stark verbreitet, was namentlich auch darin seinen Grund hatte, daß die Päpste den Ablaß auf die Seelen im s. g. Fegseuer ausgedehnt hatten. Papst Leo X. brauchte Geld zur Verschönerung der Peterskirche, welche durch den berühmten italienischen Maler Rafael Sanzio mit herrlichen Gemälden geschmückt wurde. Er schrieb zu dem Ende einen allgemeinen Ablaß aus, und Jeder, dem von seinem Beichtvater Kirchenstrasen auferlegt waren, oder der die Seelen seiner verstorbenen Verwandten und Freunde im Fegfeuer glaubte, beeilte sich, diese Kirchenstrafen durch eine Gabe für die Ausschmückung der Peterskirche abzukaufen. In Thüringen, Sachsen und der Mark Brandenburg zog der Dominikaner¬ mönch Johann Tezel mit Ablaßzetteln umher und viel Volks lief ihm zu. Als er in die Nähe Wittenbergs kam, trat Luther gegen ihn auf, und als Tezel sich noch vertheidigen wollte und Luther, falls er seiner habhaft würde, zu verbrennen drohte, schlug dieser am 31. October 1517 95 Sätze gegen den Ablaßhandel an die Schloßkirche zu Wittenberg. In diesen Sätzen, die sich mit ungeheurer Schnelligkeit verbreiteten, heißt es z. B.: „Die predigen Menschen¬ tand, die da sagen, daß man durch des Papstes Ablaß Vergebung der Sünden erlange. Die werden sammt ihren Meistern zum Teufel fahre«, die da meinen, durch Ablaßbriefe ihrer Seligkeit gewiß zu fein." Luther forderte öffentlich Jeden zur Disputation über die Sätze heraus. Als bald darauf mehrere gelehrte Männer, unter ihnen der Professor Dr. Eck aus Ingolstadt, aus Tezel's Seite traten, ließ Luther eine in heftigern Tone abgefaßte Schrift erscheinen, in welcher er den ganzen Ablaßhandel verdammte. Zugleich sandte er ein Exemplar seiner 95 Sätze an den Papst. Dieser, welcher den Thesenstreit Anfangs für ein bloßes „Mönchsgezänk" gehalten hatte, forderte Luther jetzt auf, fofort in Rom zu erscheinen. Da legte sich der Kurfürst von Sachsen, Friedrich der Weise, in's Mittel und erwirkte die Erlaubniß, daß Luther zunächst zur Verantwortung vor dem Kardinal Cajetan in Augsburg erscheinen dürfe. Luther reiste, mit einem Geleitsbriefe des Kaisers Maximilian versehen, ab. Cajetan forderte ihn sogleich nach seiner Ankunft zum Widerruf auf, doch Luther weigerte sich, Folge zu leisten. Da sprach der Kardinal: „Glaubt Ihr, daß der Kaiser und Euer Kurfürst Euch mit dem Schwerte schützen? Wo werdet Ihr bleiben, wenn sie es nicht thun?" Luther antwortete: „Unter dem Himmel!" Zornig warf ihm Cajetan den Geleitsbrief vor die Füße und rief: „Kommt mir nicht wieder vor die Augen! Es fei denn, daß Ihr widerrufen wollt." Luther entgegnete: „Ich habe meine Sache Gott befohlen. Wenn ich 400 Köpfe hätte, so wollte ich sie lieber alle verlieren, denn widerrufen." Er nahm seinen Geleitsbrief und verließ das Haus des Kardinals. Dieser trachtete nun darnach, ihn gefangen nach Rom bringen zu lassen, doch es gelang Luther, auf einem schnellen Rosse bei Nacht zu •entfliehen. Als Cajetan erfuhr, daß Luther wieder in Wittenberg sei, forderte er den Kurfürsten auf, ihn gefangen nach Rom zu senden oder des Landes zu verweisen. Friedrich der Weise aber antwortete: „ Mein Gewissen verbietet mir, Luther vor erwiesener Schuld zu strafen."