— 129 — Deutsche Zeitschriften veröffentlichten die französischen Sieges¬ lieder, brachten Lobreden auf die französischen Marschälle und Staats¬ männer. Genug von diesem schweifwedelnden Gebaren eines Gelichters, das, vom Feinde geschlagen, ihn hinterdrein noch um Verachtung bat und sie dankbar in Empfang nahm. Man kann zu seiner Ent¬ schuldigung nur anführen, daß das gerade in der Hauptstadt von oben her gegebene Beispiel wahrlich kein erhebendes war. Auch fehlte es nicht ganz an Patrioten, die das Treiben der Mehrheit mit tief¬ stem Unwillen erfüllte, der sich gelegentlich auch öffentlich gegen die Französlinge richtete, trotzdem bei solchen Äußerungen große Vorsicht geboten war. Aber die Masse des damaligen Volks hat am vaterländischen Geiste schwer gesündigt. Gerecht ist die bittere Satire, mit der Heinrich von Kleist ihr Treiben gegeißelt hat. Die Krankheit war nur eine kurze, aber zu leugnen ist sie nicht. Wie hatte es dahin kommen können? Es rächte sich in dieser Zeit die Bevormundung, unter welcher Friedrich Wilhelm I. und der große König Preußen gehalten hatten. Zwar war durch dieselben Großes geleistet worden. Aber das Volk und noch mehr das Beamtentum hatten sich gewöhnt, in allen Stücken von oben her geleitet zu werden, und sie zeigten sich hilflos, als sie dieser alles durchdringenden Leitung entbehren mußten. Friedrich hatte die Politik, Kulturarbeit, Verwaltung, den Waffen¬ dienst, das Finanzwesen, ja, wenn es daraus ankam, selbst die Rechtspflege nach eigenen Gedanken geordnet; er war in seinem Staate alles gewesen, und nach seinem Tode war dieser in der Tat verwaist. Ein Krieg, wie der Siebenjährige, konnte auch nicht ohne an¬ dauernde Nachwirkung bleiben. Die besten Männer lagen auf den Schlachtfeldern begraben. Kummer, Sorge und Not hatten sieben schwere Jahre hindurch auf dem Volke gelastet, das während dieser langen Zeit in einem Zustande fortwährender höchster Erregung und Anstrengung gelebt hatte. Eine Erschlaffung der nationalen Lebens¬ kraft mußte mit Naturnotwendigkeit folgen. Unter dem milden Regiments der beiden Nachfolger Friedrichs, die mehr geben als fordern wollten, ließ das Volk sich gehen. König Friedrich Wilhelm III. zumal war stets darauf bedacht, die Lasten ö" ^rringern, den Bürger gegen Vergewaltigung und Beamten- wlllkür zu schützen und durch immer größere Sparsamkeit, nicht durch vermehrte Opfer, den Bedürfniffen der Zeit gerecht zu werden. So entwöhnte das Land sich jedes energischen Kraftaufwandes. Seine Kabinettsregierung war der Form nach eine automatische, ihrem Wesen nach abeFiewegte sie sich in einem höchst liberalen Beyer, Lesekuch zur Deutschen Geschichte, ü. o