— 97 — Sammlung der kaiserlichen Steuern beauftragt, von den Juden aber nie als Hoch¬ meister anerkannt worden. Dem Kaiser Sigismund, der die Juden bei jeder Gelegenheit aussog, sie aber doch vor Verfolgungen schützte, folgte auf den Thron jener Albrecht ü., der als österreichischer Erzherzog die Juden seines Landes 1420 hatte ins Ge- fängniss werfen, und nachdem er einige Hundert auf einer Wiese bei Wien hatte verbrennen lassen (Nissan 1421), sie für immer aus Oesterreich verbannte. Unter denen, welche bei Wien den Märtyrertod erlitten, befand sich auch die Mutter des Israel Isserlein, der, ein Sohn des R. Petachia aus Marburg (Steiermark), neben Jakob Weil, Rabbiner in Nürnberg und Erfurt und Verfasser einer geschätzten Gutachtensammlung (st. 1430), als die bedeutendste rabbinische Autorität dieser Zeit galt. Er stand in Wiener-Neustadt einer Hochschule vor und fungirte auch als Vorbeter. Seine Gutachtensammlung „Terumat ha-Deschen“ und seine Bescheide wurden von Moses Isserles in den Noten zum Schulchan Aruch benutzt. Schüler Isserlein’s und Weil’s war Israel Bruna (aus Brünn), Rabbiner in Regensburg, von dem ebenfalls Gutachten vorhanden sind. Schwere Leiden brachte den deutschen Juden der fanatische Franziscaner- mönch Johann de Capistrano, welcher durch seine Predigten und Er¬ mahnungen überall die Landesherren und Obrigkeiten gegen sie einzunehmen trachtete. Infolge seines Einflusses und einer Anklage wegen Hostienschändung wurden 1454 41 Juden in Breslau verbrannt und alle übrigen aus der Stadt verwiesen. Judenvertreibungen waren im 15. Jahrhundert an der Tagesordnung. So wurden sie vertrieben: 1424 aus Zürich und Freiburg im Breisgau, 1426 aus Köln, 1432 aus Sachsen, 1435 aus Speier, 1438 aus Mainz, 1439 aus Augsburg, 1450 aus Baiern, 1454 aus Brünn und Olmiitz, 1458 aus Erfurt, 1470 aus dem Erzstift Mainz, 1475 aus Bamberg, 1480 aus Glogau, 1489 aus Würzburg, 1490 aus Genf, 1492 aus Mecklenburg, 1493 aus Magdeburg, 1494 aus dem Thurgau, 1496 aus Steiermark, Kärnthen und Krain, 1498 aus Nürnberg und den würtem- bergischen Städten, 1499 aus Ulm. Am Schlüsse des 15. Jahrhunderts waren die Juden aus einem grossen Theile Deutschlands verbannt, sie zogen ruhelos von Ort zu Ort und fanden lange Zeit nirgends eine bleibende Stätte. § 5. Die Juden in England. In England, wo seit Wilhelm dem Eroberer sich viele Juden niedergelassen hatten, lebten sie in London und ändern grossen Städten in Ruhe und Wohlstand. Der erste und zweite Kreuzzug war für England ohne Bedeutung und daher auch für die Juden ohne Folgen. Erst der dritte Kreuzzug, in dem sich zum ersten male ein britischer König an die Spitze stellte, hatte für die Juden in England die traurigsten Folgen. Am Krönungstage des Königs Richard brach der Sturm los (3. September 1189). Indem man dem Volke vorgespiegelt hatte, dass die Juden Zauberer seien, duldete man nicht, dass sie der Krönung bei¬ wohnten und die jüdischen Deputirten ihre Geschenke dem Könige überreichten. 7