— 215 — krönen zu lassen. Viele Städte und Schlösser aus dem Wege nahm sie mit Sturm. Einmal wurde ihr der Helm zerschmettert und sie selbst tu einen Graben gestürzt, aber ihr Heldenmut blieb unerschütterlich. Dabei ließ sich ihr rein menschliches Gefühl, ihr kindliches Wesen auch im Kriegs- getümmel nicht ersticken. Beim Anblick der vielen Leichen brach sie m Tränen aus. Ein Soldat hieb neben ihr unbarmherzig einen Engländer nieder, der um Gnade flehte. „Böser Franzose!" rief Johanna erschüttert aus. Sie sprang vom Pferd, richtete dem Verwundeten den Kopf auf. pflegte und tröstete ihn und erleichterte ihm seine Sterbestunde. So heldeu- Haft sie war, so weich und weiblich empfand sie doch. Bei der Krönung stand sie mit ihrer Fahne an der Seite des Königs. Nach der Feier um- faßte sie seine Kniee und sprach: „Edler König! Gottes Wille ist erfüllt, Orleans entsetzt, und Ihr seid in Reims gekrönt. Lasset mich nun wieder zu den Meinen ziehen!" Der König aber bewog sie durch vieles Bitten, noch länger beim Heere zu bleiben. 5. Sie erleidet als Zauberin den Flammentod. Das Gluck war ihr fortan nicht so hold wie im Anfange. Auch verlor sie ihre frühere Sicherheit. Zwar ergaben sich die meisten Städte dem Könige, und die Engländer wagten keinen entscheidenden Schlag; aber Paris belagerte Johanna vergeblich, weil der schwache König sie ohne Unterstützung ließ; und vor Compiegue siel sie, von allen verlassen, in die Hände der Bur- gunder. Diese lieferten sie den Engländern aus, welche sie einem In- qnisitionsgerichte überantworteten. Da sie als Zauberin von einem Bischof verhört werden sollte, stürzte sie sich in ihrer Angst aus ihrem hohen Ge- sängnis herab und verwundete sich bedenklich. Man brachte sie nach Roueu in einen Turm und ließ sie von gemeinen Wächtern übel behandeln. Da- zu wurde sie täglich durch peinliche Verhöre geplagt und von Spionen belauscht. Die Engländer schalten sie eine Zauberin, sie aber behauptete, uur der göttlichen Offenbarung gefolgt zu fein. Nach endloser Peinigung gab sie zu, daß die Offenbarungen ein Irrtum gewesen seien. Darauf wurde sie zu ewigem Gefängnis verurteilt und mußte geloben, nie wieder Männerkleider anzuziehen. Da man ihr aber die eigenen Kleider weg- nahm und nur ein Mauusgewaud hinlegte, .so zog sie notgedrungen dieses an. Dabei betroffen, wurde sie zur Rechenschaft gezogen. Nun loderte ihr alter Mut hoch auf. Sie beklagte ihren früheren Widerruf und be- teiterte, daß sie stets göttliche Offenbarungen gehabt habe und noch habe. Hieraus wurde sie als „rückfällige Ketzerin" zum Feuertode verurteilt und auf einem elenden Karren zum Scheiterhaufen auf den Markt geführt. Unter inbrünstigen Gebeten, die selbst Engländer zu Tränen rührten, starb sie unschuldig eines qualvollen Todes zu Rotten (1431). Noch aus den 1431 Flammen rief sie mit fester Stimme: „Meine Stimmen waren von Gott, sie haben mich nicht belogen!" Als sie oben auf dem Scheiterhausen stand und die große Menge und die große Stadt überblickte, sprach sie: „O Ronen, ich habe große Angst, daß du um meinen Tod zu leiden haben wirst." Und als die Flammen um sie emporloderten, da vergaß sie sich selbst, dachte nur an die Gefahr, der sich der Priester aussetzte, welcher sie begleitet hatte, und hieß ihn hinabsteigen. So blieb sie bis zum letzten