— 37 — schwung nahm. Die Exilsfürsten, welche aus dem davidischen Hause stammten, waren die Vermittler zwischen dem Volke und den Königen, zu denen sie in einem den deutschen Lehensfürsten ähnlichen Verhältnisse standen. Ihre Würde¬ zeichen waren ein seidenes Obergewand und ein goldener Gürtel. Sie machten grossen Aufwand, wozu die zahlreichen und im Wohlstände lebenden Juden gern die Mittel boten, fuhren in einem goldenen Wagen und hielten eine Menge Diener. Sie waren die Richter in Criminal- und Verwaltungssachen und führten die Oberaufsicht über die öffentliche Sicherheit, sie zogen für die Staatskasse die öffentlichen Abgaben ein und ernannten die Richter und Beamten. Widersetz¬ lichkeiten bestraften sie nach orientalischer Sitte mit Stockschlägen, und es kam, wenn auch nur selten, vor, dass Exilsfürsten ihre Stellung misbrauchten. Nur wenige von ihnen haben einen Namen als Gelehrte, die meisten waren unwissend und selbst im Religionsgesetze nicht bewandert. Einen starken Gegensatz zu den Exilsfürsten, welche erst im 11. Jahr¬ hundert mit Hiskia aufhörten, bildeten die Oberhäupter der babylonischen Aka¬ demien. In Babylon wurde nämlich durch Rab und Samuel für die jüdische Wissenschaft eine Saat ausgestreut, die in den von ihren Schülern gegründeten Akademien üppig aufschoss. In Sura lehrte Huna; Juda b. Jecheskel, „der Scharfsinnige“, gründete in Pumbedita einLehrhaus; auch in Machuza, Kafri und ändern Orten befanden sich Hochschulen. Von den babylonischen Amoraim, welche nach den Oberhäuptern der Aka¬ demien in 6 oder 7 Generationen eingetheilt werden, waren die hervorragendsten: R. Huna, der Schüler und Nachfolger Rab’s. Trotz seiner Verwandtschaft mit dem Resch Geluta war er arm und bestellte seinen kleinen Acker selbst; später gelangte er zu grossen Reichthümern, von denen er den edelsten Gebrauch machte. In seinem Lehrhause, dem er 40 Jahre Vorstand, versammelten sich oft 800 Schüler. Nach seinem im Alter von über 80 Jahren erfolgten Tode (297) folgte ihm R. Juda b. Jecheskel, der Gründer des Lelirhauses in Pumbedita, und dann R. Chisda aus Kafri, der als der glücklichste Amora galt; von Haus aus arm, wurde er später sehr reich; er feierte 60 Hochzeiten in seinem Hause und keins seiner Familienglieder soll bis zu seinem Tode gestorben sein. Nicht minder glücklich war R. Nachman ben Jakob, der die Tochter des Exilsfürsten, die kluge hochmüthige Jaltha, geheirathet hatte. Nach der Zerstörung von Nehardea verlegte er sein Lehrhaus nach Schakanzib, wo er 320 starb. Wegen seines Scharfsinns berühmt war Rabbah bar Nachmani, der, im Jahre 299 zum Schulhaupt von Pumbedita gewählt, den alten Glanz dieser Hoch¬ schule wieder herstellte. Seine zahlreichen Schüler wusste er durch Klarheit in der Behandlung des halachischen Stoffes, durch geistreiche Auffassung desselben und durch Einmischung agadischer Sentenzen zu fesseln. Seine Hauptthätigkeit war auf die Begründung der überlieferten Satzungen und auf die Ausgleichung der darin vorhandenen Widersprüche gerichtet; die Agadasammlung, die unter dem Namen Midrasch Rabba bekannt ist, wird ihm fälschlich zugeschrieben. Von den Gesetzeslehrern hochgeehrt, war er, ein strenger Sittenrichter und noch dazu arm, vom Volke nicht geliebt. 22 Jahre stand er der Hochschule in Pumbedita vor und starb auf der Flucht vor persischer Verfolgung eines freiwilligen Todes