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Versailles konnte ihr nicht behagen, da sie viel zu einfach und natürlich
erzogen war und ihre Offenheit nicht in einen Kreis paßte, wo die Ver¬
stellung herrschte. Auch ihre Ehe war unglücklich. Der Gatte, ein trauriger
Schwächling, der wohl an allen Äußerlichkeiten Gefallen fand, aber nicht
an ernster Beschäftigung, konnte sich in ihre derbe Art nicht finden. Ihr
Wesen geht am besten aus ihren Briefen hervor, die sie an die Verwandten
schrieb. So heißt es in einem:
„Ihr wist ja woll, daß ich gantz natürlich bin. Wehren mir Ewere brieffe nicht
angenehm, so würde ich ja nicht sagen, daß sie mirs sein, würde auch nicht exact
drauff antwortten, wie ich thue. Schreibt man dan nur ahn seine gutte freunde undt
verwandten umb etwas artiges undt lustiges daher zu machen? Ich meyne, es seye
viel mehr, umb zu erweißen, daß man fleysig ahn sie denckt, undt daß weillen man
nicht mündtlich ntttt ihnen reden kann, so erweist man doch den willen, sein vertrawn
zu volführen, indem man auffs papir setzt, waß der mundt nicht sagen kann; alßo
ist man lustig, müßen die brieffe lustig sein, ist man trawerig, deßgleichen, damitt
unßere freunde part nehmen können in alles waß uns betrifft." —
„Ich spreche offenhertzig undt nehme, wie man sagt, kein blat vors maul."
Vor allem hing die Fürstin treu an ihrer Heimat und bewahrte sich die deutsche
Gesinnung an dem französischen Hofe: „ich habe noch allezeit ein teutsches Hertz undt
gemühte, und Ihr thut mir allezeit einen rechten gefahlen, mir zu berichten, wie es
in der gutten ehrlichen Pfaltz zugeht."
5. Der Linfluß Frankreichs auf das übrige Europa, insbesondere
auf Deutschland. Ludwigs XIV. Lebensführung, Hofhaltung und Re¬
gierungsweise wurde von den meisten Fürstenhöfen Europas, auch Deutsch¬
lands, als Vorbild genommen. Die Fürsten strebten nach unumschränkter
Regierung, bauten prächtige Schlösser und feierten glänzende Hoffeste. Das
Französische wurde die Sprache der Gebildeten aller Länder. Französische
Sitten und Unsitten verbreiteten sich mehr und mehr auch im vornehmen
Bürgertum, und derjenige genoß das größte Ansehen, der sich in Kleidung
und Wohnung, in Sprache und Lebensart so französisch wie möglich zeigte.
Wie die Erzieher und Erzieherinnen der Prinzen und Prinzessinnen aus¬
schließlich Franzosen und Französinnen sein mußten, so mochte man ihrer
bald auch in den Bürgerhäusern nicht entbehren; wer für seine Kinder eine
eigene Französin nicht halten konnte, tat sich mit andern Familien zu¬
sammen, um eine „französische Demoiselle" zu gewinnen. Alles Französische
hatte den Vorzug und wurde überall bewundert und nachgeahmt; fran¬
zösische Luxus- und Modewaren gingen durch die ganze Welt. Damals
entstand das deutsche Volkslied:
„Sag nimmermehr:
Venediger Macht,
Augsburger Pracht,
Straßburger G'schütz,
Nürnberger Witz,
Ulmet Geld,
Sondern sage:
Frankreich regiert die Welt."