74. Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst (1640—1688). 163 allein überließen, schloß dieser mit den Polen zu Wehlau einen Vertrag (1657), in dem sie ihm auch die Unabhängigkeit Preußens zusicherten. Nun kämpfte der Große Kurfürst mit den Polen gegen die Schweden. Er hatte dabei die Hoffnung, Vorpommern zu erwerben; zu¬ gleich war er sich aber auch bewußt, daß er die Ehre des ganzen deutschen Volkes in diesem Kriege verteidigte. Damals ließ er eine Schrift tier- breiten, in der es heißt: „Ehrlicher Teutscher, dein edles Vaterland war leider bei den letzten Kriegen unter dem Vorwande der Religion und der Freiheit gar zu jämmerlich zugerichtet und an Mark und Bein dermaßen ausgesogen, daß von einem corpore schier schon nichts übrig geblieben ist als das bloße Skeleton. Was sind Rhein, Elbe, Oder, Weserstrom heute anders als fremder Nationen Gefangene? Was ist unsere Freiheit und Religion mehr, als daß Fremde damit spielen? Bedenke, daß du ein Teutscher bist!" Die Hoffnung, Vorpommern zu erwerben, erfüllte sich allerdings nicht; doch wurde im Frieden zu Oliva (bei Danzig) im Jahre 1660 dem Kurfürsten der unabhängige Besitz von Preußen bestätigt. So hatte er dieses Ziel wenigstens erreicht. Während er als Kurfürst von Brandenburg unter dem Kaiser stand, hatte er als Herzog von Preußen keinen Herrn über sich. Denn Preußen gehörte nicht zum deutschen Reiche und jetzt auch nicht mehr zu Polen. Die Preußen selbst waren über diesen Wechsel der Herrschaft keineswegs erfreut; denn ihr deutsches Gefühl war unter dem polnischen Zepter erstorben; auch fürchteten sie das stramme Regiment des neuen Herrschers. Sie mußten indes nach längerem Sträuben zu Königsberg den Huldigungseid leisten. Bald söhnten sie sich völlig mit ihrer neuen Stellung aus. 4. Schlacht bei Fehrbellin (1675). Im Jahre 1672 begann Ludwig XIV. seine Raubkriege gegen Holland und am Rhein. Da griff der Kurfürst entschlossen zum Schwerte, um das befreundete Holland und das deutsche Reich zu schützen. Hätten die andern deutschen Fürsten, hätte vor allen der Kaiser selbst es so treu mit Deutschland gemeint, unserm Vaterlande wäre viel Schaden und Schande erspart worden. Aber der Kaiser kämpfte mehr zum Schein; nur in dem Kurfürsten lebte der deutsche Zorn. Ludwig XIV. erkannte das wohl, und um sich den gefährlichen Brandenburger vom Halse zu schaffen, reizte er die Schweden, von Pommern aus in die Mark einzufallen. Die Schweden hausten fürchterlich in dem unglücklichen Lande und erneuerten alle Greuel des dreißigjährigen Krieges. „Haltet aus, ich komme!" schrieb der Kurfürst, der in Franken im Winterquartiere lag, den bedrängten Seinen. Da rotteten sich die Bauern zusammen, um sich mit Dresch¬ flegeln und Heugabeln der Feinde zu erwehren. Auf ihre Fahnen schrieben sie: „Wir sind Bauern von geringem Gut und dienen unserm Kurfürsten und Herrn mit unserm Blut." Doch was vermochten sie gegen das geübte Kriegsvolk! — Endlich kam in Eilmärschen der Kurfürst heran¬ gezogen. Bei Fehrbellin (im havelländischen Luch) traf er den Feind. Er hatte aber nur 6000 Mann, lauter Reiter, während die Schweden doppelt so stark waren. Selbst Derfflinger, des Kurfürsten tapferer Feldmarschall, riet, erst noch die Ankunft des Fußvolks abzuwarten; 11*