— 28 — größeren Umbau im Jahre 1883 ein sehr bezeichnendes Stück weg¬ gefallen, das war die offene Bogenhalle, die auf der Vorderseite des untersten Stockwerkes durch das ganze Gebäude der Länge nach hinlief'. Da dieses Stockwerk etwas erhöht war, gingen auf der West- und Ost¬ seite Freitreppen zu der Bogenhalle hinauf. Die Nordseite des untersten Stockwerkes nahmen die Gewand- oder Kaufkammern ein, zu denen man von der Bogenhalle aus gelangte; das waren Räume, in denen die Kaufleute ihre Waren untergebracht hatten. Unter der Bogenhalle und den Gewandkammern lagen Gewölbe, die teils zu Gefüugnissen, teils zur Aufbewahrung von Schwefel, Salpeter und Holzkohlen zur Pulverbereitung, teils auch, und zwar die auf der Vorderseite, als Ver- kaufslädeu dienten. Von der Bogenhalle führte, wie noch jetzt, die Wendeltreppe im Turm zum zweiten Stock empor. Der ganze Raum hier bildete ursprünglich einen großen Saal, „der Räte dornzen", wo alle Sitzuugen und Verhandlungen des Rates stattfanden. Später wurden verschiedene Zimmer abgetrennt. Am westlichen Ende wurde die Regimentsstube eingerichtet, die jetzt Sitzungssaal der Stadtverordneten¬ versammlung ist. Hier wickelte« sich alle Ratsgeschäfte ab: hier saßen der Bürgermeister und die Ratsschreiber; hier stand auch der Kammer- kasten, an dem zu bestimmten Zeiten die Stadtkämmerer saßen und die Steuern von den Bürgern einnahmen. Wenn dies geschehen sollte, läutete vom Rathause die Bürgerglocke, und die Bürger sagten dann wohl zu einander: „Zieh's Hemd ans und trag's aufs Rathaus!" 2. An der Sübwestecke des Rathauses befindet sich von altersher der Roland als Wahrzeichen, daß die Stadt einen besonderen Gerichts¬ bezirk bildet; auf dem Platze vor bem Rathause würbe früher über Missethäter bas „hochnotpeinliche Halsgericht" von ben Grasen von Honstein gehalten. Der Rolanb würbe zu beit sieben Wahrzeichen ber Stabt gezählt. 3. Dem Rathause gegenüber liegt „bes Rates Weinkeller", jetzt Ratskeller genannt. Hier würbe für Rechnung bes Rates an bie Bürger Wein verkauft, ber in großen Fässern in bem geräumigen Keller unter bem Hause lagerte. 20. Erweiterung des Stadtgebietes. 1365. 1. Infolge ber zahlreichen Fehben flüchtete 1365 bas „neue Dorf" in ben Schutz ber Oberstabt. Die Gemeinbe gab ihre Selbstänbigkeit gänzlich auf unb erklärte, baß in ber Neustabt, wie nun ber Stabtteil genannt würbe, hinfort kein Rathaus unb keine Räte fein sollten, auch kein Gemeinbehaus, kein Kauf-, Wein- ober Vrothans, kein Fleisch¬ scharren noch irgertb welcher Markt fein sollte, alle Märkte sollten künftig nur in ber Oberstabt sein. In ben Rat sollten auch aus ber Neustabt jährlich brei Männer in ben sitzenben Rat gewählt werben. Die Mauern unb Gräben zwischen ber Alt- unb Neustabt sollten er¬ halten bleiben.