— 26 — war R. Jochanan ben Sakkai. Gleich R. Gamliel, der zuerst den Titel Rabban annahm und mehrere Einrichtungen zur Beseitigung von Missbrauchen bei Ehescheidungen traf, war er ein Schüler Hillel’s. Während der Belagerung Jeru¬ salems, dessen Fall er, der Sage nach, 40 Jahre vor der Zerstörung voraus¬ gesehen, rieth er immer zur Nachgiebigkeit gegen die Römer. Trotz der Wach¬ samkeit der Zeloten gelang es ihm, durch Hülfe zweier Schüler, heimlich die Stadt zu verlassen und in das römische Lager zu kommen. Vespasian nahm ihn freund¬ lich auf und gewährte ihm drei Bitten: die Gründung eines Lehrhauses in Jamnia (Jabne), die Schonung des jungen Gramliel, dessen Vater, Simon, die Römer getödtet hatten, und die Gewährung ärztlichen Beistandes für den frommen R. Zadok, dessen Gesundheit durch anhaltendes Fasten erschüttert war. R. Jochanan liess sich mit seinen Schülern in Jamnia, einer Stadt am mittelländischen Meere, nieder; dort bildete er ein Synhedrion, in dem er den Vorsitz führte, ohne die Nasiwürde zu bekleiden, und traf verschiedene infolge der Umgestaltung der reli¬ giösen Verhältnisse gebotene Anordnungen. Sowohl seiner Tugenden als seiner grossen Gelehrsamkeit wegen allgemein verehrt, starb er in einem Alter von 120 Jahren. Von seinen Zeitgenossen, welche das mündlich überlieferte Gesetz, die Mischna, ausarbeiteten und den Namen Tannaim (Gesetzeslehrer) führten, sind die bedeutendsten: R. Chanina, der es den Juden zur Pflicht machte, für das Wohl der Regierung zu beten, unter deren Schutz sie leben; Abba Saul ben Botnit, der in seinem Geschäfte als Weinhändler so gewissenhaft war, dass er nicht einmal die Neige für sich behalten wollte, und auf seinem Todten- bette, die Hand ausstreckend, von sich rühmen konnte: .,die Hand war gewissen¬ haft redlich beim Messen“; Nach um aus Gimso, so genannt nach seinem Wohn¬ orte Gimso, V2 Meile von Lydda, oder weil er selbst bei den traurigsten Begeg- nissen zu sagen pflegte: „Gam su letoba“ (Auch dies ist zum Guten). In seinem Alter traf ihn viel Unglück, er erblindete und wurde gelähmt. Denen, die ihn besuchten, erzählte er, dass ihn die Leiden mit Recht getroffen, denn als er einst seinem Schwiegervater reiche Geschenke, auf Eseln geladen, zugeführt, habe ihn ein Armer um eine Gabe angefleht, er aber habe ihn warten lassen, bis er seine Esel entladen, während dessen der Arme starb. Einen gleichen Zweck wie Nachum in der Fassung und Erklärung gewisser Ueberlieferungen verfolgte R. Nechunia ben Hakana. R. Jochanan ben Sakkai # hatte zahlreiche Schüler, von denen die hervor¬ ragendsten waren: R. Elasar ben Arach, sein Lieblingsschüler, der sich von seinen Genossen trennte und sich auf Zureden seiner Frau nach Emmaus zurückzog, R. Elieser ben Hyrkanos und R. Josua ben Chananja. R. Elieser war der Sohn eines reichen Landmannes und widmete sich erst in vor¬ gerücktem Alter dem Studium des Gesetzes und zwar mit solchem Erfolge, dass er zu hohem Ansehen gelangte und die Schwester des R. Gamliel, die kluge Ima Salom, heirathete. Da er sehr herrschsüchtig und zur Nachgiebigkeit nicht zu bewegen war, wurde er von seinem Schwager in den Bann gethan. Er hatte ein eigenes Lehrhaus in Lydda, lebte aber später in Cäsarea und Galiläa, wo er mit Judenchristen verkehrte. Sein Wahlspruch war: „Die Ehre deines