— 124 — schienen war, eine „Abhandlung über die Unsterblichkeit der Seele“. Kaum hatte die Schrift des Zweiflers die Presse verlassen, erhoben die Vorsteher und Rabbiner der Gemeinde die Anklage gegen ihn beim Magistrat, der ihn verhaften und seine Schrift confisciren liess. Auf Verwenden seiner ihm zürnenden Brüder erhielt er nach achttägiger Haft seine Freiheit wieder, verlor aber sämmtliche Exemplare seiner Schrift und wurde zu einer Strafe von 300 Gulden verurtheilt. Nachdem er 15 Jahre, von allen Seiten bekämpft, von allen, selbst seinen nächsten Verwandten gemieden, in der Einsamkeit verbracht hatte, bequemte er sich zu einer Aussöhnung mit der Synagoge. Zum zweiten male wegen seines irreligiösen Wandels an¬ geklagt, unterwarf er sich nach siebenjährigem schweren Bann dem Machtspruch der Rabbiner: er widerrief öffentlich seine Ansichten und liess die schimpflichste Geisselung an sich vollziehen. Diese Schmach beugte ihn so tief nieder, dass er seinem Leben durch einen Pistolenschuss ein Ende machte (1640). Ausser seinem Werke „Untersuchung der pharisäischen Lehre“, das in portugiesischer Sprache 1623 erschien, schrieb er noch seine Selbstbiographie. Durch Unduldsamkeit wurde zwanzig Jahre nach dem Tode da Costa’s aus der Gemeinschaft der Synagoge einer der freiesten Denker und grössten Philo¬ sophen aller Zeiten getrieben, nämlich Benedict (Baruch) Spinoza, der 1632 in Amsterdam geboren wurde. Er war der Lieblingsschüler Saul Levi Mor- teira’s, der eine Predigtsammlung (Gibat Schaul) und andere Schriften ver¬ fasste (st. 1660), und hatte zu 15 Jahren ein so umfassendes rabbinisches Wissen, dass er alle seine Mitschüler überragte und seine Lehrer in ihm eine Säule des Judenthums erblickten. Unter der Leitung des gelehrten Arztes van den Enden eignete er sich die Kenntniss der lateinischen Sprache an, wie ihm auch bald die spanische, portugiesische holländische, französische, italienische und deutsche Sprache geläufig war, und wandte sich mit grossem Eifer dem Studium der Philosophie zu. Mit den Schriften des Maimonides, Gersonides, Creskas u. A. vertraut, vertiefte er sich in die Werke des Cartesius (Decartes), dessen Philo¬ sophie in dem Satze gipfelt, an Allem zu zweifeln, was nicht mit voller Ge¬ wissheit als wahr erscheint. Dem Glauben seiner Väter wurde er immer mehl’ entrückt, und da alle Bemühungen, ihn von seinem Unrecht zu überzeugen, fehlschlugen, sah das Rabbinatscollegium sich veranlasst, den Bann über ihn auszusprechen (1656) und ihn aus der Stadt verweisen zu lassen. Er hatte sich schon vorher nach einem kleinen Orte (Rhynsburg) zurückgezogen, von wo er mehrfach den Aufenthalt wechselte, bis er sich 1669 dauernd im Haag nieder- liess, woselbst er auch am 21. (23.) Februar 1677 starb. In seiner Zurückgezogen¬ heit lebte er ausschliesslich der Wissenschaft und erwarb sich durch Glas¬ schleifen seinen Lebensunterhalt. Jede Unterstützung, die ihm von seinen Freunden geboten wurde, um seine Lage zu verbessern, schlug er aus und als er 1673 einen Ruf als Professor an die Universität Heidelberg erhielt, lehnte er denselben ab, weil er fürchtete, der Fortbildung der Philosophie entsagen zu müssen. Spinoza war in seinem Leben das Ideal eines Philosophen: mässig, be¬ scheiden, leutselig im Umgange, duldsam und charakterfest. Nichts, selbst nicht der Dolchstoss eines Schwärmers vermochte ihn zu bewegen, zu einer ändern Religion überzutreten, obgleich es an Einladungen und Verlockungen dazu nicht