— 38 - (322). Him folgte sein treuester Freund, der weniger durch Scharfsinn als durch Belesenheit glänzende R. Joseph bar Chija, auch der Blinde genannt, der, weil er sich der chaldäischen Uebersetzung häufig bediente, irriger Weise für den Verfasser der chaldäischen Paraphrase zu den Hagiographen gehalten wird. Fünf Jahrhunderte später war abermals ein Joseph bar Chija Vorsteher der Akademie zu Pumbedita, der aber nur zwei Jahre sein Amt bekleidete. Die Lieblingsschüler Babbah’s und Joseph’s, Abaji und Baba, standen Hochschulen vor, ersterer während 5 Jahren der in Pumbedita, letzterer bis 352 der in Machuza; unter ihnen erreichte die haarspaltende, talmudische Dialektik ihren Höhepunkt. Während die Akademie in Pumbedita in Verfall gerieth, gelangte die aus dem von B. Papa in Nares gegründeten Lehrhause hervorgegangene Schule zu Sura zu neuem Glanze und zwar durch B. Aschi, der in früher Jugend Schul- haupt wurde und seit B. Juda Hanasi der erste war, der wieder äussern Glanz mit hoher Gelehrsamkeit vereinigte. Er wurde eine massgebende Autorität, sodass selbst die Exilsfürsten, welche ihren Sitz in Sura nahmen, sich seinen Anord¬ nungen fügten, und genoss ein solches Ansehen, dass man ihm den Ehrentitel Babbana (unser Lehrer) gab. B. Aschi unternahm die riesige Arbeit, das ge- sammte Material von Ueberlieferungen und Erläuterungen, welches sich zu der Mischna in den babylonischen Schulen angehäuft hatte, zu sammeln, zu sichten und zu ordnen, eine Arbeit, welche ihm sowol seine Autorität und die un¬ gewöhnlich lange Dauer seiner Wirksamkeit — er führte sein Amt 53—60 Jahre (bis 427) — als auch der Friede ermöglichten, dessen sich die babylonischen Gemeinden damals zu erfreuen hatten. Zu diesem Zwecke nahm er, so oft sämmt- liche Schüler sich halbjährlich versammelten, einen Abschnitt der Mischna mit den dazu gehörigen Erläuterungen durch, und nachdem er das Ganze in 30 Jahren beendet hatte, veranstaltete er eine zweite Bevision mit manchen Aenderungen und Zusätzen. B. Aschi hat übrigens das Werk weder ganz vollendet, noch auch niedergeschrieben. Erst die Verfolgungen unter den persischen Herrschern Jezdigerd und Firuz, welch letzterer die jüdischen Lehrhäuser schliessen und die Synagogen zerstören liess, drängten Babina und B. Jose, die Schulhäupter zu Sura und Pumbedita, zum endgültigen Abschluss und zur schriftlichen Ab¬ fassung des Werkes, das, Gemara genannt, erst den Saboräern oder Saboraim (Meinende), wie die Schuloberhäupter, die den Amoraim folgten, genannt werden, seine heutige Gestalt verdankt. Diese Gemara, oder, mit der Mischna zusammen, Talmud, heisst Talmud Babli (babylonischer), zum Unterschiede von dem um 370 gesammelten Talmud Jeruschalmi (jerusalemischer), der weit kürzer ist und, weil er die Anerkennung nicht fand, auch weniger studirt und bearbeitet wurde. § 10. Der Talmud. Der Talmud gehört zu den merkwürdigsten literarischen Monumenten des menschlichen Geistes; es spiegelt sich in ihm Alles ab, was der jüdische Geist in einem etwa 700jährigen Zeiträume unter den verschiedensten Zeitströmungen und Ereignissen gedacht und empfunden hat; er ist gleichsam das Protokoll