Der deutsch-französische Krieg; 1870—1871. 375 in dieselbe geworfen, wodurch ganze Stadtteile lebhaft beunruhigt wurden, so daß die Bewohner dieselben verließen; später konnte der ganze Stadt¬ teil links von der Seine von den Bomben bestrichen werden, und an vielen Punkten wütete der dadurch erzeugte Brand. Die Bewohner flüchteten auf das rechte Seineufer, aber auch hier wurde alsbald ein ähnlicher Erfolg des Bombardements fühlbar. Die Franzosen hatten in ihren Blättern die Beschießung ihrer Hauptstadt stets als mit dem Völker¬ recht streitend bezeichnet; die Pariser Regierung erließ einen Protest gegen dieselbe, und gleichzeitig richteten die Gesandten der Schweiz und Amerikas ein Schreiben an Bismarck, in welchem sie neben Schonung ihrer Landsleute um eine minder schwere Behandlung der Pariser baten. Ihnen antwortete der deutsche Staatsmann unter anderem: „Die un¬ gewöhnliche, in der neueren Geschichte einzig dastehende Maßregel, die Hauptstadt eines großen Landes in eine Festung und ihre Umgebung mit fast drei Millionen Einwohnern in ein verschanztes Lager zu ver¬ wandeln , hat allerdings für die letzteren ungewöhnliche und sehr be¬ dauernswerte Zustände zur Folge gehabt. Dieselben sind von denen zu verantworten, welche diese Hauptstadt und ihre Umgebung zur Festung und zum Schlachtfelde gewählt haben, in jeder Festung aber von denen zu tragen, welche in einer solchen freiwillig ihren Wohnsitz nehmen und im Knege beibehalten. Keiner Nation kann gestattet werden, ihre Nach¬ barn mit Krieg zu überziehen und im Laufe desselben ihre Hauptfestung durch Bezugnahme auf die dort wohnenden unbewaffneten und neutralen Einwohner und auf die vorhandenen Hospitäler schützen zu wollen, in deren Mitte die bewaffneten Heere nach jedem Angriff ihre Deckung suchen und sich zu neuen Angriffen rüsten können." Dementsprechend wurde der artilleristische Angriff gegen Paris mit aller Kraft fortgesetzt. Als Trochu die Unmöglichkeit eines längeren Widerstandes erkannte, nahm er seine Entlassung. Unterdessen steigerte sich in Paris die Gesahr einer Hungersnot aufs höchste; die Lebensmittel reichten nur noch für einige Tage aus, und was innerhalb der einschließenden Armee zu beschaffen war, konnte eine Volksmasse von zwei Millionen Menschen kaum einen Tag ernähren. Angesichts dieser Umstände näherte man sich wieder dem Feinde auf dem Wege der Verhandlungen. Am 24. Januar erschien Favre im deutschen Hauptquartier, um über die Kapitulation zu unterhandeln, und am 28. Januar wurde zwischen ihm und Bismarck ein Waffen¬ stillstand geschlossen, nach welchem die Pariser Forts den deutschen 28.3™. Truppen eingeräumt und sämtliche Linientruppen und Mobilgarden in Paris kriegsgefangen sein sollten, bis nach 14 Tagen eine zu berufende „konstituierende Versammlung" weiter verhandeln würde. In einer besonderen Proklamation legte die Pariser Regierung die Gründe für die Kapitulation der Stadt unumwunden dar. Sie sagte darin: „Mitbürger, wir wollen Frankreich sagen, in welcher Lage und nach welchen Anstrengungen Paris unterlegen ist. Die Einschließung hat vom 16. September bis zum 26. Januar gedauert. Während dieser ganzen Zeit haben wir, abgesehen von einigen Depeschen, von der übrigen Welt abgesperrt gelebt. Die ganze männliche Bevölkerung war in Waffen, bei Tage zu den Übungen und nachts auf den