alten Freiheiten, sowie Mauern, Gräben und Wälle; allein die Ritter in der Nachbarschaft setzten die heftige Fehde fort, verbanden sich mit dem Erzbischof von Magdeburg, der in Leipzigs Nähe die Burg Taucha erbaute, und so blieb Dietrich bedrängt bis an seinen Tod, welcher 1221 erfolgte. Seine Vermäbluna minder thüringischen Landarafentochter batte übriaens dock ibre sebr wichtigen und heilsamen Folaen. Das werden wir bald im folgenden einsehen^.
Heinrich der Erlauchte. 1221.
Dieser SohnLietrichs war noch nicht drei Jahre alt, als sein Vater starb. Es entstanden nun natürlich sogleich Unordnungen, Zänkereien und heftige Fehden in der Mark, denn vor dem Kinde durften sich die raublustigen Ritter nicht fürchten. Allein Heinrich hatte in
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seinem Oheim, dem Landgrafen Ludwig von Thüringen, einen höchst wackeren Vormund. Dieser ließ ihm von seinen Rechten und Besitzungen nichts nehmen, sondern verteidigte des Mündels Eigentum mit Schwert und Rede, wie sein eigenes. Schon im 16. Lebensjahre trat übrigens der iunae Markgraf seine SelHreäierung an und führte Ite 5 hindurch. Sie ist durch große Glücksfälle ausgezeichnet, diese Regierung: Schon aus den sehr ergiebigen Bergwerken. deren Zahl sich bedeutend vermehrt hatte, kam großer Reichtum, und Heinrich stand deshalb in dem Rufe, ..als besitze er aan^e Türme voll Silbers, und könne leicht Böhmen oder.m ankrel^nnigidi^jnii-hflteiii (Mhe. kaufen".—Damt kam in dieser Zeit das schöne Pleißnerland, welches bisher dem Kaiser gehört Hatte, an die Markgrafschaft. Das war die reiche Pflege' von Altenburg, Frohburg, Zwickau, Werdau, Chemnitz und Leisnig, fürwahr ein herrlicher Erwerb! Daher lebte auch Heinrich prachtvoller als die steiften anderen Fürsten damaliger Zeit; , feine Zeitgenossen nannten ihn den Prachtliebenden oder Erlauchten. Habt ihr nichts von dem großen Turniere in Nordhausen gehört,'das er veranstaltete? Zu ihm war aus Meißen, Thüringen und allen angrenzenden Ländern eine gewaltige Anzahl von Fürsten, Grafen und Herren geladen, die eine Woche hindurch täglich Ritterspiele. Ringelrennen, Wettkämpfe und des Abends Tänze und Gastmähler hielten. Welch7 eine Pracht, nach dem Begriffe jener Zeit, mag da geherrscht haben! Es war ein Baum mit silbernen Blättern und mit goldenen und silbernen Früchten dabei aufgestellt, von welchem die Sieger in den Kampfspielen bald goldene, bald silberne Belohnungen empfingen. Auch an anderen Orten richtete er ähnliche Feste aus, und,in der Stadt Meißen war bei einem Turnier die Versammlung der Streitenden und der Schaulustigen so groß, daß mehrere erdrückt wurden, oder vor Staub und Hitze umkamen. Der wichtigste Glücksumstand aber für Markgraf Heinrich war wohl 5as Erlöschen des thüringischen Landgrafenstammes und die Erwerbung des großen und reichen Thüringens 1247. Die Landgrafschaft Thüringen stW tnt Testen an Heinrichs Besitzungen,' war dem Umfange nach weit größer als Meißen, war ein herrliches, wohlangebautes Getreideland, mit starker und reicher Bevölkerung. Jetzt war der letzte Landgraf gestorben, ohne Kinder zu hinterlassen, und so beanspruchte denn unser Markgraf das schöne Land als sein Erbe, weil seine Mutter Jutta eine thüringische Landgrafentochter war. Freilich mußte er erst noch einen neunjährigen hartnäckigen Krieg mit der Herzogin Sophie von Brabant führen, die ebenfalls von den Thüringer Landgrafen abstammte und das Land auch haben wollte. Es lebten dort aber auch viele große und mächtige Herren und Ritter, die den fremden Herrscher nicht gern annahmen, sondern lieber selbst im Lande herrschen wollten. Daher gab's eine Unzahl von einzelnen Fehden, die erst durchgekämpft werden mußten. Endlich aber gelangte Heinrich doch in Besitz des größten
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Teils von Thüringen, und Sophie von Brabant mußte sich mit einem kleineren Teile begnügen. Leider aber gedachte sich Heinrich ferne Regierung zu erleichtern, wenn er das ansehnliche Land mit seinen Söhnen teilte. Er gab Thüringen seinem ältesten Sohne Albrecht; das Osterland, zwischen der Saale. Elster und Mulde, dem zweiten Sohne Dietrich; das Meißnerland und die Niederlausitz be-Mt er allein noch für sich. So lebte Albrecht meist auf der Wartburg, Dietrich auf seiner Burg Landsberg bei Eilenburg, und der Vater Heinrich in Dresden,, wo er die erste feste Elbbrücke baute.
• Auetn diese Teilung war nicht gut: sie 'brachte unfagtl(|e§" Unheil, und so glücklich der berühmte Markgraf in früherer Zeit gelebt hatte, so trüb und kummervoll erging's ihm gegen das Ende seines Lebens Er ist übrigens nächst Friedrich August dem Gerechten der einzige 8ürst unseres Vaterlandes, der sein 50 jähriges Reaierunasiubiläum feiern konnte. ^ ^ —---------
6. Einiges vom alten Thüringen und seinen Landgrafen.
Doch wir haben soeben gehört, daß das schöne Land Thüringen mit der Mark Meißen verbunden worden sei und daß Heinrich der Er-dasselbe geerbt habe: gewiß wird's euch Freude machen, von diesem alten, ehrwürdigen Lande einiges Wichtige zu hören. Zu der Zeit, wo unser Mnrad.von Wettin erbliche,- Mrtrfqrnf wurde, entstanden in Thüringen erbliche Landgrafen, unter deren Herrschaft von nun an das Land stand. Sie haben etwa 120 Jahre über Thüringen geherrscht, und manches Fabelhafte, aber noch weit mehr Merkwürdiges ist von ihnen zu erzählen. Ludwig der Svrinaer machte sich zuerst unter ihnen sehr berühmt. Er lebte unaufhörlich in Harnisch und in den Waffen. Auf einer Jagd bestieg er einst zufällig einen Berg, der eine schöne weite Aussicht hatte und zur Anlegung einer Burg sehr paffend schien; jedoch gehörte er dem Ritter Frankenstein der ihn gutwillig nicht würde hergegeben haben. Was that Ludwig? Er ließ eine Menge Erdreich in Körben von seinen Grundstücken hinweg und aus Frankensteins Berg hinaustragen und legte dort mit Gemalt die späterhin so berühmte Wartburg an. beschwor aber auch zugleich mit zwölf Rittern, daß er ja auf feinem Grund und Boden gebaut habe. / Ein anderes Mal fiel er dem Kaiser in die Hände und mußte nun auf dem Giebichen-Jtein bei Halle in harter Gefangenschaft schmachten. Aber der kühne Mann wußte sich zu helfen; den Mantel wie Flügel weit ausgebreitet sprang er aus dem Schlosse hinab in die unten fließende Saale. So
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wird wenigstens erzählt, und davon bekam er den Beinamen „der Springer". Er war ein echter Sohn des wilden Mittelalters, endigte aber auch wie ein solcher. Er wallfahrtete nämlich nach Rom, küßte demütig den Pantoffel des heiligen Vaters, versprach ein schönes Kloster zu stiften, und baute auch wirklich Las berühmte Reinhardsbrunn, worin er'selbst Mönch wurde, im 84. Jahre starb und in der neu-angelegten Fürstengruft begraben wurde.
Ein anderer berühmter Landgraf in Thüringen war Ludwig der Eiserne. Dieser war anfangs sehr sorglos in seiner Regierung, ging der Jagd und dem Vergnügen nach, und die übermütigen Edelleute Thüringens stifteten deshalb allenthalben Unruhen und Unordnungen. Eines Tages aber ging der Landgraf auch auf die Jagd, und weil er sich von seinem Gefolge verirrt hatte, kehrte er bei einem Huffchmied über Nacht ein. Er gab sich für einen Jäger des Landgrafen aus, der Schmied aber hatte ihn recht wohl erkannt; die ganze Nacht über arbeitete er an dem Amboß und bei jedem Schlage aus das glühende Eifen rief er: ..yandaraf. werde hart!" Als nun am anderen Morgen der verwunderte Fürst ihn nach der Bedeutung dieser Worte fragte, da wagte es der Schmied, dem Fürsten die Augen zu öffnen, die Not des Landes zu klagen und an die Frevel der Ritter zu erinnern. Von dieser Zeit an ward der Landgraf hart, ja unerbittlich strenge gegen die Vornehmen im Lande. Er zwang sie durch die gewaltsamsten Mittel zum pünktlichen Gehorsam. Als er einst hörte, die Edelleute behandelten die Bauern wie Lasttiere und ließen ihnen kaum des Sonntags freie Zeit zum Bestellen ihres Hauses und Feldes, da forderte er die Übelthäter vor sich und zwang sie, aus freiem Felde einen Pflug zu ziehen und seiner Peitsche zu folgen. Ein anderes Mal ließ er das Gerücht ausbreiten, er fei gestorben, und legte sich anscheinend tot aufs Sterbebett. Da nun die Edelleute herbeikamen und ziemlich deutlich ihre Freude über den Tod eines fo strengen Gebieters äußerten, richtete er sich plötzlich auf und verfuhr mit nachdrücklichen Strafen gegen die Schadenfrohen. Durch dieses scharfe Regiment brachte er's zuletzt so weit, daß ihm die einst Unbeugsamen ohne Murren gehorchten und ihn nach seinem wirklich erfolgten Tode fogar mehrere Meilen weit bis ins Begräbnis zu Reinhardsbrunn trugen.
Dieses Ludwigs Nachfolger war ein ebenso mannhafter, aber noch berühmterer Fürst, er hieß Ludwig der Milde. Mild und leutselig war er allerdings gegen Arme und Notleidende, ^gern behilflich allen bedrängten Unterthanen und vor allem freigebig gegen die Geistlichkeit. Dagegen streng ahndete er auch jedes Unrecht und tapfer nahm er an den Kriegszügen seiner Zeit Anteil. Ein Ritter, der im Kloster Reinhardsbrunn Wein gestohlen hatte, mußte vor ihm mit dem bloßen Schwert am Halse um Leben und Gnade bitten. Zuletzt finden wir ihn
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auf bem Kreuzzuge ins heilige Land, auf welchem er in höchst freund-schaftlrchem Vernehmen mit dem großen Kaiser Friedrich Barbarossa und mit den Königen von England und Frankreich lebte. Er half die Stadt Ptolema'is stürmen und ward selbst vom berühmten Sultan Saladm gelobt und bewundert.*)
Ludwig der Heilige endlich, der ums Jahr 1220 regierte, übertraf alle ferne Vorgänger an ritterlichem Wesen und glänzenden Tugenden Wir haben thn schon als Vormund unseres Meißner Landgrafen Heinrich kennen gelernt und da gehört, wie uneigennützig und streng gerecht er für ein fremdes Land Sorge trug. Ebenso war er in seinem eigenen Gebiete. Bald streitet er in Hessen, bald in Schlesien wider wilde Raubgesellen; bann hält er Lanbesversammlung unb große Gerichtstage um Recht unb Gesetz möglichst zu hanbhaben; bann erobert er eine ungehorsame Stabt unb zünbet sie an; bann treibt er in Meißen bie rebellierenden Abligen zum Gehorsam zurück unb zerstört feste Schlösser. Er sucht in Mähren, in Schlesien, sogar in Italien seine Kriegslust zu stillen. Auch er fanb feinen Tob auf einer Pilgerfahrt nach Palästina. — Mehr noch als er verdient Lubwias Gemablist ben Beinamen einer Heiligen, unb sie erhielt ihn auch nach ihrem Tobe auf Verorbmmg bes \ Papstes. Das war bie heilige Elisabeth, eine Königstochter aus Ungarn, bie in ihrem vierten Jahre schon in einer silbernen Wiege als Lubwigs Verlobte aus bie Wartburg gebracht worben war. Ihre Mutter war vor ihren Augen ermorbet worben, unb bas hatte in bem Kinbe eine unüertilgbare Schwermut hervorgerufen. Sie war im Sinne jener Beit sehr fromm, benn sie fastete unablässig, fafteiete unb geißelte ihren Leib, ^ betete Tag unb Nacht unb machte Wallfahrten unb Stiftungen. ^5U einem Hofpitale wartete sie selbst Kranke ab; in einem Armenhause speiste sie täglich Arme, in einer Teuerung einstmals an einem Tage 900. Sie starb halb nach ibrem Gemabl. kaum 24 Iabre alt.
Der letzte Lanbaraf von Thüringen aber war Heinrich Rasve. ber sogar auf Betrieb bes Papstes zum Gegenkönig gegen ben Hohenstaufen Friebrich II. erwählt würbe. Er starb aber schon im Jahre 1,247^ unb ba er keine männlichen Erben hinterließ, so erbte eben ber Meißner Markgraf. Heinrich ber Erlauchte, bessen Mutter Jutta aus Thüringen stammte, bas schöne Thüringerlanb, jeboch so, baß ber westliche Teil babon Hessen genannt, an Heinrich bas Kinb. ben Solm ber Sophie von Brabant, kam unb nur bas eigentliche Thüringen mit Meißen vereinigt warb.
. ) Auf Ludwig den Milden folgte Landgraf Hermann, der Vater Juttas und
unseres Markgrafen Dietrichs Schwiegervater. Er führte, wie schon erwähnt, mit Albrecht dem Stolzen Krieg und war auch sonst viel in Waffen und Fehden: aber o au$ skhr die Dichtkunst, und auf der Wartburg war immer eine große
Zahl der damaligen Minnesänger um ihn versammelt.
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7. Albrecht II.
Jetzt kehren wir zur Geschichte der Mark Meißen und ihrer Fürsten zurück. Auf den erlauchten Heinrich folgte 1288 sein ältester Sohn Albrecht, und mit diesem beginnt ein'"rechtIrüber Abschnitt unserer vaterländischen Geschichte. Ihr hörtet früher, daß dieser Albrecht schon lange vor seines Vaters Tode einen eigenen Länderteil bekommen habe, daß er da sckon Landgraf in Thüringen und auf der Wartbura *u Lause gewesen sei. Da störte nun böser Unfriede das Glück der fürstlichen Familie. Er hatte nämlich die treffliche Tochter des Kaisers Friedrich II.. Margarete, aur Gemahlin und von dieser drei Söhne. Friedrich. Diekmann und Heinrich. Den Kaiser Friedrich aber haßten der Papst und die Geistlichen mit solcher Erbitterung, daß sie sogar alle seine Nachkommen ins Verderben zu bringen trachteten, und wirklich ruhten sie nicht eher, als bis die fromme Margarete die Wartburg verließ und nach Frankfurt a. M. ging, wo sie vor Kummer bald starb. Daraus haben die'Äeistlichen später ein wunderliches Märchen geschmiedet. Der Landgraf, so erzählten sie. wünschte sich lieber mit der Kunigunde von Eisenberg zu verheiraten, und suchte deshalb seine bisherige Gemahlin aus dem Wege zu schaffen. Ein Eseltreiber, der täglich Wasser und Holz auf die Wartburg brachte, sollte sie nachts in ihrem Schlafzimmer erdrosseln. Allein dem gedungenen Meuchelmörder schlug das Gewissen; er entdeckte der Landgräfin den schändlichen Anschlag, und diese ließ sich nun mitten in der Nacht an Seilen und Tüchern von der Wartburg hinab und entfloh. Ehe sie jedoch die Flucht ergriff, nahm sie unter heißen Thränen Abschied von ihren schlafenden Kindern und soll dabei im Übermaß des Trennungsschmerzes den Ältesten, Friedrich, in die Wange gebissen haben. Nun vermählte sich Abrecht mit jener Kunigunde, der Kinder der Margarete aber nahm sich der brave Oheim, Dietrich von Landsberg, an und ließ sie erziehen. — Diese ganze Geschichte ist nun freilich eine Erfindung, dennoch wurde sie so allgemein geglaubt, daß man dem Landgrafen ÄlbreM davon den Beinamen „der Unartige" gab*/Nur so viel ist gewiß, daß es zwischen Albrecht un^ seinen Söhnen mancherlei Zwist gab, aber die Söhne scheinen daran nicht weniger schuld gewesen zu sein als der Vater. — Aus dieser Verwirrung meinte nun der damalige deutsche Könia. Adolf von Nassau, für sich selbst Nutzen ziehen zu können, der Mann also, der eigentlich solchem Unfuge am meisten hatte steuern sollen. Er erklärte geradezu, die Söhne der Margarete könnten die schönen Wettiner Länder gar nicht erben, denn sie stammten aus einem vom Papste verfluchten Geschlechte, darum wolle er sie für sich selbst nehmen. Natürlich ließen sich die Brüder, Friedrich und Diezmann — der dritte. Heinrich, war indes gestorben —, diesen Raub ihres rechtmäßigen Erbteils nicht gefallen, und fo entspann sich nun ein sechzehnjähriger Kampf, der das arme Meißner- und Thüringerland furchtbar verwüstete. König
Mohr, Die Geschichte von Sachsen. 9. Aufl. 2
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Adolf nämlich kam mit Heereshaufen herein, um es mit Gewalt zu erobern. Schon in Thüringen wüteten seine wilden Horden fürchterlich, und in Meißen waren sie nicht besser. Die Brüder mit dem geringen Häuflein ihrer Getreuen vermochten der Übermacht nicht mehr zu widerstehen. Auch das damals sehr feste Freiberg, das sechzehn Monate lang umsonst belagert worden war, geriet endlich durch Verräterei in Adolfs Hände, der ein schändliches Blutbad dort anrichtete. Friedrich und Diezmann waren manchmal bettelarm, hatten nicht einmal Pferde mehr, irrten flüchtig in Wäldern umher oder suchten im Schlosse zu Großenhain noch ihre Rettung. Kurz, unser Land schien damals unrettbar in fremde Hände kommen zu müssen, und seine rechtmäßigen Fürsten hielt man schon für verloren. Da wurde der gefürchtete König unvermutet hinaus an den Rhein gerufen, wo ein neuer Feind gegen ihn aufgestanden war, und fand dort in einer Schlacht den frühen Tod. Er hatte zwar eine Besatzung in den Meißner Ländern gelassen; allein diese trieb der junge Friedrich, der sich schnell erholt hatte, gar bald aus dem Lande. Doch sollte noch nicht Ruhe werden. Der neue König. Albrecht von Österreich aenannt. wollte die schöne Meißner Mark auch gern häbem Also mußte nun Friedrich und Diezmann auch mtt’Tfm'um ihr"UrBietf kämpfen. Dabei geschah es, daß Markgraf Friedrich auf der Wartburg belagert wurde. Dort erfreute den bedrängten Fürsten die Geburt einer Tochter. Er wollte sein Kind nicht ungetanst lassen, im Dunkel der Nacht schlich er sich mit ihm, der Amme und etlichen Bewaffneten aus der Burg, um es nach Tenneberg zu bringen. Aber die Feinde merkten es und setzten ihnen nach. Zum Unglück fing die Kleine an laut zu schreien. „Herr." sagte die Amme, „es schweigt nicht, ehe es nicht getrunken hat." Da lenkte der Markgraf abseits in den Wald, ließ Halt machen und sprach: „Meine Tochter soll das nicht entbehren, und sollte es das Thüringer Land kosten." Und Gott schützte die Flüchtigen, daß die Verfolger, ohne ihrer gewahr zu werden, an ihnen vorüberjagten. Endlich kam der entscheidende Tag; agt 31. Mai 1307 wurde die Schlacht bei Lucka, unweit Altenbura. geliefert. Die Böhmen, Österreicher und Schwaben, welche der König hergesendet fjatte, nannten anfangs das Meißner und Thüringer Heer' einen Bauernkaufen, mit dem sie bald fertig werden [wollten. Doch' in dem Kampfe, der nun folgte, wurden sie geschlagen, gerieten in panische Furcht und verworrene Flucht, und die Meißner spotteten ihrer seitdem mit dem Sprichwort: „Es wird dir glücken, wie den Schwaben bei Lücken!" Zum Glück konnte auch der König ein andermal nicht wiederkommen ; er wurde bald darauf von seinem eigenen Neffen elendiglich erschlagen, und so blieb die Mark nun dem alten Wettiner Stamme zurückgegeben. — Alle diese Kämpfe erlebte noch der alte Landgraf Albreckt: um aber den vielen Widerwärtigkeiten, die ihm das Leben verbitterten, aus dem Wege zu gehen, hatte er sich ins Privatleben nach Erfurt zurückgezogen, wo er 1314 starb. Sein heldenmütiger Solm ward Markaras..
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Friedrich der Freidige.*) - -r3 2.^
Nach so vielen Kämpfen und nach so glorreichen Thaten hätte der tapfere Friedrich wohl nun Ruhe verdient; allein in jener rohen Fehdezeit war selten Ruhe. Friedrich mußte zuerst seinen geliebten Bruder Diezmann, der solange des Lebens Wechsel mit ihm geteilt hatte, zu Weihnachten 1307 durch den Tod verlieren; dieser starb *u Leipzig vermutlich infolge üner erhaltenen Wunde. Sodann geriet Friedrich in heftige Fehden mit vielen thüringischen Rittern und Städten, an welche sein allzufreigebiger Vater Länderstücke verschenkt hatte. Auch mit dem Markaraien von Brandenburg kam er in Krieg, wurde bei Großenhain sogar gefangen und verlor infolge dieses Kriegs die Lausitz, die an Brandenburg kam" Doch zuletzt hatte er die Freude, alle verlorene Stücke des väterlichen Erbteils, mit Ausnahme der eben erwähnten Lausitz, wieder zu erlangen und das Markgrafenhaus im früheren Glanze zu erblicken. Da überfiel ihn in der letzten Zeit seines Lebens eine düstere Schwermut, welche zuerst zum Ausbruche kam, als er in Eisenach der Darstellung eines geistlichen Schauspiels von den zehn Jungfrauen beiwohnte, und ein Schlagfluß lähmte ihm Zunge und Glieder. Der ruhmreiche Fürst mußte faßt drei Jahre in einem kläglichen Zustande auf der Wartburg darniederliegen, bis 1324 der Tod seine Leiden und seine glänzende Laufbahn endete.
8. Kulturgeschichte seit Konrad. — Friedrich der Ernsthaste und der Strenge.
Überblicken wir nun den langen Zeitraum von Konrad bis Friedrich «w - -ru ** den Freidigen — 200 Jahre — noch einmal und sehen, wie damals etwa das Leben und Treiben der Bewohner Meißens war. Die dürften hatten damals noch keine festen Wohnsitze, sondern wohnten bald hier, bald dort: am liebsten in Meißen, Wartburg und Eisenach. Minister waren noch nicht vorhanden, sondern höchstens ein Schreiber, ein Schatzmeister und mehrere Geistliche, die in damaliger Zeit sehr vielerlei und nicht bloß geistliche Geschäfte verrichteten. Eine Art Landtage, von Fürsten. Adel und Geistlichkeit gehalten, kommen dann und wann vor.
Die Kirche und ihre Diener starwen immer im höchsten Ansehen. Wer Kirchen und Klöster erbaute, wer wenigstens Geld oder reiche Gefäße und
*) Der Beiname bedeutet „der Kühne".
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Gewänder an sie verschenkte, wer nach heiligen Orten hinwallfahrtete (Palästina. Rom. Compostella in Spaniens oder wer gar die Mönchskutte nahm und seine Habe der Kirche vermachte — dem war unfehlbar die Himmelspforte offen. In Thüringen allein gab es schon jetzt 30 Klöster, und so wie dem Kloster'lufrefle CttöTer Reiche 800 Husen Aändes sAenkte, so waren in ähnlicher Art alle anderen reich bedacht. Die Kirche übte daher auch große Gewalt und bedrohte die Ungehorsamen schnell mit Bann, Ausschließung oder harter Büßung. —
Die meisten der jetzigen Städte waren schon zu Ottos Zeiten vorhanden; aber von jener Zeit an wurden sie durch Mauern, Gräben und durch verliehene Rechte immer bedeutender. ^Erfurt. Leipzia. Zwickau und Freiberg waren vorzugsweise berühmt. -^Es entstanden unter den Bürgern und Handwerkern Einigungen oder Innungen mit ihren Gerechtigkeiten. — Der Bauernstand dagegen lag noch tief darnieder. Aller Grund und Boden gehörte ja noch dem Fürsten, der Kirche oder dem Adel, und ihnen mußte der darauf Angesiedelte Frondienste leisten. Wele Bauern, zumal sorbischen und nicht-deutschen Ursprungs, waren .weder eines Stückes'Feld, noch einesMeMngsffuckes^nseiner Hütte mächtig; ihre Habe, ihre Zeit, ihr'Leben"gehörte dem Herri^ der sie verkaufen oder verschenken konnte ' nach"Gutdünten. — Die"Wohn^ Häuser der Bürger und Bauern waren noch meist von Holz oder von Lehm gemacht, und sonach eben so zerbrechlich als wertlos. Die Klei-dung bestand gewöhnlich aus Wollen- und Linnenzeug und aus Pelz. Daß einstmals eine reiche Gräfin bei einem großen Feste aller^ünf Tage' ein anderes Kleid anlegte, gehörte damals zünden erstaunungswürdigen Dingen. —"Me"Preise der Lebensbedürfnisse waren sehr niedrig; 1 Mandel Eier 1 Pfennig, 1 Scheffel Korn 9 Pf., 1 Scheffel Weizen 18 Pf., 8 Heringe 1 Pf., 1 Pfund Butter 2 Pf., 1 Tonne Bier 4 Schilling; 12 Pfennige machten 1 Schilling und 20 Schillinge 1 Mark oder 16 Lot Silber.
<732Friedrich der Ernsthafte. £
Er mag seinen Beinamen wohl von dem unerbittlichen, rauhen Ernste haben, den er zumal gegen alle Raubritter und Friedebrecher in seinem Lande bewies. Sein Leben war eine lange Fehde und fast nie hatte er Ruhe, obgleich es meist nur kurze, kleine Kriege waren, die er mit Raubrittern oder mit Städten führte. Wo er kriegte, da ging's auch hart und ernsthaft her. So ließ er die drei Brüder von Kürte-mund, die unaufhörlich Ruhe und Sicherheit in Thüringen störten, hängen und dazu jedem zur Schmach eine Katze auf den Rücken binden. Ein
y Der achte erbliche Markgraf war Friedrichs des Freidigen Sohn,
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andermal ritt er nach damaliger Fürstensitte mit Pfeifen und Posaunen durch Erfurt. Da rief ihm der Graf von Weimar, der eben auf dem Rathause Tanz hielt, vom Fenster herab zu: „Sag, Fritz, wo willst du hin?" „Wahrlich," antwortete Friedrich, „soll ich noch eine kleine Zeit leben, so will ich machen, daß du mich Herr heißest," und der Graf büßte den unehrerbietigen Gruß mit dem Verluste eines großen Teils seiner Besitzungen. Ebendaselbst wollte er in der Hauptkirche einen Lobgesang zu Ehren des Kaisers Ludwig anstimmen lassen; die Mönche aber weigerten sich zu singen, weil sie dem Kaiser feind waren. Da ließ Friedrich das Kloster absperren, ließ die Mönche hungern und fasten, bis sie singen mußten. Ein andermal zog er vor die rebellische Stadt Langensalza, warf feurige Pfeile und große Feuerwaffen hinein und ängstigte durch Brand und Hitze die unglücklichen Bürger dergestalt, daß viele von der Stadtmauer herab ins Wasser sprangen und „18 Schock und 16 Menschen" umkamen. — Die Königskrone aber, welche ihm viele Fürsten Deutschlands anboten, schlug er aus, wohl wissend, daß in jener unruhvollen Zeit solch' eine Krone eine eben so unsichere als drückende Bürde sei. Der mannhafte Markgraf war erst 39 Jahre alt, als er am 18. November 1349 starb; sein früher Tod war wohl eine Folge der Wunden, die er aus seinen vielen Kriegen davongetragen hatte. Zur Zeit seines Todes herrschte in ganz Deutschland der schwarze Tod, eine Seuche, durch welche Millionen Menschen — in Erfurt allein über 12 000 — hingerafft und weite Länderstrecken entvölkert und verwüstet wurden.
Friedrich der Strenge,
des vorigen Sohn, regierte mit seinen Brüdern Balthasar und Wilhelm 30 Jahre lang sehr tapfer und rühmlich, aber eben so wie sein Vater in unaufhörlichen kleinen Kriegen begriffen. Leider teilten die Fürsten zuletzt das schöne Land durchs Los und so, daß nur die Bergwerke allen gemeinschaftlich blieben. Dies ist die sogenannte Chemnitzer Orterung, die Friedrich kaum einige Monate überlebte. Er starb 1381 und war der letzte, der in die ehrwürdige Gruft zu Altzelle gelegt ward.
Unter seiner Regierung kommt unter vielen Fehden eine vor, welche die Brüder gegen die Burg Salza, im Herzogtum Braunschweig, unternahmen. Dort wurden sie gar sehr erschreckt durch eine Donnerbüchse, welche mit Schießpulver geladen, große steinerne Kugeln auf sie losschleuderte. Dies ist die erste in der sächsischen Geschichte vorkommende Erwähnung einer Kanone und des Schießpulvers. — In Chemnitz entstanden die wichtigen Leinwandbleichen, die der Stadt so
großen Ruf und Gewinn gebracht haben. — In Meißen förderte der Bischof Konrad den Weinbau eifrig, indem er edle Reben aus Bayern und den Rheinlanden kommen ließ. — Übrigens kamen um diese Zeit die Familiennamen statt der früher allein gebräuchlichen Taufnamen auf, und wurden bald vom Amte des Mannes (Schulze, Richter), bald von der Beschäftigung (Müller, Schmidt, Wagner), bald vom Geburtsorte u. s. w. hergeleitet. — Auch kam die sorbische Sprache immer mehr in Abnahme und mußte der deutschen Platz machen.
9. Friedrich der Streitbare.
Friedrich der Streitbare ist der erste unter den Markgrafen, der zugleich Kurfürst war, ein höchst merkwürdiger, für unser Vaterland unglaublich wichtiger Fürst. Schon daß er so höchst streitbar und tapfer war, machte ihm einen geehrten Namen bei der Mit- und Nachwelt. Er zog mit anderen Fürsten und Rittern nach Franken, nach Böhmen, nach Ostpreußen, und war überall durch seine Thaten berühmt, durch seine Tapferkeit sehr gefürchtet. Namentlich half er seinem Vetter Wilhelm die Raubnester Dohna, Weesenstein und Königstein zerstören und den furchtbaren Raubritter Jefchke aus dem Lande Hinaustreiben. Aber weit mehr als diese kühnen und blutigen Kriegsthaten machte ihn eine friedliche und doch unendlich segensreiche That für alle Zeiten in der sächsischen Geschichte merkwürdig. Es entstanden nämlich damals unter den Studenten und Professoren auf der ältesten Universität in Deutschland, auf der Prager, heftige Streitigkeiten zwischen Czechen und Ausländern, die endlich so weit führten, daß über tausend deutsche Studenten mit ihren Lehrern auszuwandern beschlossen. Da nun Meißen, das Land unseres Friedrich, so nahe an Böhmen angrenzte, so fragten etwa 400 solcher Auswanderer beim Markgrafen an, ob sie vielleicht in Leipzig ihren Sitz aufschlagen und eine neue Universität begründen dürften. Friedrich erlaubte es, und so entstand 1409 die ehrwürdige Anstalt, die unserem Vaterlande nunmehr fast fünf Jahrhunderte hindurch unberechenbaren Gewinn gebracht hat. Die Universität Leipzig war ein wahrhaft großes Werk dieses Fürsten! Späterhin, im Jahre 1414, sehen wir ihn in großem Glanze, von mehreren Hundert reichgekleideten Meißner Rittern begleitet und mit einem gewaltigen Gefolge von Knappen und Dienern in die Stadt Kostnitz am Bodensee einziehen. Dort ward damals die berühmte Kirchenversammlung gehalten, auf welcher Huß und Hieronymus zum Feuertode verdammt wurden, weil sie getoagi hatten, gegen Sie vielen in der päpstlichen Kirche eingerissenen Mißbräuche zu schreiben und zu lehren. Viele Fürsten und die vornehmsten geistlichen Herren waren dahin gekommen; aber keiner hatte
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bei seinem Einzuge so großes Staunen erregt, wie der reiche und tapfere Friedrich von Meißen, der in weit größerer Pracht daherkam, als selbst der Kaiser Sigismund. Von Kostnitz zog er im nächsten Jahre wieder heim und züchtigte sogleich nach seiner Rückkehr den rebellischen Ritter Staupitz auf der sehr festen Burg Kriebstein bei Waldheim. Er eroberte die Burg und erklärte alle Männer in derselben für Kriegsgefangene, erlaubte aber der Gemahlin Staupitzens, daß sie abziehen und dasjenige, was ihr am teuersten wäre, mitnehmen könne. Die edle und treue Gattin trug ihren Gemahl auf dem Rücken zum Burgthore hinaus, und Friedrich ließ sich die List gefallen und schenkte dem Besiegten die Freiheit. Bald aber gab's für ihn weit ernstere Kämpfe und einen weit mächtigeren Feind. Die Hussiten, aufgebracht über die Wortbrüchigkeit des Kaisers und über die Beschränkung ihrer Freiheit, begannen in Böhmen kriegerische Unruhen (1419), aus welchen der unselige 18 jährige v fV :"
Hussitenkrieg hervorging. "Unser Markgraf gab den Bitten des be- ^
drängten Kaisers nach, und eilte nach Böhmen, den Ausrührern und Ketzern entgegen. Auch schlug er sie und ihren großen Anführer Ziska mehrmals. Allein die hussitische Partei wuchs von Tag zu Tag; der Kaiser und die übrigen deutschen Fürsten vermochten nur wenig Kriegsvolk ins Feld zu stellen; und so mußte denn auch unser Friedrich mit Trauer und Ingrimm im Herzen der Übermacht des Feindes weichen.
In dieser Zeit trug sich ein Ereignis zu, das für unser Vaterland aufs neue von unaussprechlicher Wichtigkeit war. In der Gegend von Wittenberg und Torgau nämlich lag damals das Kurfürstentum Sachsen, ein Ländchen von geringem Umfang, geringer Bevölkerung und wenig ergiebiger Landesart; aber an Rang und Würde doch weit höher als unjere Markgrafschaft. Der Kurfürst in diesem Ländchen nun, der keine Kinder hatte, starb im Jahre 1422 unerwartet plötzlich. Da fiel das Land dem Kaiser Sigismund zu, und dieser verlieh es unserem Friedrich, dem er schon 90 000 Gulben schulbig war, unb ben er auch gern noch länger als Beistanb gegen bie Hussiten behalten wollte. So kam flu ber Markarafschaft Meißen im Safire 1423 bas Kurfürstentum Sachsen hinzu, unb unser Laub war nun an Umfang unb Rang eines ber ersten im beutschen Reiche. Aber so sehr auch bie Rangerhöhung unserem sehr ehr- unb prachtliebenben Fürsten Frenbe machte, so sehr betrübte es ihn auf ber onberen Seite, baß er seinen hohen Kriegsruhm gegen bie siegreichen, immer kühner vorbringenben Hussiten nicht mehr, wie sonst, behaupten konnte. Er zog zwar wieber gegen ben gewaltigen Feinb, ber in Böhmen immer mächtiger geworben war unb schon Sachsens Grenzen bebrohte; aber was konnte er allein ausrichten, ba bie übrigen beutschen Fürsten ihn verließen unb auch ber tapferste Kriegsmann bamals vor ben schwarzen Räuberhorben ber Hussiten bie Flucht ergriff? Bei Brix, bei Mieß unb vor allem bei Aussig in Böhmen verlor er gegen sie unzählige seiner trefflichen Streiter. Nach her Schlacht
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bei Aussig war in Sachsen allenthalben Trauer und Wehklagen, denn die meisten Adelsfamilien des Landes hatten in dem schrecklichen' Blutbade große Verluste erlitten. Diese unglücklichen Ereignisse der letzten Jahre und dazu die stets peinigende Voraussicht, daß es noch schlimmer kommen und Sachsen selbst in die Hände der grausamen Feinde geraten werde, brach die Kraft und den Mut des einst so gefürchteten Helden und er legte unter trüben Ahnungen und ernsten Ermahnungen an seine beiden- Söhne, Friedrich und Wilhelm, im Januar 1428 sein Haupt zum Todesschlummer nieder. Seine irdischen' Überreste"kegrub man aus Furcht vor den racheschnaubenden Hussiteu in aller Stille und erst später wurden sie im Dome zu Meißen beigesetzt.
Einiges von den alten Sachsen.
Der Name^er Sachsen ist sehr alt. Allein in den Gegenden, die gegenwärtig da§j£ömgreich Sachsen ausmachen, wohnten sie nicht; auf diese Gegenden wurde der Name Sachsen erst seit Friedrich dem Streitbaren allmählich übertragen! Ursprünglich hatte das Volk der Sachsen sein^ Wohnsttze im gegenwärtigen Hannover. Oldenburg und Westfalen bis Holland, kurz, von der Elbe bis über die Weser und vom Harz nordwärts bis zur Nordsee. . Sie waren ein echt deutsches, un-gejnein kriegerisches Volk, hatten feste Wohnsitze, "trieben Ackerbau. Fisch-Wü und Jagd, am liebsten aber die Geschäfte des Krieges/ Um die Zert Karls des Großen hatten sie Herzöge, und wurden von den Franken dreißig Jahre lang bekriegt, endlich unterjocht und zum Christentume gezwungen. So bestand demnach das alte Herzogtum Sachsen im jetzigen Hannover und Westfalen fort bis zu Kaiser Friedrich Barbarossas Sett"(118Cryi Damals aber wurde der kühne und Unruhe stiftende Sachsenherzog Heinrich der Löwe vom Kaiser in die Acht erklärt und das schöne Herzogtum von den Nachbarn zerrissen. Den Titel aber.eines Herzogs von Sachsen schenkte Friedrich dem tapferen Grafen %phard von Asfanten, der feine Hauptbesitzungen^n der Wittenberger und Jüterbogker Gegend hatte. Nun gab's also zwar nicht mehr das alte, wohl aber ein neues Herzogtum Sachsen, das war ein Länd-chen in der Gegend von Torgau und Wittenberg~— Dies Sändchen erhielt 200 Jahre später^en"Titel eines Kurfürstentums (1356). seine Kurfürsten aber waren bei ihrem sehr beschränkten Besitztum arm und konnten sich nie zu Glanz und Macht erheben. Im Jahre 1422 endlich starb sogar dies sächsische Kurfürstengeschlecht aus. und nun erhielt unser Meißner Markgraf durch Gunst des Kaisers beides, das Ländchen und die Kursürstenwürde.
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10. Friedrich der Sanftmütige.
Auf die Regierungszeit des nun folgenden Kurfürsten merkt Wohl auf: sie ist reich an den denkwürdigsten Ereignissen. Ich erinnere euch zuerst an jenes traurige Ereignis, welches Friedrich der Streitbare schon aus seinem Sterbebette vorausgesehen hatte, an den Einfall der Hufsiteu in die Meißner Länder. Seitdem nämlich die Zahl der Hussiten sich zu vielen Tausenden vermehrt hatte, seitdem mehrere Schlachten für sie sehr glücklich ausgefallen waren, seitdem sie besonders eingesehen hatten, daß der Kaiser Sigismund keine Macht und die Reichstruppen ganz und gar keinen Mut hatten. — waren sie immer kühner, immer raublustiger geworden und wollten sich auch außerhalb ihres Böhmerlandes versuchen. Sie brachen daher im Jahre 1429 in unser Land. das ihnen am nächsten lag, mit großer Macht ein. Die beiden Prokope führten sie jetzt. Sie hatten eine Unzahl Wagen bei sich, die sie recht eigentlich nicht als Krieger, sondern als Räuber und Mordbrenner bezeichneten. In diesem Jahre zerstörten^sie Dresden (das noch auf der rechten Elbseite gelegen war), und verschütteten die wichtigen Bergwerke bei Scharfenberg, weil sich Menschen hineingeflüchtet hatten. In den Städten Meißen, Riesa und Strehla wüteten sie, und wehe, insonderheit den Priestern, den Mönchen und Nonnen, wenn sie in hussitische Hände fielen!*) Über die Mark und die Lausitzen zogen sie, mit Schätzen beladen, in ihr damals so verwünschtes Kanaan zurück. Noch stärker, an 50000 Mann, kamen sie 1430 wieder. Es gingen Oschatz, Mügeln, Döbeln, Colditz, Crimmitschau, Werdau und Altenburg in Flammen auf. In Plauen metzelten sie an 1000 Menschen unbarmherzig nieder, obgleich sie dort ihr Wort gegeben hatten, wenigstens die Besatzung des Schlosses zu schonen. Von hier gings durch Franken und Bayern, immer sengend und brennend, wieder nach Böhmen. Damals sollen 400 Städte und 1400 Dörfer von ihnen heimgesucht und 3000 Wagen voll Beute fortgeschleppt worden sein. — Im nächstfolgenden Jahre hatte sich endlich wieder ein Reichsheer gesammelt, das gegen die schwarzen Scharen der fürchterlichen Hussiten ziehen sollte. Der Kaiser sowohl als der Papst hatten dringend dazu aufgefordert, die Ketzer zu bekämpfen. Ein Zug von vielleicht 100000 Mann machte sich gegen Böhmen auf; viele Meißner waren dabei; auch ein Gesandter des Papstes, der unaufhörlich gegen die Ketzer predigte, begleitete das Heer. Allein viele entliefen aus Furcht schon auf der Grenze von Böhmen; die andern zogen vorwärts bis Thauß und brannten unterwegs auf hussitische Weise auch 200 Dörfer an. Bei Thauß trafen
*) Sie wurden in unreine Gruben geworfen, lebendig begraben und sonst an ihnen jeglicher Greuel verübt.
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sie auf Prokopius, der sie sogleich mit eisernen Dreschflegeln angreifen ließ. Da ward eine grenzenlose Verwirrung unter den Kaiserlichen. Sie hatten keinen kriegskundigen Anführer; sie verwickelten sich in ihren Rüstungen und in ihrer weitläufigen Wagenburg; es wurden 11 bis 12000 niedergemacht. Nur etwa 700 Vornehme, von denen ein starkes Lösegeld zu erwarten war, kamen mit Gefangenschaft davon. Der Kardinal Julian, jener päpstliche Gesandte, verlor auf der Flucht Meßgewand, Mütze und Bannbulle, und vermochte nur mit Mühe sein Leben zu retten. So unwiderstehlich waren damals die Hussiten, so entmutigt und verlassen alle umliegenden Nachbarstaaten. Erst als nach und nach Uneinigkeiten unter den Hussiten selbst entstanden, gelang es den Fürsten, Frieden mit ihnen zu schließen, und etwa um das Jahr 1436 war der schreckliche Hussitenkrieg als beendigt anzusehen.^
Leider fiel in die Regierungszeit Friedrichs des Sanftmütigen noch ein anderer höchst verheerender Krieg und zwar zu einer Zeit, wo sich das arme Sachsen von den Hussitengreueln noch nicht lange wieder erholt hatte. Es war der traurige Bruderkrieg 1445—50. Der Kurfürst und sein Bruder Wilhelm machten nämlich im Jahre 1445 eine Teilung ihrer Länder; der Kurfürst bekam als Hauptteil Meißen, und der Herzog Wilhelm, der in Weimar lebte, bekam Thüringen. Der letztere war aber auf Anstiften seines ränkevollen Rates, Apel von Vitzthum, nicht zufrieden mit seinem erhaltenen Teile. So kam's zu einem Kriege, an welchem fast alle Herren des Meißner- und Thüringerlandes eifrigen Anteil nahmen, die einen auf Friedrichs, die anderen auf Wilhelms Seite. Beide Brüder übten in diesem Kriege schwere Übelthaten, auch der „sanftmütige" Friedrich. Denkt nur daran, wie er einst nach Freiberg kam und von den dortigen Ratsherren forderte, sie sollten ihn allein von nun an als Gebieter anerkennen und von seinem Bruder sich gänzlich lossagen. Freiberg gehörte doch einmal seit der Teilung beiden Brüdern und hatte beiden Treue geschworen; es war sonach eine offenbare Ungerechtigkeit, die Bürger zum Eidbruch verleiten zu wollen. Doch als der alte Bürgermeister Niklas Weller mit sämtlichen Ratsherren vor den Kurfürsten hintrat und erklärte, er wolle lieber seinen Kopf verlieren, als die Treue brechen — da trat auch wieder die angeborene Milde Friedrichs hervor und er sprach versöhnt: „Nit Kop ab, Alter, solche ehrliche Leute brauchen wir mehr." Bei weitem größeres Unheil aber richtete Herzog Wilhelm an, denn er rief 9000 böhmische Mordbrenner zu Hilfe herein nach Meißen, und von ihnen ward namentlich die Gegend um Döbeln, Pegau und Zeitz fürchterlich verwüstet. Aber das fluchwürdigste Denkmal setzte sich dieses Raubgesindel in der Stadt Gera, die sie plünderten und verbrannten, wobei 5000 unschuldige Menschen ermordet wurden. Friedrich, der zu spät nach Gera kam, um die Greuel der Böhmen zu verhüten, gab auch hier wieder einen Beweis seiner nicht ganz erstorbenen Bruderliebe. Es
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erbot sich ein Hakenschütze den Herzog zu erschießen; aber der Kurfürst ries ihm zu: „Schieß wen du willst, nur meinen Bruder rtitl" Dieses schöne Wort kam zu Herzog Wilhelms Ohren und rührte ihn so, daß er die Hand zur Versöhnung bot. Nach fünf Jahren großer Verwirrung kam's endlich in Naumburg zum Frieden, und an Apel von Vitzthum bewährte sich das Wort: Untreu schlägt den eignen Herrn! Er fiel in Ungnade und ward des Landes verwiesen.
11. Fortsetzung. Der Prinzenraub.
Ein drittes höchst merkwürdiges Ereignis aus der Regentengefchichte Friedrichs des Sanftmütigen ist Kunz von Kaufungens kühner Prinzen -raub. Der tapfere Ritter Kunz von Kanfungen hatte große Güter im Osterlande, in Thüringen und in Böhmen, und war wegen seiner Kriegsthaten im Hussiten- und Bruderkriege hoch angesehen beim Landesfürsten. Im Bruderkriege waren ihm seine thüringischen Güter weggenommen worden, und er hatte dafür einstweilen die Vitzthumfche Besitzung Schweikershain bei Waldheim eingeräumt bekommen. Allein nach dem Frieden hatte er fein thüringisches Eigentum wieder erhalten, mochte aber auch das Vitzthumfche nicht wieder hergeben. Er wurde nun zwar mit Gewalt zur Herausgabe gezwungen, drohte aber auch, „er wolle sich an des Kurfürsten Fleisch und Blut rächen". Nun ging er auf fein Schloß Eifenberg in Böhmen und sammelte dort um sich Ritter und Reisige, die an Mut und Schlauheit ihm gleich waren, rechnete aber auch hauptsächlich auf die Mitwirkung eines listigen Küchenknechts am Hofe zu Altenburg, auf Hans Schwalbe. Dieser schickte ihm bald darauf folgende Zeilen: „Ehrbarer, strenger, lyber Jungker! Als der Korsirst vestiglich beschlossen hat uff morgen Sundags nach der Frumeß gein Lypztzk zu wegfahrten mit den meresten Hoselüten, och Mondtag uffn abend der Canzyler yn eegelebete yn fynen Hufe us-richten thut und uffs Schloß daczumaleu allyn der oldte Asmus Dra-bandten Dienst Pflegt, alß werdt ich Uwer Anstaltnngk gewartin rc." Kunz erfuhr also aus diesen Zeilen, daß der Kurfürst vom Sonntage an mehrere Tage in Leipzig fein, daß den Montag beim Kanzler ein großes Gastmahl und daß als einziger Wächter im kurfürstlichen Schlosse zu Altenburg nur der alte Trabant Asmus zugegen sein werde. Augenblicklich wurden nun mächtige Steigleitern von Leder und Holz verfertigt, die Gehilfen durch Eilboten zusammengerufen und in der Nacht vom 7. zum 8. Juli 1445 rückte nun Kunz mit 37 Reitern und zehn Fußreisigen aus dem Walde bei Altenburg hervor. Schwalbe und Kunzens Knecht Schweinitz erwartete im Schlöffe den Zug und befestigten die Leitern von innen. Kunz nebst neun kühnen Genossen klettert an den hohen Schloßmauern hinan; der Trabant im Schlosse wird gebunden;
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die Schlafkammern der Kurfürstin und der wenigen Diener werden von außen verrammelt und die Prinzen Ernst und Albrecht, mit dem Tode bedroht, wenn sie schrieen, werden hinabgetragen. Kunz trägt den älteren, der Ritter Mosen den jüngeren Prinzen. Als man zur Erde herabkommt', erkennt Kunz mit Ingrimm, daß Mosen keinen Prinzen, sondern einen Schlafgenossen der Prinzen, den jungen Grafen von Barby. ergriffen habe. Auch das stört ihn nicht. Er übergiebt den Freunden Mosen und Schönfeld den einen Prinzen, damit sie ihn auf der Zwickauer Straße immer voran nach Böhmen führen sollen; er selbst aber rennt noch einmal — denn jetzt hat Schwalbe das Thor geöffnet — über den Schloßhof hinauf in das Schlafzimmer und holt Albrecht auch noch nach. Die Kurfürstin Margarete, die ihr Kind über den Schloßhof führen sah. bat flehentlich um dessen Loslassnng, allein umsonst; Kunz sprengte sogleich mit Albrecht fort, und gelangte, von sechs Reisigen begleitet, gegen Mittag auf dem Wege über Rabenstein, Elterlein und Grünhain in die Nähe der böhmischen Grenze. Dort in dem großen Walde zwischen Elterlein und Oberwiesenthal erlaubt er dem durstenden Prinzen, eine kleine Zeit abzusteigen und Waldbeeren zu suchen; denn obgleich rings umher die Sturmglocken ertönten, so dachte er sich doch hier in der dichten Waldfinsternis ganz sicher. Darum schickte er auch zur gleichen Zeit die Reisigen nach Eisenberg voraus, und behielt nur den treuen Knecht Schweinitz bei sich. Allein wie wunderbar sind die Fügungen Gottes! Der junge Prinz ersieht die Gelegenheit und entdeckt sich dem armen Köhler Georg Schmidt, der eben in der Nähe sein Mittagsbrot verzehrt. Mit Hilfe seines Hundes und seines Schürbaums schlägt der Köhler die unbehilflichen, schwergepanzerten Kriegsleute nieder; die Köhlerknechte eilen herbei und binden die zu Boden Geworfenen; kurz, nach wenigen Augenblicken ist's dahin gekommen, daß der gewaltige Kunz sich von den Köhlern nach Grünhain und von da nach Freiberg muß führen lassen; der erlöste Prinz aber darf nun ruhig in die Arme seiner trostlosen Eltern zurückkehren. So war der jüngere Fürstensohn gerettet. Den älteren, Ernst, hatten die Genossen Kaufungens, die Ritter Mosen und Schönfeld, mit großer Mühe bis in die Gegend von Hartenstein gebracht. Überall sahen sie Verfolger; überall hörten sie Sturmgeläute; einige Male waren sie nahe daran, ergriffen zu werden. Da verbargen sie sich in der Teufelskluft unweit Zwickau; der Mut war ihnen gesunken; sie schickten also Boten an den Oberamtshauptmann in Zwickau, mit dem Erbieten, sie wollten den Prinzen Ernst ausliefern, sobald man ihnen Freiheit und volle Straflosigkeit zugestände. Als ihnen dies zugesichert war. führten sie ihren Gefangenen nach Zwickau und machten sich dann eiligst aus dem Lande. Ernst traf seine Eltern noch am Abend dieses Tages in Chemnitz und wallfahrtete mit ihnen und dem Bruder Albrecht zum Marienbilde nach Ebersdorf, um Opfer des Dankes dort darzubringen. — Der Übelthäter Kunz ward
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schon am 14. Juli auf dem Markte zu Freiberg enthauptet, obgleich er sicher auf einen Gnadenspruch des sanftmütigen Kurfürsten gerechnet hatte. Der Köhler, Georg Schmidt, erhielt ein kleines Freigut, jährlich vier Scheffel Korn und die Erlaubnis, lebenslang unentgeltlich Kohlen zu brennen, und durfte bis in seine letzten Lebenstage noch oft am kurfürstlichen Hofe erzählen, wie er den Kunz so „wacker getrillt habe". Davon sollen er und seine Nachkommen den Namen Triller erhalten haben. Schweinitz, der treue Knecht Kunzens, ward aufgeknüpft; Schwalbe ward mit glühenden Zangen gezwickt und gevierteilt; mehrere andere wurden geköpft; nur Mosen und Schönfeld durften späterhin aus Böhmen ins Vaterland zurückkehren und frei darin leben.
Das war das letzte große Ereignis in dem vielbewegten Leben des alternden Kurfürsten. Er verlebte nun noch neun ruhige Jahre und starb am 7. September 1464; seine Gemahlin Margarete, mit der er in höchst glücklicher Ehe gelebt hatte, folgte ihm erst 22 Jahre später in die Fürstengruft zu Meißen. — Unter seiner Regierung kommt noch einiges Bemerkenswerte vor, dessen wir zum Schlüsse gedenken. In Leipzig ward zu den beiden Hauptmessen noch die dritte, die Neujahrsmesse. hinzugefügt. Beim Kriegswesen hören wir nun von einem bestimmten Solde, während die Kriegsleute früher unentgeltlich hatten Dienste leisten müssen; daher allmählich die Benennung „Soldaten". Auch erscheinen im Kriege von nun an Feuergewehre — Donnerbüchsen, Kanonen, Haken — statt der früheren Armbrüste und Bogen. In den Kirchen aber begann von nun an das alltägliche Mittagslauten; der Papst ordnete dies an wegen der großen Türkennot.
12. Ernst und Albrecht (Albert). — Kulturgeschichte.
Die beiden Söhne Friedrich des Sanftmütigen regierten nach ihres Vaters Tode die ererbten Länder gemeinschaftlich, so daß Ernst, als der ältere, Kurfürst, Albrecht aber Herzog war. Friede und Einigkeit, weise und gerechte Fürsorge für Land und Unterthanen zeichneten eine lange Zeit hindurch diese Regierung aus. Die Einkünfte gehörten beiden Fürsten gemeinschaftlich; über wichtige Angelegenheiten Berieten sie sich friedlich, und manches große, folgenreiche Vorhaben unternahmen sie mit gemeinsamem Eifer. Wenn der kriegslustige Albrecht, wie er häufig that, für den Kaiser zu Kriegsthaten auszog, besorgte der sanftere Ernst daheim allein die Geschäfte der Regierung und förderte Künste und Wissenschaft, gab eine Münzordnung und viele andere heilsame Gesetze. Wenn Albrecht aus Anhänglichkeit an den Kaiser viel. viel Geld bedurfte, um denselben in seinen auswärtigen Kriegen zu unterstützen, hielt der sparsame Ernst desto fleißiger Haus in seinem väterlichen Erbe. So
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dauerte eine glückliche Regierung der beiden Brüder 20 Jahre lang.
Auch war sie sichtlich von Gott gesegnet! Denn ums Jahr 1477 entdeckte man auch im höheren Erzgebirge wichtige Silberadern; sie veranlaßten die Erbauung der Stadt Schneeberg; die Bevölkerung und Bebauung des wilden, rauhen Erzgebirges gewann eine ganz andere Gestalt; große Reichtümer flössen aus diesen neuen Quellen dem Lande und dem Fürsten zu. Darum soll auch einst Herzog Albrecht in einer Grube bei Schneeberg auf einer vier Ellen breiten, sieben Ellen langen Silberstufe seine Tafel aufgeschlagen, und dabei geäußert haben: „Solch' einen Tisch habe wohl der Kaiser selbst nicht." Von dem gewonnenen Bergsegen kauften die beiden Fürsten nicht nur manches schöne Landstück zu ihrem Erbteile hinzu, sie verwendeten ihn auch, um durch den Baumeister Arnolds aus Westfalen an der Stelle, wo einst König Heinrich I. q2!T die Burg Meißen angelegt hatte, einen Prachtbau zu "errichten, der die Döppelresideuz für die fürstlichen Brüder werden sollte. Das ist die jetzige herrliche Albrechtsbura. Auch den Glücksumstand erlebten sie, daß lener alte räche Ohemi, mit welchem einst ihr Vater sein Land geteilt und gleich daraus den berüchtigten Bruderkrieg geführt hatte, Herzog Wilhelm der Tapfere in Weimar, ihnen seine Ländereien vermachte, die sie 1482 nach dessen Tode in Besitz nahmen. Wie schön und groß war nun das Sachsenland! Wie waren nun wieder alle früheren Länderteile zu einem Ganzen vereinigt! — Aber siehe, es entstanden Uneinigkeiten, die abermals meist von schlimmen Ratgebern herrührten. Der rasche, hitzige Albrecht drang auf eine Teilung des kaum erst wieder Verbundenen, und am 26. Auaust 1485 kam diese Teiluua (in die erne-stinische und albertinische Linie) auch wirklich' zu stände. Es ist ein höchst denkwürdiger Tag; denn von diesem Tage an sind die Länder beider Linien nie wieder ganz und vollständig vereinigt worden.
Ernst machte die Teile; außer dem Kurlande um Wittenberg, welches er selbst als Kurfürst bekommen muHte,^egte"erHf den einen Thüringen und Stücke vom Oster- und Pleißnerland, auf den anderen Meißen als Häüptteil. "Albrecht "wählte das letztere, obgleich Ernst gerade dieses gern für sich selbst behalten hätte. Er überlebte den Gram darüber nur ein Jahr.
Albrecht lebte noch 14 Jahre nach Ernsts Tode. Wie sehr auch Albrecht für das Wohl seines Landes und seiner Unterthanen besorgt war, so scheute er doch kein Opfer, sobald der Kaiser seines tapferen Armes, oder seines Geldes wider Ungarn, Franzosen oder Niederländer bedurfte, und er erklärte oft: „Er wolle gern Land und Gut für ihn hingeben." Von den vielen Heldenthaten, die er für Kaiser und Reich verrichtete, bekam er den Beinamen „der Beherzte", man nannte ihn auch „die rechte Hand des Reichs". Auch versprach ihm, oder vielmehr seinen Nachkommen, der Kaiser Maximilian für die Zukunft die schönen Herzogtümer Jülich, Cleve, Berg am Rheine und ernannte ihn
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zum Erbstatthalter von Friesland (im nördlichen Holland). Allein im Verhältnis zu den großen Summen, die Albrecht schon willig im Dienste des Kaisers geopfert hatte, war das nur ein geringer Ersatz. zumal da er an den rebellischen, immer unruhigen Friesen, die seinen Sohn Heinrich sogar beinahe aufgehängt hätten, durchaus keine Freude erlebte. Weit mehr Freude machte ihm die Entdeckung Kaspar Ritzels, der am Schreckenberge reiche Silberminen auffand, welche neue Scharen von fleißigen Anbauern herbeiriefen und die Gründung der Städte Annaberg und Buch holz veranlaßten (1496> Herzog Albrecht starb in dem undankbaren Lande der Friesen, deren rebellische Hauptstadt Groningen er belagerte, und ward am 11. Oktober 1500 mit großer Pracht im Dom zu Meißen beerdigt. Seine Gemahlin, die ehrwürdige Sidonia, die Stammmutter aller Albertiner, überlebte ihn zehn Jahre.
Kulturgeschichte seit der Zeit Friedrichs des Freidigen.
Wenden wir jetzt abermals unseren Blick auf das innere Leben des Volkes, auf die Veränderungen in seiner Bildungsgeschichte seit Markgraf Friedrich dem Freidigen. Als Residenzen der Fürsten treten abwechselnd hervor Leipzig, Altenburg, zuletzt aber Torgau und Dresden. Eine Anzahl Hofgesinde — wie man damals statt Hofstaat sagte — einen Kanzler, einige heimliche und andere Räte gab es nun auch schon. Abgaben oder Steuern vom ganzen Lande bezog der Fürst damals noch nicht, sondern er erhielt eigentliche Abgaben nur von den Unterthanen feiner Kammergüter. Außerdem fiel aber noch Geleite, Viehsteuer, Grenzzoll und der Ertrag der Münze ihm zu. Da er hiervon nicht standesmäßig leben konnte, so wurden immer häufiger Landtage und Ständeversammlungen gehalten, an welchen jetzt nicht bloß Adelige und Geistliche, sondern auch Stadträte Teil nahmen, und von welchen der Fürst dann gewöhnlich eine Bede oder Abgabe forderte. — Die Ritter und der Adel gewannen in dieser Zeit auch eine etwas veränderte Gestalt: denn da seit dem Hussitenkriege die Feuergewehre gewöhnlicher wurden und Landsknechte für Geld aufkamen, so zogen sich die Adeligen allmählich vom Kriegsdienste zurück; ihre vielen kleinen Fehden verminderten sich, und statt der Kriegslust ward die Jagdlust herrschend. Die seitherigen Panzer, Helme und Schilder der Ritter waren jetzt, nach Erfindung des Schießpulvers, bei weitem nicht mehr so nutzbar, als sonst, und kamen nach und nach außer Brauch; dagegen mußten aber die Städte weit stärkere Mauern und Festungswerke anlegen, um den zerstörenden Kugeln widerstehen zu können. Die Städte wurden überhaupt weit blühender, namentlich Freiberg, das 30000 Einwohner gehabt haben soll, und Leipzig, das schon mit Nürnberg, Augsburg und Erfurt in gleichem Range als Handelsstadt stand. Dresden, das damals meist
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auf dem rechten Elbufer lag, hatte schon eine vom Ertrage der Butterbriefe*) erbaute Holzbrücke mit steinernen Pfeilern. In Leipzig kam mit der Gründung der Universität auch die erste Apotheke und 1480 die erste Buchdruckerpresse (bei Andreas Friesner) zum Vorschein. — Der Bauernstand war immer noch sehr bedrückt; denn wenn auch die Leibeigenschaft sich nach und nach durch viele Freikaufungen verminderte, so feufzten doch selbst die Freigelassenen unter schweren Abgaben oder Frondiensten, die dem Grundherrn zu leisten waren. — Wie sehr in jener Zeit die Sitten schon in Verfall gekommen waren, ersieht man daraus, daß die Kurfürsten Friedrich und Ernst strenge Gesetze gegen die übertriebene Kleiderpracht, gegen kostspielige Gastereien und gegen eine Art spitziger Stieseln und Schuhe mit dritthalb Fuß langen metallenen Schnäbeln, Krallen und Hörnern ergehen ließen. Auch predigte der Mönch Capistrano mit großem Eifer gegen Spielsucht, Geldwucher und andere Laster, und verbrannte öffentlich in den Städten Kartenspiele, Schnürleiber, Kleiderschleppen und jene ungeheuren Pluderhosen der Ritter, zu welchen oft über 150 Ellen Tuch und Band erfordert wurden. — An Münzen kamen jetzt die Groschen auf, deren anfangs 20 auf einen Goldgülden gingen, später aber 60 (Altschock und Neuschock). — Ein Goldgülden hatte den Wert von zwei Lot feinem Silber; aus zwei Lot Silber wurden (1444) zwanzig Stück Groschen geschlagen; 252 Pfennige machten auch einen Goldgülden; 160 Groschen machten eine feine Mark. — Im Jahre 1490 kam ein Scheffel Korn 4 Gr., Gerste 2x/2 Gr., Hafer lx/2 Gr., sechs Eier 1 Pfennig, eine Elle grimmaifches Tuch 4 Gr., ein Schlachtochse 3 Goldgülden.
13. Friedrich der Weise. — Johann der Beständige.
a) Friedrich der Weise.
Ein großer, unvergeßlicher Fürst, der recht anschaulich bewies, daß man nicht bloß durch Kriegsthaten und Eroberungen, sondern auch durch Weisheit, Gerechtigkeit und Tugend groß fein kann. Ihm verdankt nicht allein Sachsen, sondern Europa und die Welt die herrlichste Wohlthat, die Reformation der Kirche durch Luther. Friedrich hatte bereits 31 Jahre regiert, hatte aus Liebe zu feinem Bruder Johann nicht geheiratet und aus Liebe zu den Wissenschaften die Universität Wittenberg (1502) gestiftet: da trat Luther mit feinen 95 Sätzen hervor zur Zeit des ritterlichen Kaisers Maximilian und des Papstes Leo X. Aber Luther wäre sicherlich ebenso wie Waldus, Wikles und Huß ziemlich spurlos untergegangen, der Papst, die Geistlichkeit und die mächtigen
*) Butterbriefe waren von der Geistlichkeit ausgestellte Erlaubnisscheine, daß man auch an Fasttagen Butter essen dürfe.
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Fürsten hätten ihn unterdrückt, wenn nicht der weise und unerschütterlich gerechte Friedrich damals den Fürstensitz in den ernestinischen Ländern inne gehabt hätte. Hoch angesehen war dieser Fürst beim ganzen deutschen Reiche. Nach Kaiser Maxens Tode führte er die Reichsverweserschaft und die Fürsten trugen ihm sogar die Kaiserkrone an; gerade darin aber bewies er seine hohe Weisheit, daß er in so sturmreicher Zeit ihren Glanz verschmähte und die Wahl vielmehr auf des letzten Kaisers Enkel, Karl V. lenkte. Wie vielfach geehrt und ausgezeichnet ward er von dem neuen Kaiser Karl V.! Dieser sonst so herrische Machthaber ließ doch gerade unseren Kurfürsten in vielen Dingen frei schalten und walten. Dieser Fürst also, der Freund der Wahrheit und des Rechts, duldete anfangs die gerechten Neuerungen des kühnen Reformators; dann schützte er ihn und obgleich der Papst, um ihn für sich zu gewinnen, ihm im Jahre 1518 eine geweihte goldene Rose schickte, gab er doch nicht zu, daß er nach Rom zur Verantwortung vor dem Papste reiste; endlich verteidigte er ihn sogar gegen Kaiser, Papst, Fürsten und Geistliche. Ja, hauptsächlich dem weisen Friedrich hatte es Luther zu verdanken, daß er dem Bannflüche des Papstes nicht unterlag, und daß er nicht an seine wütenden Gegner ausgeliefert ward. Denn als auf dem Reichstage zu Worms 1521 die Reichsacht gegen Luther ausgesprochen wurde, da war es Kurfürst Friedrich, der ihn auf der Wartburg vor den Verfolgungen seiner Feinde verbarg. — So ließ der weise Kurfürst nachmals auch zu — ohne jedoch eine Neuerung anzubefehlen, — daß die Geistlichen heirateten, daß Nonnen und Mönche aus den Klöstern wanderten, und daß der Gottesdienst einfacher eingerichtet wurde. Nach neunnnddreißigjähriger Regierung, viel zu früh für Sachsen, starb er am 5. Mai 1525. Leider wurden des trefflichen Kurfürsten letzte Lebenstage noch durch den traurigen Bauernkrieg getrübt, dessen Ende er aber nicht erlebte. Die Bauern waren allerdings, wie ihr wißt, geborene Lasttiere der Fürsten, Adeligen und Priester, denen sie alle Arbeiten willig verrichten und den nötigen Lebensunterhalt verschaffen sollten. Sie hatten längst gemurrt und glaubten jetzt, wo in kirchlichen Dingen eine so große Veränderung mit Erfolg vorging, auch die bürgerlichen Lasten loszuwerden, wenn sie kräftig sich auflehnten. Es entbrannte darum an vielen Orten in Deutschland Ausruhr und Empörung. In Thüringen, bei Mühlhausen und Frankenhausen, war's am ärgsten. Dort wurden die Bauern von zwei tollen Priestern, Thomas Münzer und Magister Pfeiffer, angeführt und begingen an Rittersitzen, Kirchen und Klöstern die empörendsten Greuel. Alles ward verwüstet und niedergetreten, aus den Glocken wurden Kanonen gegossen; die Masse der Bauern mehrte sich bis auf 9000. Nur allein in dem ehrwürdigen Kloster Remhardsbrunn wurden 23 Altäre, 12 Glocken, eine herrliche Bibliothek und unschätzbare Kostbarkeiten zertrümmert. Die Fürsten, die damals keine stehenden Armeen hatten, konnten nicht schleunig
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herbeieilen. Endlich führten Johann von Sachsen, Philipp von Hessen und der Herzog von Braunschweig eine kleine Anzahl Kriegsvolk herbei, und es kam bei Frankenhausen am 15. Mai zur sogenannten Bauernschlacht. Münzer versprach, alle Kugeln mit seinem großen Mantel aufzufangen; allein da die ersten Kugeln sogleich eine Rotte Bauern niederrissen, und die Reiterei der Fürsten fürchterlich in die Reihen der unglücklichen Rebellen einhieb, fo wandte sich der ganze Haufe zur Flucht. Die Reiter metzelten 7400 der Wehrlosen nieder; viele andere wurden vom Scharfrichter abgethan, und Münzer, den man auf einem Oberboden in einem Bette liegend fand, endete auf dem Richtplatze zu Mühlhausen durchs Schwert. Dies geschah 22 Tage nach des guten Friedrichs Tode, am 27. Mai 1525; und damit endete der klägliche Aufstand, der den Bauern nur noch härtere Knechtschaft bereitete.
In den albertinifchen Ländern herrschte seit dem Jahre 1500 Herzog Albrechts des Beherzten Sohn, Georg der Bärtige, der meist in Dresden — wo er das jetzige königliche Schloß baute — seine Residenz hatte. Diesen Fürsten, der in der Reformationsgeschichte als entschiedener Gegner Luthers so häufig genannt wird, beurteilt und verdammt ja nicht voreilig! Er war in seiner langen Regierungszeit ein gerechter, väterlich sorgender Regent, der die Bitten seiner Unterthanen selbst hörte und nach Recht und Billigkeit entschied; er war ein zärtlicher Gatte, der sich sogar nach dem Tode seiner geliebten Barbara zum Zeichen der Trauer den Bart nicht wieder abnehmen ließ; er war ein eifriger Beschützer der Wissenschaften, vor allem aber ein frommer, gottesfürchtiger Mann. Die Gebrechen der Kirche und das gottlose Treiben vieler Geistlichen kannte er recht wohl und wünschte sehnlich eine Reformation; aber die letztere sollte vom Papste, den er sehr hoch schätzte, nicht von einem unbedeutenden Mönche ausgehen. Luthern, der ihn durch feine Heftigkeit beleidigt hatte, konnte er nicht leiden und wurde durch allerlei Verhetzungen täglich mehr gegen ihn eingenommen. Darum verfolgte er gar bald alle, die der lutherischen Lehre anhingen, mit strengen Strafen, und ließ in seinen Landen die Veränderungen, die Friedrich der Weise duldete, durchaus nicht vornehmen. Aber trotzdem konnte er nicht verhindern, daß die neue Lehre auch in seinem Lande insgeheim immer weiter um sich griff.
b) Johann der Beständige, der Bruder des Hörigen.
Er erklärte sich frei und offen für die lutherische Lehre, wie dies zu derselben Zeit auch Landgraf Philipp von Hessen, ferner Brandenburg, Dänemark, Schweden und viele Städte gethan hatten. Er ließ die ersten Kirchen- und Schulvisitationen halten und statt der lateinischen die deutsche Sprache beim Gottesdienste einführen. Das kleine deutsche Gesangbuch Luthers und dessen Katechismus ließ er nebst der übersetzten
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Bibel allenthalben verbreiten, alle Klöster dagegen aufheben. Durch diesen trefflichen Kurfürsten kam also in den ernestinischen Ländern die Einführung der Reformation zu stände. Auf dem Reichstage zu Speier protestierte Johann 1529 kräftig gegen die Anmaßungen der Katholischen, und in Augsburg legte er 1530 freimütig vor Kaiser und Reich seine und seiner Glaubensbrüder Konfession (Glaubensbekenntnis) ab. Da es aber schien, als wolle der Kaiser nun gegen die Protestanten Gewalt brauchen, so schloß er mit sieben Fürsten, zwei Grafen und elf Städten zu Schmalkalden den fchmalkaldifchen Bund, dessen Oberhäupter er selbst und Landgraf Philipp von Hessen wurden. Solche Entschlossenheit bewirkte denn auch, daß Kaiser Karl V. vorläufig nichts gegen die Protestanten unternahm, und Johann konnte nach siebenjähriger Regierung 1532 sein Haupt in Frieden zur Ruhe legen.
14. Johann Friedrich der Großmütige.
Johann Friedrich war zwar ein frommer und streng rechtlicher Fürst, der’s mit .seinem Lande und mit der protestantischen Sache sehr wohl meinte; aber sür eine so ernste Zeit und für so listige Feinde, wie ihm entgegenstanden, war er bei weitem nicht klug und nicht kriegserfahren genug. Darum ward er bei aller feiner Redlichkeit ins Unglück gestürzt und verlor all sein Land. Kaiser Karl nämlich kündigte im Jahre 1546, kurz nach des ehrwürdigen Luthers Tode, den Fürsten des schmalkaldischen Bundes den Krieg an, weil sie gegen seine Befehle mehrmals ungehorsam gewesen waren. Es entstand der sogenannte schmalkaldifche Krieg, ein Krieg voller Fehler und Unglück! Bonden beiden Oberhäuptern der Schmalkaldner wollte keiner sich dem anderen unterordnen: auf Johann Friedrichs Wunsch wurde daher bestimmt, daß das Kommando täglich wechseln und einer um den anderen das Heer führen solle. Sie hätten dessenungeachtet den Kaiser im Anfange noch leicht bezwingen können, wenn Klugheit und Einigkeit unter ihnen gewesen wäre. Das schmalkaldische Heer nämlich brach sogleich nach erhaltener Kriegsankündigung gegen den Kaiser, der bei Landshut in Bayern stand, los. Sie waren gegen 50 000 Mann stark, während Karl, noch ganz unvorbereitet, kaum einige Tausend um sich hatte. Wie leicht hätten sie den mächtigen Herrn tief demütigen können, wenn sie standhaft ihr Ziel verfolgt hätten. Allein das geschah nicht. Unser Johann Friedrich konnte es durchaus nicht über sich gewinnen, den Kaiser, seinen rechtmäßigen Oberherrn, offen anzugreifen. Auf einmal erhielt er draußen in Bayern die unerwartete Nachricht, daß feine Länder fast durchgängig von einem Feinde besetzt seien und feindlich behandelt würden, an den er gar nicht gedacht hatte. Das war sein junger Better, der Herzog Moritz. Dieser regierte seit fünf Jahren in den albertinischen
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Ländern, war auch Protestant, aber ein feuriger, kluger und hochstrebender Mann. Ganz im stillen hatte er schon ein Jahr vorher mit dem Kaiser ein Bündnis geschlossen und von ihm große Verheißungen erhalten; aber die schmalkaldischen Fürsten und sein eigener Vetter Johann Friedrich ahnten nichts davon. Als Johann Friedrich hinaus nach Bayern zog, übergab er daher dem Moritz seine sämtlichen Länder, daß er sie beschützen sollte, und Moritz versprach ihm auch seinen Schutz. Wie erschrak nun jetzt der arme, getäuschte Kurfürst, als er fern von seinem Lande hörte, daß sein Vetter im Namen des Kaisers die ernestinischen Besitzungen feindlich behandle und ein Stück nach dem anderen erobere! Hätte er sich nur nicht irre machen lassen! Wäre er bei seinen schmalkaldischen Genossen geblieben und hätte mit diesen den Kaiser gedemütigt, dann würde Moritz gewiß von selbst zu seiner Zeit das Eroberte wieder haben herausgeben müssen. Aber soweit sah der kurzsichtige Kurfürst nicht. Er zog vielmehr sein bedeutendes Heer sogleich von der Donau fort, ließ die Schmalkalduer allein und sehr geschwächt dem Kaiser gegenüberstehen, und eilte in Sturmmärschen nach Sachsen. Das hatte eben der Kaiser gewollt! Nun war mau draußen den stärksten Feind los, das schmalkaldische Heer war zerstückelt, und der Kaiser konnte Spanier, Italiener und Deutsche zur Hilfe herbeirufen. Mit diesen zerstreute er die, vor denen er sich kurz vorher noch hatte fürchten müssen. Unterdessen war Moritz durch den erzürnten Kurfürsten freilich in arge Bedrängnis geraten; er hatte nicht bloß das Kurfürstentum vor ihm wieder räumen müssen, sondern Johann Friedrich brach nuu auch in das albertinische Sachsen ein und hätte vielleicht seinen jungen Vetter ganz daraus vertrieben, wenn er sich nicht allzulange mit der vergeblichen Belagerung von Leipzig ausgehalten hätte. Dadurch aber erhielt der Kaiser Zeit, zur Unterstützung seines Verbündeten herbeizukommen. Das geschah im Jahre 1547. Moritz, der schlaue Kriegsheld,^ vereinigte sich mit dem heranziehenden Karl und dessen Bruder Ferdinand und ging mit ihnen über Leisnig und Oschatz auf dem noch heute danach benannten Kaiserwege nach der Elbe zu. Es war gerade am zweiten Sonntage nach Ostern, am 24. April, als die Kaiserlichen und Moritz mit seinen schwerbewaffneten Reitern an der Elbe ankamen. Der Kurfürst war, nachdem er die Meißner Elbbrücke abgebrannt hatte, auf dem anderen Ufer nach Mühlberg gezogen, schickte Fußvolk und Kanonen voran nach Wittenberg. Er wollte auch nach Wittenberg und glaubte nicht, daß der Feind über den Fluß herüber könne, besuchte darum ruhig die Vormittagskirche. Dort erhielt er plötzlich die unglaubliche Nachricht, der Feind mache Anstalt über den Fluß zu gehen, ließ sich aber dadurch in seiner Andacht nicht stören. Allein ein verräterischer Müller hatte den Reitern des Herzogs Moritz eine seichte Furt in der Elbe gezeigt; sie waren, ehe man wußte woher, aus dem rechten Elbufer und setzten sogleich dem davoneilenden Johann Friedrich nach. Auf
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der Lochauer Heide — wo oft so fröhliche Jagden gewesen waren — holte man ihn ein und zwang ihn, sich zu verteidigen. Das that er nun zwar mit der größten Tapferkeit, aber was halfs! Die Feinde drangen mit Ungestüm ein, hieben über 1000 Kurfürstliche nieder und umringten endlich den verlassenen Johann Friedrich. Noch immer wehrte er sich wie ein Verzweifelter und blutete aus zwei Wunden; aber er mußte sich doch endlich für des Kaisers Gefangenen erklären. So endete die unselige Schlacht bei Mühlberg. Der edle Gefangene mußte nun mit dem stolzen Kaiser vor Wittenberg ziehen, und es begann für ihn ein Leben voll Schmach, Demütigung und bitterer Entsagung; aber auch ein Leben, das des ehrwürdigen Fürsten Großmut, Religiosität und Gottergebenheit im herrlichsten Lichte darstellte. Im Feldlager vor Wittenberg ließ der Kaiser ihn zum Tode verurteilen, der Kurfürst vernahm den Spruch mit unerschütterlicher Gelassenheit, und der Kaiser scheuete sich doch, das ungerechte Urteil zu vollziehen. Dafür zwang er ihn aber, die traurige Wittenberger Kapitulation zu unterschreiben. Das war ein schriftlicher Vertrag, nach welchem der Kurfürst sein Land und seine Kurwürde verlor, beides an seinen Vetter Moritz abtrat, und für feine drei Söhne nur eine Anzahl Ämter und Städte in Thüringen erhielt. Seit dieser Kapitulation, die am 19. Mai 1547 geschah, gehörte also die Kurwürde mit allen sächsischen Ländern nicht mehr der ernestinischen, sondern der albertinischen Linie, und erbte auch in dieser fort bis auf die neuesten Zeiten. Aus den kleinen Stücken in Thüringen, welche die Ernestiner behielten, entstanden späterhin durch mancherlei Zuwachs die sächsischen Herzogtümer Weimar, Gotha u. s. w.
Der gute Johann Friedrich hatte übrigens in seiner Gefangenschaft ein beklagenswertes Los. Fünf Jahre lang schleppte ihn der Kaiser auf allen seinen Reisen und Zügen in Deutschland und Holland mit sich umher. Man kränkte und verspottete ihn; vierundzwanzig 'Spanier bewachten ihn und ließen ihn oft für Geld sehen. Man nahm ihm nach und nach seine Waffen, feinen Hofprediger, feine Diener, seine Bücher, zuletzt sogar seine Bibel. Doch nichts erschütterte des gottergebenen Mannes Standhaftigkeit. „Was ich aus den Büchern gelernt habe, können sie mir doch nicht nehmen!" so sprach er, als man ihm das letzte Buch hin-wegriß. — Erst am 19. Mat 1552 kam ihm die Freiheit, und er durste — nun ein armer Mann — nach Weimar zurückkehren.
15. Moritz als Herzog und als Kursürst.
Die albertinischen Länder also — so sahen wir in der vorigen Stunde — waren groß geworden, und die ernestinischen dagegen fast zum Nichts herabgefunken. Wir müssen darum von nun an uns Haupt-
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sächlich mit jenen beschäftigen und ihre Geschichte verfolgen. — Im Jahre 1539 starb in dem damals noch kleinen Ländchen der Albertiner jener berühmte Herzog Georg der Bärtige, von welchem wir früher hörten Er hinterließ keine Söhne, und das Herzogtum fiel deshalb seinem einzigen Bruder, Heinrich dem Frommen, zu. Dieser hatte bisher in Freiberg gelebt, wo er nur die Ämter Freiberg und Wolkenstein nebst 12 500 Gulden jährlich zu seiner Verfügung hatte, und war Luthers Lehre zugethan. Er gewährte nun den alberünifchen Ländern dieselbe hohe Wohlthat, die Johann der Beständige vor 14 Jahren den erne-stinischen verliehen hatte, er führte die Reformation ein (1539). Aber er lebte nur noch zwei Jahre, dann folgte ihm fein ältester Sohn Moritz in der Regierung. Nur zwanzig Jahre war dieser bei des Vaters Tode alt; aber fein Geist überragte weit ferne Jahre, und er begann fein Regierungswerk im Jahre 1541 mit großer Kraft und hoher Einsicht. Allerdings war fein Lieblingsgefchäft der Krieg, und man kann wohl fein ganzes zwölfjähriges Regierungsleben einen großen Feldzug nennen. Aber unter dem Kriegsgetümmel vergaß er doch nicht die Landeswohlfahrt und die Wissenschaften. Er stiftete im Jahre 1543, namentlich unter Beihilfe des berühmten Rates Georg von Kommerstädt auf Kalkreuth und des Rektors Rivius in Freiberg, die drei Fürstenschulen, denen Sachsen so viele große, gelehrte Männer und so viel Licht und Aufklärung verdankt. Er gründete in Leipzig auf feiner Universität viele Stipendien (alljährliche Geldbeiträge) für arme Studierende, und die wohlthätigen Konvikttische (Freitische für Mittag und Abend). Er stattete die Professoren mit höherem Gehalt und mit Gebäuden zum Halten ihrer Vorlesungen aus und sammelte eine schöne Universitätsbibliothek. Doch bei all feinem stillwohlthätigen Thun hatte er allzeit das Höhersteigen und die Erweiterung feines Gebietes streng im Auge. Er wollte eine umfassendere Stellung in der Welt einnehmen ; fein Ehrgeiz, fein weitfchauender Geist, fein kühner Thatendurst mochten sich nicht mit dem kleinen Albertinerlande begnügen. Welche Wege er gehen, welche Mittel er anwenden müsse, um diesen ersehnten Zweck zu erreichen, darnach fragte er, wie alle die großen Geister vor ihm, nicht eben viel; er ging auf dem kürzesten und sichersten Wege zum Ziele. Darum trat er, obgleich ein protestantischer Fürst, dem schmalkaldischen Bunde nicht bei, denn die schwachen, stets uneinigen Männer des Bundes waren nicht nach feinem Sinne; sie konnten ihm späterhin nur schaden, nicht aber nützen. Weit lieber wollte er's mit dem Feinde der (Schmal-kaldner und Protestanten, mit Kaiser Karl, halten, denn das war ein kräftiger, feuriger Mann, und von ihm konnte er eher Belohnung und Vergrößerung feiner Macht und Herrschaft erwarten. Ganz in der Stille, wie ihr schon bet Johann Friedrichs Lebensgeschichte hörtet, schloß er ein Bündnis mit Karl und zog mit ihm bald darauf gegen feine Glaubensbrüder und feinen eigenen Vetter. Ihm hauptsächlich hatte
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der Kaiser zu verdanken, daß der schmalkaldische Krieg gerade einen solchen Ausgang nahm. Daher schalten ihn auch damals die Protestanten einen Treulosen und Abtrünnigen; er aber hatte mit Ende dieses Krieges sein erstes und nächstes Ziel erreicht — er war Kurfürst und Herr fast aller sächsischen Länder geworden.^-
So war Moritz als Herzog bis zum Jahre 1547. Ganz anders war er' von nun als Kurfürst. Bisher war er des Kaisers Freund und anscheinend der Protestanten Feind gewesen; — nun begann er gegen den Kaiser und für die Glaubensbrüder zu handeln. Bisher hatte er äußerlich sehr folgsam die Befehle eines Höheren vollführt: — nun gab er allmählich den Gehorsam auf, und trat selbst als Haupt und Anführer einer mächtigen Partei hervor. Es that auch sehr not, daß ein starker, unternehmender Mann dem übermütigen Karl mit Kraft und Klugheit entgegentrat, sonst wäre es um die Freiheit der Protestanten nicht allein, sondern aller Deutschen vielleicht geschehen gewesen. Karl war seit dem für ihn so glücklichen schmalkaldischen Kriege stolzer und herrischer, als zuvor. Er kümmerte sich nicht mehr um die uralten Rechte der deutschen Fürsten, sondern verfuhr überall nach eigenem Gutdünken. Er verlangte von den Protestanten, daß sie die vom Papst berufene Kirchenversammlung zu Trident beschickten und zwang sie, eine harte Glaubensvorschrift, das Interim*), zu unterschreiben. Er hielt die beiden Häupter der Lutheraner in Deutschland, den ehrwürdigen Johann Friedrich und Philipp von Hessen, in harter Gefangenschaft, und mochte sie auf alles Bitten nicht losgeben. Das alles sah der scharfsichtige Moritz ebenfalls mit gerechter Besorgnis; aber während die anderen bloß seufzten und sich beugten, beschloß er, des Übermütigen Macht zu brechen. Doch verbarg er seine innere Gesinnung hinter äußerlicher Ehrerbietung und täuschte den Kaiser durch bewunderungswürdige Verstellungskünste. Er versprach, ihn in Innsbruck zu besuchen, und ließ dort schon eine Wohnung für sich bestellen; aber er machte sich nie auf die Reise. Er stellte sich selbst vor feinen eigenen Räten äußerst ergeben gegen den Kaiser und zufrieden mit ihm, weil er wohl wußte, daß manche von diesen Räten alles sogleich ausplauderten. Aber in der tiefsten Verborgenheit warb er eine große Anzahl Truppen, die er gut besoldete, jedoch zum Teil hier und da versteckt hielt; er schloß Bündnisse mit anderen Fürsten, selbst mit dem Könige von Frankreich, und brachte so ein Heer von 30000 Mann auf seine Seite. Jetzt brach er plötzlich mit seinen Bundesgenossen nach Augsburg auf, schickte dem allgefürchteten Karl eine Kriegserklärung und ging geraden Weges auf Tirol los, wo sein Gegner zu treffen war. Fast hätte er denselben dort gefangen genommen; er
*) Interim war eine Vorschrift, welche der Kaiser den Protestanten bekannt machen ließ, und welche das enthielt, was sie einstweilen bis nach Beendigung der tridentinischen Kirchenversammlung glauben und thun sollten.
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war nur eben erst in einer Sänfte aus Innsbruck entflohen, als Moritz mit seinen Sachsen in die Stadt einrückte. Verwirrung und Schrecken herrschte unter den Kaiserlichen; viel Streitkräste konnte der Kaiser in mcht auftreiben; unablässig ward er von dem kühnen Kurfürsten bedrängt. Kurz, in Zeit von vier Monaten war der aewaltiae Kaiser und König, in dessen Landen — wie man sagte — die Sonne me unterging, gedemütigt und mußte am 2. August 1552 den für die -Protestanten so wichtigen Vertrag von Passau unterzeichnen. Diesem ^solge sollte voller Friede in Glaubenssachen sein, niemand um seines Glaubens willen verfolgt werden, und alle der neuen Lehre nachteiligen Mandate von nun an außer Gültigkeit kommen. Wie ganz anders erschien nun seinen Zeitgenossen, namentlich den Bekennern der neuen Lehre der einst so geschmähte Sachsenfürst! Wie groß und geachtet war nun fern Jcante tn allen Landen! O, daß seine glänzende, ruhmreiche Laufbahn länger gewesen wäre!
16. Kurfürst Moritz. — Kulturgeschichte.
Mitten im ruhmvollsten Laufe verließen wir unlängst den großen Morch. Er war in den elf Jahren seiner Regierung durch seine «Staats-klugheit und Tapferkeit der hellste Stern unter den Wettinern geworden Wie beklagenswert, daß dieser Stern im zwölften Jahre schon unterging! Die Bahn, die er ferner noch durchlaufen hätte, wäre nicht zu berechnen gewesen. — Moritzens Verbündeter im letzten Kriege gegen den Kaiser war der Markgraf Albrecht von Brandenburg -Culmbach gewesen, und hatte sich auf dem Zuge gen Tirol und Innsbruck durch kühne Kriegsthaten, aber auch durch Raub- und Plüuderungsfucht ausgezeichnet Nach dem ^ Vertrage' von Passau legte dieser Markgraf nicht, wie die anderen, die Waffen nieder, sondern zog mit feinen Kriegerscharen noch immer raubend und sengend in Deutschland umher. Zuletzt — man glaubt, der rachsüchtige Karl habe ihn dazu verhetzt — machte er Miene, sein Schwert auch gegen die Länder seines früheren Freundes, des Kurfürsten Moritz, zu kehren, der eben auf einem Zuge gegen die Türken begriffen war; ja er versprach sogar den Ernestinern in Weimar, daß er ihnen wieder zum Kurhute und zu ihren verlorenen Ländern verhelfen wolle. Moritz hört das in Ungarn, eilt sogleich mit dem wohlgeübten Heere herbei, schließt Bündnis mit den Brannfchweigern und fetzt dem räuberischen Albrecht bis ins Hannoversche nach. Dort stehen sich anfangs Juli 1553 die beiden kriegserfahrenen Männer gegenüber, die genau ein Jahr zuvor als Verbündete nebeneinander gestanden hatten. Es kommt am 9. Juli bei dem Dorfe Sievershaufen zur Schlacht. Lange dauerte der Kampf; auf beiden. Seiten verzweifelte
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Tapferkeit; der Sieg schwankte bald hierhin, bald dorthin. Eben wollte Kurfürst Moritz abermals ein frisches Geschwader seiner Reiter gegen den Brandenburger führen, da traf den Helden ein Schuß in die Hüfte, daß er sogleich vom Pferde gehoben werden mußte. Zwar siegten die Seinigen glänzend, zwar lebte er selbst noch einen Tag, und sorgte bis zum letzten Atemzüge noch vielfach für das Wohl seiner Staaten; aber am 11. Juli 1553, in der Frühe des Morgens, kam seine Todesstunde. Ein unersetzlicher Verlust für Sachsen, für ganz Deutschland! Er war nur 33 Jahre alt geworden, wie einst der große Alexander von Mace dornen, und hatte auch ungefähr so lange regiert wie dieser. Er war unter Sachsens Fürsten der Bewunderungswürdigste an Heldenthaten und tiefer Staatsklugheit. Er war der Wiederhersteller der deutschen und evangelischen Freiheit. In Freiberg ist sein Grabmal und sein Standbild.
Kulturgeschichte.
Laßt uns jetzt abermals einen Rückblick auf die Veränderungen thun, die in Rücksicht der Fortbildung der Sitten und Gebräuche seit Kurfürst Ernsts Zeiten vorgegangen sind. — Die Fürsten hielten jetzt schon glänzendere und kostspieligere Höfe, veranstalteten öfter prächtige Spiele und Feste, und machten, statt der vorigen Wallfahrten, andere Vergnügungsreisen in weit entlegene Länder. Daher ordnete auch der sparsame Johann der Beständige mehrmals streng an, daß Hofküche, Kellerei und Schneiderei wohlfeiler eingerichtet werde, und daß Frühstück und Vesperbrot bei den Hof leuten in Wegfall kommen sollte. Die Ausgaben vermehrten sich demnach schon auf diese Weise. Dazu kam aber noch das kostspielige Werbe- und Soldwesen bei der Armee. Moritz, dieser kriegslustige Fürst, warb ein Heer von mindestens 5000 Mann Fußvolk und 1800 Reitern. 1000 Mann Reiter aber erhielten monatlich gegen 19 000 Gulden, und 1000 Fußsoldaten gegen 10000 Gulden. Welch eine schwere Ausgabe! Darum kamen jetzt außer den unbestimmten Türkensteuern und Bausteuern auch alljährlich wiederkehrende Steuern auf: die Tranksteuer 1546, die Kops- oder Personensteuer schon 1442, die Schocksteuer 1550.*) — Um die Steuern bequemer einsammeln zu können, wurde das Land unter Moritzens Regierung in vier Kreise — Kurkreis, Thüringer, Leipziger und Meißner Kreis ^— eingeteilt. Der vogtländische Kreis kommt erst 1570 vor, der erzgebirgische erst 1691. Um die Zeit des schmalkaldischen Krieges erscheinen auch zuerst die (Joachims-) Thaler, welche allmählich die
*) Alles unbewegliche Vermögen der Einwohner ward zu Moritzens Zeit nach ungefährer Taxation geschätzt, und von jedem Schock Groschen des Wertes mußte der Besitzer vier Pfennige bezahlen.
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meißnischen Gülden, die Gulden- und die Groschen-Schocke verdrängen. — Im Jahre 1542 wurde das erste Steinkohlenbergwerk angelegt: eine hochwichtige Entdeckung! — Um die flett der Reformation war Sachsen schon eines der gebildetsten und aufgeklärtesten Länder; in Schulen und Kirchen wurde lichtvoller Unterricht erteilt; über 200 Klöster, diese Stätten des Müßiggangs, wurden aufgehoben: vier Universitäten, Leipzig, Wittenberg, Jena und das benachbarte Erfurt, übten einen mächtigen Einfluß; die Buchdruckereien und der einträgliche Buchhandel vermehrten sich von Jahr zu Jahr; die sächsische Mundart ward durch Luthers und der Reformatoren Schriften allgemein beliebte Schrift-und Büchersprache. — Doch herrschte dabei noch vieler Aberglaube. Man glaubte z. B. fest, daß Sonnen- und Mondfinsternisse oder Kometen großes Unglück bedeuteten; daß Doktor ffauft 1525 aus Auerbacks Keller in Leipzig, aus einem Fasse die Treppe hinaufgeritten sei; ja, als der "Pfarrer Stiefel in Lochau 1533 prophezeiete, den 3. Oktober würde die Welt untergehen, geriet die ganze Umgegend in Verwirrung und auf die Ankündigung einer allgemeinen Sündflnt durch einen anderen Propheten flüchtete sich sogar der Bürgermeister im berühmten Wittenberg angstvoll auf den Oberboden — nahm jedoch aus Fürsorge ein Viertelgebräude gutes Wittenberger Bier mit. — An den jämmerlichen Narrenspoffen der Hofnarren oder Pickelheringe fanden alle Fürsten, auch der weise Friedrich, Gefallen, und Klaus Narr, den der Kurfürst Ernst vom Gänsejungen zum Hofnarren erhob, hatte eine solche Berühmtheit, daß er nach und nach bei drei Kurfürsten, einem Herzoge und einem Bischöfe Lustigmacher war. Das machte teils der damalige Stand der Aufklärung, teils die allgemeine Zeitsitte. — Übrigens trug man zu Moritzens Zeit schon statt der Pelzmützen hochtürmige Hüte, große von den Spaniern entlehnte Halskragen, kurze mit Katzenfellen besetzte Mäntel, und noch immer die sehr weiten, teuren, in unzählige Falten zerlegten Hosen, Kleider u. s. w. Auch kamen von auswärts viel Samt, Seide, Perlen, holländische Tücher und Spitzen, fremde Weine und Gewürze, die dem Lande viel Geld entzogen. — Zur Zeit der Reformation kostete ein Schock Eier 3 Groschen, ein Schöps 9 Gr., eine Ente 6 Pfennige, ein Hase 2 Gr., eine Rindszunge 2 Pf., eine Elle Tnch 6 Gr. u. f. w.
17. Vater August, Bruder des Vorigen.
Welch ein Glück war es für unser Sachsen, daß in ihm bald nach der Reformation, wo allenthalben in Deutschland so viel Gärung und Unordnung herrschte, zwei Fürstenbrüder von ausgezeichneter Tüchtigkeit und Größe auftraten! Moritz hatte durch seine Siege über den mächtigen Karl und durch seine mutvolle Verteidigung des Protestantismus
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den Namen unseres Vaterlandes groß und ruhmvoll in ganz Europa gemacht; sein Bruder August aber machte es abermals hochberühmt und dabei reich, glücklich und gesegnet, nicht durch Krieg und Waffen-thaten, sondern durch rastlose allseitige Fürsorge für innere Landeswohl-sahrt und für treffliche bürgerliche Einrichtungen. August war Sachsens bester Staatswirt, wie Moritz sein größter Staatsmann war. Zu August schickten die Fürsten Dänemarks, Frankreichs, Hollands und anderer Länder Gesandtschaften, um sich die trefflichsten Ratschläge für Verbesserung ihrer Staaten zu erholen; durch seine weisen Anordnungen ward überall des Landes Flor gefördert. Möge sich sein Bild tief eurer Seele einprägen! Sehet in ihm zuvörderst den weisen Gesetzgeber. Er hat mehr als irgend ein Regent der sächsischen Vorzeit Mandate und Verordnungen ausgehen lassen, und meist waren sie nicht bloß für die Gegenwart, sondern auch für die spätere Folgezeit heilsam, und sind zum Teil noch jetzt nach drei Jahrhunderten in Kraft und Gültigkeit. — Betrachtet ihn weiter als Landesvater, als unermüdeten Hauswirt in feinem großen Haushalt. Überall im Lande teilte er Flachs- oder Leinsamen aus. und ermahnte eifrig zum Flachsbau, zum Spinnen, zur Leinwandbereitung. Unaufhörlich reiste er im Lande umher, sah selbst, wie es um seine Unterthanen stehe, und führte Beutel voll Obstkerne bei sich, die er den Landwirten verabreichte, damit sie sein Sachsen zu einem großen Obstgarten erhöhten. Aus Ungarn, aus Frankreich, und vom Rheine ließ er edle Weinreben kommen, und drang allenthalben, wo es möglich war. auf Anlegung von Weinbergen. Edlere Tiergattungen, namentlich bessere Schafe suchte er ins Land zu ziehen, um eine feinere Wolle zu erzielen. Ausländische Wollweber wurden mit Freuden ausgenommen, und die Zahl der Tuchmacher stieg schnell bis zu 20000; aber der Kurfürst famt seinem ganzen Hofe machte sich auch verbindlich, nur inländisches Tuch zu tragen. Die Bienenväter im Schradenwalde besuchte er fleißig, und ermunterte allerwegen zur emsigen Bienen- und Honigzucht. Große Bierbrauereien und Spiritusfabriken errichtete er in Torgau und anderen Orten, führte selbst Aufsicht darüber und verschickte weithin sächsische Biere, wie jetzt die bayerischen verschickt werden. Das Bergwesen gewann durch seine Fürsorge eine ganz andere Gestalt; es blieb nicht mehr Raubbau, nicht mehr ein Holzverschwender, sondern ward sparsam und kunstmäßig betrieben. Den neu entdeckten Kobalt erkannte er sogleich als höchst wichtig an, und gab Verordnung, den Kobaltbau fleißig zu fördern. Über die schöne Erfindung der Barbara Uttmann in Annaberg (1571) hatte er große Freude, und suchte das Spitzenklöppeln schleunig im armen Erzgebirge zu verbreiten. Den sächsischen Marmor, den niemand geachtet hatte, zog er ans Licht, und stellte ihn dem ausländischen an die Seite. Die Perlenfischerei im Vogtlande förderte er emsig. Den großen Auerbacher Wald im Vogtlande kaufte er für 20000 Gulden an und machte ihn zum Staats-
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eigentum; eine köstliche Erwerbung, denn man sagte, daß für 20000 Gülden Stecknadeln, eine in jeden Baum gesteckt, noch lange nicht für alle Bäume dieses Waldes ausgereicht haben würden. Welch eine vielseitige Umsicht und Fürsorge! — Denkt ferner an seine unvergeßlichen Stiftungen, die er zum Heile der Nachwelt hinterlassen. Die Universität bekam durch ihn neue und besser besoldete Lehrer, die Studenten in Leipzig und Wittenberg viele Freitische und Geldunterstützungen, die armen Predigerwitwen ein jährliches Witwengeld, wozu der treue Landesvater 10000 Thaler niederlegte. — Auch als Baumeister und Verschönerer müßt ihr ihn ehren. — Die ersten Festungswerke des König-l ™.bte @c^IÖffer Augustusburg, Annaberg, Freudenstein in Freiberg, die Münze, das Zeughaus und viele andere Gebäude in Dresden sind sein Werk. — Und blickt ihr endlich in sein häusliches Leben, seht ihr ihn als Gemahl seiner trefflichen Anna, oder als Vater von 15 Kindern auch da steht er musterhaft und bewunderungswürdig vor euren Augen. Vater August und Mutter Anna wirtschasteten selbst auf dem Ostravorwerk, in Korbitz und Annaberg; sie waren Muster der Wirtlichkeit und Sparsamkeit; sie erzogen ihre Kinder so streng und gottessürchtig, daß die Prinzessin Anna noch als Braut das gewöhnliche Tischgebet beten mußte, wenn die Reihe an sie kam; sie versorgten Arme und Kranke mit Speisen und Arzneien und hielten am Hose auf stille Sittsamkeit. - Sehr zu bedauern ist, daß solch ein Fürst doch auch seine schwachen Seiten hatte und sein unvergeßliches Andenken durch einzelne Beweise von Härte und Ungerechtigkeit befleckte. August war ein strenger Lutheraner und mochte mit den Reformierten oder Calvinisten durchaus nichts zu schaffen haben. Wer darum nur einigermaßen in Verdacht kam, daß er sich zu einzelnen Lehren des Zwingli oder Calvin bekenne, und ein sogenannter heimlicher (Krypto-)Cal-vmlst sei, der ward schwer gestraft und verfolgt. In einem Monate ließ daher August einst 111 Prediger, die verdächtig waren, ohne weiteres aus Amt und Brot jagen. — Auch gegen die armen Söhne des abgesetzten Kurfürsten, Johann Friedrich des Großmütigen, war er gar hart, ja grausam. Denn an dem ältesten Sohne des verstorbenen Vetters, dem Herzog Johann Friedrich dem Mittleren, der sich durch den wilden Ritter Wilhelm von Grumbach zu Widersetzlichkeiten gegen den Kaiser hatte verleiten lassen, vollstreckte er die Reichsacht mit unerbittlicher Strenge. Der unglückliche Herzog mußte seine Schuld mit lebenslänglicher, 28 jähriger Gefangenschaft büßen, die seine fromme, großherzige Gemahlin Elisabeth bis an ihren Tod freiwillig mit ihm teilte. Doch über den großen und glänzenden Verdiensten dieses seltenen Fürsten muß man wohl einzelne Fehler und Härten vergessen, und das um so mehr, da nach ihm 200 Jahre hindurch kein sächsischer Regent ihm ähnlich war. — Vater August starb, nachdem ihm seine Anna ein halbes Jahr vorangegangen war, am 11. Februar 1586.
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Er hatte in dreiunddreißigjähriger Regierung unendliche Wohlthaten an Land und Volk gethan.
Unter Augusts Regierung bemerken wir nachträglich noch einiges Interessante. Es kam in dieser Zeit teils durch Erbschaft, teils durch Vertrag oder Ankauf der schöne neustädter und der vogtländische Kreis, ein Teil der Hennebergischen Länder und der silberreichen Grafschaft Mansfeld an unser Kurfürstentum. Welche wichtige Erwerbung! — In Annaberg lebten damals drei geschichtlich merkwürdige Personen, die Erfinderin des Spitzenklöppelns, Barbara Uttmann, die durch ihre Erfindung Millionen von Bewohnern des Erzgebirges Brot gegeben hat; Adam Riese, der große Rechenmeister, dessen Rechengenie und Rechenbuch zum Sprichwort geworden sind; Kaspar Beuth er, der treffliche Scheidekünstler, der aber seine Kunst nach Sitte damaliger Zeit dazu mißbrauchte, daß er Gold machen wollte. Dieser Goldkoch Beuther hat betn klugen Vater August manches Tausend Thaler abgenommen, und starb zuletzt noch an genommenem Gift. — In Schneeberg brachten die wackeren Männer Weidenhammer und Schürer den großen Wert des bisher verachteten Kobalts ans Sicht, erfanden die ersten Farbenmühlen, auf denen die ©malte bereitet wird, und knüpften einen gewinnreichen Farbenhandel mit den Holländern an. — Im Jahre 1558, als August erst fünf Jahre regiert hatte, trug es sich übrigens eines Tages zu, daß der Kurfürst in den Wäldern der sächsischen Schweiz große Jagd hielt, die hauptsächlich einem weißen Hirsche galt, der sich seit langer Zeit in dortiger Gegend hatte blicken lassen.
Der Kurfürst fand das Wild, und verfolgte es auf einem schmalen
Fußsteige bis auf die Spitze des kleinen Winterberges. Zuletzt
konnten beide, der Verfolger und der Verfolgte, nicht weiter. Wäre
der letztere umgekehrt, so hatte er den Jäger in den Abgrund gerissen. Es galt also einen eiligen und glücklichen Schuß. Glücklicherweise ward das Tier durch diesen in die Tiefe hinabgestürzt.
18. Christian I. — Christian II. a) Christian I.
Von Vater Augusts 15 Kindern waren die meisten früh wieder gestorben, und namentlich von feinen Söhnen war ihm nur einer, Christian, übrig geblieben. Leider war dieser fast ganz das Gegenteil von dem, was der Vater gewesen. Ihr wisset aus der Lebensgeschichte Augusts, daß dieser allenthalben selbst und ohne fremde Hilfe regierte; daß er am liebsten um alle wichtigen Angelegenheiten sich selbst kümmerte und sie mit unverdrossenem Eifer selbst leitete. So war Christian nicht; er fragte wenig nach dem Gange der Regierung und dem Zustande des
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Landes; er überließ die Verwaltung der Dinge ruhig fernen Räten, namentlich dem alles vermögenden Kanzler Krell. Ebenso wißt ihr daß Vater August stündlich das Beste feines Landes vor Augen hatte und — so gern er auch fröhlich war — doch jedes Vergnügen vergaß, wenn's etwas Nützliches zu thun gab. So dachte Christian wiederum nicht; ihm galt die Jagd, das Tummeln feiner schönen Hengste, das Exerzieren feiner auserlesenen Leibwache weit mehr, als die Sorge um Land und Regierung. Vor allem war er großer Freund des Essens und Trinkens und stellte darum häufig kostspielige Gelage an. Doch war er gutmütig, half Notleidenden, wenn sie ihm ihre Not nur klagen konnten, mit Menschenfreundlichkeit, führte in Dresden und anderwärts manche nützliche Bauten aus, und machte im Soldatenwefen einige vorteilhafte Veränderungen. — Sein mächtiger Kanzler Krell war ein Gönner der Reformierten, ja er wurde beschuldigt, er wolle das ganze Land reformiert oder calvinistifch machen, und das veranlaßte damals, wo Lutheraner und Reformierte so sehr feindselig gegeneinander waren, große Unordnungen und Ungerechtigkeiten in Sachsen. Durch die Angriffe feiner Gegner gereizt, verfolgte Krell die Lutherischen, insonderheit die Prediger auf alle Weife. Daher waren Verleumdungen, Absetzungen, Verhaftungen an der Tagesordnung. Einst kam ein Fleischer, dessen Kind getauft werden sollte, mit blankem Beile in die Kirche und drohte, den Prediger niederzuhauen, wenn er nicht nach lutherischer Weise den Exorzismus übte oder den Teufel aus dem Kinde austriebe; Krell aber hatte bei Strafe der Absetzung geboten, daß, nach reformierter Sitte, das Teufelaustreiben weg fallen sollte. ^Was sollte der Prediger nun thun? — Wem sollte er gehorchen? — Ähnliche Ärgernisse kamen unter der Regierung des sorglosen Christian unaufhörlich vor. Doch starb dieser Fürst schon im einunddreißigsten Jahre feines Alters und im fünften feiner Regierung, und Krells Regiment hatte hiermit auch ein Ende.
b) Christian II.
Christian II. war erst acht Jahre alt, da fein Vater starb: deshalb regierte an seiner Statt zehn Jahre lang sein Vormund, der Herzog Friedrich Wilhelm von Weimar, der in dieser Zeit auch meist in Torgau wohnte. Dieser war an sich ein sehr gewissenhafter Mann, der des Landes Wohl sorgsam im Auge hatte; nur aber haßte und verfolgte er, wie Vater August einst, die Reformierten und Kryptoealvinisten. Es gab daher wieder neue Verfolgungen, Einkerkerungen, Hinrichtungen. Der berühmte Minister des vorigen Kurfürsten, Kanzler Krell, wurde nach fast zehnjährigem Prozeß und Gefängnis auf dem Markte zu Dresden enthauptet, obgleich feine Sache nach strengem Recht viel für sich hatte. — Als endlich Christian, 18 Jahre alt, selbst zur Regierung kam (1601),
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sah man freilich vielfach, daß es ihm an rechter Kraft und Liebe zu seinem hohen Berufe fehle, und daß er seine Zeit wohl allzu oft den Turnieren und anderen Hoffesten widmete. Bei diesen Hoffesten kamen unter anderem auch schon große Feuerwerke vor, und auf der Elbe schwimmende Walfische, welche Feuer spieen, spielten eine wichtige Rolle. Bei einem dieser Feste, das auch auf der Elbe gehalten wurde, fiel der Bruder Christians, der nachmalige Johann Georg I., ins Wasser. Der erstaunlich wohlbeleibte und schwerfällige Kurfürst konnte ihm, ohne selbst Gefahr zu laufen, nicht helfen; aber ein Schiffer brachte ihn glücklich heraus und erhielt dafür zehn Thaler. — Wäre der damalige Kurfürst umsichtiger und kräftiger gewesen, so hätte er einen für sich und sein Land unschätzbaren Erwerb machen können und müssen. Es starb nämlich damals der letzte Herzog von Jülich, Cleve und Berg. Seine schönen Länder mit einer Million Bewohnern, mit den reichen Getreide- und zahlreichen Gewerbszweigen aller Art waren einst von Kaiser Maximilian dem Herzog Albrecht bestimmt zugesichert worden. Es hätte nur einer entschlossenen Forderung, eines kleinen Kriegsheeres und eines mutigen Anführers bedurft, so wäre das rechtmäßige Besitztum leicht zu behaupten gewesen. So aber ging es auf immer verloren, weil andere Bewerber ihm zuvorkamen, und Christian erhielt nichts als den Titel. — In seinem achtundzwanzigsten Lebensjahre
ward der junge Fürst nach einem raschen Trunk auf die Hitze vom
Schlage gerührt und starb am 23. Juni 1611.
Unter Christians Regierung ward das Bündnis der Katholiken, welches hauptsächlich zur Unterdrückung der Protestanten geschlossen worden war, die heilige Liga, immer mächtiger und gefahrdrohender;
es mußte gar bald ein Krieg ausbrechen; die Protestanten hätten bei
Zeiten auch zusammenhalten sollen. Aber das beachtete Christian gleichfalls nicht. Noch ist bemerkenswert, daß zu dieser Zeit das altehrwürdige Kloster Altzella, die Begräbnisstätte so vieler Fürsten und Fürstinnen, fast ganz durch einen Blitzstrahl zerstört ward. Jetzt bezeugen nur noch neun hohe Bogengänge, von vorzüglicher Arbeit, die ehemalige Pracht und den großen Reichtum dieses herrlichen Klosters.
19. Johann Georg I. und der dreißigjährige Krieg.
Wir kommen jetzt zu einer höchst ernsten, für unser Vaterland ewig merkwürdigen Zeit, zu der Zeit des dreißigjährigen Krieges. Hätte doch in dieser Zeit ein rüstigerer Fürst am sächsischen Staatsruder gestanden! Aber Christians Bruder, Johann Georg, hatte mannigfache Schwächen, die in einer so drangsalsvollen Zeit dem armen Lande zum großen Schaden gereichten. Er war höchst wankelmütig, oft allzu kurzsichtig, und allzu bequem: das beweist leider seine lange, 42 jährige Regierung
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gar zu deutlich. — Es ist bekannt, daß der dreißigjährige Krieg im Jahre 1618 von Böhmen aus deshalb seinen Anfang nahm, weil die zahlreichen böhmischen Protestanten vom Kaiser ungebührlich gedrückt in ihrem Gottesdienst gestört und vielfältig verfolgt wurden. Sie versuchten wie einst gerade 200 Jahre vorher die Hussiten, sich selber zu helfen,' und so kam es zwischen thuen und dem Kaiser zum Kriege. Die Böhmen wollten damals unseren Kurfürsten zu ihrem König erheben; allein er nahm das gefährliche Anerbieten nicht an. Dazu hatte er seine guten ©runde; aber wer hätte gedacht, daß er sogar dem Kaiser Geld und Soldaten zur Unterdrückung seiner protestantischen Brüder schicken wurde — er, der erste protestantische Fürst, und der natürliche Wachter über die protestantische Freiheit? Und gleichwohl that er dieser hals dem neuen Kaiser, Ferdinand II., in der (damals noch kaiserlichen) Lausitz und in Schlesien gegen seine Glaubensgenossen. Daran war nicht allein des Kurfürsten natürliche Kurzsichtigkeit und nicht allein die damals gleichsam angeborene Anhänglichkeit ans österreichische Kaiserhaus schuld, sondern hauptsächlich auch sein Haß gegen die Calvinisten weil die Böhmen einen Calvinisten, den Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, zu ihrem König gewählt hatten. In diesem Haß bestärkte ihn ein schlimmer Ratgeber, der Oberhofprediger Hoö von Hoönegg. Dieser ein geborener Wiener und ausgemachter Freund des Kaisers, suchte den schwachen Kurfürsten durch immer neue Vorspiegelungen an den Kaiser zu fesseln, und Georg, der nicht merkte, daß fein Oberhof-Prediger von Wien aus sich sogar durch Geschenke bestechen ließ, gab leider solchen Einflüsterungen mehr Gehör, als der Stimme der' Vernunft, der Klugheit und der Menschlichkeit. So blieb Johann Georg immer des Kaisers Freund und Bundesgenosse, oder that wenigstens nichts» für die Protestanten, nichts gegen die Katholiken, obgleich die neue Lehre, _ die Religion feiner Väter, allenthalben in Deutschland verfolgt und fast dem Untergange nahe gebracht wurde. Erst als der Kaiser in semem Ubermute gebot, daß die Protestanten alle seit dem Passauer Vertrage eingezogenen Klöster, Stiftungen und Kirchengüter wieder herausgeben und in den vorigen Stand setzen sollten (Restitutionsedikt 1629), da erkannte er, daß es aus Vertilgung der protestantischen Lehre abgesehen sei. Von dieser Zeit an wurde auch Sachsen in den Krieg verwickelt, der bisher, ziemlich zwölf Jahre hindurch, nur andere deutsche Länder heimgesucht hatte. Jetzt rückten die wilden Horden der Kaiserlichen immer näher und schonten auch des Freundes Land nicht mehr. Die doppelte Furcht also regte unseren Kurfürsten doch zu einer Änderung feiner bisherigen Handlungsweise an. Eben war damals der große Held aus Norden, Gustav Adolf von Schweden, zum Schutz und Trost seiner bedrängten Glaubensbrüder nach Deutschland herübergekommen. Mit ihm verband sich nun unser Landesherr notgedrungen und mit unendlich schwerem Herzen gegen den Kaiser. In der denkwürdigen
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Schlacht bei Breitenfeld am 17. September 1631 ward der grausame und bisher stets siegreiche Till y. der große Feldherr der katholischen Liga, gänzlich besiegt und zur schmählichen Flucht gezwungen. Nun atmete Sachsen, nun jeder Protestant neu auf. Die Schweden drangen in Bayern, die Sachsen in Böhmen ein, und Kaiser Ferdinand schien in seinem Wien nicht mehr sicher zu sein. Aber obgleich der Kurfürst die Rettung seines Landes dem Schwedenkönige verdankte, so blieb er doch im Herzen gut kaiserlich gesinnt und hätte sich am liebsten recht bald wieder von dem Bündnis mit dem ihm lästigen Fremdlinge losgemacht. Deshalb führte er den Krieg keineswegs mit großem Nachdruck. Der Kaiser berief jetzt, nach Tillys Tode, den mächtigen und gefürchteten Wallenstein an die Spitze seines Heeres, und dieser drang mit einer großen Macht gegen unser Sachsen vor. Seine Generale Holk und Gallas mordeten, sengten und brannten schon vom Vogtlande und Erzgebirge her bis in die Nähe von Dresden. Da geriet der Kurfürst aufs neue in große Angst, rief den Schwedenkönig aus Bayern herein, und es kam zu einer zweiten höchst blutigen Schlacht. Das war die große folgenreiche Schlacht bei Lützen, in welcher zwar der stolze Wallenstein geschlagen wurde, aber auch der edle Gustav Adolf sein Lebensziel fand. Eine Flintenkugel, die ihn von hinten traf, brachte ihm den Tod. Nun vollends, nach des großen Königs Tode, konnte es unser Johann Georg nicht mehr bei den Schweden aushalten; er ward gegen sie, die ihn doch zweimal aus großer Not gerissen hatten, augenscheinlich kalt und gleichgültig, zog sich immer sichtlicher von ihnen zurück und schloß endlich sogar mit dem Kaiser Frieden, in der freilich eitlen Hoffnung, daß auch die übrigen Reichsfürsten demselben beitreten würden. Es war dies jener merkwürdige Prager Friede im Jahre 1635, durch welchen zwar die Ober- und Niederlausitz an Sachsen kam*), aber auch ungeheures Elend über unser Vaterland verhängt wurde. Die Schweden nämlich, bisher Sachsens Freunde, wurden nun seine erbittertsten Feinde und hausten in ihm neun Jahre hindurch mit barbarischer Grausamkeit. O wie schrecklich waren namentlich die Jahre 1637—1640! Wie viele Städte und Dörfer wurden der Erde gleich gemacht! Wie viele Menschen gemordet oder aufs unerhörteste mißhandelt! Wie unmenschliche Martern an den Einwohnern verübt! Um Schätze zu erpressen, quälte der schwedische Soldat die Unglücklichen mit dem entsetzlichen Schwedentrunke, oder briet sie langsam im Backofen, oder hing sie auf und zündete unter den Dahängenden Feuer an, oder schlug ihnen Pflöcke zwischen die Nägel und das Fleisch an Händen und Füßen. Kurz, es gab fast keine Plage und Grausamkeit, die von dem zügellosen Feinde nicht verübt worden wäre. Der Bürgermeister von Leisnig ward, gleich
*) Eine kurze Geschichten der Lausitzen wird in der folgenden Stunde mitgeteilt, nachdem der dreißigjährige Krieg ohne Unterbrechung erzählt worden ist. Mohr, Die Geschichte von Sachsen. 9. Aufl. 4
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einem Hnnde, an der Kette herumgeschleppt, mußte monatelang in Ställen oder unter freiem Himmel angeschlossen liegen und starb endlich in Torgau, weit von seiner Heimat, unter dem Bagagewagen liegend, einen jammervollen Tod. Die Einwohner von Wurzen, die schon mehrere Tage das Entsetzlichste geduldet hatten, baten flehentlich, man sollte sie nur wenigstens nach Leipzig entfliehen lassen. Die Schweden bewilligten das endlich; sobald aber die armen Flüchtlinge eine Strecke von der Stadt entfernt waren, ritten sie ihnen nach, hieben mit Säbeln unter sie ein, trieben sie in ihre Häuser zurück, und zündeten nun an vielen Stellen die Stadt an. Niemand durfte löschen: Wurzen mußte bis auf vier Häuser und die Domkirche gänzlich niederbrennen. Die schwedischen Feldherrn Bauer, Torstensfon und Königsmark ließen ihre Räuberhorden furchtbar wüten. Ganze Dörfer wurden wüste, so daß feit dem dreißigjährigen Kriege ihr Name nicht mehr gehört worden ist; zahllose Menschen flüchteten in die Wälder und fristeten dort ein kümmerliches Dasein. Was der Feind nicht vertilgte, das nahm vollends die immer wiederkehrende Pest und die gräßliche Hungersnot hinweg. In der entsetzlichen Not aß man Hunde, Katzen, Ratten und Mäuse, kurz die widernatürlichsten Dinge; man bebaute kein Feld, man arbeitete nicht mehr; es entstand die größte Sittenlosigkeit, und Raubgesindel nahm ebenso überhand, wie Wölfe, Bären und verderbliches Wildbret. Nur Dresden wurde damals gar nicht belagert; Freiberg war dreimal belagert, aber von den Schweden nicht eingenommen; dagegen gerieten alle anderen sächsischen Städte in die Hand des furchtbaren Feindes. Wurzen hatte, wie schon erwähnt, „ 1637 feine „Marterwoche". Pirna 1639 fein „schwedisches Elend". Olsnitz und Adorf wurden über hundertmal, die meisten andern Städte zehn-, zwanzigmal geplündert. Es war eine feit dem Hussitenkriege nicht erlebte Schreckenszeit.
20. Fortsetzung.
Wir hörten in der letzten Gefchichtsstunde von den Greueln des dreißigjährigen Krieges in Sachsen. Der unselige Prager Friede führte sie herbei, und die schwedischen Generale Bauer und Torstensfon samt ihren verwilderten Räuberfcharen verübten sie. Der Fürst unseres Landes hörte und fühlte freilich in feinem festen Dresden wenig von diesen Greueln, und wenn er davon hörte, konnte er bei der allgemeinen Not und gegen die rohe Übermacht zügelloser Barbaren nun, da er's bereits so weit hatte kommen lassen, nichts mehr ausrichten. Auch getraute er sich gar nicht mit den Schweden zu unterhandeln, weil er sich dadurch den Zorn des Kaisers zuzuziehen fürchtete. Hundertfach und flehentlich ward er darum gebeten; selbst seine Söhne drangen auss beweglichste in ihn. Aber er konnte sich auch hierzu lange nicht entschließen. Endlich
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im Jahre 1645 ließ Johann Georg doch geschehen, daß zu Kötzschenbroda ein Waffenstillstand abgeschlossen wurde, der wenigstens den Plünderungen und dem gröbsten Unfuge Einhalt that, wenngleich allmonatlich noch 11000 Gulden und vielerlei Lieferungen für die Schweden geschafft werden mußten. So dauerte ein leidlicher Zustand fort bis zum ersehnten Frieden, der im Jahre 1648 in Westfalen zu stände kam. Ach, mit welchen Gefühlen mochte damals der Friede begrüßt werden! Hatten doch selbst bejahrte Leute in Deutschland den Frieden nur in ihren Jugendjahren gekannt; war doch durch die Kriegswut Deutschland eine weite Wüste geworden; hatte doch der Krieg mit seinem schwarzen Gefolge fast zwei Dritteile der Bevölkerung hinweggerafft, und hatten doch die Lebenden in den letzten Jahren kaum ihr Leben stiften können! — Johann Georg regierte nach dem westfälischen Frieden noch acht Jahre hindurch und hinterließ bei seinem Tode 9 Kinder, 51 Enkel und 19 Urenkel.
Unser Vaterland, das durch den schrecklichen dreißigjährigen Krieg am meisten unter allen deutschen Ländern gelitten hatte, gewann doch auch zweierlei durch denselben. Zuerst Me protestantische Freiheit, die zwar schon durch die glorreichen Siege Moritzens und durch den Passauer Vertrag vorläufig errungen worden war, jetzt aber aufs neue durch einen allgemeinen Religionsfrieden befestigt wurde. Sodann die schönen Markgrafschaften Ober- und Niederlausitz, einen Länderstrich von 180 Quadratmeilen Umfang mit einer halben Million Einwohnern. Wir haben früher gehört, daß zu Markgraf Konrads Zeiten schon die Niederlausitz und große Stücke der Oberlausitz zu unserem Land gehörten. Doch teils schon nach Konrads Tode, teils unter Friedrich dem Frei-digen verlor Meißen diese Besitzungen wieder. Sie waren bald in bran-denburgjschen, bald in böhmischen Händen. In den letzten 300 Jahren vor dem dreißigjährigen Kriege besaßen sie durchgehend die Könige von Böhmen. Da nun zuletzt das Königreich Böhmen an die deutschen Kaiser aus dem Hause Österreich kam, so wurden auch die Lausitzen kaiserlich. Sie erhoben sich nach und nach zu blühendem Wohlstände; die Sechsstädte Bautzen, Görlitz, Zittau, Löban, Lauban und Kamenz waren vor allen angesehen und mächtig und hatten zur Verteidigung gegen Raubritter und zur Beförderung des Handels starke Bündnisse untereinander geschlossen. Freilich erhielt sich in der Lausitz die Leibeigenschaft der Bauern und eine gewisse sklavische Beschränktheit der niederen Stände immer fort und fort, weil die Einwohner meist sorbischen Stammes waren und unter den Völkern dieses Stammes die freiere Entwickelung des Geistes weit langsamer vorwärts zu schreiten pflegte, als bei den deutschen Nationen. Allein Handel und Gewerbthätigkeit, namentlich Leinwandmanufaktur, Töpferei, Bandweberei, waren schon frühzeitig blühend in der Lausitz; auch die Reformation fand in ihr schnell Eingang und Verbreitung. — So blieben diese Länder bei Böhmen
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und dem Hause Österreich bis zum dreißigjährigen Kriege. Als aber im Anfange dieses Krieges unser Kurfürst dem Kaiser Ferdinand II. gegen die rebellierenden Böhmen half und dem Kaiser noch außerdem bares Geld vorschießen mußte, da gab der Schuldner seinem Gläubiger im Jahre 1623 die Lausitzen unterpsändlich statt der berechneten 72 Tonnen Goldes, und späterhin, im Prager Frieden 1635, überließ er sie bleibend und erblich an Sachsen.
Doch während der langen Regierungszeit Johann Georgs und in den Drangsalen des Krieges sind natürlich im Innern des Vaterlandes manche Veränderungen vorgegangen, die ihr gern kennen lernen möchtet. Wir wollen jetzt noch der bemerkenswertesten kürzlich gedenken.
Am Hofe des Kurfürsten sah es jetzt ganz anders aus, als einst am Hofe eines Markgrafen. Da gab's außer dem Kanzler, Hofmarschall und mehreren Geheimräten weit über hundert höhere und niedere Beamte und Diener, die alle zur Umgebung des Landesherrn gehörten. Im Jahre 1614 zog Johann Georg einst nach Naumburg mit einem Gefolge von ungefähr 100 Dienern, 700 Pferden und 23 Trageseln. — Das Kriegsheer war immer noch kein stehendes, sondern ward nur auf kurze Frist angeworben und dann entlassen. Es kostete in dieser Zeit unerschwingliche Summen, da ein Gemeiner wöchentlich 14 Gr., ein Offizier von 10 bis 50 Thlr. erhalten mußte. Auch kamen im dreißigjährigen Kriege bei den sogenannten Defensionen: die ersten Monturen in Sachsen auf, ein „Röcklein, gelbe Hofen, gelbe Strümpfe und weißer Hut mit gelber Schleife". Die Steuern vermehrten sich natürlich in den Kriegsjahren bis ins unendliche. So entstand damals (1645) auch die nach den vier Jahreszeiten zu entrichtende Quatembersteuer*) und viele andere mit ihr. Da nun der Feind unaufhörlich auch Steuern erhob, Raub und Plünderung verübte, so war's kein Wunder, daß an manchen Orten die Einwohner lieber auswanderten, als sich von fremden und von Landessoldaten so schrecklich plagen ließen. — Das Münzwesen war jetzt erbärmlich herabgekommen. Alles gute Geld verschwand sogleich, und elendes, fast ohne allen Silbergehalt wurde dafür eingeführt. Ein Edelmann, der einst 1500 Gulden solch schlechtes Geld verwechselte, bekam dafür nichts weiter, als einen silbernen Löffel und ein Fischkeßlein. In Leipzig gab man oft achteckige Messingbleche mit dem Ratssiegel gestempelt, ja sogar Lederstückchen als Münze aus. Daher stiegen auch die Preise der Lebensmittel unglaublich: ein Scheffel Korn kostete 20 bis 50 Gulden, ein Faß Bier 50 Gulden, 1 Pfund Fleisch 7 bis 12 Gr. — Wie sehr Wildbret und selbst reißende Tiere damals überhand genommen hatten,
*) Der Name ist von quatuor tempora hergenommen.
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ergiebt sich schon daraus, daß Johann Georg während seiner Regierung 113 630 Stück Wild und darunter 208 Bären, 3500 Wölfe erlegt hatte. Damals pflegte man aber auch — sogar bei Hofe — das Fleisch der Wölfe, Füchse, Eichhörnchen, Adler, Eulen u. s. w. zu essen. — Übrigens ist in dieser Zeit noch bemerkenswert, daß der Gebrauch des Tabaks, der zuerst in Zittau vorkam, während des Krieges in ganz Sachsen bekannt wurde. Ebenso ward das Branntweintrinken leider von nun an Sitte, und auch eine Art Lotterie, der Leipziger Glückstopf, kam auf. Dagegen fing man auch seit dem Jahre 1650 im Vogtlande an, die köstliche Kartoffel zu bauen, die späterhin die Ernährerin von Tausenden wurde. — Bald nach dem Kriege (1654) entstand durch die aus Böhmen vertriebenen Protestanten im hohen Erzgebirge das gewerbfleißige Städtchen Johanngeorgenstadt.
21. Die Kurfürsten Johann Georg II., III. und IV.
Wie gut wäre es für das verwüstete, menschenleere, tief verschuldete Sachsen gewesen, wenn nun ein Vater August sich mit allseitiger Fürsorge des Landes angenommen hätte! Allein wenngleich Johann Georg II. gutmütig war und den Willen hatte, seinen Unterthanen zu helfen, so fehlte es ihm doch an Beharrlichkeit und Ausdauer in guten Vorsätzen, und namentlich war es die große Vorliebe für Pracht, Lustbarkeiten und sinnliche Vergnügungen, die ihn immer aufs neue im rühmlichen Laufe hemmte. Zwar begünstigte er den Ackerbau und den Handel; er suchte der Wollweberei aufzuhelfen und sogar die Seidenmanufaktur einzuführen. Auch ließ er das zerrüttete Münzwesen ordnen, die Dresdner Elbbrücke fast neu bauen, den Anfang des „großen Gartens" bei Dresden machen und die Festungswerke des Königsteins vermehren. Allein bald überließ er die Sorge für Land und Unterthanen meist seinen Räten und gab sich am liebsten der Jagd und anderen Vergnügungen hin. Wenn ein fremder fürstlicher Besuch kam, so reiheteu sich glänzende Jagdzüge, Komödien, Feuerwerke, Maskeraden, Fackelzüge, Turniere und andere Festlichkeiten endlos aneinander. Zum Teil für diese Feste ward ein Opernhaus gebaut und ein Reithaus angelegt. Prächtige Leibgarden zu Pferd und zu Fuß wurden errichtet und der Glanz des Hofes übertrieben erhöht. Wie war es da ein Wunder, wenn trotz mancher wohlthätigen Einrichtungen über fünf Millionen neue Schulden zu den alten hinzukamen! Wie konnte da das ausgesogene Land zu Wohlstand gelangen! — Auf Georgs Jagdzügen wurden wiederum 200 Bären und 2000 Wölfe geschossen. — Zu seiner Zeit wurden wegen der Türkennot die Bußtage eingeführt, deren man einst in einem Jahre sieben feierte. Auch fing man seit dieser Zeit an,
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das Reformationsfest alljährlich und regelmäßig zu feiern. - Er regierte 24 Jahre bis 1680, wo er in Freiberg starb.
Sein Sohn Johann Georg III. lebte meistenteils feinen kriegerischen Neigungen, und Schmeichler gaben ihm deswegen den Beinamen des sächsischen Mars. Besonders merkwürdig ist er uns dadurch, daß er zuerst in Sachsen ein stehendes Heer errichtete, wie dies zu jener Zeit auch in anderen Staaten geschah. Es fehlte auch nicht an Gelegenheiten, um die Tüchtigkeit desselben zu erproben. Denn damals hatte die Macht der Türken ihren höchsten Punkt erreicht und die Furcht vor ihnen war unbegrenzt. Im Jahre 1683 kamen sie unter ihrem Großwesir Kara Mustafa in ungeheuren Massen durch Ungarn herein und drangen unaufhaltsam bis vor die Kaiserstadt. Kaiser Leopold wußte sich nicht zu helfen und flüchtete selbst aus Wien. Da ward Georg III., vereint mit dem tapferen Polenkönige Sobieski und anderen Fürsten, des bedrängten Wiens Retter und Befreier. Sie lieferten dem ungeheueren Türkenheere im September eine furchtbare Schlacht, thaten Wunder der Tapferkeit und errangen den glänzendsten Sieg, der Deutschland für immer von der Türkengefahr befreite. Die große Türkenschlacht vor Wien ist also die ruhmvolle Blut- und Feuertaufe des jungen sächsischen Heeres. Allein er erntete vom Kaiser wenig Dank, vergoß auswärts das Blut seiner Landeskinder und konnte für das innere Wohl seines Landes wenig thun. — Er starb im Kriege gegen die Franzosen am Rheine, als er abermals dem Kaiser half, 1691. — Von der berühmten Schlacht mit den Türken, wo im Lager der Besiegten sehr große Schätze erbeutet wurden, brachte er gleichfalls nur weniges und ziemlich wertloses mit, türkische Waffen, einen Elefanten und mehrere geschriebene arabische Bücher. Die ersteren sieht man noch jetzt im historischen Museum, die letzteren auf der Königlichen Bibliothek im japanischen Palais. — Unter ihm ward zuerst das Stempelpapier eingeführt. —
Johann Georg IV., ein Fürst von gutem Herzen und schönen Geistesanlagen, starb schon nach kaum dreijähriger Regierung an den Pocken. Er war der letzte protestantische Fürst unseres Vaterlandes, mithin auch der letzte, der in die ehrwürdige Fürstengruft zu Freiberg begraben wurde (1694).
Während der kurzen Regierungszeit des letzten Johann Georg erhielt das Postwesen in Sachsen eine festbestimmte Verfassung. Noch zur Zeit der Reformation wußte man nichts von landesherrlichen fahrenden oder reitenden Posten. Damals mußten die Obrigkeiten des Landes gewisse Boten oder auch Lehnsklepper (Pferde) halten, mit deren Hilfe alle angekommenen Depeschen der Regierung weiter befördert wurden. Der Geschäftsmann dagegen und jede andere Privatperson mußten ihre Briefe durch eigene Boten oder durch zufällig abgehende Reisende verschicken. Später ließ Vater August eine Anstalt in Dresden einrichten, der ein Postmeister vorstand und die mittels reitender und laufender
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Boten die Briefschaften des Landesherrn fortschaffte, immer aber für die Unterthanen unzugänglich blieb. Einen Schritt weiter in dieser hochwichtigen Sache that der Rat zu Leipzig, der um der Leipziger Kaufleute willen einen Botenmeister und 30 immer bereit stehende Boten hielt. Seit Johann Georgs I. Zeit kam in Leipzig eine Posteinrichtung zu stände, die allerdings für Fürst und Unterthanen zugleich bestimmt, aber sehr unvollkommen war und während des langen Krieges große Störungen erlitt. Endlich im Jahre 1692 kam eine feste Ordnung in das sächsische Postwesen. Nach allen Gegenden hin entstanden Post-stationen; fahrende Posten wurden zugleich mit eingeführt; die Straßen wurden hier und da etwas verbessert; ein Oberpostmeister Kees zu Leipzig machte diese und manche andere wohlthätige Einrichtungen. So bildete sich allmählich das für jedes kultivierte Land so unentbehrliche Postinstitut.
22. Friedrich August I. oder August der Starke.
An August den Starken, des vorigen Bruder, habt ihr gewiß schon manchmal gedacht, oder werdet noch an ihn denken, wenn ihr in Neu-stadt-Dresden vor seiner Reiterstatue steht oder wenn ihr das japanische Palais, die herrliche Elbbrücke, die ehrwürdige Frauenkirche, den zierlichen Zwinger anseht, die sämtlich unter seiner Leitung und Anordnung entstanden sind. Er hat für des Landes, namentlich für Dresdens Verschönerung vieles gethan. Möchte nur auch sonst sein Andenken ein durchaus erfreuliches sein! Doch das werdet ihr leider bei Betrachtung seiner Regierungsgeschichte nicht eben finden: ihr werdet vielleicht seinen Geschmack, seine Erfindungsgabe, seine geistvollen großartigen Ideen bewundern, aber dabei nur allzusehr die landesväterliche Fürsorge und die rechte Klugheit vermissen. — Den Beinamen des Starken erhielt August von seiner herkulischen Gestalt und gewaltigen Körperkraft; denn man erzählt von ihm, daß er mit einem leichten Händedruck Hufeisen zerbrochen und silberne Teller zusammengerollt, ja daß er sogar mit einem Arme einen blasenden Trompeter über die Brüstung des Stephansturms zu Wien hinausgehalten habe. Man glaubte deshalb auch früherhin, daß er in seiner Kindheit mit Löwenmilch genährt und dadurch zu diesem Grade von körperlicher Kraft gebracht worden sei. Kaum zum Jüngling herangereift, ging August auf Reifen, durchzog Deutschland, England und Frankreich, Spanien, Portugal und Italien, und erregte durch seine großartige Erscheinung überall Aufsehen und Bewunderung. Durch diese Reisen und durch das Anschauen großer Meisterwerke der Kunst und des feinen Geschmackes hatte er allerdings eine große Vorliebe für Malerei, Musik und Baukunst, und einen sehr richtigen Takt in Beurteilung solcher Gegenstände erlangt. Daher war auch späterhin alles, was er
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sammelte, anordnete, bauete, geschmackvoll und großartig. Aber freilich war ihm während seines Reisens auch das kleine Sachsen mit seinen anspruchslosen Bewohnern und der enge Wirkungskreis, in welchem sich ein Kurfürst von Sachsen bewegen mußte, allzu unbedeutend und seiner unwürdig erschienen; er hatte in den großen Ländern Europas und insonderheit an dem prachtliebenden Hofe des französischen Königs nach Höherem trachten und sein Mutterland geringschätzen gelernt. Darum war er von heißer Begierde entbrannt, zu seinem Erblande noch ein größeres Land und zu seinem Kurhute eine Königskrone hinzuzufügen. Nun traf es sich, daß gerade zu jener Zeit (1696) der König von Polen starb, und daß dies Land nun einen neuen König wählen mußte. Unser Friedrich August bewarb sich sogleich eifrig um die ersehnte Würdet Weil aber die Polen nach ihrem Landesgesetz keinen Protestanten auf ihren Thron berufen dursten, so trat er, zu Pfingsten 1697, in der Nähe von Wien zur katholischen Kirche über; er schickte schleunig mehr denn zehn Millionen polnische Gulden nach Polen, um nur die Stimmen der Wähler für sich zu gewinnen; er versprach blindlings, alles zu thun, was der polnische Adel nur immer wünschte, mochte es auch das äußerste kosten, und vielleicht mehr als nochmals zehn Millionen betragen. So ward er denn im Jahre 1697 zum König in Polen gekrönt, und seinem verblendeten Ehrgeize war Genüge geschehen. Am Krönungstage trug der Prachtliebende ein Kleid, das von Gold und Juwelen strotzte und allein über eine Million Thaler wert war. 8000 sächsische Soldaten mußten sogleich ins neue Königreich marschieren, und ungeheure Summen wurden nach Warschau gebracht und in glänzenden Festen vergeudet. Es war eine höchst kostspielige Erwerbung und ihre notwendige Folge war, daß Sachsen zurückgesetzt, ausgesogen und mit schweren Lasten belegt wurde. Unerschwingliche Steuern mußten geschafft, immer neue Rekruten mußten in das unersättliche Polen geschickt und — was höchst betrübend war! — ansehnliche Besitzungen des wettmachen Hauses mußten verkauft oder verpfändet werden. Damals ward auch die ehrwürdige Stammherrschaft der Wettiner, das Amt Petersberg bei Halle, wo der Urahn unseres Königshauses, der große Konrad, seine Ruhestätte hat, an Brandenburg verkauft. Außerdem kamen noch zahllose Abgaben in Sachsen auf, von Tabak, von Spielkarten, von Spitzen, Leder und Papier mußte abgegeben werden; die Quatembersteuer ward in einem Jahre 24fach erhoben, Rang-, Vermögens- und Kopfsteuer wurden ohne Bewilligung der Landstände eingeführt. Doch die schlimmste und unseligste Folge der polnischen Thronerwerbung war ein Krieg mit Schweden, der sogenannte nordische Krieg. Unser August wollte sich von Polen aus an seinem Nachbar, dem jungen König Karl dem Zwölften, versuchen, und ihm Livland entreißen. Auch Peter der Große von Rußland und der König von Dänemark griffen in gleicher Absicht den jungen Schweden an, und alle meinten, leicht mit ihm fertig zu werden. Allein der tapfere und
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hartnäckige Karl trieb die Sachsen vor sich her und drang ihnen — durch Polen und Schlesien — nach bis über die sächsischen Grenzen. Unser Vaterland sah jetzt zum zweitenmale schwedische Krieger, die es noch vom dreißigjährigen Kriege her in trauriger Erinnerung hatte. Zwar durften sie nicht rauben und plündern — denn Karl hielt strenge Mannszucht; aber sie mußten gut verpflegt werden, monatlich eine halbe Million Thaler bekommen, neu gekleidet werden und viele tausende von Rekruten aus dem Lande erhalten. Das eine Jahr 1706 bis 1707, wo dies geschah, kostete dem Lande gegen 23 Millionen Thaler. Im September 1706 kam's in Altranstädt bei Leipzig zum Friedensschlüsse, und unser Kurfürst verlor durch diesen Frieden das Königreich Polen; Karl setzte dort einen anderen König ein, und August behielt nichts als den Titel. Welch eine Demütigung für einen ehrsüchtigen Fürsten! — Allein bald darnach verließ das Glück den kühnen Schwedenkönig; er ward von den Russen im Jahre 1709 gänzlich besiegt und mußte in die Türkei flüchten. Nun wendete August nochmals neue Summen auf, stürzte den von Karl eingesetzten Polenkönig und errang zum zweitenmale sein ersehntes Kleinod. Im Oktober 1709 zog er wieder in Warschau ein, und blieb nun ungestört in der Königswürde bis 1733. Er lebte seitdem meist in Warschau oder Krakau, seltener in Dresden; wo er aber auch war, da gab es Glanz und Pracht, Feste, Feuerwerke, Jagden und Lustlager, und das vielgeliebte Sachsen mußte zu diesem allen allein das Geld aufbringen. Er starb nach 38 jähriger Regierung in seinem Polen, das er, trotz aller Undankbarkeit des Volkes, über alles liebte, und fand seine Ruhestätte in Krakau (1733). Allein seine Prachtliebe soll unserem Lande über 100 Millionen Thaler gekostet haben!
23. Fortsetzung.
Wir hörten in der verwichenen Stunde das Wichtigste, was von dem Regentenleben Augusts des Starken im allgemeinen zu sagen war. Aber es giebt noch vieles einzelne, was von ihm und von seiner Regierung zu wissen nützlich ist. — Unter ihm wurden einst 1719 in und bei Dresden die überaus prachtvollen Septemberfeste gefeiert, die zur Verherrlichung der Vermählung seines Sohnes mit einer Tochter des deutschen Kaisers veranstaltet wurden. Diese Feste, die, trotz des anhaltenden Regenwetters und trotz der gWßen Teuerung und Hungersnot im Erzgebirge, unausgesetzt durch den ganzen September 1719 fortdauerten, kosteten allein gegen vier Millionen Thaler. Als die junge Schwiegertochter in einem Prachtschiffe auf der Elbe herunterkam, stand König August am Ufer, umgeben von 1900 Adeligen, von sechs Regimentern neu und kostbar gekleideten Fußvolks, von 11000 Bürgergardisten und mehreren Schwadronen Reitern. Seine juwelenreiche Kleidung
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mochte an zwei Millionen wert sein; 107 sechsspännige Kutschen und zahllose Soldaten. Schweizer. Mohren. Pferde. Maultiere machten den endlosen Zug aus. In den darauffolgenden Tagen reiheten sich Opern und Turniere, Paraden und Jagden, Jahrmärkte und Bergaufzüge, Türken- und Götterfefte unablässig aneinander; nicht allein Dresden' sondern auch Moritzburg. Großsedlitz. Ubigau und der plauische Grund waren die Schauplätze dieser Festlichkeiten. — Ein Fest anderer Art war das Lustlager bei Zeithain im Juni 1730, das auch eine Million Thaler verschlang. Hier waren 30000 Mann Truppen versammelt; zwei Könige, zwei Kronprinzen. 47 Herzoge waren unter den Zuschauern; ein Feuerwerk ward abgebrannt, zu welchem schon seit Weihnachten Zurüstungen gemacht worden waren; ein Palast von 80 Ellen Höhe und 200 Ellen Breite war erbaut, der 18 000 Stämme Holz. eine Unzahl Bretter und 6000 Ellen bemalte Leinwand kostete. Hier gab's auf der Elbe eine kostbare Flotte und holländisch gekleidete Matrosen, über die Elbe führten vier Schiffbrücken, deren eine in die Luft gesprengt ward; auf dem Lande sah man die von Gold und Silber strotzenden Garden und neben ihnen Janitscharen. Mohren und andere nachgeahmte Trachten. Hier wurden bei einer einzigen Mahlzeit der Soldaten 170 Ochsen verspeist; ein riesengroßer Kuchen von 14 Ellen Länge und 6 Ellen Breite wurde dem schaulustigen Volke preisgegeben, und 30000 hölzerne Teller wurden nach der letzten Mahlzeit in die Elbe geworfen. — Überhaupt waren die Vergnügungen des glanzvollen sächsischen Hofes zwar geschmackvoll und weitberühmt, aber doch zum Teil auch, nach jetzigen Begriffen, höchst ungereimt. Denn wenn zu einer pomphaften Schlittenfahrt, die der Hof halten wollte, die Bauern erst den Schnee herzufahren mußten, so wird euch dies wahrlich lächerlich dünken.
Zu Augusts Zeit entstand übrigens Herrnhut (1722) und die Herrnhuter Gemeinde. Der fromme Graf Zinzendorf sammelte um sein Rittergut Berthelsdors her eine kleine Anzahl armer, aber geroerb-fleißiger Protestanten, die aus Mähren und Böhmen nach Sachsen gewandert waren. Er gab ihnen einfache Religionsvorschriften, hieß sie fleißig beten, fleißig arbeiten, Jesum Christum über alles verehren und sich untereinander als Brüder und Schwestern lieben. So bildete sich die „evangelische Brüdergemeinde", die gegenwärtig nicht allein in Sachsen, sondern in allen Erdteilen zahlreiche Anhänger hat. Sie hat für die Verbreitung des Christentums unter den Heiden, sowie für Bibelausbreitung durch ihre Missionäre unendlich viel gethan; sie hat viele wahrhaft fromme, ganz Gott und dem Heilande angehörende Mitglieder gehabt; aber sie hat auch manche Tändelei und Spielerei in die Christusreligion getragen und manchen Heuchler hervorgebracht, der sich nur äußerlich stellte, als ob er fromm wäre. — Damals lebten übrigens viele berühmte Männer, deren Namen in unserer Geschichte stets denkwürdig bleiben werden. Der Apotheker Böttger aus Schleiz erfand,
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indem er Gold machen wollte, das Porzellan, und arbeitete vom Jahre 1710 an in der neugegründeten Meißner Fabrik. Das älteste Porzellan sah braun aus, erst nach Auffindung der Porzellanerde bei Aue entdeckte er das weiße Porzellan. Da damals das Porzellan nur aus China oder Japan bezogen werden konnte und deshalb viel kostbarer war als heutzutage, so wurde Böttgers Erfindung streng geheim gehalten. Der Orgelbauer Silbermann, aus der Gegend von Frauenstein gebürtig, baute in jener Zeit seine unübertrefflichen Orgeln, deren größte in Frei--berg, deren letzte in der katholischen Kirche zu Dresden zu finden ist. — Pastor Zürner, bei Großenhain, stellte Landesvermessungen an, entwarf bessere Landkarten von Sachsen und besorgte das Setzen der steinernen Meilensäulen an den Poststraßen (1722). — Schröder in Hohenstein fertigte das erste Pianoforte. — Obristleutnant von Kyau ergötzte den König August mit seinen Späßen, und erhielt dafür zuletzt die Komman-dantenstelle auf dem Königstein. — Hebenstreit, ein Naturforscher, reiste mit mehreren anderen Gelehrten auf Augusts Befehl nach Afrika, um wilde Tiere teils für die Sammlungen, teils für die Stiergefechte zu holen; von dieser Reise soll er auch die Orangeriestämme mitgebracht haben, die, zum Wiederausschlagen gebracht, lange eine Zierde des Dresdner Zwingers waren. — Vor allen anderen aber glänzte damals, freilich außerhalb Sachsens, ein gebotener Leipziger, der große Leibniz, der an Geist, an Gelehrsamkeit und an umfassender Wirksamkeit zu den ersten Männern der Weltgeschichte gehört. — Endlich ist noch zu erwähnen, daß mit dem Beginn des neuen Jahrhunderts auch in Sachsen, wie in den meisten protestantischen Ländern, der schon im Jahre 1582 vom Papst Gregor XIII. verbesserte Kalender eingeführt wurde, nach dem wir uns noch jetzt richten.
24. Friedrich August II. — Der Minister Brühl. —
Der siebenjährige Krieg.
Der Sohn Augusts des Starken, Friedrich August II., brachte es » durch mancherlei Geldopfer abermals dahin, daß die Polen ihn zum Könige annahmen; er war also auch Kurfürst von Sachsen und König von Polen. O unter feiner dreißigjährigen Regierung stand's noch weit schlimmer um unser Vaterland, als bei des Vaters Lebzeiten. Zwar war Friedrich August II. ein gutmütiger, freundlicher Fürst, der nichts Böses wollte, allein er war doch auch zu schwach, zu beschränkt und sorglos, als daß er das Böse um sich her bemerkt und gehindert hätte. Er hatte von seinem Vater zwar die Prachtliebe, den Hang zur Verschwendung und zu großartigen Festen und Lustbarkeiten, sowie die Begierde zu bauen, schone Sammlungen anzulegen und durch übermäßigen Aufwand zu glänzen, frühzeitig geerbt; aber er besaß nicht einmal
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so viel Geist, Umsicht und Selbständigkeit, als jener besessen hatte. Daher kam es, daß er von dem Elend im Lande nichts wußte, und sich selbst und seine Länder von böswilligen Räten und Ministern regieren ließ. Ein gewaltiger Mann schaltete damals in Sachsen, der Gras Heinrich von Brühl, der, ohne Kenntnisse zu besitzen, in'kurzer Zeit vom Pagen bis zum Premierminister aufstieg. Von seiner grenzenlosen Verschwendung, seiner unersättlichen Habsucht, seiner schreienden Ungerechtigkeit können wir uns jetzt kaum eine deutliche Vorstellung machen. Brühl riß _ alle großen und einträglichen Ämter an sich und verwaltete sie, ohne jemand Rechenschaft abzulegen; er schrieb immer neue, unerschwingliche Abgaben für das arme Land aus und stürzte es dennoch in eine furchtbare Schuldenlast, er brauchte für sich und seinen sinnlosen Haushalt alljährlich eine Million; er verkaufte die öffentlichen Ämter, ließ sich von tausend Seiten her bestechen, füllte das Land mit Spionen an, die die Worte belauschten und die Briefe auf den Postämtern erbrachen; er ließ sich aus schurkischer Geldsucht die Mündelgelder, das Eigentum verwaister Kinder, abliefern und zahlte weder Staatsdienern, noch Soldaten Gehalt aus; er war in Polen Katholik, in Sachsen Protestant. Welch ein furchtbarer Mann! Die Unterthanen zitterten — denn er warf jeden Murrenden ins Gefängnis; der König und Kurfürst aber konnte nicht helfen — denn er war überall, selbst auf dem Gang zur Kirche, von Brühls Kreaturen umgeben, die keinen Bittenden zum Landesvater ließen und ihm täglich vorspiegelten, „es stehe alles gut, es sei jedermann im Lande zufrieden, es sei genug Geld da". — Dazu fielen nun noch unseligerweise in diese Unglückszeit drei ernste, fürchterliche Kriege, an denen Sachsen — das zwischen Preußen und Österreich mitten inne liegt — notwendig teilnehmen mußte. Es waren die drei schlesischen Kriege, die Friedrich der Große von Preußen gegen Maria Theresia von Österreich führte, weil er von dieser die Abtretung des schönen Fürstentums Schlesien verlangte. Im ersten dieser Kriege 1741 hielt es Brühl mit dem Preußenkönige und schickte ihm 22000 Sachsen zu Hilfe; als aber drei Jahre später (1744—45) der zweite begann, hatten ihn die Österreicher für sich gewonnen, und eine bedeutende Armee mußte nun gegen die Preußen fechten. Das reizte natürlich den Zorn und die Rachsucht der früheren Freunde, und der unschuldige Soldat und das Land mußten dafür leiden. In diesem Kriege hatten die Sachsen schon im Sommer bei Striegau und Soor große Verluste; am traurigsten aber erging's ihnen im harten Winter, am 15. Dezember, bei Kesselsdorf, unweit Dresden. Dort wurden sie von den Preußen unter dem alten Dessauer angegriffen, ohne daß die nahestehenden Österreicher ihnen zu Hilfe kamen. Es ward mehrere Stunden mit großer Tapferkeit gekämpft; es entstand ein blutiges Gemetzel; die in der Schlacht Gefallenen froren bei der heftigen Kälte sogleich an der Erde an, und das häufig vergossene Blut überzog sie mit
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einer Eisrinde. Endlich mußten die Sachsen doch den Preußen weichen und sich nach Dresden zurückziehen. Dies war der zweite schlesische Krieg, der Sachsen viele Menschen und abermals mehrere Millionen Geldes kostete. Österreich gewann nichts und ebensowenig Sachsen; Preußen dagegen behielt das wichtige Schlesien, um welches man nun schon zweimal erbittert gekämpft hatte. — Doch waren diese beiden Kriege nur das Vorspiel zu einem weit schrecklicheren gewesen, und Sachsens rechte Leidenszeit sollte erst noch kommen. Im Jahre 1756 brach der dritte schlesische oder der siebenjährige Krieg los. Österreich, Rußland, Frankreich, und unser Sachsen verhandelten in der Stille über einen Plan, den Preußenkönig nicht allein zur Herausgabe Schlesiens zu zwingen, sondern auch ganz zu demütigen und wieder zum kleinen bran-denburger Markgrafen zu machen. Kaum hatte das Friedrich der Große durch den Verrat eines schurkischen Kanzlisten in Dresden, Namens Menzel, erfahren, als er auch schon im August 1756 mit 60000 Mann in unser Land einfiel. Dresden wurde besetzt; alle Kassen und das reiche Zeughaus wurden ausgeleert; viele Staatsdiener wurden fortgeschickt; selbst die Kurfürstin mußte sich rauh und unfürstlich behandeln lassen. Unser Friedrich August und sein unseliger Ratgeber Brühl flüchteten sich zuerst auf den Königstein, dann nach Polen, und haben sich in den traurigen sieben Jahren wenig ums Kurfürstentum gekümmert. Die sächsische Armee, 12000 Mann stark, wurde am Fuße des Liliensteins durch Hunger gezwungen, vor den Preußen das Gewehr zu strecken und sogar preußische Kriegsdienste zu nehmen. Nun waren bald Österreicher, bald Preußen, bald beide Parteien Herren des armen Landes, öfter standen die feindlichen Armeen monatelang in befestigten Lagern ganz nahe bei einander. Zittau, die schöne gewerbreiche Stadt, ward von den Österreichern — unseren Freunden — in den Grund geschossen. Dresden, damals noch eine ansehnliche Festung, erlitt durch den Preußenkönig selber im schrecklichen Jahre 1760 ein furchtbares Bombardement und verlor seine großen Vorstädte, 5 Kirchen, 416 Häuser innerhalb der Mauern und außerdem gegen zwei Millionen Thaler. In Leipzig verfuhr der preußische König gleichfalls unerhört hart, er forderte unerschwingliche Geldsummen — einst auf einmal mehr als eine Million —, er drohte die Stadt anzuzünden, und schleppte 120 vornehme Männer als Geiseln hinweg. Dabei kam es an mehreren Orten Sachsens wiederum zu großen verheerenden Schlachten. BeiHochkirch, unweit Bautzen ward in einem nächtlichen Überfalle aufs heftigste gekämpft und der sonst so siegreiche Friedrich gänzlich geschlagen. Bei Maxen wurde General Finck mit 11000 Preußen gefangen. Bei Torgau ward eine furchtbare, bis weit in die Nacht dauernde Schlacht geliefert, die Friedrich hauptsächlich durch seinen großen Reitergeneral, den alten Ziethen, gewann. Bei Freiberg war das letzte Gefecht in diesem schlachtenreichen Kriege. Als endlich 1763 zu Hubertusburg der Friede zu stände kam,
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o wie jammervoll stand's damals um Sachsen! Sah es doch in manchen Gegenden ebenso wüst und leer aus, wie nach dem Hussiten- und dreißigjährigen Kriege! Überall verwüstete Dörfer und Städte! Überall weinende Menschen, die Hab und Gut und liebe Angehörige verloren hatten. Das war der dritte schlesische oder siebenjährige Krieg, der Lachsen über 100000 Menschen und 100 Millionen Thaler kostete und chm doch abermals gar keinen Vorteil brachte, da Preußen, anstatt ge-demütigt zu werden, nur mächtiger geworden war. — Der lang entfernte Landesfürst, Friedrich August II., kam endlich im März 1763 mit seinem Brühl wieder zurück, starb aber schon nach sieben Monaten, am 5. Oktober. Brühl, der allein fünf Millionen veruntreut hatte, blieb ihm auch im Tode getreu, er starb 23 Tage nach seinem Herrn.
Während der Regierungszeit dieses Kurfürsten geschah übrigens abermals für die geistige Kultur Sachsens, sowie für seine Verschönerung manches Bemerkenswerte. Die Gemäldegalerie erhielt von Modena her ihren schönsten Zuwachs, der freilich zwölf Tonnen Goldes auf einmal kostete. Die schöne katholische Kirche in Dresden ward für zwei Millionen Thaler erbaut. Die königliche Bibliothek ward um vieles vermehrt. Auch lebten in dieser Zeit hochberühmte Männer, deren Namen allezeit in der Geschichte der Wissenschaften und Künste glänzen werden; der ehrwürdige Geliert, der in Leipzig an der Universität lehrte, und dort feine erhebenden Gesangbuchslieder und die lehrreichen Fabeln dichtete (starb 1769), sein Freund Weiße, der große Dichter Klopstock, und der größte Musiker damaliger Zeit. Sebastian Bach. Auch in Lessing, dem großen Denker aus Kamenz und Schüler der Meißner Fürstenschule (geb. 1729), ging unter Augusts Regierung der Welt ein leuchtendes Gestirn auf. Friederike Karoline Neuber, die das deutsche Theater zuerst gehoben und bessere Stücke zur Aufführung gebracht hatte, starb im Kriege a-rm und elend zu Laubegast.
25. Friedrich Christian. — Friedrich August III. — Prinz Xaver als Vormund.
Friedrich August II. hinterließ einen trefflichen Sohn. Friedrich Christian, auf welchem mit größter Zuversicht des gedrückten und ausgesogenen Landes Hoffnung ruhete. Er sprach es sogleich beim Regierungsantritte laut aus, daß er Sachsens schwere Wunden heilen, seine Lasten erleichtern und feinen Ruf und Kredit heben wolle. Die Ministerherrschaft hörte sofort auf, und der Kurfürst wollte selbst sehen, hören und regieren. Die Unterthanen hatten freien Zutritt,, zu ihm; milde Gerechtigkeit ward überall gehandhabt; notwendige Änderungen und Verbesserungen wurden eingeleitet, die kostspieligen Vergnügungen abgestellt , mit der Schuldentilgung und der Umgestaltung des traurigen
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Münzwesens ward der Anfang gemacht. O warum mußte dieser hoffnungsvolle Vater des Landes so unerwartet schnell wieder abtreten vom schönen Schauplatze seines Wirkens! Warum mußten so große Erwartungen schon nach zwei Monaten wieder zunichte werden! Friedrich Christian starb am Schlagfluß im Dezember 1763.
Sein Sohn, Friedrich August, war erst 13 Jahre alt bei des Vaters Tode. Daher übernahm sein Oheim, Prinz Xaver, die Vormundschaft und die Administration des Landes. Diesem Administrator verdankt Sachsen manches Heilsame. Von ihm wurde 1765 die durch die ganze Welt berühmte Bergakademie zu Freiberg gegründet, die das Muster für viele ähnliche Anstalten geworden ist. Wie großen Vorteil haben die Stammschäfereien zu Lohmen, Rennersdorf und Hohenstein mit ihren spanischen Merinowiddern und der vielgesuchten Elektoralwolle gebracht! Wie viel ist damals für Handel und Fabriken, für Ackerbau und Gesundheitspflege geschehen! Überall gründete Xaver nützliche Vereine und Anstalten, die des Landes Wohl beförderten. Aber so herablassend gegen den Unterthan, wie Friedrich Christian, war er nicht — daher hörten die freien Audienzen wieder auf; fo frei von Ehrgeiz war er auch nicht — daher wünschte er lieber wieder die polnische Königskrone Sachsen zu erwerben; und vor allem auf den Soldatenstand verwendete er, weil's fein Lieblingsgegenstand war, allzuviel Geld, jährlich anderthalb Million Thaler — Seine Administration dauerte nur fünf Jahre, dann trat der Kurprinz selbst die Regierung an (September 1768)..^
Friedrich August III., der sich in langer, fast sechzigjäriger Regierung deu Beinamen des Gerechten erwarb, gehört unleugbar unter die besten Regenten unseres Landes, denn er hat allseitig des Landes Wohlfahrt gefördert, wie feit Vater August keiner gethan. Er gehört aber auch unter die merkwürdigsten Regenten, wegen der mannigfach wunderbaren Schicksale, die ihn im langen Leben getroffen. — Die ersten zehn Jahre feiner Regierung gingen dem Lande und feinem jugendlichen Fürsten in Fried' und Ruhe hin; nach langen Kriegsgreueln war man in Europa des Krieges satt. Da konnte denn der gute Kurfürst mit Hilfe wohlmeinender Räte dem zerrütteten Lande aufhelfen, von den 40 Millionen Schulden schon manches abtragen und überall heilsame Einrichtungen treffen. Nur ein allgemeines Landesunglück fiel in diese zehn Jahre, die große Teuerung von 1772, freilich eine Schreckenszeit, in welcher der Scheffel Korn bis 15 Thaler kostete; von vielen wurden Kleie, Wurzeln, Gras und die Überbleibsel in den Kehrichthaufen gegessen, und dennoch starben Hunderte, namentlich im armen Erzgebirge, den Hungertod. Doch hatte auch dieses Leiden wenigstens das Gute, daß der Anbau der Kartoffeln seitdem allgemeiner wurde. — Sechs Jahre nach dieser Hungersnot schien auf einmal wieder Krieg ausbrechen zu wollen. Der deutsche Kaiser wollte nach dem
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Tode des bayerischen Kurfürsten, weil der Verstorbene keine Kinder hinterlassen hatte, ohne weiteres einen Teil von Bayern für sich nehmen Das konnte unser Friedrich August, der als Sohn der bayerischen Prinzeß Maria Antonia auch Ansprüche auf das bayerische Erbteil hatte, nicht gleichgültig ansehen. Er verband sich daher mit dem allgefürchteten Preußenkönige und ließ seine Truppen zugleich mit den preußischen nach Böhmen vorrücken. Doch kam's zu keiner Schlacht; die Heere standen nur in festen Feldlagern einander gegenüber, ließen sich die böhmischen Kartoffeln wohlschmecken und zogen nach schnellgeschlossenem Frieden wieder nach Hause. Das ist der unblutige bayerische Erbfolgekrieg (einjähriger — Kartoffelkrieg). — Nun sah das Land wieder eine schöne Reche von heiteren Friedensjahren, die der Kurfürst und seine Räte wohl zu benutzen wußten, um Fabriken und Handel, Künste und Wissenschaften zu fördern und zahlreiche nützliche Anstalten zu gründen. So entstanden von 1788 an die höchst wichtigen Schnllehrerseminarien; so wurden die englischen Spinnmaschinen (zunächst für Baumwolle) allmählich eingeführt, das Freiberger Amalgamierwerk gebaut und zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Lande die Straf- und Versorgungsanstalten vermehrt. In Frankreich brach zwar um diese Zeit (1789) die blutige Revolution aus, und wie in mehreren deutschen Ländern Freiheitsschwindler ausstanden, so geschaht allerdings auch in unserem Vaterlande: die Bauern begehrten Erleichterung der Fronen und Abgaben und wollten von manchem, unleugbar allzuschweren Drucke frei werden; es entstanden 1790 Bauernunruhen. Allein die Weisheit und die Milde des Kurfürsten legte binnen 14 Tagen den Aufstand ohne Blutvergießen bei. Einige Male mußten in den neunziger Jahren auch sächsische Truppen an den Rhein hinaus gegen die Franzosen geschickt werden; denn nach einer Zusammenkunft, welche der Kaiser und der König von Preußen 1791 in Pillnitz gehabt hatten, war der Krieg gegen Frankreich ausgebrochen, zu welchem Friedrich August, als ein Fürst des Reichs, auch Soldaten stellen mußte. Allein die Ruhe des Landes ward hierdurch nicht gestört und des Fürsten segensreiches Wirken im Innern seines Staates dauerte erfreulich fort. — Anders dagegen ward's im neunzehnten Jahrhundert, und namentlich vom denkwürdigen Jahre 1806 an. Die Franzosen waren unter ihrem Napoleon Bonaparte, der 1804 Kaiser geworden war, allenthalben, wo sie Krieg führten, siegreich davongegangen. Jetzt, int Sommer 1806, wo stch das alte deutsche Reich vollends aufgelöst hatte, wurde auch Preußen mit ihnen in Krieg verwickelt, und unser Kurfürst, der so gern neutral geblieben wäre, mußte notgedrungen mit gegen das gefährliche Frankreich auftreten. Es zogen 22 000 Sachsen in Verbindung mit den Preußen nach Thüringen, wo sie von den Franzosen angegriffen wurden. Eine Doppelfchlacht ward am 14. Oktober bei Jena und bei Au erst ädt geliefert, aber sie war für die Verbündeten, obgleich
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sie mit größter Tapferkeit kämpften, höchst unglücklich: Tausende wurden getötet und verwundet, Tausende gefangen; unter letzteren auch 6000 Sachsen. Noch war es als ein besonderes Glück zu betrachten, daß der allgefürchtete Napoleon gegen unser Land und unseren Kurfürsten mit ungewöhnlicher Milde verfuhr. Die Städte Leipzig und Dresden waren zwar von den Franzosen besetzt, das Land mußte auch große Lieferungen machen und über sieben Millionen Thaler Kontribution zahlen; allein die gefangenen Sachsen schickte Napoleon großmütig in ihre Heimat und den sächsischen Landen gestand er Neutralität zu. Das that der Sieger nicht bloß darum, um Fürst und Volk für sich zu gewinnen, sondern hauptsächlich aus Achtung für die ihm wohlbekannte strenge Rechtlichkeit des biederen Kurfürsten. Bald darauf ward auch zu Posen der Friede zwischen Sachsen und Frankreich geschlossen. Sachsen sagte sich von Preußen los und versprach bei künftigen Kriegen vielmehr den Franzosen Hilfstruppen zu stellen; es trat einem großen Bunde, den der französische Kaiser schon früher mit mehreren kleineren deutschen Fürsten geschlossen hatte, dem Rheinbünde, von jetzt an bei und ward zum Königreich erhoben (11. Dezember 1806). — So ward denn das altehrwürdige Sachsenland, nachdem es anfänglich eine Markgrafschaft und dann 383 Jahre mit dem Kurfürstentum verbunden gewesen war, mit dem Schlüsse des Jahres 1806 plötzlich umgestaltet in ein Königreich.
26. Friedrich August I. oder der Gerechte, König von Sachsen.
Hoch schien also unser Vaterland an Glanz und Würde gestiegen, und sein Fürst erfreute sich der besonderen Gunst Napoleons. Ja im darauffolgenden Jahre, im Juni 1807, schenkte Napoleon sogar unserem Könige das neugebildete Herzogtum Warschau, das nach und nach fast 3000 Quadratmeilen und vier Millionen Unterthanen umfaßte. Aber bei aller dieser äußeren Größe und Auszeichnung war das Land
doch nicht glücklich. Es hatte alle Selbständigkeit verloren und Fürst
sowohl als Unterthanen waren ganz der Willkür des Franzosenkaisers preisgegeben. Es mußte fortwährend zum Krieg gerüstet sein, um auf den ersten Wink seine Hilfstruppen zu stellen. Die Landeskinder vergossen ihr Blut in nutzlosen Kriegen für eine fremde Sache, die Einwohner waren gedrückt von unaufhörlichen Einquartierungen und Durchmärschen der Franzosen; jeder Gedanke war bewacht von französischen Spionen; Handel und Wandel wurde durch die Machtgebote Napoleons täglich mehr gehemmt und darniedergebracht; 27 Millionen Schulden lasteten schon jetzt auf Sachsen und wuchsen alljährlich höher an. Es
war ein trauriges Scheinglück, das dem Lande zu teil geworden war!
Mohr, Die Geschichte von Sachsen. 9. Aufl. 5
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Dazu kamen 1809 neue Kriegsunruhen. Napoleon geriet mit Österreich in einen abermaligen Krieg und Sachsen schickte gegen 1900 Mann ins Feld, behielt aber sehr schwache Besatzung innerhalb seiner Grenzen. In der mörderischen Schlacht bei Wagram, unweit Wien, erwarben die sächsischen Soldaten großen Kriegsruhm und trugen viel zu dem glänzenden Siege bei: Napoleon lobte sehr ihre kaltblütige Tapferkeit. Allein in unser Land brachen unterdessen — wie natürlich zu vermuten war — österreichische Soldaten aus dem benachbarten Böhmen ein und besetzten eine Zeitlang Dresden; es durchzog der von Napoleon aus seinem Erbe vertriebene Herzog von Braunschweig mit seinem Streifkorps, den „schwarzen Husaren", mehrere Gegenden und brandschatzte die Einwohner; es kam Napoleons unwürdiger Bruder, den er zum Könige von Westfalen eingesetzt hatte, als Befreier herbei und Vertrieb zwar die Feinde, war aber bei seiner sinnlosen Verschwendung ein sehr kostspieliger Gastfreund. Kurz, auch dieser Krieg kostete wiederum viel Geld und viel Menschenleben. Die Jahre 1810 und 1811 waren ruhig, und in dieser Zeit ward unter französischem Einflüsse manches umgestaltet. Die Aushebung der Soldaten, ihre Kleidung. Bewaffnung und Exerzierweise ward ganz anders. Eine Gendarmerie trat ins Leben, und die so wohlthätige Sonnensteiner Anstalt entstand. Eine neue Festung Torgau — ward auf Napoleons Befehl für 6 bis 7 Millionen Thaler gebaut, die Festungswerke von Dresden dagegen riß man nieder. Das Verbot aller englischen Waren, von welchem wir noch in einer späteren Stunde hören werden, wurde streng gehandhabt, viele dergleichen vorgefundene Artikel verbrannt, und mehrere Kaufleute, die hierin gesündigt, auf den König-stein transportiert. Der Handel mit dem Auslande hörte sonach fast ganz auf; aber die Industrie, das Fabrikwesen, die Spinnmaschinen in Baum- und Schafwolle erhielten dafür einen desto erfreulicheren Aufschwung. — So kam unter schwerem Druck von außen, aber bei manchen heilsamen Veränderungen im Innern das für ganz Europa so denkwürdige Jahr 1812 heran, in welchem Napoleon feinen großen Zug gegen Rußland unternahm. Da entstand auch in unserem Lande, wie überall bei den Verbündeten des französischen Kaisers, ein neues gewaltiges Kriegsrüsten. Die 500000 (Streiter, die aus Frankreich, Italien, der Schweiz, Holland und allen deutschen Landen nach Rußland hineilten, nahmen ihren Marsch großenteils durch Sachsen. Unsere Residenzstadt sah im Mai 1812 den Kaiser Napoleon, umgeben von den meisten Monarchen Europas und von den auserlesensten Feldherren und Soldaten, noch einmal im höchsten Glanz, in nie gesehener Pracht und Herrlichkeit. Gegen 22 000 Sachsen, aufs trefflichste ausgerüstet, zogen auch mit nach dem traurigen Norden! Aber welch ein Schicksal hatten sie und alle die Tausende, die mit ihnen waren! Die sieggewohnten Anführer und ihre tapferen Scharen wußten wohl den Feind in Menschengestalt, nicht aber die schreckliche Kälte des russischen Winters zu besiegen.
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Bei 30 bis 36 Grad Kälte, in einem Lande, das von seinen eigenen Bewohnern gänzlich verwüstet war, in Gegenden, die von allen Nahrungsmitteln und großenteils auch von allen menschlichen Wohnungen entblößt waren — wie konnte da auch der Tapferste ausdauern! Die ganze stolze und herrliche Armee ward bis aus wenige Tausende ein Raub der Elemente und der im Rücken nachfolgenden Russen. An der Beresina allein, beim schrecklichen Übergange, fielen viele Tausende, oder gerieten in eine Gefangenschaft, die meist so schlimm war wie der Tod. Auch von dem schönen Sachsenheere kehrten nur traurige, großenteils verstümmelte und ungesunde Überreste zurück. Die Armen waren nicht allein selbst elend, sondern brachten auch ihrem ersehnten Vaterlande Elend, denn sie waren meist mit verheerendem Nervenfieber behaftet, das gar bald in unseren Gegenden reißend um sich griff. Doch war bisher wenigstens innerhalb unserer Grenzen kein Krieg gewesen; im Schreckensjahre 1813 dagegen wiederholten sich die Szenen des siebenjährigen Kriegs: Sachsen ward fast der alleinige Schauplatz des Kampfes, und zwar eines Kampfes auf Leben und Tod, der von mehr als 600 000 Streitern mit unglaublicher Wut und Verzweiflung durch-gefochten ward. Denn jetzt erhob sich auf den Ruf feines Königs das von den Franzosen so schmählich mißhandelte Preußenvolk in Maffe, um die verlorene Freiheit wieder zu erringen. Mit den Russen vereinigt rückten die Preußen den flüchtenden Überresten des französischen Heeres bis an die Elbe nach. Napoleon, der im Dezember in einem einsamen Schlitten nach Paris zurückgekehrt war, brachte von dort ein neugeschaffenes großes Heer, das er gleichfalls nach der Elbe zu führte. Was sollte nun Sachsen anfangen? Welche Partei sollte es ergreifen? Das Volk war begeistert für die Befreiung Deutschlands von der französischen Knechtschaft und hätte sich gern den Preußen angeschlossen; der König dagegen wollte weder die dem Kaiser Napoleon gelobte Treue brechen, noch fein unglückliches Land der Rache der Franzosen preisgeben. Der Frühling von 1813 schuf in Sachsen eine angstvolle Spannung der Gemüter. König Friedrich August begab sich nach Prag; Preußen und Russen hatten den größten Teil des Landes inne: Franzosen rückten gegen Naumburg und Leipzig vor; die schöne Elbbrücke zu Dresden wurde durch den Marschall Davout gesprengt, die zu Meißen verbrannt; die sächsischen Soldaten, so viel deren übrig waren, sollten laut königlicher Weisung weder für die eine noch für die andere Sache fechten. Unterdessen gewann Napoleon die blutige Schlacht bei Lützen oder Großgör-fchen, drang wieder nach Dresden vor und vertrieb die Verbündeten durch die Schlacht bei Bautzen auch aus der Lausitz. Jetzt kehrte unser König zurück, teils aus Furcht vor der Rache der Franzosen, teils im Vertrauen auf den großen sieggewohnten Kaiser. Aber in welchem Zustande fand er fein unglückliches Land und feine teure Hauptstadt! Der größte Teil Sachsens war ein großes Kriegslager geworden; allerwegen wurden
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Schanzen und Festungswerke angelegt; der Bewohner des Landes mußte endlose Lieferungen. Fuhren, Handdienste leisten und Einquartierung verpflegen; Ackerbau, Viehzucht und Gewerbe gerieten ins Stocken; an vielen Orten war schon alles niedergebrannt und verwüstet. Nach zweimonatlichem Waffenstillstände begann im August aufs neue der heißeste Kampf Mit den Russen und Preußen hatten sich jetzt auch die Österreicher und Schweden verbunden und drängten von allen Seiten her mit ungeheurer Übermacht auf Napoleon los. Unsere sächsischen Truppen, die auf Befehl ihres Königs wieder für die französische Sache streiten mußten, hätten weit lieber gegen sie gestritten und mit den Verbündeten gemeinschaftlich gehandelt; doch thaten sie immer — wenn auch nicht mit Freudigkeit — in den großen Schlachten bei Großbeeren, bei Dresden und bei Dennewitz ihre Schuldigkeit. Umsonst aber waren alle Anstrengungen und alle Kriegskunst der Franzosen; die große Überzahl der Feinde und ihre hohe Begeisterung bewirkten diesmal, was sonst nicht möglich gewesen war: der Held des Jahrhunderts wurde von Dresden, wo er am 27. August die letzte Schlacht auf deutschem Boden gewonnen, hinunter nach Leipzig gedrängt; ebendahin folgte ihm Friedrich August, mehr einem Gefangenen gleichend, und dort in Leipzigs Ebenen kam's am 16., 18. und 19. Oktober zu der ungeheuren Völkerschlacht. Die meisten Rheinbundstruppen verließen ihren stolzen Beschützer: auch die Sachsen gingen zum Teil zu den Verbündeten über. Am "dritten Tage war für Napoleon alles verloren, und er mußte eilends nach dem Rheine hin flüchten. Unser König, der sich während der Schlacht in Leipzig aufgehalten hatte, weigerte sich ihn zu begleiten; er war entschlossen, das Schicksal seines Landes zu teilen. Nach der Erstürmung von Leipzig wurde er von den Verbündeten als Gefangener behandelt und am 23. Oktober nach Berlin abgeführt.
27. Friedrich August I. oder der Gerechte. Fortsetzung.
So war denn der edle und gerechte Friedrich August I. fort in die Gefangenschaft geführt und das Vaterland' seines treuen Vaters beraubt, in den Händen fremder Mächte, allerorten besetzt und geängstet^ von zahllosen Kriegern der verschiedensten Nationen. O eine entsetzlichere Zeit hat's wohl im ganzen Lause der Geschichte in Sachsen nie gegeben! Dörfer und Städte waren niedergebrannt und verwüstet; die Menschen lagen und starben scharenweise an dem pestartigen Fieber : das Vieh war geraubt oder an Seuchen verstorben und auch fürs schwerste Geld (eine Kuh 50—70 Thaler) kaum zu bekommen; eine Ernte war an vielen Orten fast gar nicht gewesen; 65 Millionen Thaler kostete dieser gräßliche Krieg, und das Geld war, da die Kassen-billets bis auf die Hälfte herabsanken, unglaublich rar geworden. Von
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einem Ende zum anderen durchzogen die räuberischen asiatischen Horden, Kosaken, Baschkiren, Kirgisen, das Land und nahmen bis Ende. November vollends alles mit fort, was Franzosen, Polen, Russen und Österreicher noch gelassen hatten! Dazu mußten in dieser Schreckenszeit, die schon so zahllose Menschen gekostet hatte, wiederum 40000 Soldaten herbeigeschafft und ausgerüstet werden. O wie sehnte sich damals alles nach ihm. der 45 Jahre lang sein Volk so mild und wohlmeinend regiert hatte; wie manche Bitte ward gewagt, um seine Rückkehr zu beschleunigen. Allein es half nichts! Friedrich August blieb ein Gefangener, und in dem Lande seiner Väter schaltete indessen ein Jahr lang ein russisches, späterhin sechs Monate lang ein preußisches Gouvernement (Verwaltung, Regierung). Das fremde Gouvernement verfuhr übrigens mit großer Milde und Klugheit, machte viele heilsame Anordnungen und suchte nach Möglichkeit der Landesnot abzuhelfen. Handel und Schiffahrt wurden gehoben; den abgebrannten, den ganz Verarmten, den Witwen und Waisen wurden Unterstützungerl gereicht; eingegangene nützliche Anstalten wurden wieder hergestellt und durch Einziehung überflüssiger Stellen viele Ersparnisse im Lande gemacht. Nun mußte aber auch eine Entscheidung über Sachsens künftiges Schicksal getroffen werden. Schon beim Ausbruch des Krieges hatten der Kaiser von Rußland und der König von Preußen miteinander verabredet, daß Friedrich August seines Landes ganz beraubt und Sachsen mit Preußen vereinigt werden sollte. Darüber wurde noch vieles verhandelt. Endlich nach langem angstvollen Harren der Unterthanen und nach vielfältigem Beratschlagen der europäischen Fürsten, die in Wien versammelt waren, ward die Teilung Sachsens ausgesprochen (18. Mai 1815): 272 Quadratmeilen blieben dem bisherigen Könige und führten noch fernerhin den Namen „Königreich Sachsen", 367 Quadratmeilen dagegen wurden losgerissen und großenteils Preußen unter dem Namen „preußisches Herzogtum Sachsen" zugeteilt. Nur einen kleinen Teil der wegfallenden Länder, den sogenannten Nenstädter Kreis, erhielt die sächsisch-ernestinische Linie zu Weimar. Das Herzogtum Warschau übrigens, das seit 1807 unserem Könige von Napoleon verliehen worden war, fiel natürlich ebenfalls weg und kam größtenteils an Rußland. Schmerzlich betrübt waren alle treuen Sachsen, da sie die harte Botschaft erfuhren, und mit gerechter Wehmut schieden die Unterthanen von dem alten Regenten-Hause, dem sie und ihre Väter zum Teil seit 700 Jahren angehört hatten. Aber groß und innig war auch der Jubel im kleinen Königreich Sachsen am schönen 7. Juni, als der langvermißte Landesvater, der edel, wie Johann Friedrich der Großmütige, geduldet hatte, zu seinem Volke und in sein Dresden zurückkehrte. Tausende und aber Tausende sangen am Abende dieses Festtages von Grund des Herzens mit den Leipziger Studenten: Laßt uns alle fröhlich sein! — Viel, gar sehr viel gab's nun für den hochbetagten Greis und feine treuen Räte
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zu thun. Eine in vieler Hinsicht neue Ordnung der Dinge mußte ja nun notwendig eintreten. Zunächst trat das Königreich Sachsen dem Deutschen Bunde bei, welcher von den Staaten Deutschlands an Stelle des im Jahre 1806 untergegangenen deutschen Reiches geschlossen wurde. Im Innern, in der eigentlichen Regierung, Gesetzgebung und Verfassung ward wenig geändert, und vielleicht blieb hier allzu vieles beim Alten. Wir hatten nun nach der Teilung nur noch eine Universität: — die Wittenberger, die Wiege der Reformation, war weggefallen. Wir hatten die größten und holzreichsten Waldungen, alle Salz werke und viele kornreiche Fluren verloren. Wir hatten nach dem Kriege, nachdem Preußen etwa die Hälfte der Staatsschulden übernommen, noch 16*/, Millionen Schulden und natürlicherweise nur noch etwa 30 Millionen jährlicher Einkünfte. Dies und vieles andere machte eine in mehrfacher Hinsicht veränderte Verwaltung nötig. In den Jahren 1816 und 1817 bewies sich aufs neue des Königs Liebe gegen seine Unterthanen: denn das waren schwere Teuerungsjahre, die ohne des Landesherrn milde, allseitige Fürsorge noch weit schwerer geworden wären. In diesen Jahren entstand auch, unter Leitung des berühmten Heinrich Cotta, die Forstakademie zu Tharandt, die zur besseren Bildung der Forstbeamten bestimmt ist. und der wir den gegenwärtigen ausgezeichneten Zustand unserer Waldungen verdanken. Das Jahr 1818 führte frohe, jubelreiche Tage heran, das fünfzigjährige Regierungsjubiläum, das unter allen Fürsten des Wettinerstammes nur Heinrich der Erlauchte und Friedrich August der Gerechte erlebt haben. Nach diesen seltenen Festtagen lebte der fürstliche Greis noch neun Jahre bei derselben Ordnung und Pünktlichkeit in seiner ganzen Lebensweise, bei derselben Genügsamkeit, Redlichkeit und nngehenchelten Gottesfurcht, wie er im langen Lebenslaufe immer gewohnt gewesen war. Seines Volkes Liebe blieb ihm unverändert und über seinem kleinen Lande waltete so sichtbar des Himmels Segen, daß zwölf Jahre nach der Teilung nur wenig von den unnennbaren Wunden mehr sichtbar war, welche ihm die früheren Schreckensjahre geschlagen hatten. Im Jahre 1827 endlich, nach fast sechzigjähriger Regierung, ging der ehrwürdige Friedrich August, schmerzlich beweint von allen treuen Sachsen, hinüber in die Wohnungen des ewigen Friedens. Es war am 5. Mai, demselben Monatstage, an welchem vor 302 Jahren Friedrich der Weise und vor sechs Jahren Napoleon gestorben war. Sein Denkmal steht im Zwinger zu Dresden.
Laßt uns zum Schlüsse noch einiger Veränderungen und Verbesserungen, sowie einiger merkwürdigen Männer, die während der langen Regierungszeit Friedrich Augusts lebten, kürzlich gedenken. Gewerbe und Fabrikwesen blühten in dieser Zeit aufs erfreulichste auf. Schon um 1800 baute der Engländer Whitfield für ein großes Handelshaus in Chemnitz die erste große Spinnmühle für baumwollene
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Garne; in den nächsten Jahren entstanden mehrere: endlich, als unter Napoleons Herrschaft keine englischen Garne mehr eingeführt werden durften, nahmen dergleichen Maschinen, die sowohl Baum- als Schafwolle spannen, von Jahr zu Jahr ungemein zu und wurden bald von Ochsen und Pferden, bald von Wasser (jetzt von Dampf) in Bewegung gesetzt. Den Handel beschränkte allerdings vom Jahre 1807 bis 1813 das Napoleonsche Kontinentalsystem. Das war die von Napoleon getroffene und streng bewachte Einrichtung, daß der Kontinent oder das Festland von Europa schlechterdings in gar keinem Verkehr mit England stehen, insonderheit auf keine Weise von dorther Waren beziehen solle. Die Engländer suchten sich für ein solches Verbot natürlich dadurch zu rächen, daß sie nun aus den Ländern, die mit Napoleon befreundet waren, keine Schiffe und keine Waren über die See ließen. Aller Handel mit den überseeischen Ländern geriet sonach ins Stocken; dagegen aber ward Erfindungsgeist, Industrie und Fabrikwesen im Innern Deutschlands, namentlich in Sachsen, überall lebhaft rege. — Für das Schulwesen ward schon durch die Schullehrer-seminarien in Dresden. Freiberg, Weißenfels und Bautzen, später auch
durch ein besonderes Gesetz vom Jahre 1805 ein großer Schritt zum
Besseren gethan. Die Lehrer wurden besser besoldet, die Schulversäum-nisse strenger geahndet, die Unterrichtsgegenstände zeitgemäßer geordnet und vor allem wurden immer tauglichere Lehrer angestellt. Das Gesetz erschien vielen Unverständigen damals als überstüssig; sie wollten mit Gewalt in der alten Finsternis verbleiben; aber es machte doch den Anfang zum Besserwerden in unseren Volksschulen. — Die nützlichen Blitzableiter und das höchst wohlthätige Einimpfen von
Schutzblattern wurde gleichfalls mit Anfang des neuen Jahrhunderts von den sächsischen Behörden angelegentlich empfohlen. — Die ersten sächsischen Kassenbillets kamen im großen Teuerungsjahre 1772 auf, wo 11/2 Million gefertigt wurden. — Von den vielen merkwürdigen Männern in diesem Zeitraume erwähnen wir nur den großen Lehrer an der Bergakademie Abraham Werner, der Schüler aus allen Weltteilen nach Freiberg zog (starb 1817); den unvergeßlichen Dinter, der für Schulen und für die Lehrer in den Schulen so ungemein viel gewirkt hat (starb 1831); den Stifter einer neuen Heilmethode (der
Homöopathie) Samuel Hahnemann aus Meißen; die hochberühmten Prediger Zollikofer, Reinhard, Tzschirner; die Dichter Tiedge und Seume; die gefeierten Komponisten Naumann, Karl Maria von Weber, Friedrich Schneider. Diese und unzählige andere ausgezeichnete Geister zierten unsere herrlichen vaterländischen Anstalten, förderten mächtig die Blüte der Kunst und Wissenschaft und erhoben das kleine Sachsenland in geistiger Hinsicht auf einen Höhepunkt, der in manchen Stücken den größten und stolzesten Ländern der Gegenwart gleichkommt.
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28. König Anton und der Mitregent Friedrich August.
König Anton welcher nach Friedrich Augusts langer Regierung ?uf den sächsischen Königsthron fam, war des vorigen Bruder, war nur rl jÜn9er jener und stand sonach zur Zeit seines Antrittes (1827) schon tm 72. Lebensjahre. Lang konnte die Dauer seines Gebens und Wirkens nicht mehr sein; aber in den engen Zeitraum bon neun Regrernngsjahren hat sich bieles und großes zusammengedrängt. Anton freilich war zu hochbetagt, um an der bisherigen Verfassung und Regierungsweise gründlich zu ändern; wenn er auch einzelne zeitgemäße Gesetze ausgehen lreß, so blieb im ganzen doch alles beim Alten Das O ;; hing auch ihm mit ungeheuchelter Liebe an. Allein bon manchen Lasten und Mißbrauchen, die in den umliegenden Ländern zum Teil längst beseitigt waren, und über die man an bielen Orten schon bieniq ^ahre früher, bei Gelegenheit der Bauernunruhen, im stillen geklagt hatte, wünschten doch biete nunmehr Befreiung oder wenigstens Erleichterung. Damals mußte z. B. der Landmann noch biele und drückende Fronarbeiten für den Gutsherrn berrichten; er mußte seine Felder und Wiesen eine Zeit lang bon des Gutsherrn Schafen abweiden lassen' er mußte seine Kinder als Zwanggesinde auf den Edelhof geben und bieles andere dulden, wobon wir jetzt nichts mehr wissen. Ebenso klagten die Burger der Stadt über ihre Stadtbehörden, die an manchen Orten über Gebühr anmaßend und ziemlich ungerecht herfahren sein sollten. Kurz es entstand im Jahre 1830 hier und da große Unzufriedenheit, nicht mit dem ehrwürdigen Regenten, sondern mit einzelnen bereiteten Einrichtungen des Landes. Die Unzufriedenheit ging im September dieses wahres in mancherlei Unruhen über; namentlich in Leipzig und Dresden wurden sie bereits ernsthaft, bon allen Seiten erhoben sich bald Klagen, bald Bitten um Umgestaltung und Abstellung. Aber des guten Königs Sanftmut und Nachgiebigkeit beseitigten bald alles. Er bersprach, alle Klagen und Beschwerden sogleich durch gerechte und sachberständige Richter untersuchen zu lassen; er berhieß dem Volke in allen billigen Dingen schleunige ^pilfe; er ernannte feines Bruders Sohn, den allberehrten Prinzen Friedrich August, zu seinem Mitregenten, und mehrere andere Männer, zu welchen das Land allgemeines Vertrauen hegte, setzte er so; gleich zu Schiedsrichtern und zu Wiederherstellern der öffentlichen Ruhe etn. Sehr schnell ward es wiederum ruhig. Zur Aufrechthaltung der Ordnung wurde in Dresden und Leipzig die Bürgerschaft bewaffnet, woraus nachher in diesen und den übrigen Städten des Landes die Kommunalgarde entstand. Ein Landtag wurde zusammenberufen und aus diesem eine neue, mehr der jetzigen Zeit angemessene Landesberfassung sechs Monate lang reiflich beraten. Ihr wißt, diese neue Verfassung oder
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Konstitution, die am 4. September 1831 ins Leben trat, ist ein Vertrag zwischen König und Volk, wodurch die Rechte und Pflichten sowohl der Regenten, als der Unterthanen fest bestimmt sind. Nach ihr treten die Stände, welche die erste und die zweite Kammer bilden, alter drei, gegenwärtig aller zwei Jahre, und wenn nötig, auch öfter zusammen, um über das Wohl des Landes zu beraten. Die Mitglieder der ersten Kammer gehören derselben an, entweder kraft ihrer Geburt oder ihres Amtes, oder durch königliche Ernennung; die der zweiten werden vom Volke gewählt. Das Wahlrecht steht jedem Staatsbürger zu, welcher wenigstens 3 Mark Staatssteuern zahlt; wählbar ist, wer wenigstens 30 Mark Staatssteuern zu entrichten hat. Jedes Gesetz, welches erlassen werden soll, wird von den Ministern den Kammern vorgelegt und erst, wenn es von ihnen genehmigt und darauf vom König bestätigt worden ist, tritt es in Kraft. Daß diese Verfassung eine unnennbare Wohlthat fürs Land sei und feit ihrer Einführung unendlich viel Gutes gestiftet habe, und daß wir diese Wohlthat den unvergeßlichen Fürsten Anton und Friedrich August verdanken, müssen wir von ganzer Seele anerkennen. Nun kam ein neues, reges Leben in die gesamte Staatsverwaltung ! Nun gingen mancherlei neue wohlthätige Gesetze über das Land aus, die vielfach so segensreich, obschon nicht allen ganz lieb und angenehm waren. Wir wollen von den vielen heilsamen Verordnungen und Einrichtungen, die aus jener Zeit stammen, nur einige erwähnen. Die Bevorzugungen, welche einzelne Klassen der Staatsbürger bisher noch besessen hatten, wurden nun allmählich abgeschafft. An die Spitze der ganzen Regierung trat als die höchste Staatsbehörde das Ministerium, aus sechs Ministern bestehend; unter diesen hat sich besonders der treffliche Bernhard von Lindenau ein rühmliches Andenken erworben; es wurde das Land in die vier Kreisdirektionsbezirke (jetzt Kreishauptmannfchasten) Dresden, Leipzig, Zwickau und Bautzen eingeteilt; das Gerichtswesen wurde neu geordnet, eine neue Städteordnung erlassen und für die Schulen gesorgt. Aber von ganz besonderer Wichtigkeit war es, daß Sachsen sich mit dem Jahre 1834 dem von Preußen gestifteten Zollvereine anschloß, wodurch dem Handel und dem Fabrikwefen größere Freiheit gewährt, manche drückende Grenzabgabe aufgehoben und eine festere Vereinigung mit den übrigen deutschen Staaten, soweit sie dem segensreichen Bunde beigetreten waren, hergestellt wurde. Dies und so vieles andere, was zu des Landes Vorteil war, geschah unter der Regierung des ehrwürdigen Anton. Er selbst aber, der biedere Greis, der am Lebensabende noch so schönen Samen ausgestreut hatte, sah von der zu hoffenden Ernte nur noch wenig. Er ging am 6. Juni 1836 schmerzlos ein ins Land der Ruhe und der Vergeltung. In der dankbaren Erinnerung seines Volkes lebt er mit dem Beinamen des „Gütigen " fort.
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29. König Friedrich August II.
Friedrich August II., der seinem Oheim Anton im Jahre 1836 in der Königswürde folgte, besaß schon als Prinz, wegen seiner seltenen Weisheit, Umsicht und Leutseligkeit das unbegrenzte Vertrauen aller Landesunterthanen, ward deshalb auch bei den Unruhen von 1830 der sicherste und beste Friedensstifter und der vom ganzen Königreiche ersehnte Mitregent. „Vertrauen erweckt Vertrauen" hatte er in jenen unruhigen Tagen gesagt, und dieses schöne Wort hat er während seiner Regierung wahr gemacht; aufs schönste hat er die Hoffnungen gerechtfertigt, die alle bei seiner Thronbesteigung hegten. Durch welche schwere Prüfungen war dieser Fürst in seiner Jugend hindurchgegangen! Die langjährigen Kriegsgreuel, die Gefangenschaft feines Oheims, die Teilung des Landes, das alles hat er als Knabe und Jüngling erlebt; eine große, ereignisreiche Zeit, die ihm ernste Bilder, wichtige Lehren, starke Ermunterungen und Warnungen mächtig vor Augen stellte. Unter seiner milden und gerechten Regierung erfreute sich unser Vaterland, die ersten zwölf Jahre lang, der Segnung eines ungetrübten Friedens und wachsenden Wohlstandes. Die sorgfältige Vermessung und Abschätzung der Felder und die bessere Verteilung der Steuern waren eine Wohlthat, die namentlich dem Bauernstande zu gute kam. Seine besondere Teilnahme schenkte der König einem Bauwerke, auf das wir Sachsen in der That stolz sein können, nämlich der Eisenbahn von Leipzig nach Dresden. Denn diese war nicht nur die erste in Sachsen, sondern die erste größere in ganz Deutschland. Als am 7. April 1839 der vollendete Bau feierlich eingeweiht wurde, gab es noch viele Leute, die den Kopf schüttelten und meinten, die acht Millionen Thaler, die die Bahn gekostet hatte, seien weggeworfenes Geld; aber wie glänzend bestätigte sich des Königs Voraussicht! Dieser ersten Bahn folgten bald immer neue, so daß jetzt unser Sachsen unter allen deutschen Staaten verhältnismäßig die meisten Eisenbahnen (2595 km) besitzt und die Lokomotive sogar in schwindelnder Höhe über die Thäler der Göltzsch und der Elster dahinbraust. — Auf dem Elbstrome entstand die Dampfschiffahrt, Handel und Gewerbe nahmen einen Aufschwung, wie er noch nie dagewesen war; die Städte wuchsen an Häuser- und Einwohnerzahl, Leipzig erhielt ein neues Universitätsgebäude, das dem König zu Ehren Augusteum heißt, und Dresden ein prächtiges Theater, das leider im Jahre 1869 durch den Brand zerstört wurde. So stand alles gut bis zu dem verhängnisvollen Jahre 1848. Da brach in Paris eine Revolution aus, und sogleich wurde dieses Beispiel auch an vielen Orten Deutschlands nachgeahmt. In Sachsen befand sich nun das Volk im allgemeinen in einem viel besseren Zustande als in den meisten anderen deutschen Staaten, aber die Aufregung wirkte auch hier ansteckend.
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Besonders lebhaft war hier wie anderwärts der Wunsch, daß die deutschen Stämme durch ein engeres und festeres Band miteinander verknüpft würden, als dies durch den Deutschen Bund geschah, damit unser Volk wieder groß und mächtig würde, wie in der alten Zeit. Auch da bewies Friedrich August seinen hochherzigen Sinn; er war einer der ersten deutschen Fürsten, welche den Erzherzog Johann von Österreich als Reichsverweser anerkannten, der die neue Reichsverfassung ordnen und einführen helfen sollte. Aber es kam anders. Die Veränderungen, die man im Staatsleben einzuführen trachtete, geschahen mit solcher Hast und Überstürzung, daß selbst das Gute keinen Bestand haben konnte: es riß Unordnung ein und zuletzt brach im Mai 1849 in Dresden die offene Empörung aus. Das waren traurige Tage für unseren König und für alle, die es mit ihrem Vaterlande aufrichtig gutmeinten. Weil ein großer Teil des sächsischen Heeres in Schleswig-Holstein gegen die Dänen focht, wo es den alten Ruhm der sächsischen Tapferkeit bewährte, rief der König die Preußen zu Hilfe, und mit ihrem Beistand wurde der Aufruhr unterdrückt. Wie wild und schrecklich sah es doch damals in unserer sonst so schönen Residenzstadt aus! Nach und nach kehrte die Ordnung und Ruhe zurück und überall zeigte sich der gute König bereit, Milde und Vergebung gegen die Verirrten zu üben. Wie groß war daher der Schmerz im ganzen Sachsenlande, als er seinen Unterthanen ganz plötzlich auf eine schreckliche Weise entrissen wurde. Er hatte im Jahre 1854 eine Reise nach Tirol unternommen, einem Lande, das er wegen seiner großartigen Natur ganz besonders lieb hatte. Dort, am 9. August, stürzte bei dem Flecken Brennbichl der Wagen um, in dem der König fuhr, und er selbst ward dabei durch den Hufschlag des einen Pferdes so heftig auf den Kopf getroffen, daß er wenige Stunden darauf verschied. Eine Kapelle bezeichnet jetzt die ünglücksftätte. In voller Kraft und Gesundheit hatte Friedrich August sein Land verlassen, und nun kehrte er als Leiche zurück! Da flössen viele Thränen, es war, als ob jetzt erst das Volk so recht empfände, was es an diesem Könige verloren habe.
30. König Johann.
Da Friedrich August, der, wie ihr in der vorigen Stunde gehört habt, seinem Volke auf so erschütternde Weise entrissen ward, keine Kinder hinterließ, so folgte ihm in der Regierung sein Bruder Johann. Der Schmerz darüber, durch ein solches Ereignis plötzlich auf den Thron berufen worden zu sein, mußte ihn um so tiefer ergreifen, je innigere Liebe und gegenseitige Achtung die beiden fürstlichen Brüder verbunden hatte. Schon seit langer Zeit war der Name unseres Königs weit und breit bekannt; denn Prinz Johann von Sachsen galt für einen der ausgezeichnetsten Gelehrten von ganz Deutschland, gewiß eine seltene*
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Erscheinung! Auf dem Landtage, an dessen Beratungen er sich aufs eifrigste beteiligte, erregte jedesmal seine tiefe Einsicht, seine gründliche Kenntnis der Gesetze die höchste Verwunderung. Darum ließ er auch seinen Söhnen, den Prinzen Albert und Georg, die sorgfältigste Erziehung geben, darum war er aber auch vor allen anderen berufen, die schweren Herrscherpflichten zu erfüllen. Mit unermüdlicher Sorgfalt und Liebe arbeitete er für die Wohlfahrt und das Glück seines Volkes. Erwägt, wie eifrig in unserem Sachsen Eisenbahnen, Dampfschiffahrt, Handel und Gewerbfleiß befördert wurden! Beherziget es, wie große Sorgfalt auf Wissenschaft und Künste, auf Schulen und auf hundert nützliche Anstalten gewendet wird! Bedenkt, daß unser Sachsen, obgleich das kleinste unter den Königreichen Europas, dennoch durch die ganze Welt hochgeachtet wird wegen seiner trefflichen Gesetze, seiner geordneten Verwaltung, wegen der Bildung, Betriebsamkeit und Tüchtigkeit seiner Bewohner, — wahrlich, ihr müßt dann die Fürsten ehren, die so ihr Volk lieben und regieren, und euch selbst glücklich preisen, daß ihr Bürger eines solchen Landes geworden seid!
Und doch hat Gottes unersorschlicher Ratschluß selten einem Fürsten so viel Schweres auferlegt wie gerade unserem König Johann. Er, der treue Vater seines Volkes, mußte von seinen eigenen Kindern einen Sohn und fünf Töchter in der Blüte ihrer Jahre begraben: er, der unermüdliche Beschützer des Rechts, mußte fein Land plötzlich in einen Krieg gestürzt sehen, der den in fünfzig Friedensjahren geschaffenen Wohlstand , ja den ganzen sächsischen Staat zu vernichten drohte. Österreich und Preußen vertrugen sich schon lange nicht mehr in dem Deutschen Bunde, der auch den Bedürfnissen und Wünschen des deutschen Volkes in keiner Weise genügte. Preußen war zu groß, um sich mit der zweiten Stelle zu begnügen, Österreich zu wenig deutsch, um die Geschicke des gesamten Vaterlandes zu leiten. Der Krieg, durch welchen beide gemeinschaftlich im Jahre 1864 den Dänen das von ihnen gemißhandelte Schleswig-Holstein entrissen, und in welchem auch ein Teil unserer sächsischen Truppen mit gen Norden zog, brachte ihren Hader zum Ausbruch. Preußen erklärte seinen Austritt aus Dem Deutschen Bunde. Da unser König sich weigerte, diesem Beispiele zu folgen, überschritten die preußischen Heere am 15. Juni 1866 die sächsische Grenze und nahmen von unserem Lande Besitz. Zu schwach, um allein den übermäßigen Feind aufzuhalten, zog sich König Johann mit seinem Heere nach Böhmen zurück, wo sich dieses unter dem Oberbefehl des Kronprinzen Albert mit den Österreichern vereinigte. Auf den böhmischen Schlachtfeldern bei Gitfchin, und namentlich in der blutigen Hauptschlacht bei Königgrätz am 3. Juli, bewährte unser Heer den alten Ruhm der sächsischen Tapferkeit, ohne dadurch die Niederlage feiner Verbündeten abwenden zu können. So mußte unser König nach dem Vorgange des besiegten Österreichs am 21 Oktober Frieden schließen, durch welchen Sachsen dem neuerrich-
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teten Norddeutschen Bunde beitrat. Das Wort, welches damals König Johann sprach, „daß er dem neuen Bunde dieselbe Treue beweisen werde wie früher dem alten," hat er redlich und fürstlich gehalten. Der Norddeutsche Bund aber ist, wie wir noch in der nächsten Stunde sehen werden, bald durch den Beitritt der süddeutschen Staaten zum Deutschen Reiche erweitert worden.
Aber freilich konnte das alles nicht geschehen, ohne daß viele und wichtige Änderungen in den Verhältnissen unseres Landes vorgenommen wurden. Gleich den übrigen deutschen Fürsten schickt nunmehr auch der König von Sachsen einen oder mehrere Vertreter in den Bundesrat nach Berlin, wenn sich dieser zur Beratung der gemeinsamen Angelegenheiten versammelt, und in dem ebenfalls zu Berlin tagenden deutschen Reichstage ist die Bevölkerung Sachsens ebenfalls durch 23 von ihr gewählte Abgeordnete vertreten. Das sächsische Heer mit dem , preußischen gleich uniformiert und bewaffnet und ansehnlich verstärkt, bildet das XII. Armeekorps des deutschen Bundesheeres: auch wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt, wonach jeder körperlich tüchtige Jüngling, sei er reich oder arm, hoch oder niedrig, dem Vaterlande Waffendienst leisten muß, während sonst der Wohlhabende sich durch Geld von dieser Pflicht loskaufen konnte. Das Post- und Telegraphenwesen, diese hochwichtigen Verkehrsanstalten, sind an das Reich übergegangen: in Leipzig wurde der erste gemeinsame deutsche Gerichtshof, das Reichsoberhandelsgericht, errichtet, von 1879 an aber ist unsere berühmte Handelsund Universitätsstadt zugleich der Sitz des Reichsgerichtes, d. h. des höchsten Gerichtshofes im ganzen Deutschen Reiche. Manche Verbesserungen erfuhr auch unsere sächsische Staatsverfassung und die Zusammensetzung unserer Ständekammern. Endlich dürfen wir nicht vergessen, daß auch unsere protestantische Landeskirche eine eigene Verfassung erhielt, durch welche in jeder Gemeinde ein Kirchenvorstand eingesetzt, die Beratung wichtigerer Angelegenheiten aber einer alle fünf Jahre zusammentretenden Synode zugewiesen wurde.
31. Der deutsch-französische Krieg. König Albert.
Wie gern hätte sich nun, nach glücklicher Beilegung des traurigen Bruderkriegs, unser Volk unter der milden und weisen Regierung seines Königs wieder der Segnungen des Friedens erfreut! Aber so wohl sollte es ihm nur kurze Zeit werden. Die Franzosen, gewohnt bei ihren Nachbarn den Meister zu spielen, solange Deutschland zerrissen, uneins und darum schwach war, konnten den Ärger über die gegen ihren Willen vollzogene Einigung der Deutschen nicht verwinden. Mit unglaublicher Leichtfertigkeit brach ihr Kaiser Napoleon HI. im Jahre 1870 die Gelegenheit zum Krieg gegen Preußen vom Zaune. Aber wie sehr hatte er sich verrechnet, indem er auf die Fortdauer der alten Zwietracht unter
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. den Deutschen rechnete! Einmütig griffen Fürsten und Völker zu den Waffen zur Verteidigung des geliebten Vaterlandes. Auch unsere Sachsen zogen voll Begeisterung über den Rhein nnd nach Frankreich hinein geführt von den Söhnen ihres Königs, dem Kronprinzen Albert und'dem Prinzen Georg, und in manchem heißen Kampfe haben siedort an der Seite ihrer Waffenbrüder den Ruhm der sächsischen Tapferkeit aufs neue bewahrt. In der blutigen Schlacht bei Gravelotte vor Metz am 18. August waren sie es, welche, im Verein mit der preußischen Garde, durch die Erstürmung des Dorfes St. Privat den Ausschlag gaben und den Sieg entschieden. 89 Offiziere und 2098 Soldaten an Toten und Verwundeten kostete ihnen dieser einzige Tag! Kronprinz Albert aber wurde vom König von Preußen durch Übertragung des Oberbefehls über eine ganze Armee die Maasarmee, geehrt; unter ihm befehligte Prinz Georg die Süchsei/ Unglaubliche und für unmöglich gehaltene Anstrengungen überwanden die braven Streiter; bei Nonart und bei Beanmont warfen sie sich den Scharen des Marschalls Mac Mahon in den Weg; bei Sedan halfen sie das ganze französische Heer umzingeln und schlagen, so daß sich der Kaiser Napoleon am 2. September mit 120000 Mann gefangen geben mußte! Dann ging's vor Paris. Umsonst verteidigte sich die feste Stadt mit dem Mute der Verzweiflung, umsonst suchten die Franzosen, nament-Iich ant 1. und 2. Dezember, durch einen furchtbaren Stoß gegen die Stellung der Sachsen in den Dörfern Brie und Champigny, den eisernen Ring, der sie umschloß, zu durchbrechen, vom Hunger bezwungen mußte die stolze Stadt den Siegern die Thore öffnen. Am 18. Januar 1871 nahm König Wilhelm von Preußen im Schlosse Versailles die ihm von den deutschen Fürsten angebotene Würde eines deutschen Kaisers an. Daheim aber wetteiferte unterdes hoch und gering, durch Liebesgaben aller Art die Beschwerden und Leiden der im Felde Stehenden zu lindern und unter Leitung der edlen Kronprinzessin Carola that der Albert-verein, was menschliche Kräfte vermögen, für die Pflege der armen Verwundeten und Kranken. Am 11. Juli hielt Kronprinz Albert, vom Kaiser zum Feldmarfchall ernannt, an der Spitze seiner siegreichen Sachsen seinen feierlichen Einzug in das festlich geschmückte Dresden und mit dankerfülltem Herzen schloß König Johann seine Heldensöhne an sein Herz.
Auch noch einen anderen hohen Festtag gewährte Gott dem König Johann; denn am 10. Dezember 1872 beging er mit seiner Gemahlin, der Königin Amalie, unter zahllosen Beweisen ungeheuchelter Liebe und Verehrung von nah und fern das goldene Ehejubiläum. Aber bald darauf fingen die Kräfte des greisen Königs an zu sinken und nach langen schweren Leiden entschlief er am 29. Oktober 1873 zu Pillnitz, tief bedauert von den Seinen und dem Volke. Auf dem Throne aber folgte ihm sein ältester Sohn, unser jetziger hochverehrter König Albert*),
*) Er ist geboren ant 23. April 1828.
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bessert Regierung bisher eine reich gesegnete gewesen ist. Denn fortwährend hat sich unter ihr der Wohlstand des Volkes vermehrt, unser Schulwesen blüht wie nie zuvor, unsere Landesnniversität zählt zu den ersten nicht bloß in Deutschland, sondern in ganz Europa, alle Künste gemessen der sorgsamsten Pflege und das herrliche Denkmal auf dem Niederwald ist aus der Hand eines sächsischen Künstlers, Johannes Schilling in Dresden, hervorgegangen, wie vorher das berühmte Lutherdenkmal zu Worms ebenfalls von einem sächsischen Meister. Ernst Rietschel, geschaffen worden ist. Eine schreckliche Gefahr wendete Gottes schützende Hand am 4. Juli 1883 von dem Haupte unseres Königs ab, als bei dem Besuche einer Fabrik zu Mylau im Vogtlande der dicht neben ihm stehende Kreishauptmann Hübel durch ein stürzendes Eisenstück augenblicks erschlagen wurde. Ein Freudenfest seltenster Art war dagegen das achthundertjährige Regierungsjubiläum des Hauses Wettin, welches das Sachsenvolk im Juni 1889 voll Begeisterung beging. So lange war es nämlich her, daß Heinrich von Eilenburg, ein Seitenverwandter dieses Hauses, von Kaiser Heinrich IV. mit der Mark Meißen belehnt wurde. So wolle denn Gott den alten ehrwürdigen Fürstenstamm weiter grünen und blühen lassen und vor allem den geliebten König Albert auch fernerhin behüten und ihm eine lange und ungetrübte Regierung verleihen!
So habt ihr denn die kurze und doch so inhaltreiche Geschichte des altehrwürdigen Sachfenlandes von frühester bis auf unsere Zeit herab gehört. Ihr habt gesehen, wie feit 18 Jahrhunderten der Name „Sachsen" von der Nordsee nach der Mittelelbe, in die Gegend von Wittenberg und von da weiter hinauf nach Meißen und Dresden gewandert ist. Ihr habt gesehen, wie dieser uralte Name nach und nach ein Herzogtum, dann ein Kurfürstentum, zuletzt ein Königreich geschmückt hat. Das Sachsenland hat in seinen blühendsten Glanzperioden und in seiner tiefsten Schmach und Erniedrigung vor euren Blicken gestanden. Unter den Sachsenfürsten sind euch viele als hochausgezeichnet und für alle Zeiten ruhmwürdig erschienen. Die Sachsenlandsbewohner haben durch alle Jahrhunderte vor vielen Deutschen sich hervorgethan durch seltenen Geistesschwung und geistige Bildung, durch erfinderischen Gewerbefleiß und rastlose industrielle Thätigkeit, durch hohe Liebe zu allen Künsten des Friedens und durch biedere Anhänglichkeit an ihr angestammtes Fürstengeschlecht. Möge denn solche Betrachtung euch laut mahnen an den Wechsel und Unbestand aller Erdenherrlichkeit eben so im großen, wie im kleinen, und täglich ermuntern und antreiben zu echt christlichen Bürgertugenden, vor allem aber auch erinnern an den, der hoch über Zeit und Wechsel in einem ewigen Lichte thront, der unablässig erhöht und erniedrigt nach seinem allweisen Wohlgefallen, und der einst alle, die in einem kleinen irdischen Vaterlande über weniges getreu waren, hinaufruft in sein großes, unbegrenztes Vaterland.
Stammtafel.
Kurf. Friedrich II. d. Sanftmütige + 1464.
Kurf. Ernst + 1486. Herzog Albrecht d. Beherzte f 1500.
1 (Sem. Sidonie Pvdiebrad.
Kurf. Friedrich III. d. Weise Kurf. Johann d. Beständige
t 1525. | t 1532. Georg d. Bärtige Heinrich d. Fromme
Kurf. Johann Friedrich d. Großmütige f 1539._______________\ \ 1541.
—1547 t 1554. Kurf. Moritz + 1552. August Kurf, f 1586.
Kurf. Christian I. f 1591.
Kurf. Christian II. f 1611. Kurf. Johann Georg I. f 1656.
Kurf. Johann Georg II. f 1680. Kurf. Johann GeorgIII. f 1691.
Kurf. Johann Georg IV. t 1694. Kurf. Friedrich August I. (1697 König v.
I Polen) f 1733.
Kurf. Friedrich August II. K. v. Polen f 1763.
Kurf. Friedrich Christian t 1764. Xaver.
Kurf. Friedrich August III., 1806 König, f 1827^ König Anton f 1836. Max f 1838.
I
König Friedrich August II. + 1854. König Johann + 1873.
König Albert Georg
Gem. Carola v. Wasa. Gem. Maria Anna, + 5. Febr. 1884.
___________________________________________________I_________________________
Mathilde. Friedrich August. Josepha. Johann Georg. Max. Albert.
Übersicht der Hauptbegebenheiten und des Hauptinhaltes.
Seite Jahreszahl
24 Das alte Volk der Sachsen wohnt an der Nordsee, Weser
und Elbe...................................................um 800.
1—4 In der Meißner Gegend wohnen um diese Zeit Sorben
und diese Gegend heißt Sorabia.
3 Die Sorben vom König Heinrich I. besiegt und ihr Land
in eine Markgrafschaft Meißen verwandelt .... 928.
4—6 200 Jahre lang unerbliche Markgrafen,Riddag,Eckard I. u.a. bis 1123.
Der mächtige Graf Wiprecht von Groitzsch.
15 Ludwig der Springer in Thüringen stirbt.
7 Konrad von Wettin, erster erblicher Markgraf. — Erste
Teilung.................................................... 1123—57.
9—10 Otto der Reiche.— Bergwerke.— Freiberg.—Messen u. s.w. TTST^O. *
15 Landgraf Ludwig der Eiserne stirbt............................ 1172.
24 Der Sachsenherzog Heinrich der Löwe in die Acht erklärt 1179.
24 Bernhard von Askanien erhält den Titel „Herzog von Sachsen" 1180.
Das Herzogtum Sachsen nun in der Wittenberger Gegend.
11 Albrecht der Stolze.............................................. 1190—95. A*
11 Landgraf Hermann in Thüringen................................. 1190.
12 Dietrich der Bedrängte............................................ 1195—1221.X
16 Landgraf Ludwig der Heilige und seine Gemahlin Elisabeth 1226.
12—14 Heinrich der Erlauchte......................................1^/^1221—88.
Er erwirbt das Pleißnerland 1230, und nach Landgraf Heinrich Raspes von Thüringen Tode erbt er auch
Thüringen............................................ 1247.
Siebenjähriger Krieg mit Sophia von Brabant .... 1256—63.,
12—19 Albrecht II. (der Entartete), erst Landgraf von Thüringen,
dann Markgraf.............................................. 1288—1314.
18 König Adolfs von Nassau Einfall............................... 1290.
— Albrechts von Österreich Einfall in Meißen.................... 1307.
— Die treuen Brüder Friedrich und Diezmann. — Mutter
Margarete. — Markgräfin Jutta.
19 Friedrich der Freidige rettet fast alle verlorenen Länder . 1312—24.
20—21 Friedrich der Ernsthafte. — Schwarzer Tod. — Judenverfolgungen ............................................................. 1324—49.
21 Friedrich der Strenge, Balthasar und Wilhelm . . . 1349—81.
Chemnitzer Teilung 1482. — Meißner Weinbau blühend.
— Chemnitzer Bleichen.
24 Das Herzogtum Sachsen an der Elbe wird ein Kurfürstentum .............................................................. 1356.
22—24 Friedrich der Streitbare..................................... 1381—1428,
Mohr, Die Geschichte von Sachsen. 9. Aufl. 6
Georg-Eckert .
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. Jahreszahl
22 Umversttät Leipzig gegründet . . ..................... 1409
23 Friedrich ist zu Anfang des Hussitenkrieges dem Risset
furchtbar . . . . . : . . . —' ™ 7 . 1414—13.
Die Mark Meißen wird mit dem Kurfürstentum Sachsen
verbunden und die Markgrafen heißen nun Kurfürsten 1423.
25 Friedrich der (Sanftmütige............................. 1428—64
25-26 Sachsen muß fürchterlich von ^en^ussiten Men 1429—31*
26 Der Kurfürst und sein Bruder, HerzogWilhelm, teilen ------------------------1
das Land.......................................................... 1445
— Daraus entsteht ein Bruderkrieg......................... 1445_^Q
27 Prinzenraub.................................................. * 1455> '
29 Neujahrsmesse 1458.— Schießpulver im Kriege angewendet.
— _ Mittagslauten.
29 32 Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht der Beherzte. — Die
Städte Schneeberg (77) und Annaberg (96) gegründet . 1464—86.
1483 erkunst in Leipzig 1480. — Luther geboren
30 Große Teilung in zwei Linien. Ernestiner und Albertiner 1485.
32 Friedrich der Weise. — Universität Wittenberg 1502 . 1486—1525.
Luthers 95 Sätze in Wittenberg................................ 1517
33 Luther in Worms und auf der Wartburg von Friedrich be-
schützt . . 1521.
— Bauernkrieg. — Münzer. — Pfeifer............................... 1525.
34 Im albertinischen Sachsen regiert der Gegner Luthers, Georg
der Bärtige................................................ 1500-39.
— Johann der Beständige. — Einführung der Reformation
in den ernestinischen Ländern..............................1525—32
Die Katechismen Luthers 1529. — Die Reichstage zu Speier 1529 und zu Augsburg 1530 und der schmal-kaldische Bund 1531.
35 Johann Friedrich der Großmütige, mehr sromm als klug 1532—47.
37 In den albertinischen Ländern herrscht von 1539 an Hein-
rich der Fromme, der die Reformation auch in
dieser Linie einführt.
— Nach zwei Jahren folgt ihm Herzog Moritz, welcher 1543
die drei Fürstenschulen gründet.
35 Luther stirbt. —In demselben Jahre schmalkaldischer
Krieg .......................................................... 1546
37 Schlacht bei Mühlberg und Wittenberger Kapitn-
lation..................................................... 1547.
37—39 Der schlaue und hochstrebende Herzog Moritz hat dem Kaiser Karl V. gegen die Schmalkaldner geholfen und erhält zum Lohne die Kurwürde und zu seinen albertinischen auch die ernestinischen Länder.
— Aus einigen wenigen Ämtern entstehen nach und nach die
sächsischen Herzogtümer.
39 40 Kurfürst Moritz führt gegen Kaiser Karl Krieg, erzwingt den Passau er Vertrag und rettet die evangelische
Freiheit........................................................ 1552.
40 Moritz stirbt bei Sievershausen........................................ 1553
42—45 August (Vater August) regiert 33 Jahre zum Heile
Sachsens ...................................................... 1553—86.
Seite
Jahreszahl
44 Härte gegen Herzog Johann Friedrich den Mittleren . . 1567.
— Kryptocalvinisten.
45 Barbara Uttmann. — Kobaltblau. — Marmor. — Perlen.
45 Christian I. und Kanzler Krell....................................... 1586.
46 Christian II. läßt sich die schöne Erbschaft von Jülich, Cleve
und Berg entgehen und behält nur den Titel . . . 1609.
47 Johann Georg I. regiert 45 Jahre..................................... 1611.
Dreißigjähriger Krieg..................................................1618—48.
48 Restitutionsedikt 1629. — Bündnis unseres Kurfürsten mit
den Schweden unter Gustav Adolf 1631. (Breitenseld und Lützen.)
50 Kötzschenbrodaer Waffenstillstand 1645. — Westfälischer
Friede.......................................................... 1648.
53 Johann Georg II. regiert prachtliebend 24 Jahre von . 1656—80.
53—54 Johann Georg III. sehr kriegsliebend von .... 1680—91.
Hilft die Türken vertreiben. — Stempelpapier.
54 Johann Georg IV. stirbt nach vierjähriger Regierung an
den Pocken . ............................................... 1694.
55—59 Friedrich August I. (der Starke) regiert 39 Jahre . . 1694—1733. 56 Er wird Katholik und König von Polen 1697.
— Der nordische Krieg mit Karl XII. — Altranstädter
Friede........................................................... 1706.
56—59 Trauriger Länderverkauf. — Silbermann. — Böttger (1710).
Zinzendorf und die Herrnhuter. — Zürner, — Schröter.
59—62 Friedrich August II. und sein Minister Brühl regieren von 1733—63. — Sachsen im elendesten Zustande.
60 Der erste und zweite schlesische Krieg 1741 u. 45. — Im
letzteren die Schlachten bei Striegau, Soor, Kesselsdorf.
61 Der dritte schlesische oder siebenjährige Krieg verwüstet
Lilienstein, Hochkirch, Maxen, Torgau, Zittau u. Dresden 1756—63.
62 Friedrich Christian, trefflicher Fürst, nur zwei Monate
Regent.
63 Prinz Xaver ist nach des Vorigen Tode fünf Jahre lang
Administrator.— Bergakademie. — Stammschäfereien.
65—71 Friedrich August III. (als König I.) fast 60 Jahre lang
Sachsens großer Wohlthäter......................................... 1768—1827.
71 Große Teuerung. — Einführung des Kassenbillets . . . 1772.
65 Einjähriger Krieg 1778. — Friedrichstädter Seminar . . 1788
66 Bauernunruhen 1790. — Zusammenkunft in Pillnitz . . 1791.
71 Erste Spinnmaschine in Sachsen. — Blitzableiter. — Schutz-
pocken.
64 Krieg gegen Frankreich. — Schlacht bei Jena .... 1806
65 Sachsen ein Königreich. — Rheinbund...................................... 1806.’
65 Herzogtum Warschau kommt an Sachsen....................................... 1807
— Krieg gegen Österreich. — Wagram......................................... 1809*
66—71 Gendarmen. — Kontinentalsystem.
49—50 Schwedenplage
1637—48.
Sachsen.
Kobryn. — Moskau. — Beresina. — Kalisch.
67-68 Das traurige Jahr 1813. — Lützen. — Bautzen. — Dresden. 68 Die Völkerschlacht bei Leipzig.................................................
65—67 Russischer Feldzug . . .
1812.
1813.
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Seite Jahreszahl
68—69 Friedrich August als Gefangener.— Fremdes Gouvernement.
69 Teilung Sachsens..................................................... 1815.
70 Forstakademie 1816. — Teuerung 1816 und 1817.
71 Reinhard. — Hahnemann. — Werner. — Tzschirner. —
v. Weber.
72 Anton regiert neun Jahre........................................... 1827—32.
— Unruhen in mehreren Städten des Landes............................... 1830.
— Prinz Friedrich August als Mitregent. —
73 Die Konstitution 4. Sept. 1831.
72—73 Schulgesetz. — Zollverein 1834. — Städteordnung.
74 Friedrich August II................................................ 1836—54.
— Eisenbahnen. — Dampfschiffe. — Augusteum. — Theater.
— Das Jahr 1848.
76 König Johann 1................................................. 1854—73.
76 Deutscher Krieg von 1866. — Der Norddeutsche Bund . 1866.
77 Der deutsch-sranzösische Krieg 1870—71. Das deutsche Reich.
— König Albert. Wetünjubiläum.................................... 1873.
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