— 236 — daß ihn Kurz verraten könne, der ihm vom Stück Seidenzcug die Hälfte versprochen^hatte. Daher kam er an einem Morgen früh vor Tages¬ anbruch allein zu ihm in das Gefängnis und jagte: „Lieber Zunftmeister, seid keck und unerschrocken! Wir haben einen Plan erdacht, wodurch wir euch befreien wollen. Wir haben an drei Stellen großes Volk aufgestellt, die euch dem Nachrichter aus der Hand reißen und vor der Hinrichtung erlösen werden. Euch zum Wahrzeichen will ich die Sturmglocke so kurz wie möglich läuten lassen." Da war der arme Zunftmeister froh; denn er vertraute fest, daß ihm nun geholfen werde. Am Gerichtstage ließ der Bürgermeister wirklich die Sturmglocke jo kurz läuten, wie das nie zuvor üblich war. Und als dem Übeltäter jein Verbrechen und jein Urteil vorgelesen worden und er nun durch die Stadt hinaus zur Hinrich¬ tung geführt wurde, da hat er immerzu umgesehen, so oft er in eine neue Gasse geführt wurde, und auf seine Befreiung gehofft. Wie er aber die Richtstätte mit dem Galgen vor sich sah, da wurde er verzagt und seufzte: „Ach Gott, nun finde ich mich von allen verlassen und es wird mir nicht gehalten, was mir zugesagt worden ist." 2. Damals war in Augsburg ein Zunftmeister namens Hans Vittel, der nicht zu den Handwerkern, sondern zu den Geschlechtern hielt und daher dem Schwarz nicht wohl geneigt war. Damit nun Vittel den Rat nicht mehr so fleißig besuchen könne, schickte er ihn zu einer Gesandtschaft nach Wien zu Kaiser Friedrich und gab ihm seinen Schwiegersohn Fries mit, der auf ihn acht geben sollte. Vittel wurde vom Kaiser in Ehren empfangen, und einmal redete ihn der Kaiser an: „Lieber Herr Vittel, wie steht's bei euch im Rat?" Worauf Vittel antwortete: „Ja, gnädiger Herr, es steht übel genug, und es darf dennoch niemand etwas dagegen sagen." Fries aber schrieb das alles seinem Schwiegervater heim. Als Vittel nach Augsburg zurückkehrte, wurde er von Schwarz mit sechs Kannen Wein freundlich empfangen und berichtete dem Rat, was er in Wien ausgerichtet habe. Als er aber abtreten wollte, fragte ihn Schwarz, was denn am kaiserlichen Hofe für ein neues Gerede über den Rat zu Augsburg wäre, worauf Vittel antwortete, daß man dort wenig Gutes vom Rat sage. Nun fragte der Bürgermeister, ob er auch den Rat gegen solche Nachreden verteidigt habe. Da erwiderte Vittel, daß vom Kaiser in nächster Zeit ein Schreiben nach Augsburg in dieser Sache kommen werde. In der nächsten,Sitzung verlangte der Bürgermeister, Vittel solle einen Eid schwören, daß er beim Kaiser nichts Schlechtes, sondern nur Gutes über Augsburgs Rat gesagt habe. Vittel weigerte sich und der