I Geschichte. 129 ist eine geheime und direkte, [Stimmzettel.] Auf 100000 Einwohner kommt immer ein Abgeordneter. Die Mitglieder des Reichstages sind Vertreter des Volkes und erhalten seit 1906 Tagegelder für die Tage, an denen sie den Sitzungen beiwohnen. Die Verhandlungen des Reichstages sind öffentlich. Zum Bundesrat gehören 58 Vertreter von 25 deutschen Staaten. Elsaß-Lothringen entsendet keine Vertreter, Preußen 17, und die andern Staaten je nach ihrer Größe einen oder mehrere. Der Bundesrat beschließt über Gesetzes¬ vorlagen, die dem Reichstage gemacht werden sollen, und über die Gesetze, die der Reichstag angenommen hat. Die Gesetzgebung des Reichstages erstreckt sich besonders auf das Reichsheer und die Marine, auf Zollwesen und Handel, auf Münzen, Maße und Gewichte, auf Rechtspflege, Post- und Telegraphen¬ wesen. Die Reichsgesetze stehen über den Gesetzen der einzelnen deutschen Staaten und werden erst dann gültig, wenn sie vom Kaiser und vom Reichs¬ kanzler unterzeichnet sind. Über die Einnahmen und Ausgaben des Reiches muß in jedem Jahre Beschluß gefaßt werden. Das deutsche Reichswappen zeigt einen einköpfigen schwarzen Adler auf goldenem Grunde. Die National¬ farben sind schwarz-weiß-rot. 8. Die Jahre des Friedens. a) Deutschland als Weltmacht. Nach dem Deutsch-Französischen Kriege erlebte Kaiser Wilhelm I. trotz seines hohen Mers noch 17 Jahre des Friedens. Sein treuer Ratgeber, der Reichskanzler Fürst Bismarck, wußte durch kluge Ver¬ handlungen jede Kriegsgefahr zu beseitigen. Es gelang ihm bald, Österreich mit dem Deutschen Reiche auszusöhnen und zwischen Österreich und Rußland, die wegen der Verhältnisse auf der Balkanhalbinsel lange Zeit uneinig gewesen waren, einen Ausgleich herbeizuführen. Durch die Zusammenkunft der drei Kaiser in Berlin wurde aller Welt bewiesen, daß Deutschland „seine Stellung im Rate der Nationen wiedergewonnen hatte". Als nach dem Russisch-Türkischen Kriege England gegen die Friedensbedingungen Einspruch erhob, brachte Bismarck 1878 den Berliner Kongreß zustande und vermittelte einen Ausgleich zwischen den europäischen Mächten. Da Rußland glaubte, es wäre beim Berliner Kongreß benachteiligt worden, fand fortan eine Annäherung zwischen Rußland und Frankreich statt. Einem Angriff beider Mächte wußte Bismarck dadurch vorzubeugen, daß er 1879 ein Bündnis mit Österreich schloß. Diesem Bunde trat 1883 auch Italien bei. So entstand der „Dreibund", der sich als ein mächtiger Hort des Friedens erwies. Alle Versuche Frankreichs, Bundesgenossen für einen Rachekrieg zu gewinnen, blieben ohne Erfolg. Trotz des Dreibundes hat Deutschland stets am meisten, auf seine eigene Kraft gebaut. Durch das neue deutsche Wehrgesetz wurde die Kriegsmacht zu Wasser und zu Lande stark vermehrt. Gute Ausrüstung und gründliche Ausbildung für den Dienst in Krieg und Frieden machten Heer und Flotte sehr gefürchtet. Die Festungen Metz und Straßburg wurden bedeutend ver¬ stärkt. Zur Sicherung der Kriegsflotte fand eine Erweiterung der Kriegshäfen Kiel und Wilhelmshaven statt. Unter dem Schutze seiner Kriegsflotte durfte es Deutschland wagen, 1884 seine erste Kolonie zu erwerben. Zuerst wurde Hirts neues Realienbuch. Geschichte. 9 dr