— 41 — § 2. Die Juden in Arabien. Arabien war als ein an Palästina grenzendes Land schon in den ältesten Zeiten von Juden besucht und erhielt nach der Zerstörung Jerusalems durch die Römer eine starke jüdische Bevölkerung. In der in Nordarabien gelegenen Landschaft Chaibar lebten mehrere jüdische Stämme, welche unter einem Häupt¬ ling (Schaich) standen, gleich den christlichen Rittern befestigte Burgen inne hatten und ein Beduinenleben, auch wol Räüberhandwerk trieben. In ihrer Sprache, ihren Sitten und ihrer Lebensweise unterschieden sie sich nicht von den ihnen stammverwandten Arabern; sie standen ihnen an Tapferkeit nicht nach und rangen mit ihnen um die Palme der Dichtkunst, dabei hingen sie mit unerschüt¬ terlicher Treue an dem väterlichen Glauben; sie beobachteten streng die Feier der Sabbat- und Festtage und waren durch ein geistiges Band mit ihren Glaubens¬ brüdern in Judäa verbunden. Bezeichnend für den Sinn und Geist, der in diesen arabischen Stämmen herrschte, ist der von den Arabern wegen seiner Tugenden gefeierte jüdische Fürst und Dichter Samuel ben Adija; er opferte lieber sein Kind, als dass er das Gut, das sein Freund Amrulkais ihm anvertraut hatte, dem Feinde desselben auslieferte, und tröstete sich über den Tod des Kindes, indem er ausrief: „Verrath ist ein Halsband, das nicht rostet; mein Sohn hat Brüder“. Der Einfluss der Juden auf die Araber war zu Anfang des 6. Jahrhunderts so gross, dass ein König von Jemen mit einem grossen Tlieil seiner Unterthanen das Judenthum annahm. Einer dieser jüdischen Könige von Jemen, Jussuf oder Dhu-Nowas, war ein so eifriger Jude, dass er, um die Misshandlungen, wTelche die Juden im byzantinischen Reiche erduldeten, zu rächen, mehrere christliche Kaufleute, welche in Handelsgeschäften nach seiner Hauptstadt kamen, hinrichten liess. Kaiser Justin I. veranlasste hierauf den äthiopischen König Elesbaa, dem das jüdische Reich längst ein Dorn im Auge war, Jussuf mit Krieg zu überziehen. Das Reich wurde zerstört, und Jussuf stürzte sich, um nicht in die Hände des Feindes zu fallen, von einem Felsen ins Meer (530). Das Judenthum, das bis auf den heutigen Tag aus diesen Gegenden nicht verschwunden ist, war von mächtigem Einfluss auf Mohammed und auf die Bildung seiner Religion, Islam genannt. Da er selbst des Schreibens und Lesens un¬ kundig war, so entnahm er die Wahrheiten, die er im Islam zur Geltung brachte, dem Judenthum. Die Juden, mit denen er im Verkehr stand, wie Abdalla Ibn Salam, Phenias u. A. machten ihn mit den biblischen Erzählungen im Gewände liagadischer Ausschmückung bekannt. Die ganze Darstellung, die er seiner Lehre gab, ist jüdischer Färbung; er arabisirte gleichsam das Judenthum. Mohammed gab sich viele Mühe, die Juden für sich und seine Lehre zu gewinnen; ihnen zu Liebe führte er den Fasttag Aschura d. h. den Fasttag des 10. Tiscliri ein und be¬ stimmte die Richtung des Gebetes (Kiblah) statt nach Mekka nach Jerusalem. Dennoch fand er nur eine kleine Anzahl Anhänger unter den Juden, der weit¬ hin grössere Theil liess sich nicht dazu bestimmen, dem unwissenden und selbst¬ süchtigen Mann als Propheten zu huldigen. Das anfangs freundlich sich gestal¬ tende Verhältniss zwischen Islam und Judenthum schlug auch alsbald ins gerade Gegentheil um; es entbrannten zerstörende Kriege zwischen den Anhängern