240 Die Neuzeit. Verwunderung." Es machte einen tiefen Eindruck auf Luther, als ihm beim ersten Aufschlagen die Geschichte von Samuels Berufung in die Augen fiel. (1. Sam. 3) Eifrig betete er zu Gott, es möge auch ihm dereinst ein solches Buch beschert werden. Auch körperliches Befinden mag dazu beigetragen haben, seinen Entschluß, der Welt zu entsagen, zur Reife zu bringen. Einst war er so krank, daß er an seinem Aufkommen zweifelte. Da besuchte ihn ein Freund und sprach ihm tröstlich zu: „Mein Lieber, seid getrost; ihr werdet dieses Lagers nicht sterben; unser Gott wird noch einen großen Mann aus euch machen, der viele Leute wieder trösten wird. Denn wen Gott lieb hat und daraus er etwas Seliges ziehen will, dem legt er zeitig das heilige Kreuz auf, in welcher Kreuzesschule geduldige Leute viel lernen/' Bald nachher wirkte eine andere plötzliche Todesgefahr er¬ schreckend auf ihn. Auf einer Reise zu seinen Eltern verletzte er sich nahe bei Erfurt mit einem Seitengewehr, das er nach damaliger Sitte trug, die Hauptader des Beines. Der ihn begleitende Freund lief zum Arzt, während er selbst die Wunde zudrückte. Das Bein schwoll an, und in der Todesangst rief Luther: „Maria, hilf!" In der folgenden Nacht erneuerte sich der Schrecken; die Wunde brach wieder auf, und wieder rief er Maria um Hülfe an. Er genas; aber schwermütig schlich er einher. Seinem Vater, der aus seinem Sohne gern einen berühmten Mann gemacht hätte und die Mönche haßte, mochte er sich nicht offen¬ baren. Da brachten zwei rasch auf einander folgende Ereignisse seinen Entschluß zur Reife. Durch den plötzlichen Tod eines Freundes wurde Luther aufs tiefste erschüttert. „Wie," fragte er sich, „wenn du so plötzlich abgerufen wärest?" Als er bald darauf von einem Besuche bei seinen Eltern zurückkehrte und in die Nähe der Stadt Erfurt gelangt war, brach ein Gewitter über ihn los; erschreckt zusammenbrechend, ries er: „Hilf, liebe St. Anna, ich will ein Mönch werden!" Durch dies Gelübde fühlte er sich gebunden; auch die Einsprache des Vaters hätte ihn nach seiner und der Kirche Meinung nicht vom Gelübde lösen können, deshalb fragte er ihn zuvor nicht. Er lud noch einmal feine besten Freunde zu sich; noch einmal labte er sich mit ihnen an der Musik, die er so sehr liebte. Noch versuchten sie ihn zurückzuhalten; er aber sprach: „Heut seht ihr mich, und nimmermehr!" Tags darauf gaben sie ihm 1505 mit Thränen das Geleit bis an die Pforten des Augustinerklosters zu Erfurt, das ihn, wie er meinte, für immer aufnehmen sollte. Der Vater war mit diesem Schritte seines Sohnes aus höchste unzufrieden. Wie sauer hatte er sich's werden lassen, um ihm eine gelehrte Bildung zu teil werden zu lassen, deren ein Mönch doch nicht bedurfte. Nun hatte der Sohn ihn nicht einmal gefragt! Er kündigte ihm deshalb die väterliche Liebe auf und redete ihn wieder mit Du an, während er ihn, seit derselbe Magister geworden, mit der Anrede Ihr geehrt hatte. Da verlor der Vater zwei seiner Söhne an der Pest; zugleich erhielt er die Nachricht, auch sein Sohn Martin sei dieser Krankheit zum Opfer ge¬ fallen. Auf Zureden seiner Freunde ergab er sich endlich darein, diesen Sohn, der ihm nun doch erhalten war,' in den Gott geheiligten Stand treten zu lassen.