— 17 — weißes Segel mitnehmen, um es bei der Rückkehr zum Zeichen der vollendeten Rettung aufzustecken, da man sich sonst nur eiues schwarzen bedient hatte, um damit die hoffnungslose Trauer auszudrücken. Theseus und Ariadne. Theseus kam nach Kreta, und dort, erzählt die Dichtung, gab ihm Ariadne, des Königs Tochter, deren Liebe er ge¬ wonnen, einen Knäuel, um ihm eine sichere Leitung in dem Labyrinthe zu verschaffen. Mit diesem Faden betrat er kühn die Jrrgänge, erlegte das Ungeheuer und fand sich glücklich wieder heraus. Minos entband nach dieser That die Athener von der ferneren Verpflichtung gegen ihn, und Theseus verließ Kreta wieder. Heimkehr. Ägeu§f Ende. Als sie sich nun der attischen Küste näherten, hatten Theseus uud der Steuermann das weiße Segel vergessen, und das schwarze blieb aufgesteckt, bei dessen Anblick Ägens, der mit unruhiger Neugier die Rückkunft seines Sohnes erwartete, sich von dem Vorgebirge, auf welchem er harrend stand, verzweifelnd ins Meer stürzte. Vom Volke ward Theseus mit lautem Jubel empfangen und für die große dem Staate erzeigte Wohlthat bereitwillig als König anerkannt. Theseus' Ende. Tbeseus war ein weiser Regent und gab dem Staate viele vortreffliche Gesetze. Cekrops hatte das Gebiet von Attika in zwölf verschiedenekleineOrtschaften geteilt,die allmählich unabhängig geworden waren, znweilen mit einander in Krieg lebten und dem allgemeinen Ober¬ haupte des Staates nur ein sehr beschränktes Ansehen ließen. Diesem Übel hals Theseus dadurch ab, daß alle in diesen einzelnen Ortschaften vorhandenen Obrigkeiten und Richter abgeschafft und ein gemeinschaftlicher Gerichtshof in der Hauptstadt errichtet wurde. Auch eine Einteilung aller Bürger in drei Klassen, in Edle (Wohlgeborne), denen die obrigkeitlichen Würden, die Auslegung der Gesetze und die Aufsicht über die Religion zu¬ standen, in Ackerleute und in Handwerker, wird dem Theseus zugeschrieben. — Aber so tiefgreifende Veränderungen konnten nicht zustande kommen, ohne Unzufriedenheit hervorzurufen. Die Vornehmen und Reichen bemühten sich, zn ihren alten Verhältnissen zurückzukehren. Man benutzte daher die Abwesenheit des auf kriegerische Abenteuer ausgezogenen Theseus, das Volk gegen diesen Helden zu stimmen und durch Schmeicheleien Einfluß zu gewinnen. Als Theseus nach seiner Stadt zurückkam, fand er statt des vorigen Gehorsams überall Widerstand. Da sprach er einen Fluch über Athen ans und begab sich nach der Insel Scyrus, wo er Ansprüche auf väterliche Besitzungen hatte, zu dem Könige Lykonwdes, mit dem er in Freundschaftsverhältnissen stand. Aber dieser König führte Theseus unter dem Vorwande, ihm die Ländereien zu zeigen, aus einen hohen Felsen und stürzte ihn verräterisch hinab. Die Athener ließen erst später dem The¬ seus die gebührende Gerechtigkeit widerfahren, indem sie ihn unter die Heroen ihres Landes versetzten, ihm Tempel und Altäre errichteten und seine Ge¬ beine nach Athen holten. 8. Ödipus. Die thebanischen Kriege. Ödipus' Kindheit. Um dieselbe Zeit, wo die Athener an Theseus einen Ordner ihres Staates fanden, war das benachbarte Theben der Schauplatz zerrüttender Unruhen. Hier herrschte damals der König Ödipus. Seinem Vater Lajus und seiner Mutter Jokaste verkündete ein Orakel, ihnen sei ein Sohn beschert, der einst den Vater töten würde. Sie ließen daher den ihnen gebornen Sohn Ödipus aussetzen. Aber indem sie so dem Unglück entgehen wollten, zogen sie es herbei. Ödipus, der von einem C. A. Krüger, Gesch. d. Griechen u. Römer. 2