Preußens Erhebung. 65 Stein kam nach Königsberg. Beide Männer beriefen die Abge¬ ordneten der ojtp reu giften Stände zusammen, und jubelnd erklärten sich alle bereit, Gut und Blut für den bevorstehenden Kampf hinzugeben. In wenigen Tagen war eine Armee von 30 000 Mann Landwehr und Reserve ausgerüstet und daneben ein Landsturm ein¬ gerichtet^ Helle Begeisterung durchbrauste das ostpreußische Land; obwohl gänzlich verarmt, brachte es doch gern und willig die größten Opfer, die je ein deutsches Land gebracht hat. 2. Des Königs Ruf. Nun zögerte auch der König von Preußen nicht länger, gestützt auf seines Volkes Begeisterung, den ersten Schritt zum Kampfe gegen Napoleon zu tun. Um sich den Späher¬ blicken der Franzosen in Berlin zu entziehen und dem russischen Haupt¬ quartier näher zu sein, ging er nach Breslau. Von hier aus erließ er am 3. Februar 1813 einen „Aufruf zur Bildung eines frei- willigen Iägerkorps", in dem tüchtige junge Männer den Kriegsdienst erlernen sollten, um dann als Offiziere und Unter¬ offiziere an die Truppen abgegeben zu werden. Um 10. März, dem Geburtstage der Königin Luise, stiftete der König für tapfere Kämpfer Jt)Q5 eiserne Kreuz. Nachdem ein Bündnisvertrag mit Rußland abgeschlossen war, erklärte der König am 16. März an Frankreich den Krieg und wandte sich am Tage daraus an sein Volk, um es zum Kampfe aufzurufen. In diesem ,,Auf ruf an mein Volk" heißt es: „Jetzt ist der Augenblick gekommen, wo alle Täuschung über unsern Zustand schwindet. Brandenburger, Preußen. Schlesier, Pommern, Litauer! ihr wißt, was ihr seit sieben Jahren erduldet habt; ihr wißt, was euer trauriges Los ist. Es ist der letzte entscheidende Kampf, den wir bestehen für unsere Existenz, unsere Unabhängigkeit, unsern Wohlstand. Keinen andern Ausweg gibt es, als einen ehrenvollen Frieden oder einen ruhm¬ vollen Untergang“. 3. Das Volk steht auf. Schon der erste ,.Aufruf" des Königs hatte eine Wirkung gehabt, die alle Erwartungen übertraf. Von allen Seiten strömte jung und alt, reich und arm herbei, um das Vaterland zu retten ober mit Ehren unterzugehen. Die Horfäle der Universitäten, die oberen Klassen der Gymnasien, die Eerichtssäle und Schreibstuben leerten sich. Jünglinge, die kaum dem Knaben¬ alter entwachsen waren, und Männer, die sich bereits dem Greisen- alter näherten, eilten zu den Waffen. Mit Tränen tiefster Rührung sah der König eines Tages von seinem Fenster herab auf die jubelnden Scharen der Freiwilligen, die in unabsehbarer Reihe am Schlosse vorbeizogen. Dieser Augen¬ blick gab ihm den Glauben an sein Volk wieder, den er in dem schlimmen Jahre 1806 fast eingebüßt hatte. Knak, Vaterländische Geschichte. 5