140 Die preußische Provinz Westfalen [6 Noch vermögen die Römer am Abend des ersten Tages ein festes Lager aufzuschlagen; am nächsten Morgen geht unter fort¬ währenden Verlusten und Kämpfen der gefährliche Zug weiter. Am Abend gelingt nochmals die Errichtung eines regelrechten Lagers. Doch es sollte das letzte Mal sein. Am Morgen des dritten Tages giebt Hermann das Zeichen zum Hauptangriff, zum Vernichtungskampf. Alle Tapferkeit der Römer ist vergebens. Bald wird Varus selbst verwundet, zwei seiner Unterfeldherren fallen, der dritte macht einen vergeblichen Ver¬ such, sich mit der Reiterei durchzuschlagen. Varus stürzt sich verzweifelnd in sein Schwert, seine drei Legionen sind vernichtet, der Rest ergiebt sich schließlich auf Gnade und Ungnade. Viele vornehme Römer fallen als Opfer an den Altären der Germanengötter; die erbeuteten Adler werden an geweihter Stelle eingegraben. — Ungeheuer war der Ein - druck, den die Unglücksbotschaft in Rom machte. Augustus selbst brach in die verzweiflungsvollen Worte aus: „Varus, Varus, gieb mir meine Legionen wieder!" Den Römern gelang es nicht, ihre Herrschaft in jenen Gegenden wieder herzustellen. Zwar gewann des Drusus tapferer Sohn Germaniens in den Jahren 14—16 auf seinen drei Zügen bis nach dem Innern Deutschlands wirk¬ liche Vorteile. Aber ehe er etwas Dauerndes erreicht hatte, wurde er abberufen und nach dem Orient gesandt. Aus dem zweiten jener Züge (15 n. Chr.) hat der junge Held auch die Stätte der Unglücksschlacht besucht. Der römische Geschichts¬ schreiber Taeitus schildert uns diesen Vorgang mit aller der Anschaulichkeit, die ihm eigen ist. Zahlreich fand man noch die bleichenden Gebeine. Einzelne Soldaten des Germaniens, die unter Varus gedient hatten und dem Verderben entronnen waren, konnten genau über den Verlauf der Unglücksschlacht berichten. Die verlorenen Adler wurden wieder ausgegraben. Schon vorher war Thusnelda, die in Segestes Hände geraten war, von diesem dem Germaniens als Gefan¬ gene überliefert worden. Sie gebar in der Gefangenschaft einen Sohn, über dessen Schicksale nur die Sage zu berichten weiß. Hermann selbst besiegte später noch den mächtigen Markomannenfürsten Marbod; aber schon im Jahre 22 fiel er selbst von Mörderhand, angeblich, weil er nach der Königsherrschaft gestrebt hatte. Doch wie dem auch sei, er hat die ehrenvollen Worte verdient, mit denen ihm Taeitus ein Denk¬ mal setzt: „UnzweifelhaftDentfchlands Befreier und ein Mann, der nicht gegen die beginnende Macht des römischen Volkes, wie andere Könige und Feldherren, sondern gegen das