80 Judenverfolgung. Lehensfahne mitbelehnt werden. — Seit diesem Vertrage ist das freundschaft« liehe Verhältniß mit den Herzögen von Pommern nicht mehr gestört worden, doch werden wir später sehen, wie schwer es Brandenburg geworden ist, nach dem Aussterden dieser Fürsten sein Anrecht auf das pommersche Land erst nach und nach durchzusetzen. Judenverfolgung. Während fast alle Stände und Klassen des bran- denburgischen Volkes die Regierung Joachim's segneten, brach über die im Mittelalter so oft verfolgten und gemißhandelten Juden jetzt auch in den Marken großes Unheil herein. Die Juden waren in den brandenburgischen Landen, wie überall, nicht als wirkliche Staatsangehörige angesehen, sie wur¬ den vielmehr nur ungern gegen ein von ihnen entrichtetes Schutzgeld geduldet. Durch ihre Betriebsamkeit und den meistens durch große Schlauheit erwor¬ benen Reichthum wußten sie sich den Hohen nützlich zu machen, aber von Zeit zu Zeit reizte religiöser Haß, sowie der Neid gegen ihre Wohlhabenheit im¬ mer wieder die Wuth der Menge gegen sie auf, und in vielen Gegenden Deutschlands kehrten die Judenverfolgungen mit immer erneuerter Kraft wie¬ der. Den Anlaß gaben fast immer Gerüchte derselben Art: es wurde den Juden Lästerung christlicher Einrichtungen, Entweihung christlicher Heilig- thümer, besonders geweiheter Hostien, oder der Raub und die Ermordung von Christenkindern vorgeworfen. So kam es auch unter Joachim. Ein Kesselflicker in Bernau, Paul Fromm, hatte in einem Dorfe Kirchenraub verübt unb eine Monstranz mit zwei geweiheten Hostien entwen¬ det. Er wurde zur Hast gebracht und gestand seinen Frevel ein. Auf die Frage, was er mit den Hostien gemacht, antwortete er, daß er die eine gegessen, die andere für neun Groschen an einen Juden Solomon in Spandau verkauft habe. Salomon wurde nun gleichfalls eingezogen und auf die Folter gebracht, wo er eingestand, die Hostie in drei Theile zerbrochen, den einen an den Juden Jakob in Brandenburg, den zweiten an einen Juden in Stendal verkauft zu haben; den dritten Theil habe er in einen Kuchen von Weizenmehl gebacken, der Teig aber sei blntroth geworden, und habe dann unter wunderbarem Glanze ein kleines Kindlein gezeigt, worüber erschreckt, er den Kuchen in die Synagoge gebracht und dort ausgehängt habe. Man forschte in der Synagoge nach und fand in der That dort einen rothen Kuchen. Die beiden erwähnten Juden wurden nun ebenfalls nach Berlin gebracht und gleichzeitig alle Israe¬ liten in der Mark verhaftet. Durch die weiteren Aussagen der Angeklagten wurden noch vierzig Juden, welche gleichfalls Theilchen von der Hostie an sich gebracht hatten, in den Prozeß verwickelt. Auf der Folter gestanden sie insgesammt, mit dem christlichen Heiligthum allerlei Frevel vorgenommen, dasselbe auf den Tisch genagelt und mit Messern zerschnitten zu haben, wobei wunderbarer Weise immer Blut herausgeflossen sei. Einige gestanden sogar unter den fürchterlichsten Qualen der Folter, daß sie Christenkinder gekauft, gequält und getödtet, ihr Blut aber zu Arzneien verwendet hätten. In Folge der mit größter Grausamkeit geführten Untersuchung wurde dann in öffent¬ licher freier Gerichtssitzung das Urtheil gefällt. Ein alter Bericht erzählt den merkwürdigen Vorgang in folgender Weise. An einem schönen Sommertage strömte viel Volks aus Berlin und der Umgegend nach dem freien Platze vor der Marienkirche. Dort sah man drei