VI. Die Zeit Friedrichs des Großen. Dir langen Lerle des preußenkönigs. i. In Paris lebte einmal ein Deutscher namens Faßmann. Und weil gerade Jahrmarkt war in St. Germain, ging er eines Tages auch hinaus mit den Franzosen und machte einen langsamen Spaziergang durch das Gewühl der fremden Leute und das Geschrei der fremden Stimmen. Da sah er vor einer Bude ein sonderbares Gemälde hängen. Es war das Bild eines sehr großen Mannes in Heidnckenlivree; der lange blaue Soldatenrock reichte ihm bis an die Knöchel; ans dem Kopfe trug er eine große Perücke uud eine hohe Mütze mit langer Reiherfeder. Unter dem Bilde standen die Worte: Der deutsche Riese. Teils aus Neugierde, teils dem 'deutschen Landsmann zufiel) ließ sich's Faßmann zwei Groschen kosten und trat in die Bude. Er besah den Riesen und mußte gestehen, daß er niemals einen so großen Menschen gesehen habe. Der Riese hieß Müller, war ans der Gegend von Weißensels zuhause und also ein Sachse wie Faßmann selber. Der Große hatte eine kleine deutsche Frau, nicht halb so groß wie er. Er verdiente Geld mit Leichtigkeit, indem er sich in Frankreich, England und Holland sehen ließ. Dieser Riese war ein Soldat des Königs Friedrich Wilhelm von Preußen. Der hatte 2400 solche Riesen in seinem Leibregiment zu Pots¬ dam. Der kürzeste Mann in dieser Riesengarde maß gegen 7 Schuh, manche waren nahe an 9 Schuh hoch. Es waren Leute ans allen Ländern; hundert und etliche kamen alljährlich aus Rußland. Die anderen waren aus aller Herren Länder zusammengebracht, gestohlen oder auch gekauft worden mit ungeheuren Kosten. Ein irischer Rekrut kostete seine 8000 Taler, ehe er ins Netz gelockt, verschifft und glücklich nach Potsdam ge¬ bracht werden konnte. Als nun Faßmann 13 Jahre später im Frühling 1726 nach Pots¬ dam kam, wunderte er sich nicht wenig, wie er seinen deutschen Riesen 9*