§ 92. Kulturzustand in neuerer Zeit. 195 Durch bett Fall von Plewna war die große Armee, welche zur Cer- itirung dieses Platzes verwendet worden war, frei geworden. Dieselbe über¬ schritt ttmt bei Schneestürmen und vernichtender Kälte den Balkan. Ein Teil der Armee Suleiman's, die Schipkaarmee, ward im Schipkapass durch General Radetzky gefangen (Januar 1878), die noch übrigen Truppen dieses türkischen Feldherrn wurden durch Gurko getrennt. Immer weiter wälzten sich die russischen Heere, bis endlich vor der türkischen Hauptstadt ein Waffenstillstand und darauffolgender Friedensvertrag (Friedensprä¬ liminarien von Konstantinopel) ihren siegreichen Waffen Ruhe gebot. Ueber die beabsichtigte Bildung eines großen bulgarischen States, die Vergrößerung von Serbien und Montenegro und andere in diesem Frieden bestimmte Punkte soll auf einem Kongress verhandelt werden. § 92. Kulturzustand iu neuerer Zeit. Inhalt; Das goldene Zeitalter der deutschen Poesie wird herbeigefürt durch Klopstock, Lessing, Wieland, Herder, Göthe, Schiller. Es gedeihen ferner Philosophie, Geschichte, Pädagogik, ganz besonders aber die Naturwissenschaften, welche die neueste Zeit beherrschen. Von den Künsten blühen-Bildnerei, Malerei, Musik. 1. Poetische Litteratur. Als das alte deutsche Reich seiner Auflösung entgegen ging, begann das goldene Zeitalter der deutschen Poesie. Die Befreiung der deutschert Litteratur vom Auslande und das ernste Streben nach Originalität fing an mit Klopstock (f 1803), der sich in seinen Hauptwerken (Messias und Oden) durch außerordentliche Gedanken¬ fülle und Erhabenheit auszeichnet. Aber erst Lessing (f 1781) stürzte vollends das Ansehen der Franzosen sowol durch seine scharfe Kritik (Laokoon und Hamburgische Dramaturgie) als durch Schaffung eines nationalen Drama's (Minna von Barnhelm, Emilia Galotti und Nathan); er ist zu¬ gleich Schöpfer der besten deutschen Prosa (Streitschriften). Wieland (f 1813) besaß einen unerschöpflichen Reichtum an Phantasie und, im Gegensatze zum Ernste Klopstock's, einen gewissen Weltsinn, einen glücklichen Witz und Humor und das Talent, die verschiedenartigsten Gegenstände in gefälliger Form darzustellen (das romantische Epos: Oberon und die Romane: Geschichte des Agathon, der Abderiten). Herder (f 1803) wirkte haupt¬ sächlich als geistvoller Kritiker, iveniger durch eigene Dichtungen (das ro¬ mantische Epos: Cid). Der Göttinger Hainbund hatte sich Verachtung des Französischen und der Frrvolität, dagegen Verehrung alles Vaterländischen zur Aufgabe gemacht und suchte diese zu lösen teils durch Weiterbildung der Richtung Klopstock's (die Gebrüder Stol- berg), teils durch Erneuerung der Volksdichtung (Bürger), teils durch Entwicklung der Sprache und Verskunst (Voß, f 1826). Die höchste Blüte erlangte unsere Nationaldichtung durch Göthe und Schiller. Göthe (1749—1832) besaß einen so umfassenden Geist, dass