— 189 — macht. Er ist einer euer Menschen, deren gütiges Naturell die Herzen gewinnt, der sich fort und sort mit dem Wohle seiner Umgebung und seiner Unterthanen beschäftigt, geschmückt mit allen hohen Eigenschaften eines Fürsten und mit allen Tugenden eines Menschen. Es ist un¬ möglich, sich einen schöneren und wohlthuenderen Typus eines Edel¬ mannes zu denken." II. Herzog Ernst II., Aus meinem Leben und aus meiner Zeit. Bd. III. Berlin 1889. S. 99 f. Mau erblickte in dem Tode des Königs 1861 die Erlösung von qualvollen Leiden, und wer nicht gerade Betrachtungen über die großen Hoffnungen anstellte, die man einst an das Leben dieses Mannes geknüpft hatte, vermochte kaum anders als mit der stillen Resignation allgemein menschlicher Gefühle den Sargdeckel schließen zu sehen. Anders der Prinz-Regent, der nun die Krone Preußens als sein eigen betrachten mußte. Das Ereignis hatte ihn persönlich sehr er¬ schüttert und seine Empfindung von der Schwere und Verantwortlichkeit seiner,Aufgaben außerordentlich vertieft. Es vollzog sich etwas wie eine leise Änderung in den Ansichten des hohen Herrn über Menschen und Verhältnisse, und das edle Herz des Prinz-Regenten schien im feier¬ lichen Augenblick der allgemeinen Trauer die größte Pietät und Heilig¬ haltung von allem, was der hingegangene Bruder wollte, sich selbst ge¬ lobt zu haben. Der neue König fühlte sich dem Vorgänger trotz aller Gegensätze, die im Leben zwischen ihnen bestanden hatten, in ganz besonderer Weise nahegerückt nnd innerlich verpflichtet, und vieles, wovon man glaubte, daß es mit der Regierung des Prinz-Regenten sofort über Bord ge¬ worfen fei, wurde nun als teures Vermächtnis des hohen Willens eines unglücklichen Herrschers hochgeachtet. Bald übertrug sich diese pietät¬ volle Gesinnung von den Sachen auch auf die Personen, und wer dem teuren Bruder nahegestanden zu haben schien, wurde von dem neuen Könige als besonders treuer Diener des Königtums überhaupt betrachtet. Männer, von welchen man geglaubt hatte, daß sie dem Prinzen von Preußen nicht sehr zugethan gewesen wären, wurden von dein neuen Könige nunmehr herbeigezogen, weil sie dem Bruder lieb gewesen. Fürwahr, eine merkwürdige psychologische Erscheinung war es, was sich aus dem tiefen Schmerz des Prinz-Regenten zu entwickeln schien, während ein großer Kreis von fürstlichen Personen und Abgesandten aller Länder das Grab des Königs Friedrich Wilhelm IV. umstand. Ich hatte diese Änderung geahnt und darauf aus manchen kleinen Wahr¬ nehmungen schließen können; den größeren Kreisen war in der Pro¬ klamation des neuen Königs an sein Volk ein eigentümlich mystischer Zug ausgefallen, welcher dem Prinzen vor dem Tode seines Bruders ganz fremd zu fein schien.