Georg-Eckert-lnstitut
BS78$10852042
./ist >
^oi?en3oiiern"
r’X'.fi'V >« ' *
Georg-Eckert-Institut für internationale Schdbuchforschung Braunschweig
-Bibliothek-
Der kleine Patriot.
Brandenburg - Preußen - Deutschland.
Für das Kindesalter von 8—12 Jahren.
Von
- W. Wunze, \jß
Lehrer.
:a
Zweite Auflage.
Internationales Schulbuchiristrtifls
B raun»cK
-BjJbrtfct h e k -
Langensalza,
Schulbuchhandlung
von F. G. 2. Greßler.
1891. ifwentsnsiertunW
) 6^
HC-y.
Z* (zfif*)
V
'gTorreöe.
Ein kleiner Patriot ist ein Kind, das sein Vaterland lieb hat. Um dies Vaterland zu lieben, muß man es kennen, seine Geschichte fleißig lesen und lernen.
Euer Vaterland, meine kleinen Freunde, ist Brandenburg, Preußen und Deutschland, und es hat eine große, gar herrliche Geschichte.
Da habe ich euch denn die schönsten Geschichten dieser Geschichte so ausgeschrieben, wie ihr sie gern habt, leicht und verständlich.
Nun leset und — liebt!
Inhalt.
Seite Seite
Deutschland hoch! .... 7 Wie der König Friedrich II.
Vor 500 Jahren .... 8 die Franzosen^ geschlagen
Die „schöne Else" und die hat 37
„faule Grete" .... 9 Des großen Königs Geistes-
Wie Einer das Pulver er- gegenwart 38
funden 11 Der wird sich Schlesien nicht
Berlin 12 wieder nehmen lassen 39
Erfindung der Buchdrucker-» Wie König Friedrich d. Große
kunst v 14 die Kartoffeln einführt . 40
Entdeckung Amerikas. . . 15 Des „großen Königs" Ge-
Das Ei des Kolumbus . . 16 rechtigkeit 42
Die neue Zeit 18 Friedrich des Großen Ge-
Dr. Martin Luther . . . 19 nerale 43
Die Reformation .... 21 König Friedrichs Tod . . 46
Wie der Ablaßkrämer Tetzel Die französische Revolution. 47
angeführt worden ist. . 22 Napoleon Bonaparte . . . 48
Joachim I 23 Friedrich Wilhelm III. . . 50
Friedrich Wilhelm, d. „Große Preußens Erniedrigung . . 51
Kurfürst" 24 Preußens Engel .... 53
In Haag 26 Helden 55
Der 30jährige Krieg . . . 27 Preußens Erhebung . . . 57
Der alte Derfflinger . . . 29 Der König rief, und alle, alle
Die Schlacht bei Fehrbellin 3k kamen! 59
Preußen ein Königreich . . 32 Die Schlacht bei Leipzig 60
Friedrich Wilhelm I. . . . 33 Die Schlacht bei Waterloo . 62
Der König und sein Sohn . 35 St. Helena 64
Friedrich der Große . . . 36 Helden der Freiheitskriege . 65
VI
Friedrich Wilhelm IV. . Seite . 67
Wilhelm I., der Siegreiche . 69
Die „Düppeler Schanzen" . 71
Königsgrätz . 72
Langensalza . 74
Papa Wrangel .... . 76
Sedan . 77
Versailles Seite
Paris . 80
Die Kaiserin Augusta . . 81
Des Kaisers Paladine . . 83
Das Dreikaiserjahr . . . 85
An die deutschen Kinder. . 87
Anhang.
Geschichten aus der ältern deutschen Geschichte.
Die alten Deutschen . . . 89 Heinrich IV . 101
Die Völkerwanderung . 92 Die Zeit der Kreuzzüge . 104
Bonisacius 93 Friedrich Barbarossa . 106
Karl der Große . . . . 96 Rudolf von Habsburg . 110
Die Sachsenkaiser . . . . 98 Schlußwort 111
Deutschland hoch!
Deutschland hoch! aus alten Zeiten Künden Barden deinen Ruhm;
Deutschland hoch! mit deinen Recken,
Deines Volkes Heldentum!
An den Wäldern der Vogesen,
An der Weichsel fernem Strand Ist ein kräftig „Halt!" zu lesen:
„Wanke nie, mein Vaterland!"
Von den Alpen bis zum Meere Deutscher Zunge Liederschall,
Bei dem Bürger, in dem Heere Deutscher Treue fester Wall!
Preußen, Sachsen und Teutonen,
Bayern, Schwaben — stammverwandt —
Treu vereint im Vaterhause:
„Schirm' dich Gott, du deutsches Land!"
Junges Reis der Zollerneiche,
Kaiser Wilhelm, sei gegrüßt!
Deiner Väter Ruhm und Segen Hat Dich stark und wach geküßt.
Auf des Thrones heil'ger Höhe,
Mit dem scharfen Schwert zur Hand Sei dem Feind ein „warnend Wehe!" „Friedefürst" dem Vaterland!
Vor 500 Jahren.
(1400—1500.)
Vor etwa 500 Jahren, da sah es in unserm lieben,
deutschen Vaterlande zuweilen recht übel aus und es lebte
sich gar nicht sicher und schön, weder in der Stadt, noch auf dem Lande.
Die deutschen Kaiser waren nicht immer so gerechte
und mächtige Herren, wie Kaiser Wilhelm; es gab auch schwache unter ihnen, ober sie waren fern auf Kriegs-
zügen. —
Dann erhoben sich hie unb ba im Sanbe unruhige, trotzige Rittergeschlechter, bauten sich feste Burgen auf hohe, steile Felsen, fielen von da aus gewappnet ins Land und beraubten Bürger und Bauer. Darum nannte man sie Raubritter und die alten Burgruinen am Rhein unb an ber Saale erinnern uns heut noch lebhaft an bie Zeit, wo diese bort hausten. —
Die trotzigsten biefer Raubritter in ber Mark Branben-burg waren Hans unb Dietrich von Quitzow. Hinter ben festen Steinmauern ihrer vielen Burgen hielten sie Scharen von gewappneten Knechten unb trotzten bem Kaiser unb ihrem Lanbesfürsten. —
Im finstren Walbe lauerten sie mit ihren Reisigen auf ben Krämer unb Kaufmann, bie mit ihren Waren zur Messe zogen, ober von bort zurück tarnen.
Ehe bie Ärmsten es sich versahen, schwirrten ihnen bie eisernen Bolzen ber Bogenschützen entgegen. Dann
sprengten die geharnischten Ritter aus dem Walde und warfen die noch wehrhaften Kaufleute und deren Knechte nieder.
Die erbeuteten Waren fuhren die Troßknechte auf die Raubburg. Dort schmückten sich Ritterfrauen und Töchter mit den seidenen Gewändern und güldenen Ketten, die bei dem Raube gefunden wurden. —
Die armen Gefangenen aber wurden in das finstere Burgverließ geworfen, bis ihre Stadt oder Anverwandten sie mit vielem Gelde lösten. Das nannte man vom „Stegreif leben".
Zuweilen thaten sich die also geplagten Städte zusammen und kündigten dem Ritter die Fehde an; oder die Ritter thaten dies untereinander.
Dann ging es dem armen, wehrlosen Bauer schlecht. Er flüchtete wohl vor den reisigen Scharen in die dichten Wälder, aber nicht immer konnte er rechtzeitig ein Versteck finden und wurde dann grausam geplagt und ausge-
plündert.
Je mehr Dörfer man dem Gegner verbrennen, je mehr
Bauern und Knechte man ihm erschlagen konnte, desto größer
und vollständiger galt der Sieg, denn der Bauer war dem Ritter leibeigen und zinspflichtig. —
Die „schöne Else" und die „faule Grete".
(1415.)
Es war einmal ein großer und mächtiger Kaiser, der
hieß Sigismund. Er hatte viele Ritter und Fürsten unter sich, der eine aber, Friedrich von Zollern, war ihm besonders wert und teuer.
Um diesen tapfern Held würdig zu belohnen, schenkte er ihm das Land zwischen Elbe und Oder, die Mark Brandenburg.
10
Als der Zollernfürst von Franken aus dorthin zog, um sein Land in Besitz zu nehmen, fand er es, wie ich euch im ersten Kapitel erzählt habe, voller Raubritter und freches Gesindel, die weder Gott noch dem Könige gehorchen wollten. „Da will ich euch doch meine beiden Damen kommen lassen/' lachte der Fürst Friedrich, „die sollen euch schon Ordnung lehren."
Und siehe, eines Tages zog ein langer Zug fränkischer Ritter in glänzenden Harnischen und auf mutigen Streithengsten ins Land, geführt von einer wunderbar schönen Frau. Das war die „schöne Else", des Zollernfürsten Gemahlin.
Am Ende des Kriegszuges aber schleppten die Bauern noch eine Dame mühsam durch den Sand, die war ganz von Eisen. Man nannte sie „die faule Grete", weil sie gar so langsam vorwärts wollte.
Ihr ahnt es wohl? Es war eine gewaltige Kanone, die erste, die es gab, und hinter ihr her kamen ganze Wagen mit Pulver uud eisernen Kugeln.
Noch spotteten die übermütigen Ritter und nannten den Kurfürsten einen „Nürnberger Tand", weil er zuvor Burggraf von Nürnberg, wo damals und noch heut die Nürnberger Ware (Kinderspielzeug) gemacht wurde, gewesen war.
Als aber Fürst Friedrich Ernst machte unb mit den fränkischen Rittern das Land säuberte und mit der „faulen Grete" die festen Steinmauern der Raubburgen in Haufen schoß, da verstummte der Spott und viele ber wilben Raubritter kamen zu Hofe, thaten fußfällig Abbitte unb gelobten bera Kurfürsten Gehorsam unb Treue.
Die „schöne Else" aber waltete fortan in Berlin als Lanbesmutter unb bezauberte burch ihren Liebreiz gar balb bie ftörrigen Herzen ber Branbenburger.
11
Gott segnete dies Fürstenpaar und sie wurden die Stammeltern unserer Könige, die heut die Kaiserkrone Deutschlands tragen.
Wie Einer das Pulver erfunden.
(1340.)
Nicht lange vorher, ehe die „faule Grete", von der ich euch erzählte, die Ritterburgen niederwarf, da lebte in einem stillen Kloster ein Mönch, der hieß „Berthold Schwarz", der trieb auch eifrig die sogenannte „schwarze Kunst".
Man glaubte damals, mit Hilfe dieser Kunst Gold herstellen zu können, hat es aber bis heut nicht fertig gebracht und muß es immer noch mühsam ans der Erde graben oder aus dem Sande großer Ströme herauswaschen.
Eines Tages stand dieser Mönch abermals vor seinem Mörser, um neue Versuche zu machen. Er that Kohle, Schwefel und Salpeter hinein und stampfte munter darauf los.
Mit einem Male flogen der Mönch, der Mörser, die Keule und der Deckel an die Wand. Eine mächtige Feuersäule züngelte empor und ein furchtbarer Knall erschütterte das ganze Haus.
Erschreckt und mit bleichen Gesichtern liefen die übrigen Mönche herbei und betrachteten sprachlos die angerichteten Verwüstungen.
Berthold Schwarz erholte sich gar bald wieder, überlegte den Fall genauer und, siehe da, — das Pulver war erfunden.
Diese Erfindung hatte für die damalige Kriegsführung eine großartige Bedeutung und führte mächtige Veränderungen herbei. Die persönliche Tapferkeit der geharnischten Ritter verlor ihren Wert. Jeder Stallbub' konnte einen
12
Gewappneten aus weiter Entfernung und sicherem Verstecke mit seiner Hakenbüchse niederschießen und die festen Mauern der alten Ritterburgen boten keine Sicherheit mehr, sich dahinter zu verbergen, denn die schweren Eisenkugeln der mit Pulver geladenen Kanonen warfen sie nieder.
Der Ritterstand hörte nach und nach auf, und es bildeten sich aus ihm an seiner Stelle die Kriegsheere, die, wie noch heut, mit Kanonen und Büchsen bewaffnet in die Schlacht ziehen.
Berthold Schwarz, der früher unbekannte Mönch, war plötzlich ein berühmter Mann geworden. Von einem Menschen aber, der wenig klug ist, etwas zu erdenken oder zu erfinden, pflegt man heut noch zu sagen: „Der hat das Pulver auch nicht erfunden!" —
Berlin.
(1440.)
Die stolze Kaiserstadt des deutschen Reiches, Berlin, ist aus recht kleinen Anfängen mit den Zollernfürsten erst ge-wachsen und groß geworden.
Ganz früher waren es zwei elende, wendische Fischerdörfer, deren Bewohner von der Landwirtschaft und von dem Fischreichtum der Spree, die mitten durch geht, lebten.
Als die Fürsten des Landes sich dort ein Schloß bauten und Wohnsitz nahmen, wurden es bald zwei Städte mit festen Ringmauern. Nicht selten befehdeten sie sich untereinander.
Einstmals waren die Bürger dieser Städte doch gar so trotzig, dem Kurfürst Friedrich, dem Eisenzahn, den Einzug zu wehren.
Bei dem kamen sie aber schön an. In Eile sammelte der Zollernfürst, Friedrichs I. und der „schönen Else" Sohn
13
sechstausend Ritter, sprengte die Thore der trotzigen Städte und überwältigte sie.
Nun baute der Fürst dicht am User der Spree eine Art Zwingburg, von der aus er die widerspenstigen Bürger im Zaume halten konnte, und nahm für immer seinen Wohnsitz darin.
Die Burg ist das heutige Königsschloß in Berlin, in dem unser lieber Kaiser und Herr, Wilhelm II., Hof hält. Es ist freilich im Laufe der Jahrhunderte vielfach verändert und ein herrlicher Bau geworden. Leute aus jener Zeit würden es nicht wieder erkennen.
Berlin und Coeln wurden nun unter dem Eisenzahn „eine" Stadt, die an Wohlstand bald alle übrigen Städte des Landes überholte.
Es kamen aber auch wieder schwere Zeiten über dieselbe. Krieg. Pest und Hungersnot hatten die Ordnung recht erschüttert und es trieben in den dichten Wäldern vor den Thoren Berlins die Schnapphähne (Raubritter) ihr schändlich Handwerk, wie ehedem.
Das arme geplagte Volk seufzte schwer darunter und betete in seiner Herzensangst:
„Vor Köckcritz und Lüdcritz,
Vor Kracht und Jtzcnplitz Behüt' uns, lieber Herre Gott!"
Gerade zn der Zeit kam ein recht junger Kurfürst, Joachim I., zur Regierung. Er drohte den Wegelagerern mit Strang und Schwert, sie verlachten ihn und schrieben an seine Kammerthür:
„Jochiinke, Jochimke, hüte dy,
Fcmg'n rot) dy, so hang'n wy dy!"
Er ließ sich aber, trotz seiner Jugend, nicht einschüchtern und ließ jeden Bösewicht, den er fing, henken.
Das gab Furcht und es ward wieder Ordnung im Lande.
14
Erfindung der Buchdruckerkunst.
(1440.)
Zu eben der Zeit, von der ich euch bis jetzt erzählte, also etwa vor 400 Jahren, wurden die wenigen Bücher, die es in der Welt gab, mühsam vom ersten bis zum letzten Blatt geschrieben. Ihr könnt euch leicht denken, wieviel Tage und Wochen man dazu nötig hatte, etwa eine Bibel abzuschreiben.
Solch geschriebenes Buch kostete aber auch recht viel Geld, und nur ganz reiche Leute konnten daran deuten, sich eine Bibel anzuschaffen.
Da kam ein kluger Mann, Johann Gutenberg aus Mainz, auf den Gedanken, die einzelnen Laut- oder Wortzeichen auf buchene Stäbe (Buchstabe) aufzuschneiden, die Wörter und Sätze damit zusammenzustellen, mit schwarzer Farbe zu bestreichen und so mittels einer Presse auf Papier zu drücken.
Dadurch wurde es möglich, mit ein und derselben Platte ungezählte weiße Blätter zu bedrucken, welche man dann zu eben so viel Bücher zusammenstellte und in Schweinsleder heftete.
Nun ging es an, die Bücher für wenig Geld abzugeben und das Volk kaufte eifrig davon und suchte sein Wissen durch fleißiges Lesen zu vermehren.
Freilich sahen die Klosterleute (Mönche) sehr scheel auf diese wichtige Erfindung, denn es war ihnen, da sie bisher fast ausschließlich die Bücher geschrieben hatten, damit ein bedeutender Gelderwerb entzogen.
Sie suchten dem Volke einzureden, der Gutenberg und seine Genossen, Faust und Peter Schösser, ständen mit dem Teufel im Bunde und übten die schwarze Kunst.
Damit konnten sie aber nicht hindern, daß immer mehr Bücher gedruckt wurden und das Volk immer klüger wurde.
15
Leider ist es auch diesem braven Manne, dem Gutenberg, nicht gerade gut ergangen. Seine Genossen betrogen ihn um die Früchte seines Denkens und ließen ihn in Armut und Mangel verkommen.
Jetzt hat ihm seine Vaterstadt Mainz ein schönes Denkmal gesetzt. Besser wäre es freilich gewesen, man hätte ihn bei Lebzeiten nach Verdienst geehrt.
Wie großartig aber hat sich seine Kunst in unserer Zeit erhoben und ausgebildet? Wieviel schöne, lehrreiche Bücher werden heut ben Kindern schon in die Hände gegeben, daß sie barin lesen unb klug unb fromm werben!
Entdeckung Amerikas.
(1492.)
Vor etwa 400 Jahren kannten bie ältesten unb gelehrtesten Leute nur „brei" Erbteile: „Asien, Afrika unb Europa." Heut weiß jebes Kinb, baß es beren fünf giebt: „Amerika" unb „Australien" sind bazu gekommen.
Die beiben letztgenannten würben später entbecft unb ihre Entbeckung ist auf bie alte Welt, auch auf unser engeres Vaterlanb nicht ohne Einwirkung geblieben.
Christoph Kolumbus, ein Genueser, hatte auf seinen mannigfachen Seefahrten ben Gebauten gefaßt, es müsse mitten in bem großen Weltmeer noch eine frembe Erbe liegen unb ließ sich auch burch nichts baöon abbringen.
Zunächst wollte niemanb baran glauben, enblich aber rüstete ihm bie eble Königin Js abella von Spanien brei kleine Schiffe aus, unb es fanben sich auch 120 mutige Seefahrer, bie mit ihm bas Abenteuer bestehen wollten.
Die Fahrt ging anfangs recht glücklich, dann aber kamen wibrige Winbe ober wochenlange Winbstille unb mochten bie Seeleute mutlos, ja mürrisch.
Nach Wochen- unb monbelangen Mühsalen, als schon bie mitgenommenen Vorräte an Lebensmitteln unb Trinkwasser
16
aus die Neige gingen, da brach offene Empörung unter den Schiffsleuten aus.
Gewaltsam forderten sie die Umkehr nach dem Vaterlande, ja, sie drohten dem edlen Kolumbus sogar mit dem Tode und wollten ihn über Bord in das Meer werfen.
Der Admiral aber blieb unerschütterlich im Vertrauen auf Gott und auf das Gelingen seines Werkes. Noch einmal vermochte er die meuterischen Scharen der Schiffsleute zu beruhigen, indem er ihnen versprach, nach drei Tagen, wenn bis dahin kein Land in Sicht sei, umkehren zu wollen.
Und siehe, sein Vertrauen ward glänzend belohnt. Schon am zweiten Tage zeigten sich sichre Anzeichen des nahen Landes. Fremdartige nie gesehene Vögel setzten sich auf die Segelstangen; Baumstämme und von Menschenhand geschnitzte Stäbe trieben auf den Meereswellen vorüber und der Morgen des dritten Tages beleuchtete die nicht mehr ferne Küste des neu entdeckten Erdteiles.
Unermeßliche Reichtümer brachten die Schiffe von dort nach Spanien zurück und Christoph Kolumbus, der kühne Entdecker Amerikas, war ein berühmter Mann geworden. —
Das Ei des Kolumbus.
(1492.)
Ihr möchtet doch wohl noch mehr von diesem kühnen Seefahrer, Christoph Kolumbus, hören? Nun recht!
Der Wankelmut der Schiffsleute schlug mit dem Augenblick, da sie das ersehnte Land vor Augen hatten, schnell in das Gegenteil um.
Ehrfurchtsvoll neigten sich die Widerspenstigen vor ihrem Gebieter. Dieser verzieh ihnen großmütig.
Kolumbus legte den Purpurmantel an und pflanzte die königliche Standarte dort auf, wo er landete, zum Zeichen, daß er den Boden für die Krone Spaniens feierlichst in Besitz nehme.
17
Scheu und furchtsam kamen nach und nach aus den dichten Wäldern ganz kupferrote, wilde Menschen und staunten die weißen Brüder und ihre großen Schiffe an.
Als man aber, ohne ihnen Schaden thun zu wollen, eine Kanone abfeuerte, ergriffen sie ängstlich die Flucht.
Christoph Kolumbus nannte sie Indianer, weil er irrtümlich annahm, er sei an Indien gelandet. Erst spätere Forscher merkten, daß das entdeckte Land ein ganz neuer Erdteil sei; namentlich war es ein Mann, Namens Amerigo Vespucci, der es gründlich durchforschte, und nach ihm erhielt es den Namen „Amerika". Wie ich euch im vorigen Kapitel schon erzählte, kam Kolumbus zu hohen Ehren; er hatte aber auch, wie alle besonderen und glücklichen Menschen, bald viele und gefährliche Neider und Feinde.
Einstmals war er bei Hof zur Tafel geladen. Da meinten denn auch so fade Höflinge, es sei doch eigentlich etwas Geringes, ein neues Land zu entdecken; das könnten sie etwa auch.
Christoph Kolumbus nahm stillschweigend ein Ei vom Teller und fragte lächelnd, wer von den Herren das wohl auf die Spitze stellen könne.
Es versuchten es viele, aber keinem wollte es gelingen. Da nahm Kolumbus das Ei in die Hand und stellte es mit leisem Schlag, der es einknickte, auf seine Spitze, daß es aufrecht stehen blieb.
Ah, meinten die klugen Leute, so hätten wir es auch fertig gebracht.
Ganz wohl, entgegnete Kolumbus gelassen, nur mit dem Unterschiede: „Ihr hättet es, ich aber habe es fertig gebracht."
Gleichwohl gelang es diesen Ohrenbläsern, dem Könige glaubhaft zu machen, Kolumbus strebe darnach, das neue Land in seinen eigenen Besitz zu bringen.
Der mißtrauische Monarch ließ ihn in Ketten legen; die Richter aber sprachen ihn von Schuld und Strafe frei.
Runze, Der kleine Patriot. 2te Aufl. o
18
Durch so schlimmen Undank an Leib und Seele gebrochen, starb er bald. Sein letzter Wunsch war, man möge ihm die Ketten, die er getragen, doch mit ins Grab legen.
Die neue Zeit.
(1417.)
Mit der Erfindung des Pulvers, der Buchdruckerkunst und der Entdeckung Amerikas brach eine neue Zeitepoche für unsern Erdteil und 'auch für unser liebes Vaterland an.
Die Kriegsführung der Völker ward eine andere und weniger grausame. Neue Handelsstraßen und Beziehungen mit den entdeckten Ländern eröffneten sich dem Verkehr und brachten die Kartoffeln, den Reis, Tabak, Kaffee und Gewürze fremder Zonen in unser Land.
Der finstere Aberglaube, der mit der Dummheit des Volkes Hand in Hand geht, lichtete sich, je mehr die Buchdruckerkunst ihre Erzeugnisse den Menschen darbot.
So spricht man auch von der Zeit ab von einer neuern Geschichte.
Im Mittelalter beherrschte die katholische Kirche durch ihren Obersten, den Papst in Rom, fast die ganze Menschheit, mindestens alle christlichen Völker der Erde. Kaiser und Könige mußten sich bor dem allgewaltigen König der Geister beugen, und wehe dem, der es gewagt hätte, ihm Trotz zu bieten.
Er hatte ganz furchtbare Strafmittel, und das ungebildete Volk, das in ihm den Statthalter Christi sah, half sie willig an den armen, meist unschuldigen Opfern vollstrecken. Wen er in den Bann that, dem waren alle Kirchen verschlossen. Ihm brauchte niemand Eidschwur, Treue und Glauben zu halten und ihm durfte niemand Obdach gewähren und Speise reichen. Sein Leben war verfallen. Wo die Kirche ihn in ihre Gewalt bekam, ward er auf das qualvollste gefoltert und verbrannt.
19
Noch zur Zeit des Kaisers Sigismund, auf dem Reichstage zu Worms, wo Kurfürst Friedrich mit der Mark Brandenburg belehnt wurde, ward ein böhmischer Priester, Johann Huß, verbrannt, weil er den Mißbrauch der päpstlichen Gewalt und seine Irrlehren dem Volke zu zeigen gewagt hatte.
Aber das Volk hatte lesen und begreifen gelernt. Wohl duldete es noch murrend den Tod seines Märtyrers, doch stand es bald darauf in hellen Rotten zusammen. Nach ihrem gemordeten Priester nannten sie sich Hussiten und ver-verwüsteten ^engend und brennend Klöster und Abteien.
Diese wilden Horden, die nebenbei auch das Land verderbten, sollten aber die Kirche nicht frei machen, sondern nach Gottes Willen untergehen. Seine Kraft und Allmacht, die auch in dem Schwachen mächtig ist, wollte durch einen einzigen Mönch den übermütigen Papst demütigen.
Noch 100 Jahre und — Luther ward geboren. Mit ihm beginnt auch auf dem kirchlichen Gebiet eine neue Zeit; ein mächtiger Kampf der Geister — „die Reformation".
Dr. Martin Luther.
(1483.)
Martin Luther ward am 10. November 1483 zu Eisleben geboren, eines echten Bauers Sohn, wie er später selbst von sich rühmt.
Als Knabe und Schüler war er überaus lernbegierig und fleißig, als Jüngling und Student fröhlich bis zum Übermut.
Als einst ein Blitzstrahl seinen Freund Alexis plötzlich von seiner Seite riß, da strafte ihn sein Gewissen; er fürchtete sich vor Gott und ging nach damaliger Sitte in das Augustinerkloster zu Erfurt.
2*
20
Hier las er eifrig die heilige Schrift und tröstete sich an dem Worte St. Pauli R ö m. 5, 1. Nun wir denn sind gerecht geworden durch den Glauben, so haben wir Friede mit Gott durch unsern Herrn Jesum Christum.
Sein Oberer, Dr. Staupitz, erkannte in dem jungen Mönch den Feuergeist und empfahl ihn dem Kurfürst von Sachsen. So kam er nach Wittenberg.
Hier lehrte er an der Hochschule und predigte dem Volke, das ihn gern hörte.
Der Klosterorden sandte ihn nach Rom. Dort sah er mit eigenen Augen das Schandleben am Hofe des Papstes. Er fing an, darauf zu achten und erkannte nun auch die vielen Irrlehren der Päpstlichen.
Als es damit zu arg wurde und ein Abgesandter des Papstes, Tetzel, bis vor die Thore von Wittenberg kam und dem dummen Volk Ablaßzettel für schweres Geld verkaufte, so daß es meinen mußte, es könne nun getrost morden, stehlen, rauben, es habe ja Ablaß (Vergebung der Sünde) dafür in der Tasche, da mochte Luther nicht länger schweigen.
Am 31. Oktober 1517 schlug er öffentlich 95 Schriftsätze wider den Papst, dessen Irrlehren und schändlichen Betrug des armen Volkes an die Schloßkirche zu Wittenberg.
Dies gab das Zeichen zu einem furchtbaren Kampf der Geister, und das war der Anfang der Kirchenverbesserung (Reformation).
Dr. Martin Luther ward von dem Papst nun auf das heftigste verfolgt. Er ward in den Bann gethan, verbrannte aber die päpstliche Bannbulle vor dem Elsterthor in Wittenberg.
Nun lud ihn der Kaiser Karl V. nach Worms auf den Reichstag. Man warnte ihn und erinnerte ihn an Huß. Er aber sprach getrost und freudig: „Und wenn so viel Teufel in Worms, wie Ziegel auf dem Dache wären, so wollt' ich doch hin und Zeugnis geben!"
21
Als er auf seinem Zuge dorthin durch Weimar kam, verbrannte gerade auf dem Marktplatz der Henker seine Schriften wider den Papst. Es sah nicht gut aus mit seiner Sache, aber er sang froh und glaubensvoll: „Eine feste Burg ist unser Gott!" und in ihm sollte er siegen.
Die Reformation. (Fortsetzung.)
(1521.)
So kam Luther nach Worms und sollte dort vor Kaiser und Reich seine Lehre und seine Schriften widerrufen.
Als er in den Saal treten wollte, wo Fürsten, Papst und Prälaten versammelt waren, klopfte ihm ein alter Feldhauptmann, Georg von Frnndsberg, freundlich auf die Schulter und sprach zu ihm: „Münchlein, Münchlein, Du gehst jetzt einen schweren Gang, den ich und mancher Feldoberster in der heißesten Schlacht nicht gegangen sind. Bist Du aber Deiner Sache gewiß, so vertrau' auf Gott, er wird Dich nicht verlassen."
Dies Wort hat unseren Luther gar sehr ermutigt und er gab freudig Zeugnis vor der glänzenden Versammlung.
Als man ihn aber zum Widerruf seiner Lehre zwingen wollte, that er es doch nicht und sprach feierlich: „Es sei denn, daß man mich aus der heiligen Schrift oder mit klaren, faßlichen Gründen widerlegen kann, so will ich nicht widerrufen, da es nicht gut und geraten scheint, etwas wider die Wahrheit und das Gewissen zu thun."
Und nun legte er die Hand auf das Herz und sprach fest und ergeben: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen."
Zu dem Bannstrahl des Papstes fügte der Kaiser nun die Reichsacht: Luther war vogelfrei, jedermann durfte ihn ungestraft töten, niemand ihm Obdach und Speise geben.
Der liebe Gott wußte ihn aber doch zu schützen. Luthers Kurfürst und Freund, Friedrich der Weise, ließ ihn
22
heimlich durch verkappte Ritter aufheben und nach der nahen Wartburg entführen. Dort lebte er mehrere Jahre als Junker Georg. Während man ihn überall für tot oder gefangen hielt, übersetzte er auf der Ritterburg in aller Stille die heilige Schrift in die deutsche Sprache und förderte dadurch nicht wenig das Wachsen der evangelischen Sache.
Weder Papst noch Kaiser vermochten auf die Dauer wider Wahrheit und Recht anzukämpfen.
Die Reformation siegte und ist heut in unserer lieben evangelischen Kirche eine Macht geworden, die wohl mit Luther sagen und singen darf: „Und wenn die Welt voll Teufel wär' und möcht' uns gern verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr, es muß uns doch gelingen!"
Wie der Ablaßkrämer Tetzel angeführt worden ist.
(1517.)
Als der 'Papst seine Bettelmönche durch das deutsche Reich schickte, Ablaßzettel an das Volk zu verkaufen, kam der „Tetzel", von dem ich euch schon erzählt, auch nach Jüterbogk und ward unter Glockengeläut und Chorgesang feierlichst eingeholt.
Mitten auf dem Markt schlug er feine Bude auf, und das Volk strömte in hellen Haufen herbei, sich von Sünden und Strafe, von Hölle und Fegefeuer gegen Ablaßzettel loszukaufen.
Unter andrem fand sich auch ein verkappter Ritter ein und fragte an, was er zu zahlen habe, wenn er jemand berauben würde.
Ei, das ist eine große Sünde, meinte Tetzel, da müßt ihr schon mehrere Goldstücke opfern.
Der Ritter that dies auch willig, nahm seinen Ablaßzettel und zog fröhlich seine Straße fürbaß.
23
Tetzel aber rief laut in die Menge hinein:
„Wenn das Geld im Kasten Hingt,
Die Seele aus dem Fegefeuer springt!" bis daß sein Kasten voller Gold- und Silbermünzen war; da zog auch er seine Straße weiter.
Als er nun mitten durch den düstern Föhrenwald kam, sprengte plötzlich ein Haufen Geharnischter auf sein Gefährt ein, warfen den Knecht nieder nnd nahmen den vollen Kasten als gute Beute mit.
Es nützte dem schlauen Mönch gar nichts, daß er fluchte und zeterte, den Räubern mit Bann und Interdikt drohte. Der Anführer zeigte ihm lachend den gelösten Ablaßzettel und rief höhnisch: „Ihr habt mir ja selbst den Ablaß erteilt, was wollt Ihr nun dagegen eifern?"
So fing der Fuchs sich in seiner eigenen Schlinge und hatte noch zum Schaden den Spott obenein.
Gleichwobl wurde der schnöde Ablaßhandel noch lange fortgesetzt, und als die einzelnen Mönche nicht mehr herumzogen, bekamen Klöster und Abteien vom Papst die Berechtigung, an bestimmten Tagen im Jahre Ablaß erteilen zu dürfen.
Noch heut, nachdem diese Klöster längst zerstört oder zerfallen sind, feiern diese Orte den altberühmten Tag, nennen ihn auch noch „Ablaß"; haben aber irgend einen Jahrmarkt oder ihr Kirchweihfest darauf verlegt.
Joachim I.
(1535.)
Das war derselbe Zollerufürst, von dem ich euch schon erzählt habe, der die Raubritter hängen ließ, trotzdem sie ihm, dem 15jährigen Regenten, das Berschen an die Kammerthür geschrieben hatten:
„Jochimke, Jochimke, hüte dy,
Fang'n wy dy, so hang'n wy dy!"
Er war inzwischen zum Manne gereift und ein Zeitgenosse Luthers. Freilich war er ein strenger Gegner der
24
Reformation und duldete sie nicht in seinen Landen. Gottes Werk kann aber kein Mensch und auch kein Fürst hindern, und so mußte er es erleben, daß viele seiner Unterthanen heimlich zu der neuen Lehre übertraten und selbst seine eigene Gemahlin, Elisabeth, sich heimlich im Schlöffe von Berlin von lutherischen Predigern das heilige Abendmahl reichen ließ.
Das ward dem Kurfürsten verraten und er drohte seiner Gemahlin ernstlich, sie einsperren, ja wohl hinrichten zu lassen. Nur durch heimliche Flucht konnte dieselbe sich retten.
Ihr Bruder, der sächsische Kurfürst, nahm sie auf und ließ sie aus Schloß Sichten bürg, zwischen Torgau und Wittenberg, unter seinem Schutze wohnen. Da konnte sie viel mit dem frommen Luther verkehren und das tröstete sie sehr in ihrem Herzeleid.
Nach dem Tode des strengen Fürsten holten die Söhne die ihres Glaubens wegen vertriebene Mutter feierlichst wieder zurück und gaben auch in ihrem Lande „die neue Lehre" frei.
Elisabeth aber wohnte bis an ihr Ende in Spandau und hat viel Gutes an den Armen gethan.
Das Land Brandenburg nahm nicht nur die Reformation freudig auf, es ward sogar der Schutz- und Trutzort aller evangelischen Christen und ist mit der Reformation groß und mächtig geworden.
Friedrich Wilhelm, der „Grosze Kurfürst".
(1640—1688.)
Wer mal von euch, lieben Kinder, nach Berlin kommt, dem wird auf einer Brücke, die über die Spree führt, nicht weit ab von dem königlichen Schlosse, ein gewaltiges Reiterstandbild, ans Erz gegossen, auffallen. Das ist des Mannes Bildnis, von dem ich euch erzählen werde.
Wie er dort in Eisen und Erz steht, als wolle er heut noch, nach 200 Jahren, die Welt kommandieren, so stand er
25
auch bei Lebzeiten als Kurfürst von Brandenburg klug, weise und fest mitten in der Brandung des 30jährigen Krieges und führte sein Volk und sein Land glücklich, ja mit Ruhm und Ehre hindurch.
Wie am Sockel des Standbildes vier gefesselte Männer, um Gnade flehend, zu dem Gewaltigen aufblicken und ängstlich vor den Hufschlägen seines Streitrosses sich zu wahren suchen, so haben der Schwede und der Franzose, ja selbst der Spanier und der wilde Sohn des schwarzen Erdteils, der afrikanische Neger, vor ihm gezittert. Seine Heere, unter dem tapfern Feldmarschall Derfflinger, halfen dem Kaiser seine Schlachten schlagen, besiegten, von diesem dann treulos im Stich gelassen, ganz ohne fremde Hilfe die Schweden bei Fehrbellin, und seine Schiffe segelten, von den pommerschen Häfen aus, durch alle Weltmeere.
Sonderbar, wie jetzt das mächtige deutsche Reich unter Führung eines Urenkels des Großen Kurfürsten in Begriff ist, in Afrika festen Fuß zu fassen, so hat denselben Ge-
danken schon vor 200 Jahren der Kurfürst gehabt.
An der Ostküste Afrikas, wo es vom atlantischen Ocean bespült wird, legte er eine Festung an und nannte sie Groß* Friedrichsburg.
Es war seine größte Freude, wenn seine Schiffe ihm von dort her Goldstaub und allerhand merkwürdige Dinge der fremden Zone mitbrachten. —
Auch einen starken, wild aussehenden Neger sah man stets in seiner Begleitung. Er war ebenfalls dort her und der Kurfürst hatte ihn zu seinem Leibdiener
gemacht.
Einstmals auf der Jagd mußte er seinem Herrn die
kurzen Thonpfeifen, ans denen dieser zur Erholung Tabak rauchte, nachtragen.
Ein Bäuerlein, das den schwarzen Mann und seine
Pfeifen neugierig angaffte, sollte diese damals noch neue
26
Mode auch mal probieren. Freundlich grinsend reichte ihm der Neger eine frisch gestopfte und in Brand gesetzte Thonpfeife hin. Entsetzt schüttelte der Bauer sein struppiges Haupt und stammelte, mit beiden Händen abwehrend: „Nä, gnädiger Herr Düwel, ick fräte feen Für!"
In Haag.
(1620.)
Als der „ Große Kurfür st" noch ein Jüngling war, schickten ihn die Eltern mit einem Hofmeister auf Reisen, damit er die Welt kennen lernen und seine Kenntnisse vermehren sollte.
So kam er auch nach „Haag", einer Residenzstadt in Holland, nahe am Nordsee-Gestade. Holland und die Niederlande, die waren gerade zu der Zeit unter der Führung der tapfern Statthalter von Oranien das blühendste Land und glücklichste Volk in ganz Europa.
Friedrich Wilhelm, der brandenburgische Kurprinz, empfing gerade dort die lebhaftesten Eindrücke für seine spätere Regentenlaufbahn. Am merkwürdigsten bleibt doch aber seine Flucht von dort in das Kriegslager seines berühmten Oheims Heinrich von Oranien, der gerade Breda belagerte.
In „Haag" sammelten sich die lebensfrohen Sprossen der unermeßlich reichen, niederländischen Adelsgeschlechter und führten nach französischem Muster ein ziemlich lockeres Leben.
Das widerstrebte dem deutschen, einfachen Wesen des Kurprinzen. Er hielt sich fern davon und arbeitete, während jene wilde Feste feierten, ernst an feiner Ausbildung. —
Da hatten die vornehmen Jünglinge am Hofe einen häßlichen Plan gefaßt, wie sie auch den jungen Prinzen in ihre Kreise ziehen wollten.
27
Sie überraschten ihn wirklich eines Tages mit ihren Anschlägen, hatten aber kein Glück damit.
Der Prinz kehrte ihnen kurz den Rücken, packte seinen Koffer und reiste bei Nacht und Nebel ab.
Denkt dabei an Joseph, Jakobs Sohn!
Als der tapfere Oheim des Prinzen vom Hofmeister die Veranlassung der ehrenvollen Flucht erfuhr, klopfte er dem jungen Vetter freundlich auf die Schulter und sprach: „Vetter, Ihr habt einen schönern Sieg erfochten, als wenn ich Breda eroberte, denn, wer sich selbst beherrscht, ist der höchsten Thaten fähig!"
Der Kurprinz antwortete bescheiden: „Ich war es Gott, meinen Eltern und meinem Volke schuldig!"
Und nun blieb er im Kriegslager des berühmten Ora-niers und lernte dort unter den rauhen Sitten der Soldaten — Schlachten schlagen und den Feind besiegen.
In seinem Vaterlande aber bereiteten sich inzwischen böse Dinge vor. Die evangelische Lehre des Doktor Martin Luther war eine Macht geworden, aus die der Papst in Rom und der katholische Kaiser in Wien mit immer wachsendem Groll aufmerksam wurden.
Bald schärften sich die Gegensätze zwischen katholischen und evangelischen Christen dermaßen, daß ein entsetzlicher Krieg daraus entstand.
Der 30jährige Krieg.
(1618—1648.)
Als der „Große Kurfürst" zur Regierung kam, wütete ein entsetzlicher Religionskrieg in Deutschland und auch das brandenburgische Ländchen war durch denselben arg verwüstet worden.
Die katholischen Völker, verhetzt durch den Papst, wollten die Evangelischen ausrotten und oft genug schien es so, als sollte es ihnen gelingen.
28
Zu der Zeit gab es noch keine stehenden Heere. Wenn Fürsten oder Könige einen Krieg führen wollten, ließen sie die Werbetrommel rühren. Dann kam allerlei fahrend Volk und ließ sich anwerben, nahm Handgeld und diente dem. der am besten bezahlte.
So konnte es geschehen, daß spanische Söldner in Deutschland, deutsche Söldner für Spanien kämpften. „Mit Gott für König und Vaterland!" konnten sie freilich nicht auf chre Fahnen schreiben; der Krieg war ihnen ein Handwerk und „Raub und Beute" ihr Lohn. Nun kann man sich
wohl vorstellen, daß die armen Länder, in denen solche Heere Jahre lang hausten, bettelarm werden mußten.
Deutschland wäre auch verloren gewesen, wenn der liebe Gott nicht einen nordischen Helden, den König Gustav
Adolf von Schweden, zu seiner Rettung herbeigeführt hätte.
Dieser fromme und tapfere Held besiegte die katholischen Heerhaufen in vielen Schlachten und ihre berühmtesten Führer „Tilly" und „Wallenstein" mußten ihm unterliegen.
In der Schlacht bei Lützen bezahlte der edle Fürst sein Rettungswerk mit dem Leben. Auf der Stelle, wo er mitten
im Kampfgewühl endete, ist ihm ein herrliches Denkmal
gesetzt worden. Herrlicher aber ist ein andres, das seinen Namen der Nachwelt aufbewahrt, das ist der „Gustav-Adolf-Verein".
Dieser schöne Verein, für den auch Kinder ihre Gaben sammeln, baut armen evangelischen Gemeinden Kirchen und Schulen und hat schon unendlich viel Gutes gestiftet. —
Um die alte evangelische Stadt und Festung Magdeburg retten zu können, kam Gustav Adolf leider einige Tage zu spät. Die wilden Horden des Tilly hatten sie bereits grausam zerstört; er konnte ihren Untergang nur noch rächen, und das hat er gethan. Heut ist sie wieder
29
glänzend und neu aufgebaut. Ein einzig Thor, das Kröken-thor genannt, erinnert noch an die traurige Zeit. Durch dasselbe strömten die Kroaten (Kröken) hinein, sengten, raubten und mordeten, bis alles vernichtet war.
Friedrich Wilhelm, der damals noch jugendliche Kurfürst, verstand es, das arme ausgesogene brandenburgische Land bald wieder zur Blüte zu bringen und erhielt im westfälischen Frieden, der den 30jährigen Krieg beendete, die Provinz Pommern.
Der alte Derfflinger.
(1675.)
Dieser berühmte General des „Großen Kurfürsten" ist in seiner Jugend ein wirklicher Schneidergesell gewesen, und mit seinem Felleisen, Elle und Schere bewaffnet auf die Wanderschaft gegangen.
Da hat er denn mit einem andern Wanderbursch, einem Tuchmachergesellen, zusammen auf einem Bund Stroh geschlafen und einen merkwürdigen Traum gehabt. Ihm träumte, er wäre in einer großen Schlacht und kämpfte mit dem Feinde. Dabei fuchtelte er im Schlaf mit beiden Fäusten in der Luft herum, als wolle er den Feind kurz und klein schlagen. Er traf aber nur seinen Schlafgenossen so unglücklich auf die Nase, daß sie blutete, und dieser mit lautem Schrei empor sprang. Höchst aufgebracht darüber, wollte der blutende Tuchmacher handgreiflich werden. „O!" — sagte Derfflinger beruhigend, „laß' doch gut sein. Bruder, mir träumte ja, ich wäre General geworden!"
„Du General?!" sagte jener immer noch erbost, „ein Lump wirst du werden, aber kein General!" —
Kaum wieder eingeschlafen, ging der Krieg von neuem los und der arme Tuchmachergesell bekam abermals sein gut Teil davon ab.
30
Jetzt entspann sich zwischen beiden eine ernstliche Rauferei, und sie gingen erzürnt auseinander. Der Traum ging in Erfüllung.
Auf seiner Wanderung kam Derfflinger bei Mühlberg an die Elbe. Der Fährmann wollte ihn, weil er kein Geld hatte, nicht übersetzen. In demselben Augenblicke sah er eine Abteilung Kriegsleute daherkommen, die der Fährmann auch ohne Geld willig auf die Fähre nahm.
„Nehmt mich mit," rief Derfflinger ihnen nach, „ich will auch Soldat werden!"
Das war den Kriegsknechten eben recht, sie warben ihn an, und Derfflinger warf, kurz entschlossen, Schere und Elle in den Strom.
Von da ab beginnt seine wunderbare Soldaten-Laufbahn, die ihn wirklich zum berühmtesten General seiner Zeit machte.
Ostmals hat man ihn später mit seinem Schneiderhandwerk foppen wollen; das ist den Spöttern aber nicht immer gut bekommen. So, zum Beispiel, hingen die Stettiner, als er ihre Stadt belagerte, einen gemalten Ziegenbock an die Spitze ihres höchsten Turmes, damit Derfflinger sich darüber ärgern sollte. Bald aber holten seine Kanonen den Ziegenbock und die ganze Turmspitze mit herunter, so daß den übermütigen Handelsherren doch bange wurde, und sie dem alten Haudegen uuterthänigst die Schlüssel der Stadtthore übergaben.
Ein andermal speiste ein französischer Gesandter beim Kurfürsten, und Derfflinger war auch zur Tafel geladen. Vorlaut fragte der windige Franzose, ob es wahr sei, daß der Kurfürst einen Schneidergesellen als General habe. Zornig sprang Derfflinger in die Höhe und rief, drohend auf sein Schwert schlagend: „Jawohl, und hier hab' ich auch die Elle, womit ich solche Hundsfötter messe!" Kaum vermochte der Kurfürst den alten Haudegen zu beruhigen. —
31
Die Schlacht bei Fehrbellin.
(1675.)
Weil das nun gerade die allererste Schlacht war, die ein Brandenburger Fürst mit seinem eignen Heere ganz allein geschlagen hat, und weil das ein so schöner, ehrenvoller Sieg war, darum müssen wir davon noch ganz besonders hören.
Der Große Kurfürst stand mit seinem Kriegsheere am Rhein und half dem Kaiser gegen die Franzosen kämpfen.
Diese mochten ihn aber sonst wohin wünschen, denn sie fürchteten sich gewaltig vor den brandenburgischen Hieben.
Da wendeten sie eine schlimme List an und hetzten dem Kurfürsten die Schweden in fein Land. Die armen Bauern im Havellande wußten sich nicht anders zu helfen, als zur Mistgabel und dem Dreschflegel zu greisen und den Feind in die Sümpfe zu jagen und tot zu schlagen. Auch eine Fahne führten sie, darauf stand in großen Buchstaben: „Wir sind Bauern von geringem Gut und dienen unserm allergnädigsten Kurfürsten mit Leib und Blut."
Sie hatten aber auch nicht versäumt, ihrem Landesvater Nachricht zu geben und ihn zu bitten, daß er käme und ihnen helfe.
Da ging der Kurfürst den Kaiser an, er möge ihm nun auch etliche Hilfstruppen geben, weil er ihm doch stets treu beigestanden habe. Der aber zuckte die Achsel und meinte, es ginge nicht an.
„So will ich denn selber als Euer Fürst und Hauptmann in Gottes Namen vor Euch hergehen und den Schweden schlagen, wo immer ich ihn finde!" rief der edle Fürst seinen
Truppen zu, und nun ging's an ein Marschieren, Tag und
Nacht. So war er in drei Tagen vom Rhein bis zum
Rhin, bis vor die Thore Rathenows gekommen. Die
Schweden hatten feine Ahnung von seiner Ankunft und
32
machten schöne Augen, als des Kurfürsten Dragoner die schwedischen Offiziere, die in Rathenow ein Ballfest feierten, gefangen nahmen.
Bei Fehrbellin kam es zur Hauptschlacht. Der Große Kurfürst ritt einen Schimmel. Das wußten die Schweden und richteten ihre Kanonen immer dorthin, wo er still hielt. Sein treuer Stallmeister Froben merkte dies wohl und bat den Fürsten, seinen Braunen doch besteigen zu wollen, da der Schimmel scheu sei.
Kaum waren die Pferde gewechselt, da sprengte der Stallmeister weit weg von seinem Kriegsherrn. Die feindlichen Kanonen schwiegen einen Augenblick, dann stimmten sie aufs neue an und mehrere Kugeln rissen den treuen Froben samt des Kurfürsten Schimmel nieder.
Der Kurfürst aber merkte nun erst, was der edle Froben im Sinne gehabt, stürmte die Schanze des Feindes, schlug ihn und verfolgte ihn, bis er wieder über das Meer war.
Seit diesem Siege hieß er der „Große Kurfürst" und ganz Europa hatte Respekt vor ihm.
Preußen ein Königreich.
(1701.)
Ein so gewaltiger Kriegsherr und weiser Fürst, wie der „Große Kurfürst" war, mußte wohl seinem Sohne eine gute Erbschaft hinterlassen. Und in der That, als er gestorben war, blühten seine Lande „Brandenburg, Pommern und Preußen", und sein Kriegsheer war gefürchtet in der ganzen Welt.
Kein Wunder, daß sein Sohn und Erbe, der Kurfürst Friedrich III., auf den Gedanken kam, sich die Königskrone zu erwerben. Er ließ deswegen bei dem Kaiser anfragen, und siehe da, er fand williges Gehör.
Da zog er denn mit seiner Gemahlin Sophie Charlotte und mit großem Gepränge nach Königsberg i. Pr. und
33
ließ sich dort als Friedrich I. zum König krönen. Das war ein Jubel und eine Freude im ganzen Lande, namentlich in der Königsstadt selber. Tagelang wurden glänzende Feste gefeiert und am Krönungstage läuteten alle Glocken. Auf scharlachrotem Tuch, das auf die winterlich beschneiten Straßen ausgebreitet war, schritten die Majestäten zur Kirche, wo ein Bischof sie einsegnete. Die Königskrone hat sich der Kurfürst aber selbst, und dann auch seiner hohen Gemahlin aufgesetzt.
Er wolle die Krone nur von „Gottes Gnaden" und nicht
von Menschen haben.
Als die kirchliche Feier vorüber war, begab sich der Krönungszug wieder nach dem Schloß zurück; das Volk
aber jubelte: „Heil dem Könige! Heil der Königin!" Das schöne rote Tuch blieb auf der Straße liegen und die Leute durften es zum Andenken teilen. Das mag ein lustiger Spaß gewesen sein, denn jeder mochte doch ein recht großes Stück davon haben. Die Majestäten standen an den Fenstern des Schlosses und hatten ihre Freude an dem fröhlichen
Tumult, ließen auch Krönungsmünzen von Gold und Silber unter die Menge werfen. Wer da recht flink war, der konnte wohl eine oder etliche erhaschen, und die sind dann zum Andenken in den Familien aufbewahrt worden.
Abends war ganz Königsberg hell erleuchtet, auf dem Marktplatz wurde dem Volke ein mächtiger Ochse gebraten und Wein floß, soviel jeder trinken mochte, aus einem wunderschönen Springbrunnen, da brauchte man nur den Becher unterzuhalten.
Mit diesem Tage beginnt nun für unser liebes Vaterland eine ganz neue, gewaltige Zeit, „die Zeit der Zollernköni ge in Preußen", von der sollen die folgenden Kapitel handeln. —
Friedrich Wilhelm I.
(1713—1740.)
Der Sohn und Nachfolger Friedrich I., Friedrich Wilhelm I., war so ganz anders als sein königlicher
Runze, Der kleine Patriot. 2te Aufl. 3
34
Vater; Pracht und großen Luxus mochte er nicht leiden und führte einen ganz einfachen Lebenswandel.
In seinem Wesen war er kurz angebunden, oft rauh und streng und prügelte, wo es ihm notwendig erschien, höchst eigenhändig mit dem Krückstock dazwischen.
Faullenzer konnte er gar nicht leiden. So holte er einen Thorwärter in Berlin, der des Morgens die Zeit verschlief und die Bauern warten ließ, mit den Worten aus dem Bett: „Guten Morgen, Herr Thorwärter!" und schlug mit dem Krückstock den Takt dazu. —
Eben so unverhofft erschien der König in den Schulen und auf den Ämtern, kein Beamter war vor ihm sicher.
Er konnte aber auch überaus gnädig sein, wenn er alles in Ordnung fand und nahm dann wohl bei einem einfachen Rentmeister ein Abendbrot an. Schinken, Eier und grüner Salat, das war so sein Leibessen, dazu ein Glas Bier und derb mit Scherz gewürzte Reden.
So bürgerlich einfach waren auch seine Abendgesellschaften. Da mußte jedermann, ob er auch rauchte oder nicht, eine Thonpfeife führen. Wenn dann die blauen Tabakswolken ihn einhüllten, das Bier in den Maßkrügen schäumte, Scherz und Ernst im lebhaften Zwiegespräch wechselten, dann konnte man ihn recht herzlich lachen hören.
Im Volke nannte man diese königliche Gesellschaften „das Tabaks-Kollegium".
Ihr dürft nur mal nach Berlin reisen und das Königsschloß besuchen, da stehen die alten Geräte sämtlich aufbewahrt und sind etliche aus eitel silbernen Zweithalerstücken zusammengeschmiedet.
Diesem biedern König hat Preußen seinen in aller Welt berühmten Beamtenstand zu danken. Seine Sparsamkeit sammelte die Mittel, mit denen „Friedrich der Große" später den 7jährigen Krieg führen konnte.
35
Der König und sein Sohn.
(1740.)
Gar zu streng war der König gegen seinen Sohn Fritz. Der sollte nach seinem Willen ein tüchtiger Soldat werden, und der Prinz spielte doch lieber die Flöte oder lernte aus französischen Büchern, als daß er exerzieren, reiten und fechten wollte. Unglücklich darüber rief der königliche Vater einst aus: „Der Fritz wird mir meine ganze Arbeit Der* derben, er ist ein Querpfeifer und ein Poet geworden!" Ein andermal, als er ihn dabei überraschte, wie er im seidenen Schlafrock und gestickten Pantoffeln bei seinem Lehrer, dem berühmten Flötenvirtuosen Quantz, eine Übungsstunde hatte, warf er den französischen Plunder, wie er des Prinzen Kleidung nannte, in den Kamin und verbrannte ihn.
Quantz hatte seine Person noch mit Mühe und Not in Sicherheit gebracht und sich in den Kleiderschrank versteckt.
So heftige Scenen zwischen Vater und Sohn wiederholten sich. Als der König ihn eines Tages vor der ganzen Dienerschaft blutig schlug, faßte der Kronprinz den unglücklichen Entschluß, nach England zu fliehen.|
Der Plan wurde dem König verraten und der Prinz gefangen genommen. Außer sich vor Zorn wollte der König den Prinzen vor ein Kriegsgericht stellen und ihn als feigen Deserteur erschießen lassen. Daran ward er nun zwar durch mutige Fürbitte der „Königin" und einiger hochgestellten Personen aus seiner Umgebung gehindert, doch schickte er ihn als Gefangenen auf die Festung Küstrin und ließ den Lieutenant Katte, der dem Prinzen behilflich gewesen war, enthaupten.
In dem Gefängnis lernte der Kronprinz Fritz fein trotziges Herz bezwingen und demütigte sich vor feinem Vater. Dadurch erhielt er mehr Freiheit und benutzte diese gewissenhaft, sich vorzubilden auf feinen künftigen Beruf.
3*
36
Dann versöhnte er sich vollständig mit seinem beleidigten Vater und vermählte sich nach dessen Wunsch mit der „Prinzeß von B r au n s ch w ei g". Als der Vater, alt und müde, sterben wollte, konnte er mit Freuden dem lieben Gott Dank sagen, daß er ihm einen so braven Sohn und würdigen Nachfolger gegeben habe.
Friedrich der Große.
(1740—1788.)
Nun war der Kronprinz Fritz doch König geworden und ein ganzer König, von dem wir uns viel erzählen müssen. Zuerst nannte man ihn Friedrich II., dann als er viel Krieg und Sieg durchgekämpft und errungen hatte, nannte man ihn Friedrich den Großen; zuletzt aber, da er gebückt unter der Last der Jahre auf seinem Schimmel durch Berlin ritt, jubelten die Knaben: „Der alte Fritz! Der alte Fritz kommt!"
Er drohte ihnen dann wohl mit dem Krückstock und sprach: „Wollt ihr Racker in die Schule gehn!" Da wollten sich die Berliner Jungen schier tot lachen und antworteten ihm: „Seht, seht doch, der alte Fritz will König sein und weiß nicht mal, daß Mittwoch-Nachmittag keine Schule ist!"
Ja, ja! nickte der König schmunzelnd vor sich hin, die Schlingel haben schon recht, man müßte sich auch noch um die Klippschulen kümmern.
Dieser Heldenkönig hat unser preußisches Vaterland zu einer Großmacht empor gehoben, die nunmehr die frühere Stellung Schwedens im europäischen Staatenbunde einnahm.
Daneben war er ein Weiser seiner Zeit, dessen Nähe die Besten und Gelehrtesten aller Nationen aufsuchten. Eine Eigenart von ihm war, daß er besondere Vorliebe für das französische Volk und seine Sprache hegte. In dieser Sprache hat er die Geschichte seiner Zeit, auch viele anmutige Gedichte geschrieben.
37
Alt und lebensmüde starb er in seinem Lustschloß „Sanssouci", das er sich nach dem zweiten schlesischen Kriege nahe bei Potsdam erbaute.
Als nach Jahren Napoleon I. als Sieger an seinem Sarge stand, soll er zu seiner Umgebung geäußert haben: „Lebte dieser, so wären wir nicht hier!"
Wie der König Friedrich II. die Franzosen geschlagen hat.
(1757.)
Bei Roßbach, das ist ein kleines Dorf zwischen Weißenfels und Leipzig, da hatte der König Friedrich H und seine Armee ein Feldlager bezogen.
Der König war im Krieg mit der Kaiserin von Österreich, und da kamen auch die Franzosen ins Land und wollten Österreich helfen.
Hier bei Roßbach gedachten sie mit ihren vielen Soldaten nun den König Friedrich und sein kleines Heer zu umgehen und ihn lebendig zu fangen. „Wir haben ihn im Sack!" riefen die Anführer der Franzosen; „wir brauchen den Sack nur zuzubinden!"
Als dem König Friedrich dies wieder gesagt wurde, lachte er spöttisch und sprach: „Ich will ihnen ein Loch in den Sack machen, das sollen sie nicht wieder zuflicken können!"
Nun gab er das Zeichen zur Schlacht. Brausend fuhren seine Kürassiere unter Seidlitz in die Reihen der erschrockenen Franzosen und sprengten sie vollständig auseinander. Kanonen und Gewehre thaten ihr Übriges und in wenig Stunden war der glänzendste Sieg erfochten. Des Königs Soldaten sangen lustig:
„Und wenn der große Friedrich kommt,
Und klopft nur auf die Hosen.
Dann lauft die ganze Rcichsarmee,
Panduren und Franzosen!"
38
Das war eine Freude im Lande, als das kleine Preußen den großprahlerischen Franzosen und den Österreicher dazu geschlagen hatte. Von da ab nannte man den König Friedrich II. — Friedrich den Großen.
Sieben Jahre (1756—1763) dauerte dieser Krieg mit Österreich, dann aber mußte Österreich die Provinz Schlesien an Preußen abtreten und das kleine Brandenburg war nun eine Großmacht geworden.
Des großen Königs Geistesgegenwart.
Oft war der König selbst in Gefahr, gefangen genommen oder gar getötet zu werden. Ein augenblicklicher Einfall — ein Gedanke — man nennt dies Geistesgegenwart, rettete ihn.
In Schlesien liegt ein Kloster, heißt Kamen*, dort wollte Friedrich der Große eines Tages von den Kriegsstrapazen ausruhen. Nur wenig Getreue hatten ihn begleitet. Da sprengten plötzlich Kroaten in den Klosterhof und der König war gefangen, wenn er ersannt wurde.
Er ließ sich aber, um dies zu vermeiden, in eine Mönchskutte stecken. Das Kreuz und den Rosenkranz in der Hand kniete er mitten zwischen den übrigen Mönchen, lateinische Gebete murmelnd, vor dem Altar der Klosterkapelle.
Die Feinde wagten die Betenden nicht zu stören, bekreuzten sich fromm und verließen das Kloster. Friedrich war gerettet.
Ein andermal, nach der Schlacht bei Leuthen, während sein siegreiches Heer ermattet ein Lager auf freiem Felde bezogen hatte, ritt der König, nur von einem Adjutanten begleitet, voraus und kam in das kleine Städtchen Lissa.
Es war spät und alles still in den Straßen, nur in dem alten Schloß waren die Fenster erleuchtet. Der König tritt ein, um Quartier zu nehmen. Wer beschreibt aber feinen Schrecken, als die Stube voller österreichischer Offiziere ist.
39
Das hatte er nicht geahnt. Kurz gefaßt aber redet er die verblüfften Feinde leutselig an: „Guten Abend, meine Herren; kann man denn hier auch noch ein Unterkommen finden?"
Niemand kam auf den Gedanken, daß der König allein sein könne. Ehrerbietig leuchtete man ihm zur Treppe hinauf in ein Zimmer, wohin er sich zur Ruhe begeben wollte. Dort angekommen, wußte er durch fesselnde Unterredung die Offiziere so lange aufzuhalten, bis der Preußische Trompeter auf dem Markte Signal gab. Man hatte den König vermißt; das ganze Preußenheer, so ermüdet es auch war, war aufgebrochen und ihm gefolgt.
So kam die Rettung gerade noch zur rechten Zeit und der König konnte seine fremden Gäste jetzt lächelnd und dankend entlassen, denn er wußte, daß man sie unten ersuchen würde, ihre Degen abzugeben.
Bei einem Ausritt, das Schlachtfeld zu besehen, trifft der König auf einen feindlichen Pandur, der im Graben liegt und eben auf ihn sein Gewehr abdrücken will. Mit Gedankenschnelle hebt der König seinen Krückstock und droht dem Pandur: „Du, Du! Du hast ja kein Pulver auf der Pfanne!" Verblüfft läßt der rauhe Krieger die Flinte sinken, — der König ist abermals gerettet. —
Der wird sich Schlesien nicht wieder nehmen lassen.
Friedrich der Große hatte selbst keine Kinder; darum bestimmte er, daß der Sohn seines Bruders nach ihm König werde. Dies war der nachmalige König Friedrich Wilhelm II. Als diesem Bruder ein Sohn geboren wurde, freuete sich der „Alte Fritz" gar sehr unb gestattete später diesem kleinen Prinzen, in seinem Arbeitszimmer zuweilen spielen zu bürfen.
Einstmals störte er ben königlichen Großonkel wiederholt dadurch, daß er seinen Ball auf beffen Schriften warf.
40
Da ward der König unwillig und steckte den Ball in die Tasche.
Schmeichelnd bat der kleine Prinz, ihm doch denselben wieder zu geben. Als der König gar nicht darauf achtete, stellte er sich kerzengrad vor ihn hin und sprach: „Nun frage ich Euer Majestät aber zum letztenmal, wollen Euer Majestät mir den Ball wieder geben oder nicht?"
Lächelnd reichte ihm der König sein Spielzeug und sprach leuchtenden Auges: „Der wird sich Schlesien nicht wieder nehmen lassen!"
Später einmal traf er denselben jungen Prinzen im Lustgarten zu Sanssouci eifrig in einem Buche lesend. Es war dies ein französisches Übungsbuch, in welchem kleine Fabeln in dieser fremden Sprache, die der große König sehr liebte, gedruckt standen.
Um den Fleiß des Prinzen zu prüfen, schlug er eine beliebige Fabel auf und ließ sich dieselbe vorlesen. Das ging recht gut und ohne Anstoß von statten.
„Das hast du brav gemacht, Fritz!" redete der König ihn an.
Der Prinz errötete vor Freude, doch antwortete er un-verweilt: „Ja, Majestät, das hab' ich auch heut erst mit meinem Herrn Lehrer durchgenommen!"
„So ist’s recht, Prinz," sprach der König ernst, „immer die Wahrheit! Man muß nie scheinen wollen, was man nicht ist!"
Wie König Friedrich der Große die Kartoffeln einführte.
Als der große König seine Feinde besiegt und die schöne Provinz Schlesien gewonnen hatte, da sorgte er nun auch eifrig dafür, daß seine Bauern und armen Leute wieder zu einigem Wohlstand gelangen sollten, denn der Krieg hatte das Land arg verwüstet.
41
An der Oder und Warthe lag ein ganzes Land, das war sumpfig und gar nicht zu bebauen. Der König ließ Gräben durch den Sumpf ziehen, darin sammelte sich alles Wasser und das Land wurde trocken und trug den schönsten Weizen. So hatten die armen Leute Verdienst und ein großes Land gewonnen, der sogenannte Oderbruch und Warthebruch, darauf heut ihre Nachkommen sehr reiche Leute geworden sind.
Auch mußte jeder Bauernsohn, ehe er heiraten durfte, nachweisen, daß er eine bestimmte Anzahl junger Bäume gepflanzt habe. Eher konnte er nicht selbständig werden. So entstanden hinter jedem Bauernhöfe mit den Jahren prächtige Obstgärten, die in der Mark „Achterhof" genannt werden, und an den Landstraßen entlang einträgliche Obstalleen.
Auf unfruchtbaren, trocknen Anhöhen, wo nichts anderes wachsen wollte, ließ der sorgsame König Maulbeerbäume pflanzen und hielt die Lehrer an, die Seidenraupe, die das Laub dieser Bäume frißt, zu züchten und Seide zu gewinnen.
Auch die Kartoffel war zu jener Zeit noch wenig bekannt. Der König aber kannte sie und wollte sie angebaut wissen. Er kaufte deswegen Samenkartoffeln an und verteilte sie unentgeltlich an die Landbewohner. Diese sträubten sich fast dagegen und wollten von dieser unbekannten Erdknolle gar nichts wissen. In Kolberg standen die Wagen mitten auf dem Marktplatz und niemand kam, um des Königs Kartoffeln sich schenken zu lassen.
Da ward er doch zornig über das thörichte Volk, ließ seine Dragoner aufsitzen und die trägen, widerspenstigen Bauern mit der blanken Klinge herbeitreiben.
Heut sollte man ihnen die Kartoffeln wieder nehmen wollen! was meint ihr wohl, was sie dazu sagen würden? Nicht wahr, wir haben den Zollernfürsten, unseren lieben Königen, und namentlich dem „Alten Fritz" viel Gutes zu danken?! —
42
Des „großen Königs" Gerechtigkeit.
Wenn ihr in eurem Leben einmal nach Potsdam kommt, dann werdet ihr gewiß des „großen Königs" Lustgarten, das schöne Sanssouci, besuchen.
Dort findet sich jetzt noch, nach über 100 Jahren, ganz nahe bei dem Königsschloß, eine steinerne Ruine, die mit grünem Epheu umwachsen ist.
Dies war zu seiner Zeit eine Mühle, deren Geklapper dem König lästig war. Er hätte sie gern dem Müller abgekauft und niedergerissen. Der war aber ein Starrkopf und gab sie nicht her, weil sie sein väterlich Erbteil war.
Der König nahm eine ernste Miene an und wollte ihn zwingen die Mühle zu verkaufen. Furchtlos aber bescheiden wendete der Müller ein: „Ja, Majestät, da müßte das Kammergericht in Berlin nicht sein!"
Der König stutzte, aber sein Gerechtigkeitsgefühl gab dem Müller recht. Er ließ ihn hinfort unangefochten und hielt gute Nachbarschaft mit ihm.
So ist auch heut noch die Gerechtigkeitspflege (Amtsgericht — Landgericht — Reichsgericht) ein Schutz für arm und reich, und selbst der König rührt nicht daran, außer, wenn er Gnade üben will. Dann aber hat er ein Ohr für jeden Bedrängten und auch der Ärmste darf sich seinem Throne nahen.
Wer dies thun will, der muß einen Brief schreiben an „Seine Majestät, den Kaiser von Deutschland und König von Preußen in Berlin". Das ist besser, als wenn oft arme Leute nach Berlin reisen und mit dem Kaiser selbst sprechen wollen. Das ist bei den vielen Unterthanen im deutschen Reich (46 000000) und bei den vielen Staatsgeschäften des Kaisers jetzt nicht mehr so leicht wie zu des Müllers Zeiten.
43
Friedrich des Großen Generale.
Daß ein so großer Kriegsheld auch berühmte Generale hatte, könnt ihr euch leicht denken und ihr hört auch Wohl gern etwas von ihnen.
Da war zuerst des Königs jüngerer Bruder Heinrich. Von ihm sagte der König selbst, er habe in all' den Feldzügen keinen Fehler gemacht.
Dann lebte auch noch der „Alte Dessauer", der den eisernen Ladestock erfunden hatte.
Als der einst den feindlichen Sachsen bei Kesselsdorf gegenüberstand, dauerte es dem „Alten Fritz" zu lange, ehe er sie angriff, und er schrieb ihm, er solle die Sachsen mit mehr vigueur (Feuer, Forsche) traktieren.
Die Sachsen hatten sich aber stark verschanzt und das Angreifen war keine so leichte Sache. - Der König hatte es aber befohlen, so mußte es geschehen.
Als nun das Preußenheer in Schlachtordnung stand, ritt der „Alte Dessauer" vor die Front und betete in seiner rauhen Weise laut: „Lieber Gott! ich liege nicht so oft vor Deiner Thür, wie andre Leute. Heut aber wollest Du uns gnädig beistehen. Willst Du das aber nicht, dann hilf wenigstens den Sachsen nicht, so woll'n wir schon mit ihnen fertig werden!"
Und nun ging er daran und in wenig Stunden war der Feind geschlagen. Das war sein letzter Sieg; bald darauf starb er.
„Schwerin der hat uns kommandiert, ja kommandiert und hat die Truppen angeführt!" So singen noch heut nach 100 Jahren die Preußenkinder in den Schulen und die Soldaten auf dem Marsche.
Wenn er das wüßte, der tapfere General!
Vor Prag wollten seine Soldaten gar nicht mehr vorwärts. Die Österreicher steckten hinter ihren Mauern und
44
Schanzen und ihre Kononen schleuderten Tod und Verderben in die Reihen der Preußen.
Drei Fahnenträger lagen bereits in ihrem Blute, da ergriff der alte General selbst die Fahne und stürmte den Seinen voran.
Nur wenige Schritt, da trafen ihn mehrere Kartätschenkugeln und zerrissen ihm die Heldenbrust (6. Mai 1757).
Nun aber gab es kein Hindernis mehr für die wütenden Preußen. Sie stürmten durch Tod und Verderben, ihren Führer zu rächen. Die Schlacht war gewonnen.
Friedrich der Große trauerte lange um seinen Generalfeldmarschall Schwerin. Als man ihm seinen Tod meldete, mochte er sich des Sieges gar nicht freuen und sprach betrübt: „Der war allein 10000 (Mann) wert!"
General Seydlitz war der schöne und tapfere Reitergeneral, der einst im siebenjährigen Kriege mit wenigen Reitern die Franzosen in Gotha überraschte, als sie eben tafeln wollten. Wie die aber auskniffen und die feinen Speisen und Weine im Stiche ließen! Das hat den Seydlitz-Kürassieren mal gut geschmeckt.
Bei Roßbach (1757) eröffnete er den Reigen, warf feine Thonpfeife hoch in die Luft und sprengte mit Hurra in den Feind.
„Joachim Hans von Ziethen, Husaren-General, dem Feind die Stirne bieten thät er vieltausendmal!"
Richt wahr, dies Liedchen kennt ihr auch ?
Das war „der Ziethen aus dem Busch!", so nannten ihn seine Reiter, seine blutroten Husaren, die mit und für ihn durchs Feuer gingen.
Er war aber auch immer da, wo ihn der Feind am wenigsten vermutete und ehe es sich der Schelmfranzos versah, hatte er ihn über den Haufen gerannt.
Einmal hat er auch den Österreichern bei Hohenfriedberg einen rechten, echten Husarenstreich gespielt; ist mitten durch
45
ihr Heer geritten zu dem Markgraf Karl, des Königs Vetter, und hat ihm die Ordre de bataille (Befehl zur Schlacht) gebracht.
Das soll euch folgendes Gedicht erzählen.
Husarenritt:
Der König winkt, der Ziethen sprengt heran:
„Er ist für mein Geschäft mir grad' der rechte Mann!
Nehm' er, so wie es Nacht, sein ganzes Regiment,
Und spreng' er durch den Feind, wär's auch fein selig End': Bring' er nach Jägerndorf hier diesen Marschbefehl!
's muß sein, versteht er mich? ich bind's ihm auf die Seet'!"
Der Ziethen salutiert und reitet keck davon;
Ha, denkt er, Vater Fritz, pfeift's heut aus diesem Ton?
Da komm der Teufel durch! Doch was, hier gilt kein Zagen; Es ist Husarenart: „Nicht wägen, sondern wagen!"
Vielleicht hilft etwas Witz; wo nicht, so thut's der Degen,
Der Herrgott giebt uns wohl ein wenig Schlachtensegen.
Und still, um Mitternacht, da satteln die Husaren,
Marschieren wohlgemut, als gäb's nichts von Gefahren,
Grad' in den Feind hinein. Ein dichter Nebel deckt Die Kühnen, bis sie jäh ein fremd' Signal erschreckt.
Ein feindlich Regiment kehrt heim von nächt'ger Streife,
Dem schließt sich Ziethen an und schmaucht stramm seine Pfeife.
So ging's ohn' all' Beschwer' bis auf den lichten Tag,
Ein tüchtig Stückchen Weg schon hinter ihnen lag;
Kein Ungar und Pandur schöpft auch nur leis Verdacht,
Man flucht ja grad' wie sie; man scherzt, man singt, man lacht. Doch — wie die Sonne steigt, die Nebelhüllen reißen,
Ruft's wie aus einem Mund: „der Ziethen! Preußen! Preußen!"
Und — zwanzigtausend Mann, die hier im Lager Hausen, Durchzuckt bei diesem Ruf ein rätselhaftes Grausen.
Der Ziethen nutzt dies schlau: „Nun, Kinder, frisch an's Jagen, Die Pfeifen weg! Galopp! und wacker dreingeschlagen!
Seht, dort liegt Jägerndorf, noch einen schärfen Ritt,
Wer seinen König liebt und Mut hat, komme mit!"
46
Unb — wie ber Sturmwinb rast, wie Wetter Eichen splittern. So stürmt bie Helbenschar, baß Berg unb Thal erzittern.
Unb was ihr in ben Weg, ob Reiter ober Roß,
Zerschmettert ihre Faust, zertritt ihr wütenb Roß.
Wohl fehlt, als man am Ziel, manch' wackrer Rettersmann, Doch warb auch aus ber Welt fein beferer Ritt gethan.
Der Markgraf ist bestürzt, als Ziethen vor'm Quartier.
Was Teufel, ruft er aus, giebt's beim Gespenster hier?
Der Ziethen? Seh' ich recht? Nun, feib mir hochwillkommen k Tann hat er bloßen Haupt's bie Drbre angenommen.
Unb — wie ber König schrieb, ber Markgraf hat's vollbracht: Als beiber Heer vereint, schlug Frieberich bie Schlacht.
(M. Nicolaus.)
König Friedrichs Tod.
(1786.)
In einer früheren Geschichte habe ich euch schon angedeutet, daß „Friedrich der Große" (1786) alt und lebens-müde verstorben ist. All' seine Freunde und Schlachtgenossen waren ihm vorangegangen. Der „Ziethen aus dem Busch" hatte noch am längsten ausgehalten. Er war auch alt und matt geworden und schlief einst sogar an des Königs Tafel ein.
Das war unerhört. Ein Höfling wollte ihn aufwecken; aber der König winkte heftig ab und sprach: „Laßt den Alten schlafen, der hat genug für uns gewacht!"
Als Ziethen sich zum Sterben hingelegt, besuchte ihn Friedrich und nahm thränenden Auges herzlichen Abschied von ihm.
Nun war er, der Held und Weise von Sanssouei, ganz allein übrig geblieben. Er zog sich still zurück und arbeitete bis zum letzten Atemzüge für fein Volk, für Brandenburg und Preußen.
So einsam starb er auch. Sein treuer Kammerdiener hielt das Haupt des Abscheidenden stundenlang in seinem
47
Arm, bis die große Seele sich von dem gebrechlichen Körper losgerungen hatte.
Das Zimmer, darinnen Friedrich der Große gestorben ist, wird im Schlosse zu Sanssouci genau so erhalten, wie es damals war. Es geht die Sage, die Uhr, eine kostbare Pendule, sei bei dem Abscheiden des Gewaltigen stehen geblieben ; sie zeigt heute noch Stunde und Minute seines
Todes.
Er hinterließ sein Land in blühendem Zustande und tiefster Friede herrschte allüberall, denn kein andrer Staat hätte gewagt, ihn zu brechen, so groß war die Furcht und die Achtung vor dem großen Preußenkönig.
Die Nachricht von seinem Abscheiden erschütterte denn auch ganz Europa.
Fern im Bayerlande soll ein schlichter Mann, als er
davon hörte, ausgerufen haben: „Wer soll nun die Welt
regieren, wenn der ,Atte Fritz' tot ist?"
Aber die Welt ging ihren Gang weiter. Sie regiert
der liebe Gott und auch die Könige und Helden sind nur Werkzeuge seiner Weisheit, Allmacht, Güte und Gerechtigkeit.
Die französische Revolution.
(1797.)
Im Westen unseres lieben Preußenlandes, jenseits des Rheines- haben wir einen recht unruhigen Nachbar, den Franzosen, wohnen. Der König dieses Volkes, Ludwig XVI., und seine schöne Königin, Marie Antoinette, eine Tochter Maria Theresiens, führten einen gar glänzenden Hofhalt und verbrauchten viel, viel Geld. Das Volk war unzufrieden damit, denn es wurde arm dabei.
Leider ließen sich der sonst gutmütige König und seine Königjn dadurch nicht warnen und lebten in Pracht und Herrlichkeit weiter, ohne sparsamer zu werden.
48
Da rottete sich das unzufriedene Volk zusammen, nahm den König gefangen, setzte ihn ab und — damit nicht zufrieden — ließ es ihn endlich samt der Königin enthaupten.
Der König von Preußen, Friedrich Wilhelm II., eilte, mit Österreich im Bunde, der bedrängten Königsfamilie zu Hilfe. Anfangs siegten seine Heere, darnach aber hatte er Unglück, mußte mit den wilden, todesmutigen Kriegsvölkern der Franzosen Frieden schließen und verlor dabei, ohne die Hinrichtung Ludwigs und seiner Gemahlin, der unglücklichen Marie Antoinette, hindern zu können, all' die schönen Länder am linken Rheinufer.
In Paris, der französischen Hauptstadt, regierte jetzt das Volk. Das war aber eine traurige Regierung und nichts als Mord und Brand im Lande.
Zuletzt setzten sie gar auch den lieben Gott ab und sprachen, wie die Thoren im 14. Psalm: „Es ist kein Gott!"
Der liebe Gott wandte sein Angesicht nun ab von dem tollen Volke, da mordete es seine eignen Kinder.
Auch die armen Königskinder hatten die bösen Leute niederträchtig und grausam durch einen Schuster, Namens Simon, zu Tode quälen lassen.
Endlich waren sie des Mordens müde geworden und sehnten sich nach einem Ende dieser jammervollen Zeit.
Da ward der Advokatensohn, Napoleon Bonaparte, ihr Kaiser. —
Napoleon Bonaparte.
(1800.)
Dieser wunderbare Mann ist nun zwar kein Brandenburger, kein Preuße und auch kein Deutscher, und dennoch müssen wir ihm ein Kapitel widmen, da er als „Feind"
49
mit gewaltiger Hand in die Verhältnisse unseres Vaterlandes eingegriffen hat.
Er war der Sohn eines französischen Advokaten und auf der Insel Korsika geboren.
Durch Fleiß und Tüchtigkeit wurde er in der französischen Armee Offizier und noch jung General.
Während die Revolution in Paris wütete, führte er die französischen Heere von Sieg zu Sieg bis tief nach Afrika hinein. Seine Soldaten hingen an dem glücklichen Feldherrn mit wahrhafter Heldentreue, trotzdem er gewissenlos Tausende von ihnen seinen hochgehenden Kriegsplänen hinopferte.
Als sich die Blutmenschen in Paris, die sich an die Spitze des Volksaufruhrs gestellt hatten, untereinander mordeten und der Bürger dieses Blutbades müde war, machte man diesen berühmt gewordenen General zum Konsul.
Er benutzte aber schlau die allgemeine Verwirrung des Landes und ließ sich bald, um volle Gewalt zu haben, zum Kaiser ausrufen.
Nun waren die Franzosen aus dem Regen in die Traufe gekommen. Einen König hatten sie hingemordet und einen Kaiser dafür wiederbekommen.
Damit sie darüber nicht sehr nachdenken konnten, stürzte
sich dieser kühne Kriegsmann auf alle Nachbarvölker und
ward eine blutige Kriegsgeißel für ganz Europa.
Seine Siege machten das eitle und ruhmsüchtige Volk
der Franzosen toll und übermütig. Es schien, als sollte Napoleon ein Weltreich aufrichten.
So schnell aber, wie er es aufrichtete, zerfiel es wieder. Furchtbares Elend hat er, dieser Bonaparte, über die Völker Europas gebracht. Er mußte aber erfahren, daß mit Blut, Schwert und Krieg allein kein Reich auf Erden dauernd Bestand hat. Er starb in der Verbannung.
Runze, Der kleine Patriot. 2te Aufl. 4
50
Friedrich Wilhelm HI.
(1797—1840.)
Zu eben der Zeit, da Napoleon Bonaparte sich anschickte, die Kriegsfackel auch über die deutschen Lande zu schwingen, starb der preußische König Friedrich Wilhelm II* und sein Sohn nahm als Friedrich Wilhelm III. den verwaisten Thron ein. Er war derselbe, der als kleiner Prinz seinem berühmten Groß-Oheim, Friedrich II., so kühn den Ball abgefordert hatte.
Nun war er aber gar nicht so kriegerisch gesinnt, wie man darnach glauben könnte; eine stille, schöne Häuslichkeit, ein glückliches Familienleben gingen ihm über alles.
Schon als Kronprinz hatte er sich fern gehalten von dem prunkvollen Treiben des Könighofes und wohnte mit seiner schönen Gemahlin Luise und seinen kleinen Prinzen auf dem Landgute Paretz, nahe bei Berlin.
Hier fanden sie in der schönen, freien Gottesnatur, in dem ungestörten Verkehr untereinander und mit den schlichten Dorf- und Gutseinwohnern von Paretz ein kurzes, aber hohes Glück.
Man nannte den Kronprinzen scherzweise den „Schulzen von Paretz" und seine holde Gemahlin „die gnädige Frau von Paretz". Ihre kleinen Prinzen spielten mit den Dorfkindern, welchen die „gnäd'ge Frau von Paretz" allerlei schöne Feste veranstaltete. Dann liefen sie scharenweis hinter ihr her und sie kaufte aus den Schau- und Zuckerbuden Naschwerk und Spielzeug und hatte ihre helle Freude daran, diese Herrlichkeiten eigenhändig unter die kleinen Rangen verteilen zu können.
Hier lernte der Kronprinz die Landwirtschaft, die für den Bestand der Staaten so wichtig ist, gründlich kennen; hier sah er in nächster Nähe das Volk der Bauern, die
51
bamols noch ben Gutsherren leibeigen waren. Vielleicht ging ihm bamals schon ber Gebanke auf, ben seine Regierung später verwirklichte: „Die Bauern frei zu machen."
Das alles bauerte kurze Zeit. Schon türmten sich bie von Frankreich her fommenben Gewitterwolken brohenb auf. Da starb ber König Friebrich Wilhelm II. unb ber Herr "Schulze von Paretz" warb „König von Preußen", bie gnä-dlge Frau von Paretz" warb „Preußens Königin".
All' ber stille Dorffriede mußte mit bem Glanze und mit den Pflichten bes Thrones vertauscht werben unb bie fjerrlidje Ruhe eines glücklichen Familienlebens mit bem Waffenklirren bes rauhen Kriegslagers.
Der König Friebrich Wilhelm III. mußte am Enbe seiner irbischen Laufbahn (1840) ausrufen:
«Meine Zeit in Unruhe!" i a&er auch: „Meine Hoffnung in Gott!"
Preußens Erniedrigung.
(1806.)
Nun waren bie Kriegswetter, bie ber Napoleon Bonaparte entfesselt hatte, über unser liebes Vaterlanb ausae-gebrochen.
Vergeblich hatten Österreich unb Rufclanb um Preußen geworben, um vereint mit uns bem sühnen Eroberer entgegentreten zu können.
Der König Friebrich Wilhelm III. war allzu frieb--
ferttg gesinnt, glaubte baburch, baß er neutral bleibe, bas
Knegselenb von seinen blühenben Provinzen fern halten
zu können unb verpaßte ben rechten Augenblick zum Losschlagen.
So würben Rußlonb unb Österreich bei Austerlitz (1805) von Napoleon besiegt.
4*
52
Nun kannte der Übermut des Eroberers keine Grenzen.
Hatte er so lange dem Preußenkönig geschmeichelt, um ihn ruhig zu halten, so fing er jetzt an, ihn zu verhöhnen und zum Kriege zu reizen.
Er ließ, ohne anzufragen, seine Heere durch Hannover und andre preußische Provinzen marschieren und verlachte des Königs Widerspruch.
Der an seiner Ehre also gekränkte Monarch zauderte jetzt keinen Augenblick, dem frechen Eindringling den Krieg zu erklären, freilich unter den allerungünstigsten Umständen.
Der edle Prinz Louis Ferdinand besetzte in aller Eile mit viel zu geringer Truppenmacht die Pässe des Thüringer Waldes, durch die Napoleon mit seinem siegestrunkenen Heere kommen mußte.
Er war zu schwach, die Feinde aufzuhalten und verblutete sein tapferes Heldenleben bei Saalfeld für eine verlorene Sache.
Nun wälzten sich die feindlichen Heere gleich einem wilden Strom ungehindert in die sächsischen und preußischen Länder.
Königin Luise hatte den alten Herzog von Braunschweig unter Thränen vermocht, die Oberleitung der preußischen Armee wider Napoleon zu übernehmen.
Er hatte noch unter Friedrich dem Großen gefochten; aber der Geist jener gewaltigen Zeit war dem jetzigen Preußenheere nicht mehr eigen.
Bei Jena und Auerstädt erlitten die preußischen Waffen eine furchtbare Niederlage, die mit einem Schlage jeden Widerstand unserer Truppen brach und eine allgemeine Mutlosigkeit, ja Feigheit zur Folge hatte.
Dem alten Herzog von Braunschweig waren beide Augen ausgeschossen worden. Er floh nach England zu, starb aber auf dem Wege und liegt in Ottensen begraben.
53
Die Trümmer der preußischen Armee flohen kopflos bis nach Ostpreußen; Napoleon kam als Sieger nach Berlin.
Fast sämtliche Festungen übergaben sich dem anstürmenden Feinde ohne Gegenwehr, nur Kolberg, Danzig und Graudenz verteidigten sich tapfer.
Das war eine Zeit der Schmach und tiefsten Erniedrigung unseres lieben Vaterlandes.
Der Kaiser Franz von Österreich legte (1806) seine deutsche Kaiserkrone freiwillig nieder; sie hatte keinen Wert mehr und Preußen verlor im Frieden zu Tilsit (1807) die Hälfte seiner Provinzen.
Preußens Engel.
(1810.)
So wurde und so wird noch heut Preußens schöne und doch so unglückliche Königin Luise, Friedrich Wilhelms III. Gemahlin, genannt.
Daß sie in Mecklenburg-Strelitz, nahe der Ostseeküste, geboren wurde, und daß sie als „Gnädige Frau von Paretz" auch eine glückliche Zeit verlebte, habe ich euch schon erzählt.
Am linken Saale-Ufer, bei Naumburg, liegt ein kleiner Hügel, nach ihr der Luisen-Hügel genannt. Dort hörte sie durch lange, bange Stunden die Kanonen von Jena und Auerstädt donnern und erwartete die Nachricht vom Ausfall der Schlacht.
Die zersprengten Kolonnen der geschlagenen preußischen Armee brachten sie leider allzuzeitig und rissen in ihrer wilden Flucht die geängstigte Frau mit fort.
Erst in Schwedt a. O. traf sie mit ihren Kindern zusammen, umarmte sie laut schluchzend und sprach zu ihren Söhnen: „Ihr seht mich in Thränen, lieben Kinder. Ich beweine das Unglück meines Volkes und unseres gemein-
54
schaftlichen Vaterlandes. Werdet groß und gut, tapfer und treu, damit ihr einst Rechenschaft fordern möget von denen, die es über uns gebracht!"
Prinz Wilhelm hat diese Worte nie vergessen, und als
er, sechzig Jahre später, von demselben Volke und wieder
von einem Napoleon zu einem furchtbaren Kampf frevelhaft herausgefordert ward, da betete et zuvor am Sarge der längst entschlafenen Mutter und hat ihr dann dies Wort, diesen Wunsch redlich erfüllt.
Von Schwedt a. O. floh die Königin mit ihren Kindern
in Wind und Wetter, oft auf ärmlichem Gefährt, nach
dem Osten des Reiches, verfolgt von den siegestrunkenen Feinden.
In einer Köhlerhütte mußte sie einst rasten. Die Kinder waren krank und fieberten. Treu hielt sie Wacht und schrieb in diesen Trübsalsstunden mit dem Diamant ihres Ringes in die Fensterscheibe:
„Wer nie sein Brot mit Thränen aß,
Wer nie die kummervollen Nächte Auf seinem Bette weinend saß.
Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte!"
Traurig sinnend wand sie ein andermal aus blauen Kornblumen, die Prinz Wilhelm gepflückt, einen Kranz und drückte ihn dem Knaben aus sein Lockenhaar.
Diese einfache, blaue Blume war noch dem Greis eine teure Erinnerung an seine geliebte Mutter und blieb bis zum Tode seine Lieblingsblume.
Luise sah im Geiste die Zeit, wo ihr Volk sich aufraffen und die Ketten des Eroberers brechen würde; sollte sie aber selbst nicht erleben. Das Unglück Preußens hat ihr früh das Herz gebrochen.
Das war ihre letzte Freude, daß sie den geliebten Gemahl, König Friedrich Wilhelm III., voll ergriffen wußte
55
von dem Gedanken, die fränkischen Fesseln zu brechen und sein Volk und Land wieder frei zu machen.
So hatte er auf ihr Drängen und Bitten die Bauern los gemacht von der unwürdigen Leibeigenschaft.
So sah sie noch das kräftige Wirken des edlen Ministers Stein, den man alles Guten Grundstein und alles Bösen Eckstein, aber der Deutschen Edelstein nannte.
Stein und Hardenberg, das sind Namen, die uns so lieb und bekannt bleiben müssen, wie Bismarck und Moltke; das waren treue, deutsche Männer, große und thatkräftige Minister des Königs Friedrich Wilhelm III. in schwerer Zeit.
Ja, und um die Zeit noch schwerer zu machen, da mußte sie, die herrliche Königin, auf einem Besuch bei ihren Eltern in Mecklenburg -Strelitz schwer erkranken.
Der König eilt mit seinen Söhnen herbei, ihr die guten, treuen Augen — seines Lebens Sterne — zuzudrücken. Mit ihm weinte ein großes Volk an ihrem frühen Grabe. —
Ihr Andenken ist jedem Preußen heilig und nicht wenige sind des Glaubens, daß ihr seliger Geist über die Geschicke des Vaterlandes schwebe „als Preußens Engel".
Helden.
(1806.)
Je trauriger die allgemeine Kopflosigkeit und Feigheit der preußischen Soldaten und ihrer Generale nach einer verlorenen Schlacht uns erscheint, um so lieber verweilen wir bei den wenig Helden dieser Zeit, die die Ehre des preußischen Namens, der preußischen Waffen gerettet haben und unbesiegt geblieben sind.
Das ist zunächst der spätere Feldmarschall Lebrecht von Blücher, von seinen Soldaten Marschall „Vorwärts" genannt.
56
Der raffte nach der verlorenen Schlacht bei Jena und Auer-städt einige Heerhaufen zusammen, zog sich fechtend auf Lübeck zurück und wehrte sich dort wie ein Löwe gegen mehrere französische Corps.
Selbst der Feind achtete diese ritterliche Tapferkeit, und als Blücher endlich der Übermacht nicht mehr widerstehen sonnte, gestattete man ihm, mit allen militärischen Ehren frei abzuziehen.
Wir werden in der Folge noch viel von diesem Helden und noch Größeres hören.
In Kolberg, einer pommerschen Festung am Ostseegestade, kommandierte der General Gneisenau. Unterstützt von einem schlichten Seemann, Namens Nettelbeck, hielt er die Stadt trotz aller Anstrengungen, die Napoleon machte, sie zu erobern, und blieb unbesiegt.
In der Festung Graudenz verteidigte sich der tapfere Courbiere mit gleichem Heldenmut. Napoleon ließ ihm sagen, „es gäbe feinen König von Preußen mehr."
„Nun," antwortete er keck, „so will ich versuchen, wie lange ich König von Graudenz bleiben kann!" und rettete seinem König die Stadt und Festung.
Nach dem traurigen Friedensschluß blieben die übermütigen Sieger im Lande und ließen sich's bei uns gut sein.
Berlin wimmelte von Franzosen und jedem Patrioten mußte das Herz bluten, das unglückliche Königspaar unter solcher Bedeckung zu sehen.
Die Männer bissen die Zähne zusammen über solche Schmach, und doch konnte es zunächst niemand ändern. Es war des Siegers Recht.
Das ausgesogene Land seufzte, das Volk lehrte die Not beten und arbeiten; die Jünglinge übten sich in den Waffen, die Jungen auf dem Turnplatz.
57
Alle aber warteten auf ein Zeichen vom Himmel, die Ketten zu zerbrechen.
„Major von Schill" mochte nicht warten. Er rückte eines Morgens mit seinem Regiment aus Berlin, überfiel hie und da einzelne Franzosenhaufen und metzelte sie nieder.
Er meinte wohl, das Volk solle nun in hellen Haufen sich erheben und die Fremdherrschaft abschütteln. Das Volk aber war noch nicht reif dazu.
Napoleon ließ den Major von Schill durch große Heerhaufen verfolgen, einschließen und vernichten. In den Straßen Stralsunds fiel der Held, den Säbel in der Faust.
Dreizehn seiner Offiziere wurden gefangen genommen und zu Wesel erschossen. —
Einer dieser Helden, „von Wedell", ein blutjunger Lieutenant, blieb unversehrt, als seine zwölf Kameraden, von französischen Kugeln getroffen, in den Sand fielen.
Man bot ihm Pardon. Er verlachte seine Henker, warf seine Mütze in die Luft und rief trotzig: „Ich bin ein Preuße!"
Eine neue Salve streckte ihn zu Boden.
Preußens Erhebung.
(Moskau. — 1812.)
Als Napoleon sich nahezu ganz Europa unterworfen hatte, machte er ernstlich Anstalt, auch Rußland den Fuß auf den Nacken zu setzen.
Bis Moskau waren seine Heere bereits siegreich vorgedrungen. Es waren aber unheimliche Siege, denn wo er hinkam, waren Städte und Dörfer öd' und verlassen. Die russischen Bewohner zogen sich mit den Kosaken fechtend in das Innere des unendlichen Landes zurück und zerstörten zuvor Obdach und Lebensmittel für den Feind.
58
In Moskau, dieser schönen Zarenstadt, hofften die Soldaten des Korsen nun Ruhe und volle Magazine zu finden, um den strengen russischen Winter über sich hier behaglich einrichten zu können.
SlCles war still, als sie an die Thore pochten, niemand wehrte ihnen den Einzug.
Unheimlich genug mag er gewesen sein. Die langen Straßen waren öd' und menschenleer; die stolzen Paläste verschlossen und verlassen.
Die französischen Soldaten gingen ans Plündern und fanden in den Kellereien der reichen Russen Rum, Spirituosen und Wein in Menge.
Maßlos tranken sie davon und merkten es nicht, daß bereits die Feuerflammen über ihren Häuptern zusammenschlugen.
An allen Enden hatten die fliehenden Russen ihre eigne Stadt in Brand gesteckt.
Man rief „zu den Spritzen!" Keine war zu gebrauchen, alle waren sie zerstört.
Eine unsagbare Verwirrung bemächtigte sich der in ihrem wüsten Taumel so unheimlich aufgeschreckten Franzosen.
Ungezählte Massen erstickten in den Kellern oder wurden unter den glühenden Trümmern stürzender Häuser begraben. Kaum und mit Mühe rettete sich Napoleon durch eine Seitengasse, denn die Hauptstraßen waren durch das fliehende Militär verstopft. Man rang um das nackte Leben, der Stärkere schritt schonungslos über den Schwächeren hinweg. Gehorsam und Ordnung gab es nicht mehr.
Atemlos vor den Thoren angekommen, mußten die kaum Geretteten sich unter luftige Zelte vor dem schneidigen Nordwind bergen. Der russische Winter ist grausam hart und die Herren Franzosen hatten sich schlecht darauf eingerichtet.
59
Hunger und grimme Kälte töteten, was das Feuer verschont hatte. Napoleon verließ heimlich die Reste seiner großen Armee, warf sich in eine Kibitka (ruft. Schlitten) und jagte unerkannt seinem sonnigen Vaterlande zu.
„Bis hieher und nicht weiter!" hatte der Herrgott gesprochen; hier, vor Moskau, brachen sich die stolzen Wellen
französischen Hochmuts.
Krank, halb erfroren unb zerlumpt kamen geringe Reste biefer stolzen Armee als Bettler in bie Heimat.
?
Der König rief und alle, alle kamen!
(1813.)
Der preußische General Jork staub an ber Ostgrenze unseres Reiches mit einem Heerhaufen preußischer Truppen, bie mit bestimmt waren, Rufelanb zu erobern.
Er war ber erste, ber erkannte, baß jetzt ober nimmer
bie Stunbe ber Befreiung gekommen sei.
Auf eigene Faust unb feinen Kopf riskierenb, fiel er von bem erzwungenen Bünbnis mit Napoleon ab unb schloß sich ben Russen an.
Nun brauste ein Freiheitssturm burch bie preußische Nation. Der König verlegte seine Residenz nach Breslau und erließ einen Aufruf an fein Volk.
Da kamen Greise und Männer, Jünglinge und Knaben unb wollten Waffen tragen, das Vaterland zu retten.
Die nicht fechten konnten, gaben Gold und Silber; selbst bie goldenen Trauringe streifte man vom Finger und ließ sich eiserne dafür geben.
Begeisterte Dichter sangen Freiheitslieder und von Kanzel und Katheder predigte man den heiligen Krieg.
Eine Soldatentochter, Johanna Prohaska aus Potsdam, ließ sich, da sie nichts anderes zu geben hatte, ihr schönes Haar abschneiden unb brachte ben Erlös bafür bem Vater-
60
land als Opfer. Ja noch mehr: Sie selbst ließ sich, verkleidet als Jüngling, anwerben und erst als der Schlachtentod ihr junges Leben geknickt, erkannte man in dem todesmutigen Tambour der stürmenden Kolonne das Weib.
Die Frau Major von Lützow warb ihrem Manne ein Regiment freiwilliger Jäger. Dichter und Bauer, Professor und Handwerksgesell fochten Schulter an Schulter in dieser Racheschar. Theodor Körner, der Dichter von „Leyer und Schwert", sang von ihnen:
„Und wenn ihr die schwarzen Gesellen fragt:
Das ist Lützows wilde, verwegene Jagd!"
Der Krieg an Frankreich war erklärt. Napoleon war darauf vorbereitet. Eine neue Armee hatte er anscheinend aus der Erde gestampft und schon zog sie heran, die sieggewohnte Schar, die kühnen Preußen zu züchtigen.
Schon die ersten Schlachten bei Möckern, Lützen, Groß-Beeren belehrten sie, daß sie nicht mehr die Soldaten von Jena und Auerstädt vor sich hatten; sondern eine frische, todesmutige Schar, ein Volk in Waffen.
Als nun auch Rußland und Österreich mit Preußen in den Bund traten, da hatte Napoleons Stunde geschlagen. Die Schlacht bei Leipzig zerbrach seine Macht.
Die Schlacht bei Leipzig.
(1813.)
Und nun standen sie sich gegenüber, die gewaltigen Heere Rußlands, Österreichs und Preußens auf der einen, Frankreichs und der Sachsen auf der andern Seite.
In der Ebene von Leipzig sollten die blutigen Würfel fallen; sollte entschieden werden, ob die Völker Europas weiter gefesselt oder frei sein durften.
61
Es muß ein furchtbares, dreitägiges Ringen gewesen sein, diese Völkerschlacht bei Leipzig, davon zeugen heut noch die vielen eisernen Geschosse und bleichenden Gebeine, die alljährlich von den Ackersleuten auf den Feldern um Leipzig herum ausgepflügt werden.
Napoleon beobachtete die Schlacht von einem Hügel aus bei dem Dorfe Probsthaida. Im Hintergründe eine brennende Windmühle, saß er, umgeben von seinen Generalen und Adjutanten. Keine Muskel zuckte in seinem marmorbleichen Gesicht.
Er sah die Wendung seiner Geschicke und gebrochen an Leib und Seele schlief er auf einem Holzschemel ein. Der Gewaltige schlief und um ihn herum tobte die Schlacht. Tausende schliefen auf sein Machtgebot den ewigen Schlaf und Tausende bedeckten verstümmelt und blutend das weite Schlachtfeld.
Niemand wagte den Kaiser zu wecken.
Endlich fuhr er jäh empor, wie aus schweren Träumen. Der Marschtritt seiner fliehenden Bataillone rauschte durch die Herbstnacht.
Fragend sah er seine Umgebung an, dann winkte er nach feinem Schlachtenroß und jagte in die Stadt.
Feldmarschall Blücher, der General Vorwärts, hatte die Entscheidung herbeigeführt. Er war den Fliehenden jetzt auf den Fersen. Die preußischen Jäger schlugen die gesperrten Stadtthore ein und trieben die wilden Scharen durch die vollgestopften Straßen Leipzigs.
Die Sachsen waren mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen mitten in der Schlacht zu den Preußen übergegangen. Ihr König konnte sich nicht dazu entschließen und ward in Leipzig gefangen genommen.
Napoleon war über die Elster und um nicht ein gleiches Schicksal zu haben, ließ er die Brücke hinter sich in die Luft
62
sprengen, trotzdem noch Tausende seiner Truppen jenseits waren. Sie alle wurden gefangen.
Der stolze Polenfürst Poniatowsky sprengte mit seinem Roß in die Elster und ertrank.
Napoleon entkam. Sein Stern war aber im Sinken. Die Verbündeten verfolgten ihn bis Paris. Er wurde abgesetzt und auf die Insel Elba verbannt.
Das Vaterland war gerettet.
Die Schlacht bei Waterloo.
(1815.)
Das war ein Jubel und eine Freude, als unsere Väter die Fesseln der Knechtschaft gebrochen und Frankreich niedergeworfen hatten.
Nun saßen die Gesandten der Sieger in Wien und arbeiteten an dem Frieden.
Das Schwert war in der Scheide; desto heftiger focht man mit der Feder und konnte nicht einig werden, wie man die Länder und Leute, die den Franzosen wieder abgenommen waren, unter die Sieger verteilen sollte.
Ungeduldig rief der ,alte Blücher': „Diese Federfuchser werden wieder verderben, was wir mit dem Schwerte gewonnen haben!"
In Frankreich hatten die Verbündeten einen König eingesetzt, der es auch nicht verstand, das aufgeregte Volk ruhig und glücklich zu machen.
So konnte es nicht ausbleiben, daß viele Franzosen Napoleon zurückwünschten und mit ihm eine neue Zeit und neuen Waffenruhm.
Der aber war auf seiner schönen Insel Elba ganz genau davon unterrichtet, und siehe da, eines Tages landete er mit den wenigen Truppen, die man ihm mitgegeben hatte, wieder an Frankreichs Küste.
63
Ganz Frankreich jubelte ihm zu und der unbeliebte König in Paris mußte eiligst fliehen und das Land verlassen.
Das gab einen schönen Schreck in Wien.
In aller Eile einigten sich die hadernden Mächte und griffen von neuem zu den Waffen.
Vater Blüchern war das eben recht. Er war der erste wieder an den Feind.
Am 1. Januar 1814 ging er bei Caub über den Rhein.
Bei Ligny ward er von Napoleon angegriffen und geschlagen. Blücher selbst war im heftigsten Feuer. Sein Pferd stürzt und reißt den Reiter mit nieder. Da braust ein Regiment französischer Kürassiere heran.
Sein Adjutant v. Nostitz sitzt ab und stellt sich mit gezogenem Degen über den greisen Helden.
Die Attaque ist vorüber und Blücher — gerettet.
Nun wirft sich Napoleon mit aller Macht auf die Eng-
länder, die bei Waterloo unter Wellington stehen.
„Da hab' ich die verhaßten Engländer endlich!" ruft Napoleon, unb was er an Truppen hat, das muß ins Feuer.
Die Englänber stehen aber wie bie Mauern. Enblich wirb es ihnen boch zu arg unb Wellington seufzt: „Ich wünscht', es wäre Nacht ober Blücher käme!"
Da war bet Gerufene auch schon ba unb fiel ben Franzosen in ben Rücken. Er war trotz ber verlorenen Schlacht mit seinen müben Truppen bem Freuube zu Hilfe geeilt.
Am Morgen bieses Schlachtentages wollte ber Felb-scheer Vater Blücher ben gefchunbenen Fuß verbinben. „Laß er nur," sprach er launig, „ob ich geflickt ober ungeflicft in ben Himmel komme, bas wirb wohl egal (gleich) sein!"
64
St. Helena.
(1821.)
Mitten in der Schlacht haben wir im vorigen Kapitel den Feldmarschall Blücher verlassen.
Seine Soldaten konnten nicht mehr fort. Die Wege waren von dem langen Regenwetter grundlos.
„Vater Blücher," riefen sie ihm zu, „es geht nicht mehr!"
„Das sagt ihr wohl, Kinder," antwortete er ihnen, „aber es muß gehen! Ich habe es meinem Freund Wellington versprochen; wollt ihr, daß ich wortbrüchig werde?"
Und es ging. Die Soldaten spannten sich selbst vor die Kanonen und zogen sie aus dem Morast.
So kamen sie zur rechten Zeit und retteten die Engländer.
Das war ein schöner, aber ein blutiger Sieg. Die französischen Garden fochten wie die Löwen. Man rief ihnen zu, sich zu ergeben. Da antworteten sie stolz: „Die Garde stirbt, aber sie ergiebt sich nicht!"
So mußten die tapferen Soldaten buchstäblich zusammengeschossen werden. Wie sie heranstürmten, so lagen sie reihenweis niedergeschmettert.
Der Krieg ist eine grausame Geißel der Völker.
„Belle Alliance" nannte Blücher die Schlacht bei Waterloo, d. h. auf deutsch „Schöne Verbindung" und bezeichnet damit den Bund Wellingtons mit Blücher, der Engländer mit den Preußen.
Napoleon ward zum zweiten Male gefangen genommen und nun nach einem Felsennest „St. Helena", mitten im „atlantischen Ocean" verbannt. Hier ist er 1821 gestorben.
Die Verbündeten zogen abermals in Paris ein und züchtigten die übermütige Stadt.
Alle geraubten Kunstgegenstände, namentlich den schönen Siegeswagen, den sie vom Brandenburger Thor in Berlin
65
nach Paris geschleppt, mußten sie wieder herausgeben, das that Vater Blücher nicht anders.
Auch das muß ich euch erzählen, daß Prinz Wilhelm von Preußen, der nachmalige Kaiser Wilhelm I., diesmal mit in den Krieg gezogen war.
Der königliche Vater hatte dem Drängen des jugendlichen Prinzen nicht widerstehen können und hatte endlich die Erlaubnis dazu erteilt.
Nun schickte er ihn auch mitten in den Kugelregen der lobenden Schlacht, um seinen Mut zu erproben. Er bestand die Probe glänzend und eroberte sich hier seinen ersten Orden. Den heftete ihm der Kaiser von Rußland eigenhändig an die Brust.
Helden der Freiheitskriege.
Den Feldmarschall Blücher, General Vorwärts, habt ihr kennen gelernt. Ich könnt' euch noch manch' Heldenstückchen von ihm erzählen. Besser, wie der Dichter
in dem nachfolgenden Liede es thut, könnt' ich es wahrlich
nicht, das solltet ihr lernen:
Cieb Dorrt Feldmarschall.
Was blasen die Trompeten? Husaren heraus!
Es reitet der Feldmarschall im fliegenden Saus,
Er reitet so freudig sein mutiges Pferd,
Er schwinget so schneidig sein blitzendes Schwert.
O schauet, wie ihm leuchten die Augen so klar!
O schauet, wie ihm wallet sein schneeweißes Haar!
So frisch blüht sein Alter wie greifender Wein,
Drum kann er Verwalter des Schlachtfeldes sein.
Der Mann ist er gewesen, als alles versank,
Der mutig auf gen Himmel den Degen noch schwang.
Da schwur er beim Eisen gar zornig und hart,
Den Welschen zu weisen die echt deutsche Art.
Runz e, Der kleine Patriot. 2te Aufl. k
66
Den Schwur hat er gehalten. Als Kriegsruf erklang. Hei! wie der weiße Jüngling in'n Sattel sich schwang!
Da ist er's gewesen, der Kehraus gemacht,
Mit eisernem Besen das Land rein gemacht.
Bei Lützen auf der Aue er hielt solchen Strauß,
Daß vielen tausend Welschen der Atem ging aus;
Viel Tausende liefen dort hasigen Lauf,
Zehntausend entschliefen, die nie wachen auf.
Am Wasser der Katzbach er's auch hat bewährt,
Da hat er den Franzosen das Schwimmen gelehrt.
Fahrt wohl, ihr Franzosen, zur Ostsee hinab!
Und nehmt, Ohnehosen, den Walfisch zum Grab!
Bei Wartburg an der Elbe, wie fuhr er hindurch!
Da schirmte die Franzosen nicht Schanze noch Burg,
Da mußten sie springen wie Hasen übers Feld,
Und hell ließ erklingen sein Hussa! der Held.
Bei Leipzig auf dem Plane, o herrliche Schlacht!
Da brach er den Franzofen das Glück und die Macht,
Da lagen sie sicher nach blutigem Fall,
Da ward der Herr Blücher ein Feldmarschall.
Drum blaset, ihr Trompeten! Husaren, heraus!
Du. reite, Herr Feldmarschall, wie Winde im Saus!
Dem Siege entgegen, zum Rhein, übern Rhein,
Du tapferer Degen, in Frankreich hinein!
(E. M. Arndt.)
Auch von „Gneisenau" habe ich euch erzählt, wie er so tapfer die Festung Kolb erg verteidigt hat. Er war der Moltke der Freiheitskriege und Blücher sagte von ihm, er habe die Pillen gedreht, die er (Blücher) den Franzosen eingegeben. Gneisenau machte die Pläne zu den Schlachten, die Blücher schlug. Auch ihn machte sein dankbarer König zum Grafen und Feldmarschall,
67
Scharnhorst war der Vater der Landwehr, der Männertruppe, die unter Blücher und York bei Wartenburq
Wunder der Tapferkeit gethan hat.
Er schlug dem Franzosen ein Schnippchen. Als Napoleon dem König von Preußen verbot, mehr denn 40 000 Soldaten zu halten, ließ Scharnhorst diese 40000 ausbilden und schote sie wieder in die Heimat. Schnell wurden andre 40000 einberufen und ausgebildet und wieder in die Heimat geschickt.
So dauerte es nicht lange, da waren 100000 und mehr Jünglinge und Männer mit der Waffe vertraut und ihre Kriegsausrüstung lag fix und fertig auf der Kammer.
Bei dem ersten Freiheitsruf stand nun das ganze Volk
in Waffen und der Franzose wunderte sich nicht wenig wo
der Preußenkönig die vielen Soldaten her hatte.
So ähnlich ist es jetzt noch; das Preußenvolk ist „ein Volk in Waffen" und wehe dem, der es angreifen will.'
Ein schöner Soldatentod war dem General Scharnhorst beschieden.
Sei Groß-Görschen verwundet, reiste er, der Wunde "°ch Österreich, um den Kaiser Franz zur Teilnahme an dem Rachekriege wider die Franzosen zu bewegen.
In Prag starb der Held an seinen Wunden.
Bei Wöbbelin unter einer Eiche schläft ein junger Dichter und Freiheitskämpfer, Theodor Körner. Der hat den Franzosen mit seinen Liedern und mit seinem Schwerte genug zu schaffen gemacht, bis eine tückische Kugel seinem jungen, hoffnungsvollen Leben ein Ende machte.
Nicht wahr, auf solche Helden darf unser Volk doch ftok sein?! Thut's ihnen nach!
Friedrich Wilhelm IV.
(1840.)
Nach den Freiheitskriegen kam eine lange Zeit der Ruhe und des Friedens über Europa. Frankreich war bis zum
5*
68
Tode matt unb Rußland. Österreich und Preußen blieben verbündet, so daß ein ander Volk nicht gut einen Krieg anfangen durfte.
Der König Friedrich Wilhelm III. starb und ihm folgte sein ältester Sohn Friedrich Wilhelm IV. auf Preußens Thron.
Das war ein weiser, lieber Herr, den ihr am besten aus einer kleinen Geschichte kennen lernt, die fast in jedem Lesebuch steht.
Als der König einst durch seine Lande reiste, begrüßte ihn ein Lehrer mit seinen Schulkindern durch einen Gesang.
Darnach sprach ein kleines, niedliches Mädchen ein hübsches Gedicht.
Das gefiel dem König. Er nahm eine schöne Apfelsine vom Tisch und reichte sie dem Kinde mit der Frage: „Wohin gehört das?"
„In das Pflanzenreich!" antwortete die Kleine schlagfertig.
Dann nahm der König ein Goldstück, schenkte es ihr und fragte weiter: „Wohin gehört das?"
„In das Mineralreich!"
Der König war sichtlich erfreut über die guten Antworten des Kindes und konnte sich nicht enthalten, noch die dritte Frage zu stellen: „Wohin gehöre ich aber?"
Da ward das Mädchen doch stutzig. Bald aber leuchteten ihre munteren Augen hell auf und sie antwortet: »Sns Himmelreich!"
Diese Antwort hatte der König nicht erwartet. Eine Thräne glänzte in seinem Auge. Er hob das liebe, herzige Kind auf unb küßte es.
Seht, ihr jungen Freunde, das Mädchen hatte das Richtige getroffen.
Des Königs größte Thaten gehören wirklich der Geschichte des „Reiches Gottes" an; die Weltgeschichte weiß ihm feine Siege nachzurühmen. Er liebte den Frieden.
69
Unb bennoch mußte er es erleben, baß sein Preußenvolk es ben unruhigen Franzosen nachthun unb ihn vom Throne stoßen wollte.
Der liebe Gott unb Papa Wrangel, bes Königs Generalfelbmarschall, ließen es aber nicht zu. Die Revolution in Berlin unb anbern großen Stabten würbe erstickt unb bie Zollernkönige regieren heut noch unb bas ist ein Glück unb ein Segen für uns.
Ein Segen ist benn auch bie Friebensarbeit bieses Königs für unser liebes Vaterlanb gewesen.
Unter seiner Regierung würben bie ersten Eisenbahnen
in Preußen gebaut; bie Posten verbessert, viel Chausseen unb Wasserstraßen, Paläste unb kunstvolle Brücken gebaut. Hanbel unb Wanbel blühten im Lanbe, auch gab er bem Volke bas Recht, an ber Regierung bes Reiches mitarbeiten zu bürgen; er gab seinem Lanbe bie Verfassung, nach welcher heut noch bie Abgeorbneten bes Volkes Gesetze beraten, Steuern bewilligen u. a. m. —
Alle biese Gesetze unb Beschlüsse bebürfen aber bet Bestätigung bes Königs; er steht unb wacht mit seiner königlichen Gewalt über biese Beratungen unb ohne bes Königs Willen unb Namen haben sie keine Gültigkeit.
So liebte auch Friebrich Wilhelm IV. sein Volk unb suchte es burch Friebensarbeit glücklich unb groß zu machen.
Wilhelm I., der Siegreiche.
(1859.)
Friebrich Wilhelm IV. würbe seht krank unb ba
er kinberlos war, mußte sein zweiter Bruber Wilhelm
noch bei seinen Lebzeiten bie Regierung übernehmen.
Dieser war selbst schon 62 Jahr alt unb hatte wohl nie baran gebacht, baß auch er noch König sein sollte.
70
öeine ganze Thätigkeit hatte er sonst dem Soldatenstande gewidmet. Das preußische Heer hat ihm Großes zu danken.
„Prinz-Regent" wurde er jetzt genannt; und als der liebe Gott seinen älteren Bruder von seinem unheilbaren Leiden durch den Tod erlöste, ward er König.
Nun beginnt für unser liebes Vaterland eine große, gewaltige Zeit:
„Zunächst eine feierliche Krönung in Königsberg; dann ein reges Schaffen auf militärischem Gebiet!"
Die Regimenter wurden vermehrt, die Waffen verbessert.
Ein ehemaliger Schlossergesell. Namens Dreyse, hatte ein Gewehr erfunden, das von hinten geladen wurde und m einer Minute sich 6> oder 7mal abschießen ließ.
Das führte der König Wilhelm und sein Kriegsminister Roon bei der ganzen preußischen Armee ein.
Einen Ladestock brauchte man gar nicht dazu.
Das alles kostete freilich viel, sehr viel Geld und die
Leute, die nicht wußten, was es bedeuten sollte, räsonnierten tüchtig darüber und wurden dem Könige recht böse.
Der konnte aber doch nicht jedem sagen, was er vor hatte, und so mußte er sich das Bösesein schon gefallen
lassen.
L>ein erster Minister, Otto von Bismarck, der wußte es aber, wo das hinaus sollte und stand seinem königlichen
Herrn treu zur Seite, obgleich einige böse Buben den Versuch
machten, ihn tot zu schießen.
Der liebe Gott hat ihn wunderbar erhalten und seinen König und Herrn auch, bis sie ihr großes Lebenswerk, die Einigung Deutschlands, durch drei siegreiche Kriege ausgeführt hatten.
Da jauchzte ihnen das kurzsichtige Volk freilich manch „Hoch" und „Hurra" zu, dachte aber wohl wenig daran,
71
wie wehe es beiden, dem Könige und seinem treuen Kanzler, mit seinem Mißtrauen gethan hatte.
Von diesem Heldenkönig, von seinem großen Kanzler und den Männern dieser großen Zeit handeln nun die folgenden Geschichten, und eure Väter werden euch manches dazu sagen können, denn sie haben unter dem Kaiser Wil-Helm I., dem Siegreichen, teils mit gefochten, teils ihn noch gesehen.
Gewiß hängt sein freundlich ernstes Bild mit der Kaiserkrone in eurer Stube; ihr müßt es oft und mit Ehrfurcht betrachten.
Die „Düppeler Schanzen".
(1864.)
Im Norden unseres Vaterlandes liegen die Elbherzogtümer Schleswig-Holstein, unmittelbar vor der Mündung der Elbe, zwischen Nord- und Ostsee.
Ein nrdeutscher Volksstamm bewohnt die Halbinsel, und doch war dieselbe im Laufe der Zeit unter die Oberhoheit des Dänenkönigs geraten, doch so, daß sie nicht unmittelbar zu seinem Reiche, sondern nur zu seiner Person in Beziehung stand.
Dabei durften die Bewohner deutsch bleiben und sangen munter:
„Schleswig - Holstein, stammverwandt,
Wanke nie, mein Vaterland!"
Jetzt starb der alte Dänenkönig Christian und der Nachfolger wollte kurzen Prozeß mit den Herzogtümern machen und sie seinem Dänenreiche einverleiben; Deutsche sollten Dänen werden.
Sie riefen um Hilfe und König Wilhelm nahm sich ihrer an.
72
Mit Österreich vereint schlug er die Dänen, trieb sie auf ihre Inseln zurück und befreite so auf alle Zeit diese deutsche Provinz von dänischem Joche.
Bei Düppel setzte sich Bruder Danske recht ernstlich zur Wehre. Dort hatte er eine Reihe Schanzen errichtet und machte Anstalt, sie gegen die Verbündeten tapfer zu verteidigen.
Vater Wrangel, der älteste General der preußischen Armee, kommandierte da draußen; hatte aber neben sich einen preußischen Prinzen, den Prinzen Friedrich Karl, der dort seine ersten Siegeslorbeeren pflücken sollte.
Der ließ nun seine blauen Jungen die „Düppeler Schanzen" mit Sturm nehmen und trieb dann die Herren Dänen über den Alsen-Sund, so daß ihre Hauptstadt Kopenhagen vor den preußischen Bajonetten zitterte.
Das war nur ein klein militärisches Vorspiel zu den großen Dingen, die noch kommen sollten.
Der „Däne" machte schleunigst Friede und war froh, daß er sein Jnselländchen behielt; Schleswig-Hol st ein mußte er an Österreich und Preußen herausgeben und für alle Zeit darauf verzichten.
Vater Wrangel zog mit einem Teil seiner siegreichen Truppen wieder nach Berlin zurück und Prinz „Friedrich Karl" war der Held des Tages geworden. Seine Soldaten nannten ihn den „Roten Prinz" und jubelten, wo er sich ihnen zeigte, ihm laut entgegen.
Königsgrätz.
(1866.)
Nun regierten Österreicher und Preußen gemeinschaftlich in Schleswig-Holstein; beide hatten ja gleich tapfer darum mit den Dänen gefochten.
73
Für die Dauer mochte das aber nicht gut gehen und über die Person eines deutschen Fürsten, den man etwa als Regenten hinsetzen konnte, ward man nicht einig.
Nicht lange, da gab es Reibereien, und da Österreich gar noch die übrigen deutschen Bundesstaaten wider Preußen aufhetzte, da machte König Wilhelm kurzen Prozeß und nahm die Herzogtümer in alleinige Verwaltung; General Gablenz mit seinen Österreichern mußte abziehen.
Das gab natürlich in Wien bitterböses Blut und die alten Kriegskameraden machten jetzt Front gegeneinander; Österreich erklärte uns den Krieg. (1866.)
Krieg zwischen Österreich und Preußen! Das war schon etwas anderes, wie Österreich und Preußen gegen das kleine Dänemark. Er war aber nötig, dieser Krieg, denn so lange beide Großstaaten in Deutschland das Wort führen wollten, wußte kein anderer, wem er eigentlich angehörte.
Jetzt raffelten die Kanonen durch die Straßen, ein lustig Abschiedsstücklein bliesen die Trompeter und fort ging es auf allen Eisenbahnen an die böhmische Grenze.
Daheim wurden die alten und jüngeren Landwehrleute eingezogen und nachgeschickt ober in den Festungen als Besatzung gelassen. Das war ein bewegtes Leben im Preußen-lanbe unb ein ängstliches Harren ber Dinge, bie ba kommen sollten.
Da brüben im feinblichen Lager sammelte ber österreichische Generalfelbzeugmeister Benedeck ebenfalls ein mächtiges Kriegsheer.
Er galt als ein unbesiegbarer Feldherr und hatte schon die Paradesachen für feinen Siegeseinzug in Berlin im Tornister.
Seine Soldaten sind auch wirklich zum Teil dahin gekommen, freilich — als Gefangene!
74
Prinz Friedrich Karl (der rote Prinz), der Kronprinz Friedrich Wilhelm und viele tapferen Generale haben ihnen den Weg gewiesen und waren ihnen dazu bis über die böhmische Grenze entgegen gegangen.
Bei der Festung Königsgrätz gab es einen harten Strauß. Das preußische Zündnadelgewehr räumte gewaltig auf unter den Österreichern. Als dann nachmittags der tapfere Kronprinz mit seiner 2. Armee dem Benedeck unverhofft in den Rücken kam, da gab's kein Halten mehr; Österreich war geschlagen.
König Wilhelm setzte sich nun selbst an die Spitze seiner Reiterscharen und nahm die Verfolgung der fliehenden Feinde bis vor der feindlichen Hauptstadt, ja bis Preß-bürg in Ungarn auf.
Nun bat der österreichische Kaiser um Frieden und erhielt ihn.
König Wilhelm schickte ihm seinen großen Kanzler Bismarck nach Nikolsburg, der schloß den Frieden ab.
Jetzt hatte Österreich in Deutschland nichts mehr zu sagen. Preußen hatte sein Hausrecht gebraucht und den fremden Völkern die Thür gewiesen.
König Wilhelm übernahm nun selbst die Führung, zunächst in Norddeutschland, und bekam als Siegespreis die schönen Elbherzogtümer „Schleswig-Holstein".
Berlin empfing den König und seine Paladine mit lautem Jubel. Jetzt gingen den Leuten die Augen auf und selbst der so gehaßte „eiserne Kanzler" war jetzt ihr Freund. So leicht ändert sich die Volksmeinung!
Langensalza.
(1866.)
Österreich war es gelungen, auch die meisten kleineren deutschen Bundesfürsten aus seine Seite zu ziehen und in den Krieg wider Preußen zu verwickeln.
75
Das ist manchem schlecht bekommen und hat Land und Leute darüber verloren.
Als die Österreicher unter Gablenz aus Schleswig abzogen, schloß sich ihnen zum Exempel der blinde König von Hannover — Georg — samt seinen Truppen an.
Der preußische General Manteuffel folgte ihnen aber auf dem Fuße.
Der alte, eigensinnige König Georg war nicht zu bewegen, mit Preußen gemeinschaftliche Sache zu machen und glaubte, durch den Thüringer Wald entschlüpfen und sich mit den ebenfalls prenßenfeindlichen Bayern die Hand reichen zu können.
So hatten die Preußen aber nicht gewettet. In aller Eile rafften der Herzog von Gotha und General Fließ einige Berliner Landwehr-Bataillone zusammen, irgendwo war auch eine preußische Batterie zu haben gewesen, und so warf man sich kühn den Hannoveranern in den Weg.
Bei Langensalza kam es zum Treffen. Es war freilich ein schlimmes Verhältnis für die Preußen: Eine ganze Armee Hannoveraner und unsrerseits nur wenige Bataillone.
So konnte es nicht anders kommen, daß trotz aller preußischer Tapferkeit unsere Truppen nach heißer Schlacht sich zurückziehen mußten.
Was man erreichen wollte, war aber erreicht worden. Die Hannoveraner waren um einen Tag ausgehalten und hatten die Bereinigung mit den Bayern nicht durchsetzen können.
Am andern Morgen war der preußische General Man-teuffel da mit einem ganzen Armeecorps und nun blieb den Hannoveranern nichts übrig, als sich gefangen zu geben.
Der König Georg ward abgesetzt und Hannover wurde preußische Provinz. Ebenso ging es dem Kurfürst
76
von Hessen, dem Nassauer und der Stadt Frankfurt a. M. — Sachsen entging mit genauer Not dem gleichen Schicksal und ist seit der Zeit klugerweise immer unser treuer Bundesgenosse geblieben. —
Papa Wrangel.
Friedrich Heinrich Ernst Graf von Wrangel, preußischer Generalfeldmarschall, hat drei preußischen Königen gedient und ein Alter von beinah' hundert Jahren erreicht.
Er war zur Zeit Kaiser Wilhelms I., des Siegreichen, der älteste Offizier der preußischen Armee und hatte schon als Major die Schlacht bei Leipzig mitgemacht.
Er war in seinen alten Tagen ein Liebling der Berliner; trotzdem er ihnen in dem Revolutionsjahre (1848) eine derbe Lektion mit Pulver und Blei erteilt hatte.
Wo Papa Wrangel sich sehen ließ, konnte man gewiß sein, daß ein ganzer Trupp Berliner Jungens hinter ihm her waren und seinen alten, geduldigen Schimmel an dem Schweif zupften. —
Mit dem „Mir" und „Mich" stand er zeitlebens auf dem Kriegsfuß, und man erzählt sich manch ergötzliche Anekdote darüber. —
So rückte er 1848 durch das „Brandenburger Thor" mit seinen Truppen in Berlin ein, um dort Ruhe zu stiften.
Die Berliner hatten ihm Drohbriefe geschrieben, um ihn einzuschüchtern, u. a. gesagt, sie wollten seine Frau aufhängen, wenn er nicht draußen bliebe.
Das ging dem alten Helden doch schwer im Kopf herum.
Je näher er der Stadt kam, je unruhiger wurde er; winkte endlich seinem Adjutanten, zeigte ihm den Brief und sprach sorgenvoll: „Soll mir doch sehr wundern, ob sie ihr gehangen haben?"
77
Gleichwohl ließ er sich dadurch nicht abhalten, den Aufstand geschickt und mit voller Wucht zu erdrücken. Darnach eilte er in seine Wohnung, schloß seine geängstigte Frau, die er sehr lieb hatte, in die Arme und erleichterte sein Herz durch den Stoßseufzer: „Charmant, sie haben ihr doch nicht gehangen!"
Er ließ es sich nie nehmen, alljährlich bei der Gratulationscour im königlichen Schlosse für seine Generale den Sprecher zu machen.
Das soll manche ergötzliche Scene gegeben haben. König Wilhelm freute sich aber auf nichts mehr, als auf den Glückwunsch seines verdienstvollen Generalfeldmarschalls.
Sein letzter Feldzug war der in Schleswig-Holstein, doch gab er bei Düppel das Kommando an den jugendfrischen Prinzen Friedrich Karl ab und blieb demselben nur noch als älterer Berater zur Seite.
Als es 1866 nach Böhmen und auf Königsgrätz losging, litt es den bald hundertjährigen Mann nicht zu Hause. Er ließ sich als Freiwilliger in die Listen der Armee einschreiben und machte den Feldzug in der Umgebung seines Königs mit.
Bald darauf starb er.
Sedan.
(1870/71.)
In Frankreich war wieder ein Kaiser Napoleon am Ruder. Dem gefiel das gar nicht, daß das junge Preußen eine so gewaltige Macht und König Wilhelm so reich an Ruhm und Siegen werden sollte.
Er suchte Streit mit uns und ließ in Bad Ems, wo König Wilhelm zu seiner Erholung weilte, seinen windigen Botschafter Benedetti so ungezogen werden, daß ihm König Wilhelm durch seinen Adjutanten die Thür weisen mußte.
78
Nun wollte Paris wahnsinnig werden und brüllte „Krieg!" „Krieg mit Preußen!"
<zn Deutschland aber brauste ein ungeheurer Wutschrei durch die Völker. Die Schmach, die dem greisen
Preußenkönig angethan war, fühlten selbst die Bayern und die Sachsen und die Schwaben mit.
Man freute sich über die ritterliche Abfertigung, die der König Wilhelm dem unverschämten Franzosen hatte zukommen lassen und seine Fahrt von Ems nach Berlin war ein Triumphzug.
Mit einem Schlage war Deutschland einig, es gab kein Nord- und Süddeutschland mehr.
König Wilhelm betete am Sarge seiner geliebten Mutter Luise und stärkte sich damit zu dem gewaltigen Rachekriege zweier großer Völker, den Frankreich so leichtfertig heraufbeschworen hatte.
Dann stellte er sich mit seinen Prinzen und Paladinen an die Spitze des deutschen Heeres und nun brausten die Eisenbahnzüge Tag und Nacht und die Soldaten sangen kampfesmutig:
„Mein Vaterland, magst ruhig sein,
Fest steht und treu die Wacht am Rhein!"
O, Kinder, das war eine große, eine herrliche Zeit. Da hörte aller Zwist und Hader der Parteien, auch der Einzelnen auf. Reich und arm, Knecht und Herr, jung unb alt, alle, alle waren sie eins in dem Gedanken: „Das Vaterland ist in Gefahr!" Vorwärts: „Mit Gott für König und Vaterland!"
So fuhren sie dahin, die Tapferen, zum Rhein, an den Rhein, und als bie Eisenbahnwagen nach wenig Tagen zurückkamen, ba blinkten sie schon von weitem wie bie Klatschrosen im Weizenfeld; sie waren vollgestopft mit rothosigen gefangenen Franzosen.
79
Bei Weißenburg, Wörth, Metz, Sedan, da hat es böse deutsche Hiebe gesetzt. Das halbe Franzosenheer füllte bald unsere Festungen, und in Sedan hatten die deutschen Heere sogar den Kaiser im Kessel. Demütig übergab Napoleon dem König Wilhelm seinen Degen und ließ sich nach Kassel schicken.
König Wilhelm aber telegraphierte nach Berlin: „Das hat Gott gethan!"
Versailles.
(1871.)
Versailles ist in Frankreich, was Potsdam in Preußen ist, eine Sommerresidenz der Könige.
Ludwig der XIV., dieser ländergierige französische König, hat hier prächtige Schlösser erbaut und dieselben mit fabelhaftem Luxus ausgestattet.
Sein Bild schaut heut — am 18. Januar 1871 — mit fast komischer Grandezza aus dem kostbaren Rahmen der Rokokozeit auf eine merkwürdige Versammlung in diesen Räumen.
In diesem französischen Königssaal stand der alte, greise König Wilhelm von Preußen und um ihn herum die Prinzen seines Hauses, die Fürsten Deutschlands, eine Menge Generale in goldstrotzender Uniform, und Gesandten aller Staaten der Welt, nur — Frankreich fehlte.
Da trat der reckenhafte Kanzler, Graf Bismarck von Schönhausen, mit einem Dokument in der Hand mitten in den Kreis und verkündigte der harrenden Menge, daß Se. Majestät, König Wilhelm!, von Preußen, der Bitte und Aufforderung sämtlicher deutscher Fürsten nachkommen und fortan die deutsche Kaiserkrone tragen wolle.
80
Da rief der deutsche Kronprinz Friedrich Wilhelm: Es lebe der Kaiser Wilhelm I. und brausend stimmte die Versammlung ein in den Ruf.
Der Kaiser entblößte sein ehrwürdig Haupt, verneigte sich dankend nach allen Seiten und versprach, allezeit ein Mehrer des Reiches und ein Hort des Friedens sein und bleiben zu wollen.
Dann sangen die Sänger einen schönen Psalm und der Feldprediger hielt mit dem Kaiser und den Fürsten einen Gottesdienst.
Vor der Majestät dort oben beugten sich die irdischen Majestäten und Kaiser Wilhelm ging ihnen darin stets voran.
Da draußen aber vor den Thoren scharrten die Streitrosse und dumpfer Kanonendonner von Paris her mahnte die Versammlung, daß noch eine blutige, ernste Arbeit gethan werden mußte, ehe der ersehnte Friede kommen konnte.
Paris.
(1871.)
Mitten im Herzen Frankreichs liegt die Hauptstadt Paris. Rings um diese Riesenstadt hatte man einen Gürtel von unbezwingbaren Festungswerken angelegt. Hinter den furchtbaren Feuerschlünden dieser Werke hatten sich die Reste der überall geschlagenen französischen Armeen zurückgezogen. Die siegreichen deutschen Truppen rückten ihnen nach und schlossen, nachdem sich die Festungen Straßburg und Metz ergeben hatten, einen Eisengürtel um die Stadt, so daß niemand aus- und eingehen konnte, der nicht deutscherseits die Erlaubnis dazu hatte.
Mit Sturm die Stadt nehmen, das hätte zu viel Menschen gekostet, war ja auch gar nicht nötig.
Es giebt einen Feind, dem auch der Tapferste zuletzt unterliegen muß, das ist der Hunger.
81
Eine Stadt mit 3 Millionen Einwohner verzehrt täglich viel. Kann nun nichts hineingebracht werden, dann werden Kisten und Kasten leer und die Not steigt bald auf das
äußerste.
Tapfer und opferfreudig waren die Franzosen, das muß
man ihnen lassen. Sie ertrugen Mangel und Not mit
größtem Gleichmut und machten fast täglich Versuche, den
Eisengürtel der Belagerer zu sprengen.
Mit blutigem Kopf heimgeschickt, fanden die Besiegten in der Stadt kaum noch, den Hunger zu stillen.
Die jungen Kindlein starben wegen Mangel an frischer Milch. Pferdefleisch war bereits Delikatesse, ja man verschmähte nicht, Ratten und anderes Ungeziefer zu verspeisen.
„Das ist der Krieg!" hätte Napoleon I. gesagt, sein großer Vetter, Napoleon III. aber war Gefangener.
Die Pariser hatten ihn nach seiner Gefangennahme in Sedan ohne weiteres als abgesetzt erklärt, und er schien sich auf Wilhelmshöhe bei Kassel als Gefangener nicht übel zu befinden; jedenfalls besser, als wenn er mit in Paris steckte.
Endlich mußten denn die Pariser sich ihrem knurrenden Magen und dem deutschen Kaiser Wilhelm ergeben. — Es wurde zuerst Waffenstillstand, dann Friede geschlossen.
Fürst Bismarck, der Kanzler des deutschen Reiches, trat nun mit der Feder in Thätigkeit.
Über den hätte selbst Blücher nicht räsonnieren können. Er diktierte den Franzosen 5 Milliarden Kriegskosten und nahm für das deutsche Reich die einst von Ludwig XIV. geraubten deutschen Provinzen Elsaß-Lothringen zurück.
Die Kaiserin Augusta.
In all' den großen und wechselvollen Zeiten, die Kaiser Wilhelm als Regent zu durchleben hatte, stand ihm seine hohe Gemahlin, die Kaiserin Augusta, treu zur Seite.
Runze, Der kleine Patriot. 2te Aufl. c
82
Sie war eine Weimarische Prinzessin und verlebte ihre Jugendjahre am Hofe ihres Vaters, im engen Verkehr mit den größten Geistern unsres Volkes wie Goethe, n. a. m.
Das eheliche Zusammenleben des fürstlichen Paares konnte stets dem Volke als leuchtendes Vorbild gelten.
Sie schenkte dem König und Kaiser, ihrem Gemahl, zwei Kinder, den späteren Kaiser Friedrich III. und die noch lebende Großherzogin von Baden.
Dem Volke trat sie nicht so nahe wie einst die Königin Luise von Preußen, dennoch haben Berlin und Koblenz, ihre beiden Residenzstädte, viel Gutes von ihr erfahren und manche wohlthätige Anstalt trägt ihren Namen.
Der allgemeine Siegesjubel nach den gewonnenen Schlachten riß die sonst sich vornehm zurückhaltende hohe Frau denn doch zuweilen fort, sich unter das Volk zu mischen und ihren Berlinern die Siegesdepeschen selbst vorzulesen. Dabei hat sich einst eine recht ergötzliche Scene abgespielt.
Nach der Schlacht bei Königsgrätz sammelte sich wie auf Verabredung viel Volks vor dem königlichen Palais in Berlin, um Neues zu erfahren.
Die Königin erschien am Fenster und hielt die Siegesdepesche ihres Gemahls freudig erregt in der Hand.
Lautlose Stille!
Da öffnete die Königin das Fenster und las die frohe Botschaft vor. Endloser Jubel antwortete ihr.
Entblößten Hauptes sang man die Preußenhymne: „Heil dir im Siegerkranz!"
Nahe vor dem Palais steht das schöne Denkmal Friedrichs des Großen. Es ist ziemlich hoch und schwer hinaus zu kommen, ist auch gar nicht dazu eingerichtet.
83
Ein Berliner Schusterjunge hatte es doch fertig gebracht und in dem allgemeinen Siegesjubel dem „Alten Fritzen" einen frischen Lorbeerkranz um das Haupt gehängt.
Das machte der hohen Frau sichtlich Freude; sie winkte den kecken Buben herbei und beschenkte ihn reichlich.
Zum Abschied wollte sie ihm die Hand drücken.
Schmunzelnd schüttelte der Junge den Kopf und sprach: "Ne, Majestät, det jeht nich, der ,Alte Fritze' war zu dreckig!"
Man kann sich denken, welch' herzliches Lachen das gab, und die Königin stimmte vergnügt mit ein.
In ihren alten Tagen war sie viel krank, dennoch hat sie den Kaiser Wilhelm, ihren Gemahl, und Kaiser Friedrich, ihren Sohn — überlebt.
Beiden drückte sie unter heißen Thränen, aber gottergeben, die treuen Augen zu, bis auch sie der Herr der Welt durch einen sanften Tod ihnen zugesellte. —
Des Kaisers Paladine.
Daß eine so große, gewaltige Zeit, wie die 30jährige Regierung Wilhelms I., ihre großen Männer, ihre Helden hat, ist nicht zu verwundern.
Ein ganzer Kreis umgiebt den Kriegsherrn, und unter ihnen ragen um eines Hauptes Länge hervor
1) Friedrich Wilhelm, des alten Kaisers einziger Sohn, Kronprinz des deutschen Reiches.
Groß und reckenhaft von Gestalt, mit wallendem Bart und tiefblauem Auge, aus dem eine reine, für alles Edle und Schöne empfängliche Seele glühte.
Ein Held in der Schlacht, ein Engel des Friedens, der erklärte Liebling seines Volkes, das seinen frühen Tob schmerzlich betrauerte.
6*
84
2) Prinz Friedrich Karl, der rote Prinz, des Kaisers Neffe, ein Reitergeneral, wie ihn die kühnste Soldatenphantasie sich nicht schöner, nicht schneidiger denken und ausmalen kann.
Wenn er in seiner roten Husaren - Attila vor die Front seiner Regimenter sprengte, dann brauste ein Jubel durch die Reihen der Krieger, der alle Kriegsstrapazen vergessen ließ.
Ebenso groß war der Schmerz, als er nicht lange nach dem großen Kriege plötzlich durch den Herrn der Heerscharen abgerufen wurde und am Schlagfluß starb.
Wollt ihr einen Nachruf lesen, den ihm ein Reitersmann auf das Grab gelegt?
Beim letzten Appell.
Was senkst du die Schwingen, Zollernaar,
Von Ruhm und Sieg umworben?
„Prinz Friedrich Karl, der rote Husar,
Der tapfere Held ist gestorben!"
Der schneidige Reiter, der Feldmarschall,
Der nie dem Gegner gewichen,
Ist aus der Liste der Reichsarmee Von starker Hand gestrichen.
,Die Augen nach oben, die Faust auf den Feind!‘
So hat er die Schanzen genommen;
So ist er, eh' er's selbst gemeint —
Auch in den Himmel gekommen.
Es trauert der Kaiser und seine Armee,
Und in die Reiterscharen
Ist ein unsäglich tiefes Weh Beim letzten Appell gefahren.
Beim letzten Appell, beim Abschiedsruf Da werden die Herzen so wunde;
Ein braver, schneidiger Reitersmann Ist fertig zu jeder Stunde.
85
Ist fertig zum Siegen, ist fertig zum Tod,
Fahr' wohl, mein Prinz, Deine Scharen Die werden, so lange es Helden giebt.
Dir treu Gedächtnis bewahren.
(M. Nicolaus.)
3) Fürst Bismarck, des deutschen Reiches eiserner Kanzler.
Nie hat das Zollernhaus einen treuergebeneren Diener gehabt, nie Deutschland einen größeren Sohn!
In erster Linie war und blieb er stets „ein Preuße" mit dem großen Gedanken im Herzen, sein Vaterland und Königshaus zur Führerschaft im großen deutschen Reiche zu erheben.
Was ganze Geschlechter seit Jahrhunderten als einen schönen Traum unerfüllt mit ins Grab genommen — die Eini gung aller deutschen Stämme unter einem mächtigen Kaiser — das hat er erfüllt, das hat ihm Deutschland und das Zollernhaus zu danken.
4) Graf Moltke, Feldmarschall und Schlachtendenker. Man nennt ihn den großen Schweiger, weil er wenig spricht.
Um so mehr und tiefer dachte er und seine Gedanken halfen mit an der Größe und an dem Ruhm unseres Volkes, unseres Vaterlandes bauen. Die Feier seines 90. Geburtstages hat recht deutlich gezeigt, wie Kaiser und Volk den greisen Helden lieben und ehren.
Das Dreikaiserjahr.
(1888.)
Es ist gewiß schön, wenn der Krieg ein Ende hat und die Völker in Frieden miteinander leben.
Das war jetzt lange Zeit der Fall. Der alte Kaiser Wilhelm hat seine Macht, die ihm Gott durch so viel Sieg gegeben, nicht mißbraucht.
86
Das große deutsche Reich, das er in neuer Herrlichkeit aufgerichtet, das baute er auch nach innen aus; er und sein großer Kanzler Bismarck. —
Auch die Armen, die Arbeiter, ihre Frauen und Kinder, ihre Alten und Kranken sollten seine Fürsorge spüren.
Dabei hatte er das hohe Glück, ein blühendes Geschlecht um sich herum aufwachsen zu sehen.
@s war rührend, den alten 90jährigen Helden an dem historischen Eckfenster seines Palais in Berlin mit vielen Hunderten, die sich um die Mittagsstunde dort versammelten, jubelnd begrüßen zu dürfen.
Sonnenschein lagerte aus dem alten treuen Gesicht, wenn er dem Volke Prinz Wilhelms Kinder, seine lieben Urenkel, zeigen durfte.
Noch in diesem hohen Alter, noch in den letzten Jahren und Tagen seines Lebens hat die Sorge um sein Volk ihn nicht ruhen, nicht rasten lassen.
stammen doch ans jenen Tagen die bedeutungsvollen Erlasse, die auch dem Arbeiterstande das große deutsche Reich wohnlich machen sollten.
Wer hat sich früher um die Arbeiter bekümmert? Sie waren, wenn sie alt und krank wurden, der Gnade ihrer Herren überlassen und nicht alle Herren waren mild und hochherzig genug, sich ihrer anzunehmen.
Das Verdienst Wilhelms I. und seines großen Kanzlers Bismarck ist es, daß nun das Gesetz für die Alten und Kranken und Krüppel des arbeitenden Standes sorgen wird.
Durch väterliche Liebe und Fürsorge wollte Kaiser Wilhelm auch dem Geringsten eine Hütte bauen und auch die Unzufriedenen (Socialdemokraten) durch Güte und Wohlthun ruhig und zufrieden machen.
Da sollte sein teures Leben noch einen grellen, tieftraurigen Abschluß finden.
87
Sein einziger, heißgeliebter Sohn und Erbe, Friedrich Wilhelm, der deutsche Kronprinz, der Sieger von Königs-grätz, von Weißenburg und Wörth erkrankte. An den sonnigen Gestaden des Mittelmeeres suchte er Heilung. Vergebens.
Es kommt die Kunde, er sei verloren und habe nur noch eine kurze Spanne Zeit zn leben.
Das wirft den alten Helden darnieder.
Er sieht den geliebten Sohn nicht wieder. Er stirbt, 91 Jahre alt. „Ich habe keine Zeit müde zu sein!" waren seine letzten Worte.
Pflichtgetreu bis zum letzten Atemzüge kommt der kranke Kronprinz und besteigt als Kaiser Friedrich III. den deutschen Thron.
Nur 99 Tage und Friedrich der Gute, der Vielgeliebte, hatte ausgekämpft.
Nicht Deutschland allein, Europa legte Trauer an um den toten Helden.
In tiefernster Zeit übernahm der Kaiser Wilhelm II. die Regierung, der dritte preußische König und deutsche Kaiser in diesem Todesjahr.
Gott segne ihn! Gott segne Deutschland!
An die deutschen Kinder.
Auf, deutscher Knabe, frisch und frei,
Kind einer großen Zeit,
Sei gottessürchtig, schlicht und treu,
All'zeit zur That bereit.
Von Ost und West droht Feind auf Feind,
Nimm früh den Speer zur Hand;
Wo Kraft und Tugend sich vereint Ist sicher Thron und Land.
88
Des Erbes deiner Väter wert,
Mach' deutschem Namen Ehr':
„Ein Schirm dem freien deutschen Herd, Dem Schwachen Schutz und Wehr!"
Und du, deutsch Mägdlein, keusch und rein. Goldlockig, Äuglein blau;
Das beste Weib von allen sein Soll stets die deutsche Frau!
Wachs' auf, mein Kind, in heil'ger Scheu, Flieh welscher Lüge Tand;
Bleib' deutscher Sitte hold und treu Und treu dem Vaterland!
Dann schaut der liebe Gott darein Und segnet dein Geschlecht:
„Ein Herr soll jeder Deutsche sein Und jeder Feind — sein Knecht!"
Anhang.
Geschichten aus der ältern deutschen Geschichte. Die alten Deutschen.
(9 n. Chr.)
Etwa zu der Zeit, da unser Herr und Heiland, Jesus Christus, geboren ward, waren unsere Vorfahren, die alten Deutsckien, noch ein wildes, unbekanntes Volk.
Dichte, undurchdringliche Wälder bedeckten die Länder zwischen Rhein, Weser, Elbe und Oder, wo heut blühende deutsche Städte und Dörfer stehen.
Der wilde Ur (Auerochs), der Bär, der Wolf und der Luchs trieben ihr Wesen in diesen dunklen Wäldern, und nur spärlich vermochten die Sonnenstrahlen bis in die Thäler zu dringen und dem kalten Waldboden einiges Grün, Beeren oder wild wachsendes Getreide zu entlocken.
In diese Wildnis wagte sich zuerst das kriegerische Römervolk, und mit ihren Legionen (Soldatenabteilungen) zog auch ein Gelehrter (Tacitus) aus, die Geheimnisse der herzinischen Waldungen zu erforschen.
Bald traf er auf seinen Wanderungen hie und da eine Lichtung und überrascht blieb er vor einem roh gezimmerten Blockhause stehen. Im Innern desselben fand der kühne Wanderer riesenhafte Männer mit lang wallendem blonden Haar, blauen Augen und fremder Sprache.
90
Langsam erhoben sie sich von ihrem Mooslager, hüllten den nackten Körper in ein Bärenfell, nahmen Schild und Axt zur Hand und traten dem Fremdling grüßend entgegen.
Mit dem Augenblick, wo er die Schwelle des Hauses betreten hatte, war ihnen auch der Feind geheiligt; so achteten und übten diese wilden Männer die Gastfreundschaft.
Ein eben so riesenhaftes, aber schönes Weib brachte bald aus einem Nebenraum den Metkrug und einen Bärenschinken für den Fremdling, der bereits jegliche Furcht überwunden hatte und sich in der ersten deutschen Wohnung, die er entdeckt hatte, behaglich niederließ.
Dieser kühne Römer ist dann längere Zeit ein Gast der alten Germanen, unserer Voreltern, gewesen und hat uns ein Buch darüber geschrieben, sonst wüßten wir von ihnen gar nichts, denn sie selber konnten weder lesen noch schreiben.
In diesem merkwürdigen Buche erzählt er von ihren Sitten und Gewohnheiten, von ihren Waffen und Geräten, von ihren Kriegs- und Jagdfahrten etwa folgendes:
Stark, riesenhaft stark waren diese alten Deutschen. Mit einfachem Speer und einer Steinaxt jagten sie den wilden Ur und den Bär.
Der Schädel des wilden Ochsen war ihr Kriegshelm; der Bär mußte seinen Pelz hergeben, sie zu kleiden. Ein einfach Mooslager war ihr Bett und eine Bärenhaut wieder ihre Decke.
Hier streckten sie ihre mächtigen Glieder, tranken Gerstensaft mit wildem Honig angemengt (Met) und würfelten.
So gaben die muntern Römer ihnen bald den Spottnamen „Bärenhäuter", waren aber sonst freundlich mit ihnen, denn sie fürchteten sie.
In der Schlacht brüllten die Germanen in ihre Schilde, daß es schauerlich durch den Wald hallte, drangen dann mit Speer und Beil aus den Feind ein und vernichteten, was
91
sich ihnen in den Weg stellte. So waren sie bis dahin von jeglichem Feind unbesiegt und freie Männer, ein freies Wald-, Volk geblieben.
Gefangene schlachteten und opferten sie ihren Göttern, bie in den tausendjährigen Eichen wohnen sollten. Erst acht Jahrhundert später lernten sie beten zu bem breieinigen Gott, der Himmel und Erde gemacht hat; bis dahin waren und blieben sie Heiden.
Weiber und Sklaven (gefangene Feinde) mußten den Acker Pflügen und Gerste bauen; während die freien Männer, wenn nicht Krieg oder Jagd sie beschäftigte, auf der Bärenhaut lagen und würfelten.
Sie spielten leidenschaftlich und verspielten oft auf einem Sitz Haus und Hof, Weib und Kind, zuletzt — die Waffen. Damit waren sie selbst unfrei und dem Gewinner dienstbar geworden.
So etwa erzählt uns der Römer von unsern Vorfahren.
Bald sollte dies kernige Waldvolk bekannter werden. Das mächtige und siegreiche römische Reich wollte auch die deutschen Wölber erobern unb ber Kaiser Augustus, ben ihr aus ber Geburtsgeschichte bes Heilanbs kennt, schickte seinen Felbherrn Varus über bie Weser, bie alten Deutschen zu bekriegen.
Da hallte ber Wehrruf burch bie Wölber; bie Germanen scharten sich um ihren Tapfersten, ber hieß Hermann, unb vernichteten bie Römer in einer breitägigen Schlacht, mitten im Teutoburger Walbe.
Nur wenige ber römischen Solbaten entkamen unter bem Schutz ber finsteren Gewitternacht unb konnten ihrem Kaiser berichten, baß seine Legionen nicht mehr seien.
Varus, ber römische Felbherr, machte es wie König Saul. Als er sahe. baß keine Rettung mehr möglich sei, stürzte er sich in sein Schwert.
92
Der Kaiser Augustus aber stieß vor Herzeleid mit dem Kopf gegen die Wand und rief: „O Varus, Varus, gieb mir meine Legionen wieder!"
Von da her, wo die Römer die deutsche Grenze überschritten, kamen auch die Franzosen, ein ihnen verwandtes Volk, in jüngster Zeit, uns mit Krieg zu überziehen.
Es ist ihnen nicht besser ergangen, ihre Heere sind vernichtet und ihre Kaiser (Napoleon I. und Napoleon III. 1813. 1870) sind gefangen genommen worden.
Nun hat ihnen der große deutsche Kaiser, Wilhelm I., aus dem Niederwalde am deutschen Rhein ein ehernes Denkmal hingestellt, das weit in die welschen Lande schaut und den unruhigen Nachbarn das mächtige deutsche Reichsschwert zeigt.
Mögen sie sich warnen lassen!
Die Völkerwanderung.
(375 n. Chr)
Bis hieher waren darnach die alten Deutschen in ihren Wäldern unbehelligt geblieben. Aus den einzelnen Blockhäusern waren zusammenhängende Dörfer entstanden und aus den einzelnen Familien ganze Volksstämme, die wie heut noch die Brandenburger — Preußen — Bayern — Sachsen und Württembergs besondere Landstriche zwischen Rhein, Weser, Elbe und Oder und zwischen der Donau und der Ost- und Nordsee bewohnten.
Da kam urplötzlich ein fremdes, wildes Volk aus Asien hergezogen. Einen mächtigen Strom — die Donau — hatte es sich zum Wegweiser gewählt; an ihren Ufern drängten die wilden Horden vorwärts, vom schwarzen Meere nach dem Schwarzwalde zu, und das so schnell und unverhofft, daß die deutschen Völkerschaften, die dort wohnten, sich gar nicht zum Widerstände sammeln konnten. Das waren die Hunnen.
93
Aus kleinen, struppigen, aber ungemein flinken Pferden ritten Mann, Weib und Kinder. Ungemein häßlich waren diese Menschen: Gelb und schmutzig, wie die Zigeuner, langsträhnig schwarzes Haar, eingedrückte Nase, kleine blitzende, schräg geschlitzte Augen und krumme Beine.
Mit dem Ruf „Hui! Hui!" sprengten sie auf den Feind, schossen vom Sattel aus mit der Armbrust und warfen dem fliehenden Gegner mit erstaunlicher Sicherheit eine Schleife um den Hals, ihn hinter sich mitschleppend.
So schnell, wie sie gekommen, waren sie wieder verschwunden und hielten nie einem geregelten Angriff Stand. Solchem unheimlichen Feinde gegenüber waren die tapferen Germanen wehrlos. Sie mußten ihm weichen und drängten nun vorwärts, bis nach Rom hin.
Die Hunnenvölker machten sich's in den verlassenen Wohnstätten der Deutschen bequem; die Deutschen aber zertrümmerten das alte, morsch und schwach gewordene Römerreich. So drängten sich die Völker beinahe zweihundert Jahre lang hin und her, ehe sie wieder bestimmte Wohnplätze gefunden hatten.
Auch die Hunnen waren unter ihrem mächtigsten König Attila (Etzel) bis vor die Thore Roms gekommen, wurden dann aber in einer dreitägigen Schlacht aus den kata-lannischen Feldern vernichtet. Die Reste dieses wilden Reitervolkes sammelten sich an der unteren Donau, mischten sich schließlich mit deutschen Stämmen und sind dann die Stammeltern der tapferen, ritterlichen Ungarn geworden. Sie haben aber bis dahin noch öfter den Deutschen zu schaffen gemacht. Wir treffen sie in unsern späteren Geschichten wieder.
B o n i f a c i u s.
(755 n. Chr.),
Als der Herr Jesus von seinen Jüngern Abschied nahm, gab er ihnen den Befehl: „Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker und taufet sie rc." (Matth. 28, 19.)
94
Da» haben sie dann auch redlich gethan und ihr Leben dafür eingesetzt.
Bis zu den alten Germanen sind die ersten Jünger aber nicht gekommen, darüber sind nahezu 800 Jahre ins Land gegangen.
Gleichwohl kam das Christentum ihnen immer näher und näher, zuletzt drang es bis in ihre dichtesten Wälder, denn des Herrn Wort: „Es wird eine Herde und ein Hirte werden!" (Joh. 10, 17) muß in Erfüllung gehen.
Bonifacius nannte man den begeisterten Jünger des Herrn, der es wagte, die Götzen der Germanen zu stürzen und unseren Urvätern das Evangelium zu predigen.
Bonifacius d. h. Wohlthäter! Ja. ein rechter Wohlthäter ist dieser Glaubensheld unserem Volke geworden, denn mit dem Sicht der heiligen Lehre vom Kreuz auf Golgatha wurde es auch hell und freundlich in ihren Wäldern.
Bald Prangten Kirchen und Kapellen, blühende Dörfer und Städte, fruchtbare Äcker, Wiesen und Weinberge dort, wo früher Wildnis war und der Wolf heulte. Aber sein Leben hat er dafür eingesetzt, er und feine Mitgenossen und Mithelfer, damit auch dem deutschen Volke die Blutsaat des Evangeliums nicht fehle und auch wir unseren Stephanus haben möchten. Und nun hört Näheres darüber:
Das zu des Heilands Zeiten noch heidnische Volk der Römer hatte längst das Christentum angenommen. (333 n. Chr.)
Der römische Kaiser Konstantin der Große war einst in großer Kriegsnot. Da erschien ihm im Traume ein Gesicht, ein feuriges Kreuz am Himmel mit der Inschrift: „In diesem Zeichen wirst du siegen!" Sofort entfernte er von den Fahnenstangen feiner Legionen den römischen Adler und ließ das Christenkreuz darauf setzen. Auch gelobte er, wenn ihm der Christengott den Sieg geben werde, so wolle auch er und sein Volk sich taufen lassen. Er siegte und — hielt Wort.
95
Nun wurden die Christen nicht mehr verfolgt und getötet. In Rom selbst wohnte das Oberhaupt der Christenheit, der Papst, und schickte nach dem Worte des Herrn weitere Boten in alle Welt, so auch unseren Winfried, dem er erst später den Namen Bonifacius gab, von England aus nach Deutschland.
In Geismar, einem hessischen Dorfe, kam er gerade dazu, als das Heidenvolk seinem Donnergotte (Thor) ein Opfer brachte. Mutig trat er mitten unter sie und sagte ihnen, daß ihr Thor eine Thorheit sei. Er (Bonifacius) bringe ihnen Kunde von dem einigen, lebendigen Gott, der ihre toten Götzen stürzen könne.
Voll Begeisterung nahm er die Axt und schlug sie tief in die alte Eiche, darinnen der Donnergott wohnen sollte. Entsetzt wichen die Heiden zurück, denn sie meinten nun, Thor würde diesen Frevel rächen und mit seinem Donnerkeile den fremden Priester erschlagen.
Bonifacius aber winkte seinen Gesellen und mit vereinter Kraft gelang es ihnen bald, die mächtige Eiche zu fällen.
Die Götzenpriester schäumten vor Wut; aber das arme betrogene Hessenvolk, als es sahe, daß ihr Donnergott so ohnmächtig war, nicht einmal die Zerstörung der ihm geheiligten Eiche zu verhindern, jagte sie davon, hörete weiter dem fremden Apostel zn und ließ sich taufen.
Dort — im Heffenlande — baute Bonifacius das jetzt noch berühmte Kloster Fulda. Dort ruhen seine sterblichen Überreste, nachdem ihn samt allen seinen Schülern und treuen Gehilfen die heidnischen Friesen auf Anstiften ihrer Götzen-Priester erschlagen haben. In deutschen Landen aber reden heut noch Bonifacius - Kirchen und -Kapellen von seinem heiligen Wirken, und so lange es in unserem lieben Vater-lande Christen und Christenkinder giebt, wird man gern und mit Ehrfurcht sein gedenken. Auch wenn ihr je die Blumen-
96
und Lutherstadt Erfurt besuchen werdet und ihren wunderbar schönen Dom, auf dessen Standort Winfried dem Christengotte die erste Kapelle baute, und wenn ihr an den grünen Geländen des lieben Thüringer Landes, an seinen fruchtbaren Weizenfeldern und Weinbergen vorüber wandert, denkt dabei auch an den Wohlthäter, der all' diese Herrlichkeiten aus den düsteren Wäldern der heidnischen Germanen erstehen ließ, denkt an
„Bonifacius, den Apostel der Deutschen!"
Karl der Große.
(800 n. Chr.)
Das war ein gewaltiger Kaiser, König und Kriegsheld. Die Grenzen seines Reiches gingen vom Ebro (in Spanien) bis an die Weichsel, von der Nord' und Ostsee bis an die Alpen.
Innerhalb dieser weiten Grenzen beherrschte er Spanier und Italiener, das Volk der Franken und Deutschen.
Auf seinem Degenknopf hatte er das kaiserliche Petschaft. Damit besiegelte er jegliches Schriftstück, das seine Befehle hinaustrug in die Welt und, an das Schwert schlagend, pflegte er es den harrenden Gesandten mit den Worten zu übergeben: „Hier ist der Befehl und hier das Schwert, das ihm Gehorsam verschaffen wird!"
Dieser reckenhafte Fürst stammte von einem recht kleinen, aber königlichen Vater, Pipin dem Kurzen, ab. Den kleinen Mann wollten die Großen im Reiche nicht als König anerkennen. Da stellte er ein Kampfspiel an und lud die murrenden Edelleute dazu ein. Man ließ auf einen Wink des Königs einen Löwen und einen wilden Stier aus den Kampfplatz. Mit einem Sprung, einem Schlag seiner Tatze streckte der Löwe den Stier in den Sand und stellte sich dann grollend über seine Beute.
97
„Wer entreißt dem Leu den wunden Stier?" fragt mit Donnerstimme König Pipin seine Ritter.
Diese erbleichten und es wagte niemand, den Kampf zu bestehen.
Da wirft Pipin den Kaisermantel ab, schwingt sich mit kühnem Sprung bis dicht vor den Löwen und trennt ihm mit gewaltigem Schwerthieb den Kopf vom Rumpf. Kaum fühlt der Stier sich frei, da springt er auf und stürzt sich
auf den neuen Feind. Doch mit sicherem Streiche wird
auch er gefällt.
Das bluttriefende Schwert in der mächtigen Faust sieht sich Pipin ernst im Kreise um. Beschämt stehen die Un-
zufriedenen und schauen zu Boden. Es wagte Hinsort keiner mehr, den kleinen König zu verspotten.
Karl der Große war also dessen Sohn und ihm an Tapferkeit und kühner Entschlossenheit sehr ähnlich, nur körperlich war er sehr viel größer und sein Adlerblick allein genügte, den Gegner zittern zu machen.
Mit den Mauren (am Ebro), mit den Avareu (an der Donau), mit den Normannen und Sachsen führte er sieg*
reiche Kriege. Letztere, von dem tapferen Sachsenherzog
Widnkind geführt, leisteten ihm 30 Jahre heftigen Widerstand. Er brach ihn durch blutige Strenge und ließ sie zu
Tausenden hinrichten oder mit dem Schwert in die Aller
treiben und taufen.
Dem Papst in Rom gefiel dieser christliche Eifer gar wohl und er lohnte ihm damit, daß er beim Weihnachtsfest (800 n. Chr.) Karl dem Großen die römische Kaiserkrone auss H^upt setzte. Es war ein Gedanke jener Seit und jener Männer: „Der Kaiser solle die Leiber, der Papst die Geister der Christenheit beherrschen."
Neben seinen vielen Kriegszügen behielt der gewaltige Kaiser noch immer Zeit genug, sich auch um die Schulen zu kümmern. Er selbst hatte nie lesen ober schreiben
Runze, Der kleine Patriot. 2te Aufl. 7
98
gelernt, so wollte er diese eigne Vernachlässigung an dem jungen Geschlecht wieder gut machen. Unverhofft trat er oft selbst ein, lobte die Fleißigen und tadelte die Faulen. Dabei machte er gar keinen Unterschied, ob es Ritter-söhnchen oder Kinder seiner Knechte waren; die Fleißigsten und Braven waren ihm allein die Liebsten, die wollte er zu hohen Ehren bringen.
So schien das gewaltige Reich so fest gefügt, daß man glauben mochte, Jahrtausende könnten ihm nichts anhaben. Die verschiedenen deutschen Stämme waren geeint und durch das Christentum, das sie nun alle angenommen hatten, fest verbunden. An den Grenzen waren Marken errichtet und Markgrafen eingesetzt, die den äußeren Feind abhalten sollten. Ein jeglicher Gau hatte seinen Gaugraf, und Pfalzgrafen verwalteten diejenigen Landesteile, die der kaiserlichen Hofhaltung ihre Einkünfte abzuliefern hatten. Recht und Gericht pflegte alljährlich der Kaiser selbst; in seinem Namen thaten es sonst die Gaugrafen. Große Heerschau hielt er auf den „Maifeldern" und ein Reichstag beratschlagte unter des Kaisers eignem Vorsitz über Krieg und Frieden, gab dem Lande Gesetze und schrieb die Abgaben und Steuern aus.
Mit dem Tode des Gewaltigen (814) wankten schon die Säulen des Frankenreiches. Bereits sein Sohn, Ludwig der Fromme, teilte das Reich Karls des Großen (843) und es entstanden daraus Frankreich, Italien und Deutschland. 911 aber starb der letzte der Karolinger, Ludwig das Kind, unbekannt und unbetrauert. So schnell können auch die mächtigsten Reiche der Welt und die mächtigsten Geschlechter wieder zerfallen. —
Die Sachsenkaiser.
(933. 955.)
Nun war das deutsche Reich in Not und Gefahr. Feinde ringsum und zu den alten kam ein neuer, furchtbarer —
99
die Hunnen! Ich sagte euch doch, wir würden noch mehr von ihnen hören.
Sie hatten sich von den furchtbaren Schlägen auf den katalaunischen Feldern wieder erholt, und während das Frankenreich zerfiel, wurden sie mächtig.
Deutschland war ihnen tributpflichtig geworden, d. h. es zahlte ihnen alljährlich eine Abgabe, damit sie das Land in Frieden ließen. Noch wie ehedem, zur Zeit der Völkerwanderung. waren sie wie Heuschreckenschwärme eingefallen in die deutschen Lande, hatten Städte und Dörfer geplündert und Menschen und Vieh in Gefangenschaft und in den Tod geschleppt.
In dieser bösen Zeit starb der fränkische Kaiser Konrad und bestimmte noch auf dem Totenbette, daß man den mächtigen Sachsenherzog Heinrich, seinen Gegner, zum Könige wählen möge, da kein andrer in so schwerer Zeit dem Reiche vorstehen könne.
Man fand den Sachsenherzog, so erzählt die Sage, nahe bei Goßlar a. H. am Vogelherd, als man ihm die Kunde seiner Wahl überbrachte, daher nennt man ihn den Vogelsteller. Er nahm die Wahl an und ward ein Segen und eine Errettung für das schwer bedrängte Reich.
Vorderhand mußte er den Waffenstillstand mit den Hunnen erneuen, um erst die kleineren Feinde zu besiegen.
Nun baute er feste Städte und nötigte das Landvolk, da hinein zu ziehen und „Bürger" zu werden. Das thaten die an zügellose Freiheit gewöhnten Leute sehr ungern und er mußte ihnen mancherlei Vorrechte gewähren, um sie willig zu machen. Da ließen sie denn den Ackerbau und es entstanden die Gewerke. Um ihre Städte aber bauten sie feste Mauern und zogen Wassergräben herum. Jetzt mochten die Hunnen geritten kommen und sich den Schädel daran einrennen. Dies trug dem König Heinrich den stolzeren Beinamen „Städteerbauer" ein.
7*
100
Auch das Kriegswesen verbesserte er und errichtete zahlreiche Reiterei, damit sie die flüchtigen Hunnen verfolgen könne. Durch Turniere und Ritterspiele entwickelte sich der Ritterstand, der in Deutschland dann zur höchsten Blüte gelangte und all' die altadligen Geschlechter, die jetzt noch unter uns leben, erzeugte.
Als nun die Hunnen wieder kamen und ihren Tribut verlangten, warf man ihren Abgesandten einen räudigen Hund vor und sagte ihnen höhnisch, sie mögen sich die Abgabe selbst einsammeln.
Sie ließen auch nicht lange auf sich warten. Wie die Heuschreckenschwärme kamen sie auf ihren ruppigen Pferdchen ins deutsche Land, fanden aber überall leere Hütten, denn die Landbewohner waren mit ihrer besten Habe in die festen Städte geflüchtet.
Bei Merseburg an der Saale stellte sich ihnen König Heinrich mit seinem Heere (933) mutig entgegen und schlug sie blutig aufs Haupt, daß ihrer wenige entkamen.
Noch einmal versuchten sie unter Heinrichs Sohn und Nachfolger, Otto dem Großen, den Deutschen eine Feldschlacht anzubieten (955), wurden aber bei Augsburg auf dem Lechfelde für immer vernichtet.
König Heinrich ist in Memleben, einer kaiserlichen Pfalz an der Unstrut, gestorben. Seine Leiche führte man nach Quedlinburg am Harz über und setzte sie dort bei.
Sein großer Sohn Otto brachte das Reich zu hoher Blüte, heiratete, nachdem er bereits Witwer geworden war, eine italienische Königin Adelheid und erwarb damit die römische Kaiserkrone.
Nun gab es wieder einen deutschen Kaiser, denn seit der Teilung des Frankenreichs (843) war die Kaiserkrone den italienischen Fürsten zugefallen.
Diese römische Kaiserkrone hat aber Jahrhunderte hindurch dem deutschen Volke Ströme von Blut gekostet, denn
101
um sie zu gewinnen und zu behaupten, zogen die streitbarsten Männer deutscher Nation vielmals über die Alpen und viele, viele von ihnen haben ihr Vaterland nicht wiedergesehen.
Auch Otto der Große starb in Memleben und ward im Dom zu Magdeburg beigesetzt.
Heinrich IV.
(1077.)
Kaum jemals hat sich ein deutscher Kaiser so sehr erniedrigt, wie dieser, der im Schloßhof zu Canossa (Italien) vor dem Papst Gregor VII. mitten im Winter (1077) barfuß im Büßerhemde drei Tage gestanden und zuletzt einen Fußfall gethan hat, um vom Bann losgesprochen zu werden.
Selten aber ist auch ein Kaiser unvorsichtiger in seinen Handlungen und unglücklicher in all' seinen Unternehmungen gewesen, wie er. —
Früh hatte er seinen Vater verloren, seine Mutter aber war zu nachgiebig und vermochte den lebhaften Knaben nicht immer in Zucht zu halten. Ein strenger Bischof entführte den Königsknaben mit List. Er lud die Königin-Mutter ein, an den Rhein zu kommen und ein neues Schiff des Bischofs zu besehen.
Der muntere Königssohn ließ sich bereden, das Schiff zu besteigen, während die Mutter noch am Lande weilte. Auf ein verabredetes Zeichen setzte sich das Fahrzeug in Bewegung und alles Klagen der Mutter und des Knaben änderten nichts an der geplanten Entführung.
Jetzt ward der junge Königssohn mit finsterer Strenge behandelt und erzogen, bis ihn ein andrer Bischof dem ersten wieder abnahm.
102
Der ließ ihm nun allen Willen und schmeichelte seinen häßlichsten Leidenschaften.
so glaubten die katholischen Priester den künftigen König von Deutschland ganz nach ihrem Sinne als treuen Sohn und Freund der Kirche zu erziehen. Sie irrten sich gewaltig! Er ward mit tiefem Groll gegen Papst und den Priesterstand erfüllt und nahm schon zu Anfang seiner Regierung mit beiden den heftigsten Kampf auf.
Der Papst ist mächtig durch die Herrschaft der Geister, die ihm Karl der Große willig überlasten hatte; er wurde mit der Zeit fürchterlich durch die Macht feiner Strafmittel: „Bann und Interdikt."
Dazu kam zum Nachteile Heinrichs, daß sein päpstlicher Gegner, Gregor VII., ein bedeutender Mensch von unbezwingbarer Energie war; er selbst aber so launenhaft und jähzornig, daß er sich alle deutschen Fürsten zum Feinde machte und namentlich die Sachsen bis zum offenen Aufruhr reizte.
Als diese ihn wegen seiner Grausamkeit bei dem Papst verklagten, that dieser den König in den Bann. Niemand durfte ihm Obdach, Speise oder Trank reichen, kein Priester ihm die Segnungen der Kirche spenden; er war verflucht und — vogelfrei.
Wäre der Kaiser nun in Deutschland beliebt gewesen, dann hätte das nicht viel zu bedeuten gehabt; er hätte einfach (wie lange nach ihm Dr. Martin Luther) die päpstliche Bannbulle verbrannt und hätte sein Land und Volk ruhig weiter regiert.
So aber waren Volk und Fürsten froh, auf diese Weise den verhaßten Oberherrn los zu werden. Ihres Eides waren sie durch den „Bann" entbunden und so versagten sie dem Kaiser den Gehorsam. Heinrich IV. war ein König ohne Reich, ein Herrscher ohne Heer geworden und mußte sich dem Papste demütigen.
103
Begleitet von seiner treuen Gemahlin und einem alten Diener wallfahrtete er unter tausend Beschwerden über die Alpen.
Als der Papst davon hörte, glaubte er, er käme mit einem Heere, ihn zu züchtigen und entfloh eiligst auf die Burg Canossa zur Markgräfin Mathildis.
Die Italiener, die wieder den Papst nicht leiden mochten, freuten sich über die Ankunft des Kaisers und boten ihm Geld und Truppen an, denselben zu bekämpfen.
Unschlüssig und stumpf geworden durch die bitteren Erfahrungen in Deutschland, zog er es vor, den römischen Priester um Gnade zu bitten. —
Darauf hatte dieser nicht mehr gerechnet; nun wollte er aber auch der Welt zeigen, was er vermochte.
Drei Tage und drei Nächte mußte der deutsche Kaiser wie ein Bettler im Schloßhof zu Canossa stehen, fast nackt und bloß, mit einem einfachen Büßerhemd angethan. Es war mitten im Winter und selbst in Italien bitter kalt.
Erst auf Fürbitte der Markgräfin ließ der hochmütige Priester den büßenden Kaiser vor sich, nahm den Bannfluch von ihm und gab ihm den Friedenskuß.
Als die Nachricht davon nach Deutschland kam, bäumte sich doch der Stolz der deutschen Fürsten gegen diesen pfäffischen Hochmut aus und die meisten von ihnen gelobten ihrem angestammten Herrn und Kaiser aufs neue die Heeresfolge.
Nun züchtigte er zunächst die aufrührerischen Sachsen (1078) bei Langensalza, dann zog er mit gewaltigem Heer über die Alpen und vertrieb den Papst. Dieser starb in der Verbannung.
Was half es aber dem armen Kaiser, des Papstes Nachfolger that ihn wieder in den Bann und wußte selbst den eignen Sohn wider den Vater zu erregen. Vor dem Sohn fliehend, starb dieser unglückliche Fürst auf einer Rheininsel.
104
Selbst über das Grab hinaus verfolgte ihn die Rache des Papstes. Fünf Jahre lang mußte seine Leiche, weil noch der Bannfluch auf ihr lastete, unbegraben bleiben, dann erst (1111) fand seine sterbliche Hülle eine letzte Ruhestatt.
Die Zeit der Kreuzzüge.
(1099 n. Chr.)
Es war eine gar wunderbare Bewegung, die durch die christlichen Völker des Abendlandes (Europa) ging, als eben der unglückliche fränkische Kaiser, Heinrich IV., von dem ich euch im vorigen Kapitel erzählt habe, seinem Ende entgegen sah. —
Jerusalem, die Gottesstadt, mitten im heiligen Lande (Palästina in Klein-Asien), das Ziel der Wallfahrer, aller frommen Juden und Christen, war in die Hände der Türken gefallen.
Die Türken waren ein wüstes, wildes Volk, weder Heiden, noch Juden, noch Christen. Ihr Prophet Mohammed, ein ehemaliger Kaufmann, hatte von allem etwas genommen und seinem Volke, den Arabern, eine besondere Religion zusammengestellt. Ihren Gott nannten sie Allah, ihre Bibel war der Koran, den Erzvater Abraham verehrten sie auch und den Herrn Jesus kannten sie wenigstens.
Als höchsten Propheten beteten sie aber ihren Mohammed an und nannten sich nach ihm „Mohammedaner".
Von Natur ein rohes, wildes Räubervolk, eroberten sie bald viele Länder, so auch das heilige Land und mit ihm die Hauptstadt Jerusalem.
Hier hatte Helena, die Mutter des römischen Kaisers Konstantin des Großen, eine schöne Kirche über dem Platz, da das Grab Christi sein sollte, errichten lassen.
Dahin wallfahrteten nun viel fromme Christen aus dem Abendlande, um an dieser heiligen Stelle zu beten.
105
Die Türken spotteten ihrer und nahmen ihnen harte Abgaben ab; ja. nicht genug, sie mißhandelten die Pilger in unerhörter Weise.
Ein französischer Einsiedler, Peter von Amiens, mußte dies mit ansehen und klagte diese Not der Christenheit dem damaligen Papst Urban II.
Dieser berief eine Kirchenversammlung und schilderte der Christenheit die Not des heiligen Landes, sie zur Befreiung des heiligen Grabes auffordernd.
„Gott will es!" riefen die Ritter und die Knechte, hefteten sich ein rotes Kreuz auf die rechte Schulter und zogen unter Anführung eines edlen Ritters, Gottfried von Bouillon, in Hellen Haufen nach dem Morgenlande, das heilige Grab und die heilige Stadt aus den Händen der Ungläubigen zu befreien.
Das war aber kein leichtes Werk, dieses verschiedene Volk „Franken, Italiener, Deutsche u. a. m." viel hundert Meilen weit über Land und Meer zum Kampfe mit einem wilden, kriegstüchtigen Feinde zu führen.
Viel Tausende starben auf dem Marsche, viel Tausende unter dem Schwerte der Türken und doch kam ein kleines Heer bis an das Ziel. Als die Zinnen der heiligen Stadt nach so viel Not und Drangsalen ihnen sichtbar wurden, fiel das ganze Heer nieder und küßte weinend die Erde.
Noch galt es einen harten Kamps, die gut verteidigte Stadt zu gewinnen.
Mächtige Türme und Wurfmaschinen waren nötig, um die Mauern erstürmen zu können, und die Bäume dazu mußten gar weit hergeholt werden.
Doch gab ihnen Gott den Sieg und im Juli des Jahres 1099 eroberten sie die Stadt.
Nun wollte man den tapferen Anführer, Gottfried von Bouillon, zum König von Jerusalem krönen. Er wehrte
106
aber in Demut ab und sprach: „Wie sollt' ich hier eine güldene Krone tragen, wo mein Heiland eine Dornenkrone trug?!" Er nannte sich nur „Beschützer des heiligen Grabes".
Nun war Jerusalem und das heilige Land der Christenheit wiedergegeben; leider nicht lange.
Gottfried von Bouillon starb schon nach einem Jahre. Sein Bruder Balduin folgte ihm.
Die Christen des Abendlandes glaubten nun genug ge= than zu haben und unterstützten ihre Glaubensgenossen im Morgenlande nicht weiter.
Eine Stadt und eine Provinz nach der andern ging wieder an die Türken verloren, zuletzt auch Jerusalem.
Der türkische Sultan „Saladin" benahm sich edel gegen bie besiegten Christen und gab den Kranken und Wunden aus seiner Kasse Reisegelb in bie Heimat.
Nun es zu spät war, veranstaltete man noch mehrere Kreuzzüge, bas Verlorene wieber zu gewinnen, aber vergeblich.
Zuletzt sollten unmünbige Kinber bas Unmögliche möglich machen. Tausenbe zogen über bie Alpen — einem sicheren Tobe entgegen.
Gott wollte es nicht mehr! Jerusalem ist heut noch in ben Hänben ber Türken.
Friedrich Barbarossa.
(1152—1190.)
Nicht weit bavvn, wo bie Wiege unserer Zollemsürsten staub, im lieben Schwabenlanb, erhebt sich ein wilbroman-tifcher Bergkegel, ber Staufen. Dorther stammt bas Geschlecht ber Hohenstaufen, bas bem beutschen Reich eine Reihe berühmter Kaiser gab.
107
Der herrlichste unter ihnen war Friedrich I., der Rotbart (Barbarossa).
Wie Karl der Große in der alten deutschen Geschichte, so ist der Kaiser Rotbart der Riese des Mittelalters, bis ihn in unserer neuen Zeit der Kaiser Weißbart (Wilhelm I., der Siegreiche) abgelöst und an Ruhm und Größe doch noch überstrahlt hat.
Alle drei, die ich nannte, waren sich körperlich fast ähnlich; auch Friedrich Barbarossa war von riesenhafter Leibesgröße, hatte freundliche blaue Augen, die im Zorn aber den Gegner zittern machten und dazu einen mächtigen roten Bart, der ihm fast bis auf den Gürtel reichte und ihm den Namen Barbarosfa (Rotbart) eintrug.
Mit eiserner Hand schaffte er Friede und Ordnung im Innern des Reiches und dann zog er, wie seine Vorgänger, vielmals mit Heeresmacht über die Alpen, die übermütigen italienischen Städte (Mailand — Venedig) zu züchtigen.
Einer seiner Vasallen, Heinrich der Löwe, ein Jugendfreund des Kaisers, war ebenfalls in Deutschland mächtig geworden. Ihm gehorchten die Völker von der Nordsee bis an die Alpen. Der war so tapfer, wie ehrgeizig und mochte wohl selber gern Kaiser sein.
Darum brütete er Unheil und versagte dem Kaiser, als der eben mit den italienischen Städten eine harte Fehde hatte, die schuldige Heeresfolge. Alles Drohen und Bitten des Jugendfreundes konnte ihn nicht zum Bleiben bewegen; er zog mit seinen Mannen ab, ließ den Kaiser im Stich und so verlor dieser die Schlacht. Er selbst war mit seinem Kampfroß im Kampfgewühl gestürzt und vier Tage lang verschollen.
Schon hatte seine Gemahlin Trauerkleidung angelegt, da kam der Vermißte wieder, gewann die Hilfe des Papstes und machte einen ehrenvollen Frieden mit den Städten, so daß die verlorene Schlacht fast wie ein Sieg aussah.
108
Nach Deutschland wieder zurückgekehrt, forderte er den treulosen Sachsenherzog vor seinen Richterstuhl. Trotzig blieb dieser fern und verließ sich auf seine Stärke.
Der Kaiser sprach die „Reichsacht" über ihn aus, nahm ihm seine Länder und gab sie anderen verdienstvollen und treuen Rittern. So z. B. erhielt das Fürstengeschlecht der Wittelsbacher das Herzogtum Bayern, das noch heut nach 700 Jahren von ihnen beherrscht wird, aber ein Königreich geworden ist.
Drei Jahre lang wehrte sich der Löwe, dann stellte er sich dem zürnenden Kaiser auf einem Reichstage in Erfurt und bat um Gnade.
Mit Thränen in den Augen hob der Gewaltige den Treulosen auf, verzieh ihm, konnte ihm aber nur seine Erblande, das schöne Braunschweig wieder geben, auch mußte er drei Jahre lang das Reich meiden und in die Verbannung ziehen.
Nun war Kaiser Rotbart wieder Herr im Hause und er verstand es, sein Haus — das deutsche Reich — sehr wohnlich einzurichten. Kunst und Wissenschaft blühten kräftig empor; Dichter und Sänger verherrlichten seine Thaten; berühmte Baumeister führten Kirchen (Dome) auf, die heut noch die Bewunderung der Nachwelt herausfordern.
Um all' die Herrlichkeit seiner Macht der Welt zu zeigen, veranstaltete der greise Kaiser (1190) ein glänzendes Turnier zu Mainz. Auf seine Einladung kamen die tapfersten Ritter aller Welt und bald entstand wie ein Traum eine Stadt von weißen Zelten auf dem linken Rheinufer. Allerlei Fähnlein der Ritterschaft flatterten lustig in der Maienluft und nun rief der Herold zum Waffenspiel. Auch der alte Held, der Kaiser, brach noch eine Lanze und warf seinen Gegner aus dem Sattel.
109
Zu eben der Zeit traf die Nachricht aus dem Morgenlande ein, daß der Sultan Saladin die heilige Stadt Jerusalem den Christen wieder abgenommen habe.
Schnell, durchglüht von der Pflicht als Schirmherr der Christenheit, beschloß er, der ruhmgekrönte Greis, einen Kreuzzug zu unternehmen. Die Tapfersten seiner Ritterschaft leisteten ihm willig Heeresfolge.
Der Türke zitterte vor seinem Kommen, denn die
Kunde von seiner Tapferkeit war ihm nicht unbekaunt geblieben.
Bis nach Kleinasien war der gewaltige Zug bereits vorgedrungen; keine Stadt, kein Türkenheer konnte ihn auf-
halten.
Da kam ein kleiner, unbedeutender Fluß ihnen in den Weg. Das Heer setzte in Zügen über. Das währte dem kühnen Helden zu lang; er sprengte mit seinem Streitroß in die kühle Flut und — vom Schlage getroffen — sank er unter.
Wohl sprengten beherzte Ritter ihm nach, doch ver-
mochten sie nur die teure Leiche zu bergen.
Grenzenlos war ber Schmerz des ganzen Heeres, als Ls so plötzlich seines Hauptes beraubt war unb trauernb kehrten bie Völker um, ohne ben Mut zu haben, ihr Ziel weiter zu verfolgen.
In ber Heimat wollte man ihnen nicht glauben, baß ber geliebte Kaiser ein so plötzliches Enbe gefunben haben sollte unb geheimnisvoll flüsterte einer bent anbern zu,
er schlafe nur, er sei verzaubert unb sitze im Berge Kyff-häuser. Zwerge bewachen ihn unb schwarze Raben umschwärmen bie Kuppe bis nach hunbert Jahren ober später tt wieber kommen werbe, bes Reiches Herrlichkeit neu aufzurichten.
Den Traum erfüllte Kaiser Weißbart, ber Zollernfürst, Wilhelm I. — 1870/71.
110
Rudolf von Habsburg.
(1273—1291.)
Gar schnell war die herrliche Zeit der Hohenstaufen dahin gegangen; der letzte dieses edlen Geschlechts, Konradin, endete aus dem Schafott auf dem Marktplatz von Neapel (1268).
Das arme deutsche Reich war wieder äußeren Feinden und der Raub- und Fehdelust seiner eignen Fürsten und Ritter preisgegeben. All' die Herrlichkeit der deutschen Kunst und des deutschen Gewerbefleißes zerfiel so schnell, wie sie mühevoll aufgebaut war und der am meisten geplagte Bauer ließ den Pflug und die Sense rasten und rosten, weil die Ernte von dem Troß der Raubritter doch zertreten ward. Es war kein Richter auf Erden.
Diese schreckliche, kaiserlose Zeit, in der ber deutsche Thron so verachtet war, daß ihn niemand haben mochte, heißt in der Geschichte das Interregnum oder Zwischenreich.
Wohl hatten sich die mächtigeren Städte zusammen-gethan zu einem Bunde, die Hansa genannt, und schützten gemeinsam ihre Rechte; aber all' der Krieg und das Elend machten zuletzt doch Volk und Fürsten müde, so daß man sich ernstlich nach einem Mann umschaute, dessen Rechtlichkeit und Tapferkeit wieder Ordnung schaffen mochten.
Die Wahl fiel auf Rudolf von Habsburg, einen armen, aber redlichen Ritter, der nichts sein nannte, als seine Habichtsburg (in der Schweiz) und darum herum etliche kleine Dörfer und Besitzungen.
Eine glücklichere Wahl hätte man auch nicht treffen können. Er räumte gewaltig auf unter ben Herren Raubrittern, und wenn ihr mal den schönen Rathaussaal in Erfurt besucht, da könnt ihr ihn auf einem Wanbgentälbe sehen, wie er eben etliche bavon eingefangen unb gefesselt
111
vor sich her treiben läßt. Meister Hans, der Henker in blutrotem Rock, geht grinsend mit ihnen bis an den Galgen; dort werden sie für ihre Frevel gehenket.
So ernst, wie der Kaiser Rudolf dort auf dem Bilde blickt, so ernst nahm er sein Amt als oberster Landesfürst. Auch der Böhmenkönig Ottokar, der sich wider ihn auflehnte, mußte es erfahren. Er schlug ihn auf dem Marchfelde; Ottokar selbst fiel und Rudolf belehnte seine eignen Söhne mit dem erledigten Lehen. So begründete er seinem Stamme eine Hausmacht, die sich im Laufe der Jahrhunderte so vermehrte, daß heut dasselbe Geschlecht der Habsburger das mächtige Österreich beherrscht, dessen Grenzen vom Mittelmeer bis weit über die Donau reichen.
Trotzdem die deutschen Fürsten dem verdienstvollen Kaiser nicht den Gefallen thaten, feinen Sohn zu seinem Nachfolger zu wählen, nahmen später dennoch Enkel und Urenkel desselben den deutschen Thron ein, bis der letzte Sproß — Franz Joseph —, von Napoleon I. bei Austerlitz besiegt (1805), auf die deutsche Kaiserwürde freiwillig verzichtete (1806).
Nun ruhte diese Würde bis auf Kaiser Wilhelm I. (1870), der ihr unsterblichen Glanz verlieh.
g>d?sit§n>orf.
So hätte ich euch denn, ihr kleinen Patrioten, die wichtigsten Geschichten aus der Geschichte unseres lieben Vaterlandes erzählt. Es ist schon viel, wenn ihr dies alles behaltet. Werdet ihr älter, dann werdet ihr noch viel mehr von den Fürsten und Völkern Deutschlands hören, lesen und lernen müssen. Das wird sich dann an diese ersten Geschichten ansetzen, wie eine Ähre, die auch erst ganz klein
112
und niedlich aus dem Halm herausquillt dann größer und größer wächst, bis sie eine reife Frucht wird.
Damit ihr aber merken möget, wie gut und nützlich es ist, in der Geschichte des Vaterlandes Bescheid zu wissen, will ich euch zum Schluß eine lustige Jagd-Anekdote erzählen.
„Königs-Wusterhausen" ist ein altes Jagdschloß der Preußenkönige, nahe bei Berlin. Schon König Friedrich Wilhelm I., der gestrenge Herr Vater des „alten Fritzen", hielt dort seine großen Jagden und sein Tabaks-Kollegium ab.
Als im Herbst oder Winter des Jahres 1871 der Kaiser Wilhelm I. ebenfalls dort war, des edlen Waidwerks zu pflegen, ließ er sich am Schluß der Jagd ein Buch vorlegen, darin alle seine Gäste ihre Namen eintragen mußten. Er selbst machte den Anfang und schrieb folgendes hinein: „Im vorigen Jahre konnte die Jagd aus bekannten Gründen nicht stattfinden." Wilhelm.
Ein biederer Bürger aus Wusterhausen war auch geladen und schien erstaunt über diese Inschrift.
Kronprinz Friedrich Wilhelm, nachmaliger Kaiser Friedrich m., ein leutseliger Fürst, fragte lächelnd den Gast, ob ihm vielleicht zufällig der Grund, weshalb die Jagd ausgefallen, bekannt sei.
Nein, Königliche Hoheit, antwortete der Gefragte.
Alles lachte und der Kronprinz klopfte dem bestürzten Mann gutmütig auf bie Schulter und sprach: „Ei, ei, Herr B., da werbe ich Ihnen zu Weihnachten ein klein Geschichtsbuch bescheren müssen!"
Nicht wahr, ber „kleine Patriot" hätte ihm barüber schon Auskunft geben können? —
—---------
Diud von ^uliue Bely in Langensalza.