Krieg 1914
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für die Kleinen.
Geschichte und Geschichten des Weltkrieges
für die
= Mittelstufe der Volksschule. =
Herausgegeben von
Iof. Schiffels» Rektor.
Wittlich und Leipzig 1915 Georg Fischer
Preis 25 Pfg.
für die Kleinen.
Geschichte und Geschichten des Weltkrieges
für die
= Mittelstufe der Volksschule. =
Herausgegeben von Jos. Schifsels, Rektor.
Wittlich und Leipzig 1915 Georg Fischer
= Preis 25 Pfg. =
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1. Das Deutsche Reich und seine Bewohner.
Die Leute, die hier wohnen, sprechen deutsch. Sie sind Deutsche. Auch die übrigen Bewohner in unserm Bezirke sind deutsch. Es gibt sehr viele Deutsche. Die Deutschen bilden ein großes Volk. Das Land, in dem die meisten Deutschen wohnen, heißt Deutschland oder das Deutsche Reich. Es zählt etwa 68 Millionen Einwohner. An seiner Spitze steht der Kaiser Wilhelm II. Auch in andern Ländern wohnen viele Deutsche.
2. Deutschlands wichtigste Nachbarländer.
An den Grenzen des Deutschen Reiches liegen andere Länder. Im Osten ist das sehr große Rußland, in dem die Russen wohnen. Sie haben auch einen Kaiser. Er heißt Nikolaus. Im Südosten liegt Österreich. Auch in diesem Lande wohnen viele Deutsche. Sein alter Kaiser Franz Joseph ist ein guter Freund von unserm Kaiser. 9m Westen ist Frankreich unser größtes Nachbarland. Darin wohnen die Franzosen. Es hat keinen Kaiser und keinen König. Ein Mann aus dem Volke steht an der Spitze des Landes. Ein solches Land bildet eine Republik. Kleinere Grenzländer sind Luxemburg, Belgien und Holland. Die beiden letztem stoßen ans Meer. In diesem liegt England, das aus zwei großen und vielen kleinen Snscln besteht. Es ist nicht weit von Frankreich entfernt. England hat einen König. Er heißt Georg und ist ein Vetter unsers Kaisers.
3. Was Krieg ist.
Nachbarn sollen sich gut vertragen. Das ist aber nicht immer der Fall. Es kommt auch vor, daß sie in Streit geraten. Sie können sich dann nicht mehr leiden und beschimpfen sich wohl gar. Dann kann es geschehen, daß
einer den andern vor Gericht verklagt. Ebenso kann auch zwischen zwei Völkern ein Streit entstehen. Sie sind dann unter sich Gegner und Feinde. Der Streit kann schließlich so groß werden, daß das eine Volk seine Soldaten aufruft, um gegen das andere zu ziehen. Dann muß auch dieses sein Heer aufbieten, um sich zu wehren. Die Heere rücken gegeneinander vor, und das eine sucht das andere zu bezwingen. Es kommt zu blutigen Schlachten, in denen viele Soldaten getötet und verwundet werden. Viele werden auch gefangen und fortgeführt. Der blutige Streit zwischen mehreren Völkern heißt Krieg. Er bringt viel Unglück und Leid.
4. Wer Krieg miteinander führt.
Wie bei einem Streite, so gibt es auch jetzt im Kriege zwei Parteien. Zu der einen gehört Deutschland. Ihm hilft Österreich, das schon lange sein treuer Freund ist. Beide haben einen Bund miteinander geschlossen. Darin haben sie versprochen, sich im Falle eines Krieges gegenseitig zu helfen. Auch die Türkei hat sich uns angeschlossen. Groß ist die Zahl unserer Gegner. Dazu gehören nicht nur unsere mächtigen Nachbarn Rußland, Frankreich und England, sondern auch Japan im fernen Asien, außerdem Belgien, Serbien und andere kleinere Länder. Zuletzt kam noch Italien hinzu. Das hatte auch einen Bund mit Deutschland und Österreich geschlossen, diesen aber treulos gebrochen. Unsere Gegner haben zusammen viel mehr Soldaten als wir, und dennoch haben wir den Kampf mit ihnen ohne Furcht aufgenommen. Manche Staaten sind neutral geblieben, d. h. sie helfen keiner kriegführenden Partei und nehmen nicht am Kriege teil.
5. Bon unsern Soldaten.
Jeder gesunde und starke deutsche Jüngling ist verpflichtet, Soldat zu werden. Wer für den Militärdienst ausgehoben worden ist, kommt in eine Garnison. Dort
wird er zum Soldaten ausgebildet. Er wohnt in der Kaserne und erhält eine besondere Kleidung, die man Uniform nennt. Der Soldat lernt exerzieren, schießen, reiten und noch manches andere, was er im Kriege wissen und können muß. Nach 2 oder 3 Jahren ist er genügend ausgebildet. Dann kann er wieder nach Hause gehen. Wenn der Kaiser ihn braucht, ruft er ihn zu den Waffen.
Die Soldaten sind nicht in gleicher Weise gekleidet und bewaffnet. Deshalb unterscheidet man eine Reihe von Truppengattungen. Die meisten Soldaten, die wir zu sehen bekommen, gehören zur Infanterie. Sie kämpft zu Fuß. Zu Fuß sind auch die Pioniere. Diese bauen Wege und Brücken, sprengen Eisenbahnen und Minen, machen Gräben, werfen Handgranaten und beseitigen alles, was das Vordringen der Truppen hindern könnte. Zu Pferde ist die K a v a l l e r i e. Die Soldaten, die Kanonen und andere Geschütze mit sich führen, bilden die Artillerie. Es gibt auch Soldaten auf dem Meere, die Matrosen. Nach ihrer Uniform nennt man sie auch die blauen Jungen. Sie sind auf den bewaffneten Kriegsschiffen. Unter diesen gibt es Linienschiffe, Kreuzer, Torpedoboote und Unterseeboote. Erstere sind die größten, letztere die gefährlichsten Kriegsschiffe. Die Schiffe mit ihrer Besatzung bilden die Kriegsflotte oder Marine. Endlich gibt es auch Soldaten, die in der Luft kämpfen. Sie steigen mit einem Luftschiff oder mit Flugzeugen in die Höhe.
6. Wie die Soldaten bewaffnet sind.
Um sich im Kriege wehren zu können, müssen die Soldaten Waffen haben. Die meisten haben ein Gewehr. Damit können sie weit und sicher schießen. An der linken Seite tragen sie ein Seitengewehr, das aussieht wie ein langes Messer. Gewöhnlich ist es in der Scheide. Man kann es auch als Bajonett auf das Gewehr stecken. Bei den Reitern heißt diese Waffe Säbel. Die Kavallerie
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hat ein kurzes Gewehr, den Karabiner. Für die Verteidigung in der Nähe dient der Revolver. Sogar Messer und Spaten werden im Kriege gebraucht. Husaren und andere Reitertruppen haben spitze Lanzen. Eine furchtbare Waffe ist das Maschinengewehr. Damit können in einer einzigen Minute bis 600 Schuß abgegeben werden. Die Artillerie schießt mit Kanonen und andern Geschützen. Es werden Granaten und Schrapnells verschossen. Diese verursachen schwere und gefährliche Wunden.
7. Warum Frankreich mit uns Krieg führt.
Schon öfter hatten wir Krieg mit Frankreich. In dem Kriege von 1870/71 wurden die Franzosen überall besiegt. Sie mußten Elsaß und Lothringen, die einst deutsch waren, wieder an Deutschland abtreten. Das hat sie
geärgert. Sie wollten sich dafür rächen. Es war ihre Absicht, die Deutschen zu schlagen und ihnen Elsaß-Loth-ringen wieder abzunehmen. Deshalb haben sie ihr Heer verstärkt und die Ostgrenze ihres Landes stark befestigt. Frankreich wußte aber, daß es allein gegen Deutschland zu schwach sei. Deshalb suchte es sich Bundesgenossen. Es fand solche an England und Rußland.
8. Warum England uns bekämpft.
England hat in allen Erdteilen große und wertvolle Besitzungen. Es hat auch die größte Flotte der Welt ' und hielt sich schon lange für den alleinigen Beherrscher auf«allen Meeren. Der englische Handel erstreckt sich über die ganze Welt. England will nicht, daß andere Staaten zur See zu größerer Macht kommen. Deshalb konnte es auch nicht sehen, daß Deutschland sich Kolonien erwarb, eine immer größere Flotte bekam und ebenfalls einen ausgedehnten Welthandel trieb. Das alles erfüllte die Engländer mit Neid gegen die Deutschen. Sie trachteten danach, Deutschlands Flotte und Handel über See zu vernichten. Dann brauchten sie es nicht mehr zu fürchten.
Deshalb suchte England möglichst viele Staaten auf seine Seite zu bringen und zu Deutschlands Gegnern zu machen. Das hat es im Laufe der Zeit auch fertiggebracht. Besonders war das das Werk seines früheren Königs Eduard VII.
9. Warum Rußland unser Feind geworden ist.
Als Nachbar hat Rußland lange mit uns in Frieden und Freundschaft gelebt. Das wurde aber in den letzten 50 Jahren anders. Wenn auch Rußland mehr als 40mal so viel Land umfaßt wie Deutschland, so will es doch noch immer mehr Land haben. Vor allen Dingen möchte es seine Grenzen bis an das Weltmeer ausdehnen. Deshalb will es Konstantinopel und die Wasserstraße der Dardanellen haben. Das darf aber die Türkei, unser Verbündeter, nicht zugeben. Auch Österreich und Deutschland können nicht damit einverstanden sein. Endlich will Rußland alle Slawen beherrschen. Damit bekäme es einen Teil von Österreich und mehrere Länder der Balkanhalbinsel in seine Gewalt. Dann würde Österreich viel an Land und Leuten verlieren. Darauf kann es aber nicht eingehen. Auch Deutschland darf und will das nicht dulden. In Rußland wußte man das ganz gut. Deshalb wurde dort das Volk zu Feindschaft und Haß gegen Deutschland und Österreich aufgehetzt.
10. Wie der Krieg eigentlich anfing.
In dem südlichen Teile von Österreich und in seinem Nachbarlande Serbien wohnen hauptsächlich Slawen. Von Serbien aus suchte man seit langem die Slawen den Österreichern abwendig zu machen. Solchen Bestrebungen arbeitete besonders der österreichische Thronfolger Erzherzog ^ranz Ferdinand entgegen. Darum war er bei den serbischen Hetzern verhaßt, und man beschloß, ihn zu töten. Der schändliche Mordplan wurde ausgeführt, als der Thronfolger mit seiner Gemahlin am 28. Juni 1914
nach Serajewo kam. Als er durch die Stadt .ficht, wurde eine Bombe gegen sein Automobil geschleudert. Dieselbe verfehlte jedoch ihr Ziel. Bald darauf wurde er an einer andern Stelle nebst seiner Gemahlin erschossen.
Es stellte sich heraus, daß sogar serbische Offiziere und Staatsbeamte die Hand bei dieser abscheulichen Tat im Spiele hatten. Die Bomben der Mordbuben stammten us einem serbischen Waffenlager. Österreich durfte das schreckliche Verbrechen nicht ungesühnt lassen. Es verlangte von Serbien, die Verbrecher zu bestrafen und die Hetzereien gegen Österreich aufzugeben. Serbien wußte, daß Rußland auf seiner Seite stand und ihm im Kriege helfen werde. Deshalb kam es der Aufforderung Österreichs nicht nach. Folglich mußte ihm dieses den Krieg erklären, um die Freveltat zu bestrafen.
11. Wie Rußland den Weltkrieg entzündete.
Anfangs war nur Krieg zwischen Österreich und Serbien. Daß er bald weiter um sich griff, war hauptsächlich die Schuld Rußlands. Dieses war bereit, Serbien zu helfen, und hat alsbald einen Teil seines Heeres zu den Waffen gerufen. Unser Kaiser gab sich alle Mühe, den Frieden zu erhalten. Deshalb richtete er an den Kaiser von Rußland mehrere Depeschen. Der Zar aber hat unsern Kaiser schmählich belogen und betrogen. Er stellte sich zwar, als wolle er den Frieden; aber es war nur Schein. Man fuhr in Rußland fort, zu rüsten und Truppen nach der deutschen Grenze zu schaffen. Damit war Deutschland bedroht. Da verlangte die deutsche Regierung ernstlich von Rußland, die Kriegsvorbereitungen gegen Deutschland und Österreich sofort einzustellen. Rußland aber beachtete die deutsche Forderung nicht und gab überhaupt keine Antwort darauf. So war Deutschland genötigt, an Rußland den Krieg zu erklären.
12. Wie Frankreich zum Kriege mit uns kam.
Die deutsche Regierung hat die französische angefragt, ob sie neutral bleiben wolle, wenn es zum Kriege zwischen Rußland und Deutschland käme. Sie erhielt darauf eine ausweichende Antwort. Frankreich aber machte sofort sein ganzes Heer mobil. Bereits am nächsten Morgen (2. August) begann es ohne Kriegserklärung die Feindseligkeiten gegen uns. Französische Truppen überschritten die deutsche Grenze, und französische Flieger kamen herüber nach Deutschland, wo sie an mehreren Stellen Bomben warfen.
13. Englands Vorwand zum Kriege.
Am den Franzosen möglichst rasch entgegenzutreten, mußten die Deutschen durch Belgien ziehen. Unsere Regierung ersuchte die belgische, das zu gestatten. Zugleich versprach sie, jeden verursachten Schaden zu ersehen. Belgien aber lehnte die Forderung der deutschen Negierung ab; denn es war im geheimen längst schon auf die Seite Englands und Frankreichs getreten. Deshalb mußten die Deutschen den Durchmarsch durch Belgien mit Gewalt erzwingen. Da erklärte auch England an Deutschland den Krieg. Es gab vor, die Unverletzlichkeit Belgiens schützen zu müssen. Das war aber nur eine heuchlerische Ausrede; denn Belgien hatte sich bereits unseren Feinden angeschlossen.
14. Unser Kaiser über die Schuld am Kriege.
Deutschland ist an dem schrecklichen Kriege nicht schuld. Es wollte und brauchte keinen Krieg. Unser Kaiser war stets entschlossen, mit jedermann Frieden zu halten. Mehr als einmal hat seine Friedensliebe den Ausbruch eines drohenden Krieges verhindert. Englands Neid, Frankreichs Nachgier und Rußlands Haß und Herrschsucht haben den Weltkrieg verursacht. Deshalb konnte unser Kaiser auch mit Recht sagen: „Neider überall zwingen
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uns zu gerechter Verteidigung. Man drückt uns das Schwert in die Hand." „Die Feindseligkeit, die im Osten und im Westen seit langer Zeit um sich gegriffen hat, ist nun zu hellen Flammen aufgelodert. In aufgedrängter Notwehr, mit reinem Gewissen und reiner Hand ergreifen wir das Schwert." „Die Gegner neiden uns den Erfolg unserer Arbeit." „Vor Gott und der Geschichte ist Mein Gewissen rein: Ich habe den Krieg nicht gewollt."
15. Als unsere Krieger auszogen.
Am 1. August 1914 rief der Kaiser das deutsche Heer zu den Waffen. Der 2. August war der erste Mobilmachungstag. Tausende von Jünglingen und Männern folgten sofort dem Rufe des Kaisers. Jeder wußte, wann und wo er sich zu stellen hatte. Mit Begeisterung und Zuversicht zogen unsere Krieger aus. Die Eisenbahnen hatten viel zu tun. Längere Zeit beförderten sie nur Militärpersonen. Unaufhaltsam rollten die dichtbesetzten Züge dahin. An den Bahnhöfen herrschte ein reges Leben. Nirgends kam ein ernster Unfall vor. In den Garnisonen wurden die Truppen eingekleidet. Dann ging es in feldgrauer Uniform weiter nach der Grenze. Die Züge waren meist geschmückt und mit allerlei Inschriften versehen. Da konnte man lesen: „Nach Frankreich." „Eilzug nach Paris." „Expreßzug nach Brüssel." „Geschäftseröffnung. Französische Rothosen werden gebügelt." „O Nikolaus, wie wird's dir gehen!" „Zum Schützenfest nach Petersburg." „Nun wollen wir sie dreschen." „Hier werden noch Kriegserklärungen angenommen." „Franzosen, Russen, Serben, alle müssen sterben." „Jeder Schuß ein Rufs', jeder Stoß ein Franzos', jeder Tritt ein Brit\" Überall hörte man begeisterte Lieder. Die ausziehenden Truppen fangen mit Vorliebe die Wacht am Rhein, Deutschland über alles und das Lied „Ich hatt' einen Kameraden" mit dem Zusätze: „In der Heimat, da gibt's ein Wiedersehen."
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16. Auch die Freiwilligen kamen.
Dem Rufe des Kaisers folgten auch viele, die zum Kriegsdienst nicht verpflichtet waren. Teils waren sie noch nicht 20 Jahre alt, teils waren sie früher nicht zum Militär ausgehoben worden. Selbst solche von mehr als 50 und 60 Jahren drängten sich zu den Waffen. Die Freiwilligen kamen von den Hochschulen und Lehranstalten, aus den Schreibstuben und Fabriken, vom Pfluge und aus den Kaufläden und Werkstätten. In hellen Haufen strömten sie herbei. Sie waren bereit, alles, selbst das Leben, für das Vaterland hinzugeben. Es war ihnen gar nicht recht, wenn sie wegen Antauglichkeit oder als überzählig abgewiesen werden mußten. Viele meldeten sich dann wieder bei anderen Truppenteilen und gaben sich nicht eher zufrieden, bis sie eingestellt waren. Rasch wurden sie ausgebildet, und dann ging es ins Feld. Ihre Zahl war sehr groß. Es waren gewiß nicht viel weniger als 2 Millionen. Schon mancher von ihnen hat dem Vaterlande sein junges Leben zum Opfer gebracht.
17. Zu schmale Brust.
Als im Anfang des Krieges so viele deutsche Jünglinge und Männer sich freiwillig zu den Waffen drängten, meldete sich auch ein junger Student. Der Arzt, der ihn untersuchte, sagte zu ihm: „Deine Brust ist viel zu schmal; wir können dich nicht brauchen." Der Student aber wollte sich nicht abweisen lassen und sprach: „Für eine Kugel und so Gott es will, für ein Eisernes Kreuz, ist sie breit genug."
18. Er hat sein Pferd gleich mitgebracht.
In Ludwigslust in Mecklenburg erschien ein junger Mann aus der Umgegend, um sich auch als Freiwilliger anzumelden. Auf der Türe des Regimentszimmers war bekanntgemacht, daß Freiwillige nicht mehr eingestellt würden. Trotzdem ließ er sich nicht zurückhalten und ging
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hinein. Hier trug er seinen Wunsch vor. Da sagte man ihm: „Das Regiment ist vollständige und wir haben auch kein Pferd mehr zur Verfügung." Der junge Mann aber wiederholte seinen Wunsch und fügte hinzu: „Ein Pferd habe ich gleich mitgebracht." Da wurde er'angenommen und sofort eingekleidet.
19. Mit Gott in den Krieg.
Unser Kaiser wollte nicht ohne Gott ins Feld ziehen. Er weiß, daß dessen Hilfe alles vermag. Deshalb hat er schon am 31. Juli 1914 abends 2>er Volksmenge, die sich vor dem Königlichen Schlosse versammelt hatte, zugerufen: „Jetzt gehet in die Kirche, kniet nieder vor Gott und bittet ihn um Hilfe für unser braves Heer." Nach einigen Tagen forderte er das deutsche Volk auf, mit ihm einen allgemeinen Bettag zu halten. Er fand am 5. August statt. Überall waren die Kirchen an diesem Tage überfüllt. Heiße Gebete stiegen zum Himmel, damit Gott unsere Krieger beschütze und die deutschen Waffen segne. In einem Aufrufe an das Volk sagte der Kaiser: „Vorwärts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit den Vätern war." Den Erlaß an das Heer schloß er mit den Worten: „Gott helfe uns!" Einem Pater gegenüber erklärte er: „Wir haben dort oben einen Verbündeten, der uns nicht verlassen wird."
20. Kriegsopfer einer Arbeiterin.
Ein Pfarrer hielt in Düsseldorf einen Vortrag. Die Zuhörer mußten 20 Pfennig Eintritt bezahlen. Das Geld war für verwundete Soldaten bestimmt. Auch eine Arbeiterin erschien zu dem Vortrage. Sie zahlte wie jeder andere 20 Pfennig und legte dann unbemerkt auch noch einen zusammengefalteten Briefumschlag auf den Teller. Darauf ging sie in den Saal hinein und war bald unter der Menge verschwunden. Auf dem Briefumschlag stand geschrieben: „Für unsere Krieger. Eiue Arbeiterin."
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Dann lagen ein 50-Markschem, zwei 20-Markscheine und zwei 5-Markscheme. Das waren zusammen hundert Mark. Durch lange und angestrengte Arbeit hat sie dieses Geld verdient. Aber sie wollte weder gekannt, noch genannt sein, und so weiß niemand, wer das große Kriegsopfer gebracht hat.
21. Spende eines kleinen Knaben.
Durch die Friedrichstraße in Berlin schritt ein kleiner barfüßiger Knabe. Er mochte wohl 10 Jahre alt sein' Auf einmal bemerkte er an einem Hause die Aufschrift: „Sammelstelle." Schüchtern trat er ein und fragte, ob auch Geld für die verwundeten Soldaten angenommen wurde. Als seine Frage bejaht wurde, griff er in die Tasche und legte 95 Pfennig auf den Tisch. Diese hatte er für Botengänge verdient und nun zum Besten der verwundeten Soldaten gerne hingegeben.
22. Kriegsspende einer Greisin.
., ^ähe von Potsdam lebte in der sog. Wald-
schenke eine 81jährige Frau. Trotz ihres hohen Alters gmg sie im Herbst 1914 fast täglich in den Wald und sammelte Eicheln. Sie brachte 40 Zentner zusammen
Snu 1 5 varE bafür’ Das Geld gab sie her, um
Wollsachen für die Krieger zu kaufen. Diese edle Tat belohnte die Kaiserin durch ein Geschenk und ein Dankschreiben.
23. Wie Lüttich genommen wurde.
Am 4. August 1914 rückten die ersten deutschen Truppen in Belgien ein. Ihr weiteres Vordringen sollte durch die Festung Lüttich aufgehalten werden. Sie war mit sehr stark gebauten Forts (Befestigungen) umgeben. Diese waren mit schweren Geschützen ausgestattet und durch ®ro.bren; Drahthindernisse und Wolfsgruben geschützt. Wohl em Viertel der belgischen Armee lag in der Festung.
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Allgemein glaubte man, sie könne einem Angriff lange widerstehen. Das war aber nicht der Fall. Bereits am 6. August war eine kühne deutsche Truppenabteilung in die Stadt eingedrungen. Sie hat den Kommandanten der Festung beinahe gefangengenommen. Stärkere deutsche Streitkräfte unter dem General von Emmich begannen am Abend desselben Tages den Sturm. Das Feuer dauerte bis zum andern Vormittag. Unsere schweren Geschütze, darunter die sog. Brummer, verwandelten die Forts in kurzer Zeit in Trümmerhaufen, unter denen die Besatzung begraben wurde. Bereits am 7. August kam Lüttich in deutschen Besitz. Dieser erste große Waffenerfolg rief überall Jubel und Bewunderung hervor.
24. Wie Heinemann seine Kameraden rettete.
Es war vor Lüttich. Die Festungsartillerie schleuderte schwere Granaten nach den Deutschen. Eine fiel mit dumpfem Schlag mitten in eine deutsche Batterie, jedoch ohne gleich zu platzen. Nach allen Seiten spritzte der Sand hoch empor. Jeden Augenblick konnte das gefährliche Geschoß krepieren und die ganze Batterie vernichten. Da dachte der Unteroffizier Hans Heinemann bei sich: „Lieber einer als alle." Rasch schleppte er das Geschoß aus der Batterie hinaus und warf es dann von sich. Wohl wußte er, daß er in Gefahr war, von der Granate zerrissen zu werden; doch er wollte wenigstens das Leben seiner Kameraden retten. Aber er hatte Glück,- nur ein Splitter der Granate traf ihn, als er schnell zur Seite gesprungen war, in den Fuß. Allein er achtete die Wunde nicht. Er stürmte mit nach Lüttich hinein und nahm da noch drei Stunden am Kampfe teil.
25. Heimtückische Kriegführung des belgischen Volkes.
Der Durchmarsch durch Belgien wurde unsern Truppen sehr schwer gemacht. Zunächst leisteten die feindlichen Soldaten hartnäckig Widerstand; aber auch die
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deutschfeindliche Zivilbevölkerung griff in den Kampf ein. Sie war in vielen Orten bewaffnet und schoß aus Kellern, Fenstern und Dachluken, hinter Büschen, Hecken, Zäunen und Bäumen in blinder Wut auf die Deutschen. Selbst Frauen und Kinder nahmen an solchen hinterlistigen Kämpfen teil. Unsere Soldaten waren kaum noch des Lebens sicher. Nachts wurden sie manchmal hinterrücks überfallen und umgebracht. Selbst Krankenträger und Ärzte wurden von den bewaffneten Bürgern (den Franktireurs _ [franktirör]) nicht geschont. Wege und Straßen haben sie durch dicke Bäume gesperrt und Brücken gesprengt, um den deutschen Bormarsch aufzuhalten. Das gelang ihnen aber nicht. Das verblendete Volk mußte seine Freveltaten schwer büßen. Biele dieser heimtückischen Kämpfer wurden ertappt und erschossen; ihre Häuser und Ortschaften hat man zur Strafe zerstört.
26. Antwerpens Fall.
Die größte Stadt in Belgien ist die Hafen- und Handelsstadt Antwerpen. Sie ist mit einer doppelten ^eihe starker Forts umgeben. Als eine der größten Festungen der Welt galt sie für uneinnehmbar. Der größte Teil der belgischen Truppen hatte sich dahin zurückgezogen. Auch englische Soldaten nahmen an der Verteidigung teil. Zum weiteren Schuhe der Festung waren weite Strecken in ihrer Umgebung unter Wasser gesetzt worden. Doch das half auch nichts. Immer näher rückten die Deutschen heran. Sie fingen an, die Forts zu beschießen. Dann kam die Stadt selbst an die Reihe. Viele Bewohner flüchteten über die nahe Grenze nach Holland. Auch das Besatzungsheer machte sich aus dem Staube. Bereits am 9. Oktober konnten die Deutschen in die Stadt einziehen.
27. Das Rote Kreuz.
Das Note Kreuz ist ein großer Verein, der vor allem die Leiden des Krieges zu lindern sucht. Sein Abzeichen
— leist ein rotes Kreuz auf weißem Felde. Dieses Zeichen tragen nicht nur die Personen, sondern auch die Gebäude, Plätze und Gegenstände, die im Dienste jenes Vereines stehen. Sie dürfen im Kriege nicht beschossen werden, wenn sie das rote Kreuz tragen. Doch unsere Feinde stören sich nicht immer daran. Die Mitglieder des Noten Kreuzes helfen die Verwundeten aufsuchen, verbinden und verpflegen. Namentlich in den Lazaretten sind sie tätig. Auch sammeln sie Liebesgaben aller Art und schicken sie ins Feld. Durchziehenden Truppen reichen sie Erfrischungen. Im Frieden unterstützt der Verein arme und hilfsbedürftige Familien.
28. Stiefelwichsen fürs Rote Kreuz.
Eine Beamtenwitwe hatte in ihrem Hause ein kleines Pensionat eingerichtet. Bei ihr wohnten 10 bis 12 junge Damen. Jeden Morgen kam ein Hausbursche, um ihnen die Schuhe zu wichsen. Dafür bekam er wöchentlich 5 Mark. Als er zum Militär eingezogen worden war, übernahm der 14jährige Sohn der Witwe freiwillig die Arbeit gegen dieselbe Vergütung. Er stand nun morgens eine Stunde früher auf wie sonst und brachte die Schuhe in Ordnung. Auch noch andere kleine Dienste leistete er. Das trug ihm öfters eine klingende Belohnung ein. Alles Geld, das er für seine Dienstleistungen erhielt, übergab er auf Heller und Pfennig dem Noten Kreuz. So war es ihm möglich, auch etwas für die tapfern Krieger zu tun.
29. Das Opfer eines Dienstmädchens.
Ein älteres Dienstmädchen in Köln hatte 2100 Mark auf der Sparkasse. Eines Tages brachte es sein Sparkassenbuch zum Oberbürgermeister mit der Bitte, die Ersparnisse ihres arbeitsreichen Lebens für die Kriegssammlung anzunehmen. Der Oberbürgermeister wies das brave Mädchen daraus hin, daß es doch auch an die Zukunft und an sein Alter denken möge. Das Mädchen aber er-
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widerte: „Ich habe ein Gelübde gemacht für den Fall, daß Gott unsere Waffen siegreich mache. Da das nun geschehen ist, fühle ich mich verpflichtet, diesen Betrag herzugeben." Seinen Namen aber wollte es nicht genannt haben.
30. Schützengräben.
Um sich vor dem Gegner zu schützen, graben sich die Soldaten vielfach in den Boden ein. Sie machen sich feste Stellungen, die man gewöhnlich Schützengräben nennt. Oft kommen sich die Schützengräben der beiden Gegner sehr nahe. In der Negel liegen mehrere Gräben hintereinander. Sie sind so tief, daß die Soldaten nicht darüber hinausragen. Auf die vordere Kante wird das Gewehr aufgelegt, das in einer Schießscharte steckt. Es ist auch dafür gesorgt, daß der rechte Arm beim Schießen aufliegen kann. Die Stelle, an welcher der Soldat beim Feuern steht, heißt S ch i e ß st a n d. In einem Schützengraben sind deren viele nebeneinander. Meistens sind die Gräben gebogen und winkelig. Damit sie nicht von der Seite beschossen werden können, sind sie durch rückwärts laufende Erdpfeiler unterbrochen. Ilm diese führt der Graben in einem Bogen herum. Damit die Soldaten in dem Schützengraben wohnen können, haben sie sich Höhlen in die Grabenwand gemacht, die man Unter st ände nennt. Manche gleichen unterirdischen Wohnungen und sind sogar mit Decken, Bänken, Tischen, Türen u. dgl. versehen. Die einzelnen Schützengräben stehen durch V e r -bindungs- oder Laufgräben in Verbindung, durch die man aus einem Graben in den andern gelangen kann. In den Laufgräben, die gleich den Schützengräben unkenntlich gemacht und meist zugedeckt sind, gibt es auch Fernsprechstellen und Verbandräume. Telephonleitungen führen dadurch. Vor dem vorderen Graben ist das Gelände mit Drahthindernissen und Wolfsgruben versehen. Das Leben im Schützengraben ist sehr
Jos. Schiffel», Kriegserzählungen. 2
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anstrengend. Es ist schwer, einen solchen Graben zu erobern. Namentlich im Westen hat man auf der ganzen Schlachtlinie Schützengräben angelegt. Deshalb spielt sich der Krieg dort schon lange fast an derselben Stelle ab.
31. Weitere -Rümpfe im Westen.
( 3u Anfang des Krieges waren die Franzosen in Elsaß und Lothringen eingebrochen,- aber sie wurden überall zurückgeschlagen, so bei Mülhausen, bei Lagarde und bei Saarburg. In raschen Schlägen wurde der Feind auch aus Belgien vertrieben und von den deutschen Armeen hart verfolgt. Diese folgten ihm nach Frankreich hinein und besiegten ihn wiederholt. Unaufhaltsam ging es weiter, und die Spitze des rechten deutschen Flügels war nicht mehr weit von Paris. Als aber an Zahl weit überlegene feindliche Streitkräfte den rechten Teil unserer Schlachtlinie zu umzingeln drohten, wurde dieser zurückgenommen und die deutsche Front überall gleichmäßig zurückgelegt. Auf der ganzen Linie schufen sich die Deutschen befestigte Stellungen. Es begann der Stellungskrieg. Die Franzosen und Engländer haben oft und an verschiedenen Stellen (so bei Bpern, bei Arras, in der Champagne, im Argonnerwalde und in den Vogesen) versucht, unsere starken Stellungen zu durchbrechen. Das ist ihnen aber trotz großer Anstrengungen und Opfer nicht gelungen.
32. Auch die Jungen taten begeistert ihre Schuldigkeit.
Westlich von L a n g e m a r ck (in Flandern) hatte der Feind eine starke Stellung. Gegen diese stürmten neue Regimenter an. Sie bestanden zum größten Teile aus jungen Leuten, die erst vor einigen Monaten freiwillig dem Rufe des Kaisers zu den Waffen gefolgt waren. Sie wollten an Mut und Ausdauer hinter den alten Mannschaften nicht zurückstehen. Das mörderische Feuer des Gegners nicht achtend, drangen sie vor. :c3hr Weg bedeckte sich mit Leichen, aber.auch die Ernte-des Todes erschütterte die Tapferen nicht. Unter dem Gesang
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„Deutschland, Deutschland über alles" drangen sie unwiderstehlich vor bis an die feindlichen Reihen, und mit einem Hurra ging es in diese hinein. Einem solchen Heldenmute konnte der Feind nicht standhalten. Etwa 2000 Mann wurden gefangen und 6 Maschinengewehre erbeutet.
33. Der deutsche Kronprinz als Heerführer.
Kronprinz Wilhelm hat eine gute militärische Schule durchgemacht und gleich seinem Vater den Militärdienst durch und durch kennen gelernt. So war er befähigt, im Weltkriege eine führende Stellung zu bekleiden. Er wurde zum Anführer der 5. deutschen Armee im Westen ernannt. Diese rückte durch Luxemburg nach Frankreich vor. Nahe an der französischen Grenze liegt die Festung L o n g w y. Diese wurde eingeschlossen und unter Feuer genommen. Aus der Gegend der starken Festung Verdun (werdöng) rückten die Franzosen heran. Sie wurden wiederholt geschlagen. Am 26. August 1914 ergab sich Longwy nach tapferer Verteidigung. Dann sehte die Armee des Kronprinzen ihren Vormarsch gegen die Maas fort, die nach erfolgreichen Kämpfen überschritten wurde. Die vom Feinde zerstörten Brücken wurden wiederhergestellt. Von Verdun aus suchte der Feind Widerstand zu leisten,-er wurde aber von der Armee des Kronprinzen zurückgeworfen. Am 2. September traf der Kaiser bei ihr ein. Während der Nacht verblieb er inmitten der Truppen. Später begann für die 5. Armee der schwierige Stellungskrieg im Argonnerwalde, wo sie ebenfalls bedeutende Erfolge aufzuweisen hatte. Der Kronprinz ist bei seinen Soldaten sehr beliebt. Wie ein Vater sorgt er für sie. 3et>em hat er eine Pfeife mit seinem Bildni^geschenkt.
34. Prinz Eitel Friedrich als Tambour.
An den letzten Augusttagen 1914 fanden bei S t. Quentin (ßängkangtäng) heiße Kämpfe statt,
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in denen sich der Prinz Eitel Friedrich besonders auszeichnete. Beim letzten entscheidenden Sturm ergriff er die Trommel eines gefallenen Tambours. Er schlug sie selbst und rief den Soldaten zu: „Vorwärts, Kameraden, vorwärts!" Das gab frischen Mut, und wie ein Donnerwetter stürzten sich die deutschen Soldaten auf den Feind, der gründlich geschlagen wurde.
35. Nicht trauern, sondern handeln.
Der Anführer der deutschen Truppen, die in den ersten Kriegswochen die Franzosen in Lothringen so glänzend schlugen, ist der Kronprinz Nupprecht von Bayern. Während er als Held im Dienste des Vaterlandes stand, suchte sich der grausame Tod aus seiner Familie ein Opfer aus. Sein ältester Sohn, Luitpold, der Stolz und die Hoffnung des bayerischen Volkes, wurde am 27. August durch eine tückische Halskrankheit hingerafft. Wie schwer war das für den Vater, wie schmerzlich, daß er den toten Sohn nicht zur letzten Ruhe geleiten konnte! Er hielt treu auf seinem Posten aus und gab allen ein Beispiel von Charakterstärke und Pflichtbewußtsein. In einem Briefe an seinen königlichen Vater sagte er: „Die Pflicht heischt handeln, nicht trauern."
36. Eine standhafte Frau.
Eine junge Frau hatte lange nichts mehr von ihrem Manne gehört. Sie wußte nicht einmal, auf welchem Kriegsschauplätze er war. Als sie eines Abends ihr kleines Kind zu Bett brachte, trat ein Bekannter herein, der zu ihr sagte: „Sie sind wohl jetzt sehr bekümmert und voll banger Sorge?" Da antwortete sie: „Mein Mann steht, wo er steht, als ein deutscher Mann und zittert nicht. Darum erwartet er von seiner Frau, die daheim bleibt, daß auch sie weder zagt, noch zittert."
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37. Warum sich ein Bayer nicht freuen will.
In einem Krankenhause zu Saarbrücken lagen mehrere Bayern, die bei Lagarde verwundet worden waren. Eines Tages brachte man die Nachricht von einem neuen Siege der Deutschen. Mit großer Freude wurde sie aufgenommen. Nur ein Bayer blieb dabei ruhig und ernst. Da fragte man ihn: „Nun, freuen Sie sich denn nicht über den Sieg?" Er gab zur Antwort: „Wie kann ich mich denn freuen, wenn ich nicht dabei bin?"
38. Wir gehen nicht zurück.
Ein verwundeter Feldwebel sollte in einem Frankfurter Lazarett operiert werden. Der Arzt mußte ihn hierzu betäuben. Währenddessen sollte unser Feldwebel von 200 ab rückwärts zählen. Er begann: 200, 199, 198 und kam so weiter bis 188. Dann aber zählte er wieder: 188, 189, 190. Da sagte der Arzt zu ihm: „Nicht vorwärts zählen, Sie sollen doch zurückgehen." Da rief der erst halbbetäubte Kranke, als sei er mitten in der Schlacht: „Was? Zurückgehen? Wir gehen nicht zurück, wir gehen immer nur vorwärts."
39. Jeder tue seine Pflicht.
Eine Kirche in Feindesland war als Lazarett eingerichtet. Es sollte eine Operation darin stattfinden. Plötzlich schlug eine Granate in die Kirche ein. Ein Teil der Leute, die dabei helfen sollten, suchte sich durch rasche Flucht zu retten. „Hier wird operiert", rief kaltblütig der Arzt. „Jeder bleibt auf seinem Posten", sehte sein Gehilfe nachdrücklich hinzu. Sofort kamen die Flüchtenden zuruck, und jeder begab sich an seinen Posten. Es wurde weitergearbeitet, als ob nichts geschehen wäre. Endlich war die Operation glücklich beendet. Da wachte der Kranke auf und sagte leise und befriedigt: „Wie gut habe ich jetzt geschlafen!" ♦
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40. Erst melden» dann sterben.
Der Stab eines Bataillons hatte seinen Sitz in einem zerschossenen Hause. Durch ein Telephon verständigte sich der Befehlshaber mit seinem Bataillon. Auf einmal versagte es; die Leitung war unterbrochen. Sofort machte sich ein junger Telephonist, ein Kriegsfreiwilliger, auf, um den Schaden auszubessern. Nach einer Viertelstunde war der Fernsprecher wieder in Ordnung. Bald darauf brachte man den Telephonisten schwerverwundet daher. Eine Granate hatte ihm den Leib aufgerissen, und er war dem Tode nahe. Noch einmal schaute er den Major an und meldete vorschriftsmäßig: „Leitung wieder hergestellt." Dann starb er. Ein alter Landsturmmann, der dabei stand, sagte: „So ist es recht: erst melden und dann sterben."
41. Ich hatt' einen Kameraden.
Ein tapferer bayerischer Leutnant hatte einen treuen und anhänglichen Burschen. Der hieß Sepp. Was er seinem Herrn nur an den Augen absehen konnte, das tat er. Selbst im Kugelregen blieb er stets an dessen Seite. Sepp konnte sehr schön Mundharmonika spielen und bereitete so den Soldaten manche frohe Stunde. Eines Tages sagte der Leutnant zu ihm: „Sepp, wenn ich einmal fallen sollte, so blase mir das Grablied." An der $ser fand der junge Leutnant bald darauf den Heldentod. In einem kleinen Garten wurde der Held begraben. Da setzte sich Sepp an das Grab und spielte das bekannte Soldatenlied „Ich hatt' einen Kameraden" mit dem Zusatz: „Die Vöglein im Walde." Er blies es immer wieder von neuem bis zum Abend und wollte sich gar nicht vom Grabe trennen. Zuletzt mußte er mit Gewalt fortgeholt werden, damit er nicht in Feindeshand falle; denn die Engländer waren im Anzug. Seit jenem Tage aber blies Sepp keinen Ton mehr. Er hatte seine Harmonika aus Gram ins Wasser geworfen.
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42. Feindesliebe.
. Nach den Kämpfen bei Soissons (ßoaßong) lag ein englischer Soldat schwer verwundet auf dem Schlacbt-feföe. Ein deutscher Infanterist kniete neben ihm und suchte ihm zu helfen. Er beugte (ich über ihn und hielt chm seine Wasserflasche an die Lippen. Der Engländer hatte hohes Fieber und redete irre. Einmal über das andere rief er: „Mutter, bist du da?" Der Deutsche schien ihn zu verstehen und suchte ihn zu beruhigen. Er strich dem armen Verwundeten sanft mit der Hand über die glühende Stirne und liebkoste ihn so zart, wie eine Mutter es nicht besser gekonnt hätte. Bald erlöste der Tod den Verwundeten von seinen Schmerzen. Aber den Tod des feindlichen Soldaten war der Deutsche so gerührt, daß sich feine Augen mit Tränen füllten.
43. Liebesdienst eines französischen Offiziers.
.. . Zwischen zwei Schützengräben war oon einem nächt-,lm November 1914 ein verwundeter deu scher Soldat liegen geblieben. Einer seiner Kameraden wollte ,bn holen, aber eine französische Kugel streckte ihn
w o: 9 •/!" französischer Offizier sofort den Be-
^ «^b-uer einstellen I" Er selbst eilte, trotzdem ihn eine teutsche Kugel gefressen hatte, zu dem Verwundeten hin Dann hob er ihn aus, stützte ihn und führte ihn bis zu der, öeu sehen Gräben, wo er ihn behutsam aus einem Erdhugel niedersetzte. Diese edle Tat hatte die Gewehre aus beiden Selten verstummen lassen.
44. Das Eiserne Kreuz.
Tapfere Krieger werden oft mit dem Eisernen Krem
-iS«^nct* Kreuz von Eisen und mit Silber
lNgefaßt. Oben ist eine Krone, in der Mitte ein W
nf?imterl Z9a^re63a^ 1914 angebracht. Vor mehr als Iw bahren (am 10. März 1813) hat der König Friedrich
theiln III. es gestiftet. Zum erstenmal wurde es 870
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und dann wieder am 5. August 1914 erneuert. Es gibt ein Eisernes Kreuz 1. und 2. Klasse. Ersteres wird an einem schwarzweißen Bande im Knopfloch getragen. Schon viele Krieger sind mit diesem Ordens- und Ehrenzeichen belohnt worden.
45. Wie ein Münchener das Eiserne Kreuz erwarb.
Ein deutsches Regiment sollte einen Ort erstürmen, der von den Franzosen besetzt war. Das feindliche Maschinengewehrfeuer aber brachte den Anstürmenden große Verluste bei, so daß sie nicht vorwärts kamen. Es war bisher den Deutschen unmöglich gewesen, die geschickt verborgenen Maschinengewehre aufzufinden und unschädlich zu machen. Da hieß es: „Freiwillige vor." Ein junger Münchener meldete sich. Er kroch durch Kartoffel- und Getreidefelder und kam unter steter Lebensgefahr bis nahe an den besetzten Ort. Es gelang ihm, die Stellung der französischen Maschinengewehre genau zu erkunden. Glücklich kam er wieder zu seiner Truppe zurück, wo er das wichtige Ergebnis seiner Erkundung mitteilen konnte. Einige wohlgezielte Schüsse der deutschen Artillerie brachten die gefährlichen Gewehre zum Schweigen, und in kurzer Zeit war der Ort ohne weitere große Opfer erstürmt. Der Lohn des Helden war das Eiserne Kreuz.
46. Zwei Kreuze.
Bei Dpern lagen deutsche Gefallene längere Zeit auf dem Schlachtfelde, ohne daß man sie begraben konnte. Wer es versuchte, an sie heranzukommen, wurde von feindlicher Seite beschossen. In einer Nacht wagte es ein Kriegsfreiwilliger. Mit einem Spaten bewaffnet, kroch er bis auf 20 m an den Feind heran. Zuerst grub er für sich eine kleine Deckung. Dann machte er sich an den ersten Toten heran. Er nahm dem Gefallenen Mantel, Waffen, Brustbeutel und Erkennungsmarke ab und schichtete Erde um ihn auf. Nachdem er ein Gebet
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gesprochen hatte, kehrte er zu seiner Kompanie zurück. Er erstattete dem Leutnant Bericht und gab ihm die mitgebrachten Sachen. So machte er es fünfmal in der einen Nacht. In seinem Unterstand dankte er Gott, daß er ihn so gnädig beschützt habe. Das Eiserne Kreuz war sein Lohn. Da sagte der Soldat: „Jetzt habe ich zwei Kreuze; das Eiserne, das mir mein Kaiser gegeben hat, und jenes von Holz, ohne das ich das Eiserne nicht bekommen hätte. Ich meine das Kreuz von Golgatha, das mir Mut und Kraft gegeben hat."
47. Zni Granatfeuer lernt man beten.
Ein Soldat schrieb in einem Feldpostbrief über einen Kampf am 8. September 1914 folgendes:
„Eine der ersten Granaten schlug 2 m neben mir auf die Mauer, die auf 3 m Breite in die Luft flog. Ein Hagel von Steinen überschüttete uns. Ein Kamerad von uns war 3 m weit weggeschleudert worden und lag tot ba; ein zweiter war am Bein verwundet. Wie durch ein Wunder waren wir andern unverletzt geblieben. Dann folgte Schlag auf Schlag; die Erde zitterte, der Wald erdröhnte, Bäume und Äste stürzten wie durchgesägt zu Boden. Wir lagen dicht an Mauer und Erde gepreßt und bereiteten uns auf unser letztes Stündlein vor. Wer bis dahin noch nicht beten konnte, hat es in diesen Stunden gelernt."
48. Der Kaiser im Felde.
Als im August 1914 Tausende von deutschen Männern und Jünglingen ins Feld zogen, wollte auch der Kaiser nicht mehr zu Hause bleiben. Bereits am 16. August hat er Berlin verlassen. Auch seine sämtlichen Söhne sind in den Krieg gezogen. Der Kaiser besucht seine tapfern Soldaten. Er will sie begeistern und ihnen für ihre heldenmütigen Leistungen danken. Manchem hat er selbst das Eiserne Kreuz überreicht. Auf den verschiedensten Kriegs-
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schauplätzen ist er schon gewesen. Wiederholt war er auch bei blutigen Kämpfen zugegen. Meistens arbeitet er mit den Offizieren und Generalen zusammen, die den Generalstab bilden. Dieser entwirft die Pläne, nach denen der Krieg geführt wird, und gibt den einzelnen Armeen die nötigen Anordnungen und Befehle. So behält der Kaiser als oberster Kriegsherr die Leitung des Feldzuges mit in der Hand.
49. Der Kaiser im Schützengraben.
Daß der Kaiser auch im Schützengraben war, hat er selbst erzählt. Einst hatte er einen Besuch an der Front im Argonnerwald gemacht. Da war er in einen Unterstand geführt worden, wo ihm ein Offizier ein Glas Wein anbot. Als er wieder herauskam, sah er sich zu seiner Überraschung einer ganzen Kompanie Franzosen gegenüber. Da trat ein alter Landsturm-Anteroffizier hervor und sagte: „Majestät, das sind bloß Gefangene. Ich habe sie hergebracht, damit sie Euer Majestät auch einmal sehen können."
50. Sanitätshunde.
3nt Kriege verwendet man auch Tiere. Vor allem braucht man viele Pferde. Diese tragen den Reiter in die Schlacht und ziehen die Geschütze und Wagen. Aber auch der Hund macht sich im Kriege sehr nützlich. Durch seinen feinen Spürsinn ist er gut geeignet, die Verwundeten auf dem Schlachtfelde aufzusuchen. Er wird dafür besonders abgerichtet. Solche Hunde nennt man Sanitätshunde. Viele hundert sind im Kriege tätig. In umgebundenen Taschen bringen sie kleine Erfrischungen mit. Durch ihr 33cücn zeigen sie an, wo noch ein bisher nicht aufgefundener Verwundeter liegt. Sie führen einen Sanitäter zu ihm hin, so daß für ihn gesorgt werden kann. Mancher, der an einer verborgenen Stelle unter qualvoll langen Leiden hätte verbluten müssen, verdankt einem Sanitätshunde seine Rettung.
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51. Durch Sanitätshunde gerettet.
Ein Soldat lag mit zwei Kameraden bei Reims in einem dichten Gebüsch auf Posten. Über ihnen platzte ein Schrapnellgeschoß. Der Soldat wurde schwer verwundet, während seine Kameraden sofort tot waren. Hilflos lag er in dem Gehölz. Niemand kam, um ihm zu helfen. Es wurde Nacht. Damit schwand die letzte Hoffnung, gerettet zu werden. Schon hatte er sich in sein Schicksal ergeben, einsam und verlassen sterben zu müssen. Auf einmal wurde er von zwei Sanitätshunden entdeckt. Sofort eilten sie davon, um ihre Führer zu holen. Diese haben sich des Verwundeten angenommen. Er kam ins Lazarett, wo er sich allmählich erholte. Eines Tages saß er im Garten, als ein Sanitäter mit seinem Hunde vorbeikam. Erwinkte ihn heran und streichelte den Hund. Mit Tränen in den Augen sagte er dann, trotzdem ihm das Sprechen noch sehr schwer fiel: „Den Sanitätshunden verdanke ich meine Rettung."
52. Kämpfer in der Luft.
In diesem Kriege gibt es auch Kämpfer in der Luft. Mit einem Flugzeuge oder mit einem Luftschiff steigen sie in die Höhe. Die Flieger haben das Schlachtfeld gut übersehbar unter sich. Sie sollen vor allem die Stellung des Feindes erkunden und feststellen, was er tut. Das teilen sie dann ihren Truppen mit. Außerdem können sie auch angeben, ob ihre Geschütze richtig und gut schießen. Oft läßt man von den Luftschiffen und Flugzeugen Bomben fallen. Damit sollen die Leute nicht nur erschreckt, sondern auch Brücken, Eisenbahnen, Tunnels und andere Bauten zerstört werden. Manchmal fechten die Flugzeuge in der Luft auch gegenseitig Kämpfe aus. Deshalb sind sie bewaffnet.
53. Deutsche Flugzeuge über Paris.
Es war am 11. Oktober, einem Sonntage, in der Mittagsstunde. Drei deutsche Flugzeuge waren un-
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bemerkt bis über Paris gekommen. Durch Wolken gut verdeckt, kreuzten sie längere Zeit über der Stadt. Dann warfen sie 17 Bomben ab, wodurch sie großen Schrecken verbreiteten. Die Flieger ließen auch Zettel fallen, auf denen zu lesen war: „Antwerpen ist gefallen. Ihr kommt nächstens an die Reihe. Herzliche Grüße." Nach einer Fahrt von etwa 4 Stunden kehrten die Flugzeuge wohlbehalten zurück.
54. Brief eines Matrosen an seine Eltern.
Liebe Eltern!
Wir gehen schweren Zeiten entgegen,' aber wir fürchten uns nicht.
Wir wanken und wir weichen nicht,
Wir tun nach Seemanns Brauch;
Den Tod nicht scheun, ist unsre Pflicht Bis zu dem letzten Hauch.
Ich bin stolz, ein Seemann zu sein und werde meinen Mann stellen. Die deutsche Flotte wird zeigen, was sie kann. Unsre Losung heißt: Siegen oder sterben. Mit Volldampf voraus! Lebet wohl! Gedenket meiner im Gebete!
Es grüßt Euch
Euer dankbarer Sohn
Karl.
55. Wie ein braver Soldat stirbt.
Am Rande eines Schützengrabens lag verwundet ein junger Soldat. Schwer ging sein Atem. Blut quoll ihm aus dem Munde. Die Hände hielt er gefaltet über der tödlichen Wunde. Er betete leise. Reben ihm kniete sein Kamerad, um ihm beizustehen. Der Schwerverwundete erfaßte dessen Hand und sagte: „Kamerad, ich sterbe. Och sterbe gern für mein Vaterland. Gib mir den Rosenkranz in die Hand, den mir meine liebe Mutter beim Abschiede mitgegeben hat.“ Der andere erfüllte die Bitte
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des Sterbenden. Dieser küßte andächtig das Kreuz, und röchelnd flüsterte er: „O Jesus, dir leb' ich, o Jesus, dir sterbt ich." Weiter kam er nicht mehr. Er hatte seine Heldenseele ausgehaucht. Der ausgehende Mond warf seinen bleichen Schein auf das fahle Gesicht des Toten.
56. Sterbegesang eines Offiziers.
Ein schwer verwundeter Offizier lag im Lazarett zu Freiburg. Er wurde gefragt, ob er vielleicht ein Glas Sekt trinken wolle. Da gab er die Antwort: „Nein, ich will aber noch einmal die Wacht am Rhein singen." Während des Singens aber starb er.
57. Der Kaiser und der sterbende Soldat.
Nach einem siegreichen Gefecht in Nordfrankreich fuhr der Kaiser mit seinem Automobil auf das Schlachtfeld. Dort stieg er aus und ging zu Fuß weiter. Bald traf er einen schwerverwundeten Soldaten, zu dem die Sanitäter noch nicht gekommen waren. Er war dem Tode nahe. Das merkte der Kaiser. Er kniete sich neben ihm nieder und sagte: „Mein tapferer Kamerad! Gott will vielleicht von Dir das Opfer Deines Lebens. Laß uns zusammen beten, damit Dir Gott eine selige Sterbestunde schenken und Dir für Deine Tapferkeit und Dein Opfer die Freuden des Himmels gebe." Dann betete der Kaiser dem Sterbenden andächtig vor, bis dieser den letzten Atemzug getan hatte. Nachdem er ihm die Augen geschlossen hatte, ging er weiter. Die Soldaten, die das sahen, waren tief gerührt über die Frömmigkeit und Nächstenliebe ihres obersten Kriegsherrn.
58. Ein tapferer Lokomotivführer.
Auf einer Lokomotive wurde eine Erkundungsfahrt nach Rusjisch-Polen gemacht. Sie war dem feindlichen Feuer ausgesetzt, und der auf der Lokomotive stehende Hauptmann fand dabei den Heldentod. Auch der Loko-
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motivführer Beck aus Tarnowitz war schon mehrfach verletzt und bekam dann weiter noch einen Schuß durch die Lunge. Trotzdem hielt er noch vier Stunden auf seinem Posten aus. Dazu mutzte er auf der Rückfahrt die beschädigte Lokomotive ausbessern. Glücklich kam er zur Abfahrtsstation zurück, wo der Tapfere dann erschöpft zusammenbrach.
59. Russengreuel in Ostpreußen.
Schon bald nach Ausbruch des Krieges waren die Russen in die Provinz Ostpreußen eingedrungen. Dort hausten sie wie wilde Menschen. Ganze Gegenden wurden verwüstet. Viele Leute mußten aus ihrer Heimat fliehen. Nur was sie in der Eile zusammenpacken konnten, nahmen sie mit. Manche konnten kaum das nackte Leben retten. Tagelang irrten sie umher, krank und erschöpft vor Angst, Hunger und Durst. Unter freiem Himmel mußten sie übernachten. Tausende kamen bis nach Berlin. Etwa 400000 Bewohner haben die Provinz verlassen. Die Städte und Dörfer ihrer geschändeten Heimat wurden zum Teil niedergebrannt. Rauchende Trümmer und brennende Häuser zeigten an, wie weit die Russen gekommen waren. 24 Städte, 572 Dörfer und 236 Güter wurden durch feindliche Brandlegung ganz oder teilweise zerstört. Der Hausrat wurde vielfach geraubt oder vernichtet und das Vieh nach Rußland geschafft. Viele Bewohner sind ohne Grund erschossen worden. Ein russischer Befehl verlangte, alle Förster ohne Erbarmen zu erschießen. Aber 10 000 Männer, Frauen und Kinder wurden nach Rußland verschleppt. Jene bestanden meist aus hilflosen Greisen. Die unmenschliche Kriegführung der Russen hat grenzenloses Elend und Leid über weite Gebiete Ostpreußens gebracht.
60. Von Hindenburg.
Wie einst Blücher die Franzosen, so hat im Weltkriege Hindenburg die Russen gründlich geschlagen. Er stammt
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aus Posen, wo sein Vater Major war. Am 2. Oktober 1847 wur5e er geboren. Von Jugend auf hatte er am Militärdienst seine Freude. Er sollte deshalb auch Soldat werden In den Erziehungsanstalten, die er besuchte, herrschte eine strenge Zucht. Dennoch denkt er noch gern und dankbar an diese Zeit zurück. Als Leutnant machte er die Kriege von 1866 und 1870/71 mit. Bei St. Privat (ßäng priwah) wurde er schwer verwundet und blieb von allen Offizieren seines Bataillons noch allein übrig. Er hat sich in dem letzteren Kriege das Eiserne Kreuz verdient. Nach dem Kriege studierte Hindenburg weiter und lernte die Kriegskunst durch und durch kennen. Deshalb wurde er auch fähig im Heeresdienste höhere Stellen zu bekleiden. Zuletzt war er Kommandierender General in Magdeburg. Als höchstes Ziel seiner militärischen Tätigkeit galt ihm, ein Armeekorps gegen den Feind zu führen. Dieses Ziel hat er erreicht,' denn als der Weltkrieg ausgebrochen war, berief der Kaiser ihn zum Führer der deutschen Ostarmee, durch seine großen Erfolge ist er der Lieblingsheld des deutschen Volkes geworden.
61. Ostpreußens Rettung durch Hindenburg.
Eine große russische Armee war in den südwestlichen ll Ostpreußens eingedrungen und bis nach Masuren gekommen. Diese Gegend ist reich an Wäldern, Seen und Sumpfen. Hindenburg kannte jeden Weg und Stea arm. Er hat mit Absicht den Feind soweit vorrücken lassen. tu ™ ^suchte, aus dem unbequemen Seegebiete nach Westen herauszukommen, wurde er von der Mitte der deutschen Stellung in dreitägiger Schlacht aufgehalten und abgewehrt. So blieb den beiden deutschen Flügeln seit, die Nüssen zu umgehen und von Norden und Süden einzuschließen. Damit waren sie verloren. Die Rückwege wurden ihnen versperrt und etwa 90 000 Russen gefanaen genommen. Noch mehr sollen in den Seen und Sümpfen umgekommen sein.
Nach zwei Wochen besiegte er eine zweite und noch stärkere russische Armee nördlich von den Masurischen Seen.
Aber noch einmal wurde Ostpreußen von einem großen Russenheere überflutet. Als anfangs Februar 1915 Verstärkung nach Ostpreußen geschafft worden war, griff Hindenburg den Feind von neuem an. In neuntägiger Winterschlacht vernichtete er eine ganze russische Armee. So wurde Ostpreußen endgültig von dem schlimmen Feinde befreit.
62. Aus einem Armeebefehl Hindenburgs.
In heißen, siegreichen Kämpfen hat Hindenburg die Russen bezwungen und aus Ostpreußen vertrieben. Dafür dankte der Kaiser ihm und seinen Truppen,- auch ernannte er ihn zum Generalfeldmarschall. Darauf hat Hindenburg an seine Soldaten einen Armeebefehl gerichtet, in dem es heißt: „Eure Kampfesfreude und Ausdauer haben in bewundernswerter Weise dem Gegner schwere Verluste beigebracht. Über 60 000 Gefangene, 150 Geschütze und gegen 200 Maschinengewehre sind wieder in unsere Hand gefallen. Aber vernichtet ist der Feind noch nicht. Darum weiter vorwärts mit Gott für König und Vaterland, bis der letzte Russe besiegt am Boden liegt."
63. Eine Antwort Hindenburgs.
Auf eine Glückwunschdepesche sandte der Befreier Ostpreußens folgende Antwort: „Vielen Dank für die freundlichen Glückwünsche. Ich danke den Erfolg Gott dem Herrn und meinen braven Truppen. Es wird weiter gedroschen."
64. Prinz Joachim verwundet.
An den Kämpfen in Ostpreußen hat auch Prinz Joachim teilgenommen. Am 9. September wurde er durch einen Schrapnellschuh verwundet. Die Kugel ging
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durch den rechten Oberschenkel, hat aber den Knochen nicht verletzt. An die Großherzogin-Witwe Luise von Baden hat der Prinz darüber wie folgt berichtet: „Durch Gottes Gnade war es mir vergönnt, im Schrapnellfeuer für unser geliebtes Vaterland verwundet zu werden. Du kannst Dir denken, wie stolz ich bin. Das Eiserne Kreuz 2. Klasse wird mich stets an diesen schönsten Tag meines Lebens erinnern." Die Armee war stolz darauf, daß ein kaiserlicher Prinz in ihren Reihen gekämpft und geblutet hat.
65. Damit ergibt man sich nicht.
Eine deutsche Erkundungsabteilung wurde von 40 russischen Husaren umzingelt und beschossen. Ihr Führer war der Leutnant von Griesheim. Sein Pferd wurde erschossen. Da lief er zu Fuß in ein nahe gelegenes Haus. der russische Offizier ließ ihn auffordern, sich zu ergeben, da ein Widerstand unmöglich sei. Der Leutnant zählte die Patronen in seinem Revolver und ließ dem russischen Offizier sagen: „Ein deutscher Offizier ergibt sich nicht. 3ch habe noch fünf Patronen, die reichen für euch und für mich.“ Es entspann sich ein kurzes Gefecht, in bem von Griesheim töblich verwunbet würbe. Auf bie Frage, warum er sich nicht ergeben habe, zeigte ber Leutnant auf sein Eisernes Kreuz unb sagte mit brechenber Stimme: „Damit ergibt man sich nicht." Er würbe verbunben, starb aber aus bem Transport. Mit militärischen Ehren haben bie Russen ihn begraben.
66. Nur ein gläubiges Heer kann siegen.
Am 7. Februar 1915 wohnte ber Kaiser in Russisch-Polen einem Felbgottesbienste bei. 3m Anschluß baran hielt er eine Rebe. Darin sagte er: „Wir Preußen sinb es gewöhnt, gegen einen überlegenen Feinb zu kämpfen unb zu siegen. Dazu gehört festes Vertrauen auf unsern großen Verbünbeten bort oben. Wir wissen, baß Gott nur mit ben gläubigen Heeren ist. So war es unter bem
Jos. Schiffels, KriegSerzählungen. 3
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Großen Kurfürsten, so war es unter dem Alten Fritz, so war es unter meinem Großvater, und so ist es auch unter mir: Ein Mann mit Gott ist immer die Majorität (Mehrheit.)"
67. Der Kaiser in Lyck.
In der ruhmreichen Winterschlacht in Masuren war auch der Kaiser dort an der Front. Am 14. Februar weilte er in Lyck, wo die Deutschen einen herrlichen Sieg erfochten hatten. Der Kaiser befand sich auf dem Marktplatze, als die siegreichen Truppen in die Stadt einzogen. Die Spuren der letzten Kämpfe waren noch an ihren Kleidern zu sehen. Auch zahlreiche russische Gefangene waren anwesend. Jubelnd drängten die deutschen Krieger sich um ihren Kaiser, der viele von den Mannschaften und die Offiziere ansprach. Brausend klang das gewaltige Lied: „Deutschland über alles" zum Himmel empor. Die Mauern und die Fensteröffnungen der zerschossenen Häuser waren mit Soldaten besetzt, die ihren Kaiser sehen wollten.
68. Des Kaisers Kriegsweihnachten.
Den heiligen Abend feierte der Kaiser inmitten der Soldaten, die zum Hauptquartier gehören. Eine große Halle war in eine Feldkirche umgewandelt worden. Die Decke und die Wände waren mit Tannengrün geschmückt. Vorn war ein Altar errichtet. Davor stand eine große Krippe. An den Seiten erstrahlten hohe Christbäume im Lichterglanz. In der Längsrichtung waren Tische aufgestellt, die mit Lichtern geschmückte Tannenbäume trugen. Jede der etwa 960 Personen hatte an den Tischen seinen bestimmten Platz. Für jede stand ein Teller mit Pfefferkuchen, Äpfeln und Nüssen bereit. Es lag auch ein Bild des Kaisers darauf. Die Mannschaften wurden außerdem mit einem Tabakbeutel und mit Zigarren bedacht. Das Weihnachtslied: „O du fröhliche" leitete die Feier ein. Nach einer kurzen Ansprache eines Pfarrers wurde das
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Lied „Stille Nacht" gesungen. Zum Schluß nahm der Kaiser noch selber das Wort und sagte u. a.: „Gott ließ es zu, daß der Feind uns zwang, dieses Fest hier zu feiern. Wir sind überfallen, wir wehren uns. Das gebe Gott, daß aus diesem Friedensfest mit unserm Gott für uns und unser Land aus dem schweren Kampfe reicher Sieg erstehe."
69. Das Unterseeboot.
Von den deutschen Kriegsschiffen fürchten unsere Feinde am meisten das Unterseeboot. Es heißt auch Tauchboot oder kurz U-Boot. Ein solches Schiff kann auch unter Wasser fahren. Daher hat es seinen Namen. Das untergetauchte Schiff kann nahe an ein anderes heranfahren, ohne daß man es merkt. Soll es untertauchen, so muß man es schwerer machen. Das geschieht dadurch, daß man Wasser hineinläßt. Wenn es wieder an die Oberfläche des Meeres steigen soll, wird das eingefüllte Wasser hinausgepumpt. Es ist auch dafür gesorgt, daß die Soldaten unter Wasser immer gute Luft einatmen können. Der Führer des Schiffes heißt Kapitän. Er steht am Kommandoturm. Aber diesen ragt das Sehrohr heraus. Durch dieses kann man auch unter Wasser erkennen, was auf dem Meere vorgeht. So kann man auch sehen, wenn ein feindliches Schiff kommt. Ein solches sucht das U-Boot in den Grund zu bohren. Hierzu hat es eine furchtbare Waffe. Man nennt sie Torpedo. Sie ist etwa 5 m lang und geformt wie eine Zigarre. Ihr Gewicht beträgt ungefähr 6 Zentner. In dem Torpedo befindet sich Sprengstoff. Wenn das Geschoß ein Schiff trifft, entzündet sich die Sprengladung. Sie reißt ein Loch in das getroffene Schiff, so daß Wasser in dasselbe eindringt. Es sinkt dann mit allem, was darin ist, auf den Grund des Meeres.
70. Eine Heldentat von „U 9".
Es war am 22. September 1914. „II 9" fuhr durch die Nordsee nach Westen. Als der Tag graute, erkannte
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man zur Linken die Küste von Holland. Im Kommandoturm stand der Kapitän O t t o W e d d i g e n. Er beobachtete scharf, was auf dem Meere vorging. Aus einmal gab er den Befehl unterzutauchen; denn er hatte drei große und gut bewaffnete englische Schiffe in der Ferne bemerkt. Es galt, sich ihnen unbemerkt zu nähern und sie unschädlich zu machen. „U 9" war bald im Wasser verschwunden. Die feindlichen Schiffe hatten keine Ahnung von der Gefahr, die ihnen drohte. Zuerst wurde das mittlere von einem Torpedo getroffen. Die Mannschaft wußte überhaupt nicht, was geschehen war. Schlaftrunken stürzte sie nach dem Deck. Bald sank das Schiff, und nur wenige hatten Zeit und Gelegenheit, sich zu retten. Das zweite Schiff, das zur Rettung herangekommen war, erhielt zwei Treffer und verschwand ebenfalls rasch in der Meeresflut. Nicht besser erging es dem dritten Schiffe, nach dem drei Torpedos abgeschossen worden waren. Mit sechs Schüssen hatten zwei Dutzend Matrosen drei große Schiffe mit dem größten Teile ihrer Besatzung vernichtet.
71. Einer für alle.
Das Unterseeboot „H 18" durchfuhr die Gewässer Schottlands. Auf einmal wurde es von einem englischen Kriegsschiffe gesichtet und verfolgt. Sofort tauchte es unter und suchte sich durch rasche Fahrt zu retten. Der letzte Torpedo war verschossen und somit das Schiff wehrlos. Es erhielt einen Treffer von dem englischen Schiff. Infolgedessen versagte die Maschine. Das Schiff war in Gefahr, den Engländern in die Hände zu fallen. Das wollte die Besatzung aber auf keinen Fall zugeben. Lieber wollte sie es versenken und miteinander sterben. Der Kapitän sagte: „Einer genügt, um das Schiff zu versenken, die anderen mögen sich auf das Deck begeben." Das Los sollte entscheiden, wer dem Tode geweiht sei. Es traf einen Maschinisten. Während das Schiff an die Oberfläche stieg und die Mannschaft von den Engländern gerettet
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wurde, versank das Schiff plötzlich in die Tiefe. Der Maschinist hatte die Klappen im Unterraum geöffnet und so „U 18" zum Sinken gebracht. Er hatte sein Leben geopfert, um die übrigen Matrosen zu retten.
72. Die kühne Emden.
Vor keinem deutschen Schiffe im Indischen Ozean hatten unsere Feinde mehr Angst als vor der Emden. Und sie hatten alle Ursache dazu. Das Schiff machte kühne Kreuzerfahrten und stellte namentlich den feindlichen Handelsschiffen nach. Londoner Zeitungen haben festgestellt, daß es im ganzen 56 Dampfer versenkt habe. Sogar die Feinde mußten die Tüchtigkeit der Emdenmannschaft bewundern. Ihr tapferer und umsichtiger Führer war der Kapitän von Müller. Lange haben feindliche Schiffe die Emden verfolgt, um sie zu fangen. Das ist aber erst am 9. November 1914 gelungen. Ein feindliches Schiff hatte sie endlich nahe bei einer Insel gefunden. Seine schweren Geschütze machten die stark beschädigte Emden kampfunfähig. So war sie verloren. Damit sie nicht dem Feinde in die Hände falle, wurde sie mit voller Fahrt auf Strand gesetzt. Da die Engländer immer weiter darauf feuerten, mußte sich die Mannschaft, soweit sie in dem ungleichen Kampfe nicht gefallen war, ergeben. Der Kapitän und die Offiziere durften den Degen behalten. Nur eine Landungsabteilung, die sich zufällig an Land befand, war den Engländern glücklich entronnen.
73. Vor allem die Pflicht.
In einer Kirche nördlich von Grodek in Galizien stand ein Feldgeistlicher den verwundeten österreichischen und russischen Soldaten bei. Da die Russen im Anmarsch waren, mußten die wenigen Österreicher den Ort verlassen und sich zurückziehen. Als die Nüssen abends um 10 Uhr in den Ort einrückten, traten die Österreicher eilig
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den Rückzug an. Ein Oberleutnant rief dem Feldgeistlichen zu: „Die Russen sind da." Der Geistliche aber entgegnete: „Ich kann die Sterbenden nicht verlassen." And er blieb bei ihnen. Als kurz darauf die Russen in die Kirche eindrangen, nahmen sie den pflichteifrigen Priester gefangen und führten ihn fort nach Rußland in die Gefangenschaft.
74. Treue Freundschaft.
Eine deutsche Patrouille von drei Mann war von 20 bis 25 Kosaken bei einem Walde überfallen worden. Zwei von den deutschen Soldaten wurden niedergeschossen. Der dritte rettete sich in einen Wiesengraben. Er erwiderte von hier aus das feindliche Feuer so wirksam, daß sie nicht an ihn herankamen. Dem Deutschen war ein Knie zerschmettert worden, und er wäre verloren gewesen, wenn nicht Hilfe gekommen wäre. Diese brachte ihm ein österreichischer Dragoneroffizier, der von einem Dienstritt heimkehrte. Er hatte das Schießen gehört, war aber ganz allein. Um die Kosaken zu täuschen, rief er einige Kommandos in den Wald. Dann gab er mehrere Revolverschüsse ab und sprang zu seinem deutschen Kameraden in den Graben. Da traf ihn ein Streifschuß an den Kopf, und er wurde betäubt. Als er wieder zu sich kam, waren die Kosaken alle verschwunden. Seine List war gelungen. Die Kameraden in dem Graben verbanden sich gegenseitig. Dann setzte der Offizier den Deutschen auf sein Pferd und brachte ihn in Sicherheit. Mit der linken Hand führte er sein Pferd, während er mit der rechten den Schwerverwundeten stützte. Ganz erschöpft kam er am nächsten Morgen bei einer Erkundungsabteilung an, die beide mit Wein und Kaffee erquickte.
75. Heldentod eines Knaben.
Die Bewohner eines Dorfes bei Tarnow in Galizien mußten vor den Russen flüchten. Darunter war auch
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eine polnische Vauernfamilie mit einem 10jährigen Knaben, der Jan hieß. Seine Eltern wurden auf der Flucht erschossen. Er begab sich nun zu den österreichisch-ungarischen Soldaten. Bei ihnen machte er sich durch allerlei kleine Dienste nützlich, und alle hatten ihn gern. Einmal hatte man im Schützengraben Mangel an Patronen. Wegen des heftigen feindlichen Kugelregens aber war es den Soldaten unmöglich, frische Munition herbeizuholen. Da bot sich der Knabe an, es zu tun. Seine Bitte wurde ihm abgeschlagen, weil die Gefahr zu groß war. Auf einmal schlich er heimlich davon, und bald kehrte er mit Munition zurück. In der Nähe des Schützengrabens traf ihn eine feindliche Kugel. Trotzdem eilte er weiter, bis er endlich, noch mehrmals getroffen, zusammenbrach. Rasch wurde die Munition in Sicherheit gebracht. Infolge der schweren Verwundung starb der brave Knabe bald darauf im Lazarett.
76. Das Heldenmädchen von Rawaruska.
In den ersten Tagen des Monats September 1914 entbrannten bei Rawaruska in Galizien heiße Kämpfe zwischen den Österreichern und Russen. Die glühende Sonnenhitze machte den Kampf noch anstrengender. Brennender Durst quälte die mutigen Streiter. Ihnen brachte ein zwölfjähriges Mädchen aus der Nähe Hilfe. Rosa Zenoch ist sein Name. Das Mädchen hatte sich auf das Schlachtfeld begeben, um auch etwas für das bedrängte Vaterland zu tun. Trotz der großen Gefahr trug es immer wieder Trinkwasser bis in die vordersten Reihen der österreichischen Soldaten. So erquickte es manchen, der schon am Verschmachten war. Es setzte sein Liebeswerk fort, bis ihm eine Schrapnellkugel einen Fuß zerschmetterte. Rosa wurde nun nach - Wien ins Lazarett gebracht. Aber schon während der Fahrt mußte ihr der Fuß abgenommen werden. Kaiser Franz Joseph hörte von ihrem Heldenmut. Er ließ ihr nebst einer Geldspende ein kostbares Halsband überreichen,' auch versprach er, für ihre Zukunft zu sorgen.
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77. Wie Kiautschou verloren ging.
Im fernen Asien hatte Deutschland seit 1898 die wertvolle Besitzung Kiautschou. Ihr Hauptort Tsingtau war erst durch Deutschland zu einer großen und schönen Stadt geworden. In den ersten Kriegswochen verlangte Japan von uns, ihm Kiautschou abzutreten. Doch davon konnte keine Rede sein. Die Besatzung von Tsingtau war entschlossen, sich bis zum äußersten zu wehren. Nur mit Waffengewalt konnte Japan unsere Kolonie bekommen. Das wurde ihm sehr schwer, trotzdem England es dabei unterstützt hat. Zahlreiche und sehr heiße Kämpfe ließen es erst soweit kommen. Zu Wasser und zu Lande rückte der Feind gegen Tsingtau vor. Heftig wurde die Stadt beschossen. Die deutsche Besatzung leistete dem viel stärkeren Angreifer tapfer Widerstand, so lange sie konnte. Am 7. November aber mußte sie sich ergben, da sie alle Munition verschossen hatte. Die gefallenen Deutschen wurden von den Japanern in Einzelgräbern beigesetzt. Diese tragen die Aufschrift: Heldengräber.
78. Was der Soldat vom Tod fürs Vaterland hält.
1. Ein Soldat aus Aufkirchen im Pustertale schrieb am 31. Dezember 1914 aus Galizien einen Brief an seine Geschwister. Darin heißt es: „Wie schmerzlich werdet Ihr die Nachricht vom Tode unsers lieben Bruders Hans empfunden haben! Doch, seid getrost, er starb den schönsten Tod, den Tod fürs Vaterland. Sollte auch mich einst die Feindeskugel treffen, so vergeht nicht in Trauer, sondern seid stolz darauf, daß Euere Brüder fürs Vaterland geblutet haben."
2. Ein Oberleutnant aus Serajewo hielt mit seiner Kompanie im mörderischen Feuer bis zum letzten Mann aus. Bevor er in den Tod ging, richtete er einen Brief an seine Eltern, in dem es heißt: „Wenn Ihr, gute Eltern, diesen Brief in die Hände bekommt, dann wisset, daß ich nicht mehr unter den Lebenden bin. Nicht Kummer und
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Tränen sollen Euch niederringen; denn als Tapferer und Freiwilliger ging ich in den schweren Kampf. Wenn ich auch tot bin, könnt Ihr doch immer mit Stolz Eures Sohnes gedenken . . . Grämt Euch nicht! Denket daran, daß ich ein Opfer gebracht habe für mein Vaterland."
79. Eine Todesanzeige.
Der ungarische Feldwebel Widery hielt mit 54 Mann einen wichtigen Bahntunnel gegen alle Anstürme der Russen, so daß die österreichisch-ungarischen Truppen ungehindert abziehen konnten. Durch Verrat fielen 1000 Russen der wackern Schar in den Rücken, so daß sie, da sie sich nicht ergeben wollte, bis auf drei Mann aufgerieben wurde. Der 85jährige Vater des Feldwebels zeigte den Tod seines heldenmütigen Sohnes mit folgenden Worten an: „Ich gebe diese Mitteilung nicht mit Trauer-rand, weil es nur Lob und Freude wecken kann, daß der Feldwebel Stephan Widery, mein einziger Sohn, für das Vaterland sterben durfte."
80. Heldentat eines jungen Mädchens.
In der Bukowina hatten die Russen einen Ort (Pistyu) beseht. Durch Zufall fand die 19 Jahre alte Studentin Susanna Scherr einen wichtigen russischen Tagesbefehl. Sie faßte den Entschluß, trotz der drohenden Gefahr das Schriftstück den österreichischen Truppen zu überbringen. Deshalb wanderte sie zwei Tage durch unwegsame, vorn Feinde besetzte Wälder. Ganz erschöpft erreichte sie endlich den Oberstleutnant Papp, dem sie den Tagesbefehl übergab. Eine Belohnung lehnte das junge Mädchen ab, indem es erklärte, nur aus Liebe zu seinem Vaterlande gehandelt zu haben.
81. Warum er doch nach Ravensburg kam.
Ein Lazarettzug brachte deutsche und französische Verwundete. Die deutschen sollten nach Ravensburg
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und die französischen nach Weingarten befördert werden. In einem Wagen der deutschen Soldaten lag auch ein Verwundeter mit einer roten Hose. Man hielt ihn für einen Franzosen und wollte ihn deshalb nach Weingarten schaffen. Da sägte der Verwundete vergnügt: „Ich bin ein Bayer. Meine Hose war durch Granatsplitter ganz zerrissen. Da habe ich die Hose von einem Franzosen darüber angezogen, weil es mir so kalt war." Und so wurde er denn nach Ravensburg gebracht.
82. Woran man deutsche Soldaten erkennen kann.
Es war in der Nähe von Nawaruska. Eine deutsche Patrouille von 3 Mann kam an einen Wald. Sie bemerkte an einer lichten Stelle darin einige Soldaten. Dagegen konnte sie nicht erkennen, ob es Deutsche oder Russen seien. Da sagte der Führer zu seinen Leuten: „Einer von uns muß feststellen, was für Soldaten drüben sind. Wir wollen losen. Wen das Los trifft, der muß in den sauern Apfel und — vielleicht auch ins Gras beißen." Das Los traf einen jungen Infanteristen. Als er sich zum Gehen anschickte, sagte er bei sich: „Ich will es zuerst doch anders probieren." Aus vollem Halse begann er zu singen: „Es braust ein Ruf wie Donnerhall." Und aus dem Walde schmetterte es herüber: „Wie Schwertgeklirr und Wogenprall." Da wußte er, wen er vor sich hatte.
83. Wie die Regimentsfahne gerettet werden sollte.
Ein ungarischer Infanterist geriet während der furchtbaren Karpathenkämpfe in russische Gefangenschaft. Da er verwundet war, brachte man ihn zunächst nach Kiew in ein Lazarett. Hier sollte er sich einer Leibesuntersuchung unterziehen. Da er sich aber widersetzte, wurde sie gewaltsam vorgenommen. Der Soldat brach in Tränen aus, worüber man sich sehr wunderte. Er hatte etwas Kostbares unter seinen Kleidern verborgen, das er auf diese Weise retten wollte. Man fand nämlich das Fahnentuch seiner
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Regimentsfahne um seinen Leib gewickelt. Diesen Beweis wahrer Vaterlandsliebe mußten auch die russischen Offiziere achten.
84. Ohne Heimaturlaub zum fünftenmal zur Front.
Ein Landwehrmann aus Köthen war wiederholt in Rußland verwundet worden. Schon viermal hatte er im Lazarett gelegen. Jetzt war er wieder geheilt, und von neuem sollte er ins Feld. Der Arzt wollte ihm aber vorher noch einen kurzen Heimaturlaub geben, damit er seine Frau und seine sieben Kinder besuchen könne. Der pflichtgetreue Landwehrmann aber lehnte das Anerbieten ab, indem er sagte: „Ich habe meiner Frau und meinen Kindern versprochen, nur als Sieger und nicht anders heimzukehren. Dieses Versprechen will ich halten. Den angebotenen Arlaub anzunehmen, würde mir zu schwer werden. Entweder als Sieger und freier Deutscher zurück in die Heimat oder tot."
85. Ein Knabe bittet um eine Kanone.
Die Dorfjungen von Reichenbach in Sachsen-Alten-burg wollten ebenso tüchtige Soldaten sein wie ihre Väter, die im Felde stehen. Sie hätten für ihr Soldatenspiel auch gern eine Kanone gehabt. Einer der Knaben schrieb deshalb an die Kruppsche Fabrik in Essen folgenden Brief:
Lieber Herr Krupp!
Wir Jungen im Dorf haben eine Kompanie Soldaten gemacht, und ich bin Hauptmann. Wir haben Säbel und Flinten; bloß eine Kanone fehlt uns noch. Vielleicht haben Sie noch eine alte kleine, die Sie nicht . brauchen und mir schenken können. Sie machen doch so viel Kanonen. Da wird schon eine dabei sein, die einen Fehler hat, und die Sie nicht brauchen können. Sie braucht ja nicht groß zu sein. Also ich bitte Sie, seien Sie so gut und schenken Sie mir eine Kanone. Ich bedanke mich dann später. Das Porto bezahle ich.
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86. Prinz Oskar.
Ein Reserveleutnant traf einen jungen Offizier, der keine Achselstücke trug, wohl aber das Eiserne Kreuz im Knopfloch hatte. Es war Prinz Oskar, des Kaisers fünfter Sohn. Der Leutnant kannte ihn nicht und redete ihn also an: „Sagen Sie mal, Sie haben schon das Eiserne Kreuz; wie kommt das? Welches Regiment sind Sie denn?" Der Prinz gab ihm Auskunft. Der Leutnant sagte dann: „Na, die haben sich ja auch ganz gut geschlagen." Und dann fuhr er fort: „Bei Ihnen ist doch auch der Oskar; wie macht sich denn der Mann?" Der Prinz antwortete: „O, ganz gut." Der Leutnant meinte dann: „Der muß doch auch hier sein." Der andere erwiderte: „Jawohl; er steht vor Ihnen." Der Leutnant erschrak nicht wenig und gab dem Prinzen sofort den richtigen Titel.
87. Die Kaiserin bestellt einen Brief.
In den ersten Kriegsmonaten weilte die Kaiserin einmal in Homburg. Dort besuchte sie die verwundeten Krieger in den Lazaretten. Sie unterhielt sich mit jedem. Bei einem Schwerverwundeten verweilte sie besonders lange. Der Soldat erzählte ihr, daß er aus Braunschweig stamme, wo auch seine Familie wohne. Da sagte die Kaiserin: „Das trifft sich ja gut. Ich reise morgen nach Braunschweig zu meiner Tochter. Wenn Sie Ihrer Familie etwas mitsenden wollen, will ich es gerne mitnehmen." Tatsächlich überbrachte die Kaiserin von dem tapferen Soldaten einen Brief an seine Familie.
88. In Galizien.
Zu Anfang des Krieges waren die Russen in Galizien eingefallen, um dieses Land zu erobern und zu besetzen. Sie kamen in so großen Massen, daß die Österreicher ihnen nicht standhalten konnten und zurückweichen mußten. Zuletzt hatten sie fast ganz Galizien in ihrer Gewalt. Sie wieder zu vertreiben, war sehr schwer. Und doch mußte
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es geschehen. Man begann damit, als das österreichische Heer durch deutsche Truppen verstärkt worden war. Unter großen Schwierigkeiten stiegen die Verbündeten zu den hohen und mit Schnee bedeckten Karpathen auf. Um deren Übergänge entbrannten heiße Kämpfe. Nachdem eine neugebildete Armee die russische Schlachtlinie an einer Stelle durchbrochen hatte und immer weiter vorrücken konnte, kam die ganze russische Front ins Wanken. Von den Deutschen bedrängt und mehrmals besiegt, mußte sie zurückgehen und nach und nach fast ganz Galizien wieder räumen. Die Verbündeten haben die Festung Przemysl (pschemisl) zurückerobert; auch die Hauptstadt Lemberg kam in ihren Besitz.
89. An den Dardanellen.
Europa und Kleinasien werden durch eine lange und schmale Wasserstraße voneinander getrennt. Es sind die Dardanellen. Sie werden von der Türkei beherrscht, welche die beiden Ufer stark befestigt hat. Rußland möchte diese Wasserstraße um jeden Preis haben. Dann hätte es Zugang zum Mittelländischen Meere. Da es aber selber kaum etwas für die Eroberung der Dardanellen tun kann, sollen England und Frankreich diese schwere Aufgabe lösen. Zunächst versuchten diese, durch ihre Flotte jene Wasserstraße zu öffnen. Sie haben die Forts beschossen, aber nichts ausgerichtet. Die Türken haben nämlich auf beiden Ufern ein starkes Verteidigungsheer aufgestellt, in dem auch deutsche Soldaten und Offiziere kämpfen. Der Feind hat es auch mit Landtruppen versucht; aber seine häufigen und verzweifelten Anstrengungen haben ihm noch keinen nennenswerten Erfolg gebracht. Noch immer sind die Dardanellen ihm versperrt.
90. Unaufhaltsamer Siegeszug der Verbündeten.
Nachdem Galizien vom Feinde gesäubert war, gingen die Verbündeten daran, auch die weiter nach Norden
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stehende russische Front zurückzudrängen. Das war um so schwieriger, als die russische Stellung durch zahlreiche Festungen geschützt war. Die größte derselben ist W a r -schau, die Hauptstadt von Polen. Von Süden, Westen und Norden her drangen die Verbündeten gegen die Russen vor. Wohl wehrten sich diese hartnäckig, so daß es zu vielen heißen Kämpfen kam, aber sie wurden überall besiegt. Es blieb ihnen deshalb nichts anders übrig, als sich immer weiter nach Osten in das Innere ihres Reiches zurückzuziehen. Die Festungen boten ihnen auch keinen Halt mehr. In kurzer Zeit fielen sie den Verbündeten in die Hände. Hart verfolgt und bedrängt, fanden die zurückgehenden Russen kaum noch Zeit und Gelegenheit, sich irgendwo festzusetzen. Bei diesem Rückzüge haben sie viel Kriegsmaterial und Tausende von Gefangenen verloren. Sie haben Städte und Dörfer in Brand gesteckt, die unglücklichen Bewohner in das Innere Rußlands verschleppt und die Ernte auf den Feldern vernichtet. So wollten sie den nachrückenden Verfolgern nur eine Wüste hinterlassen. Doch nichts konnte den Siegeszug der deutschen und österreichischen Armeen aufhalten, und so rückten diese immer tiefer nach Rußland hinein, um durch neue Siege und Erfolge den Ausgang des fürchterlichen Krieges zu beschleunigen.
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11 MRZ. 1997