August Hermann Francke. 199 erwählte die Theologie zu seinem Lebenslaufe, studirte iu Erfurt, darauf in Kiel und kam dann nach Leipzig, wo er, wie erwähnt, durch sein „Collegium der Bibelfreunde" vielen Beifall, aber auch viel Anfechtung erweckte. _ Um sich in der Bibelauslegung noch weiter zu vervollkommnen, ging er zu einem berühmten Gottesgelehrten nach Lüneburg und lernte bald auch den Theologen Scriver kennen, dessen auf lebendigen, thätigen Glauben dringende Lehre einen so tiefen Eindruck auf ihn machte, daß er deshalb einen ernsten inneren Kampf zu bestehen hatte. In seiner einsamen Kammer flehte er zn Gott, daß er doch sein Herz fest und gewiß machen möge im Glauben, sonst könne und dürfe er kein Lehrer des göttlichen Wortes sein. Und Gott erhörte ihn und überschüt¬ tete ihn „wie mit einem Strome von Freuden." Er war zu einem neuen Leben durchgedrungen und sein ganzes Bestreben war fortan darauf gerichtet, auch Andere zu diesem Leben im Glauben heranzuziehen. In Lüneburg, in Hamburg und dann wieder in Leipzig wirkte er in diesem Sinne und fand hier unter den Studirenden den größten Anhang, bis er dem Neide seiner Gegner weichen mußte und zuerst nach Erfurt, dann auch dort verfolgt, nach Glaucha vor Halle ging; dort übte er durch die begeisterte Predigt der christlichen Heilswahrheit den größten, lebendigsten Einfluß auf die ganze Gegend, und trotz vielfacher Anfeindungen blieb er da in gesegneter Wirksamkeit und ge¬ wann unter den Studirenden der eben entstehenden Universität das größte Ansehen. Bald sollte er auf dem Felde christlicher Barmherzigkeit eine noch größere, wunderbare Thätigkeit entfalten. Gerührt durch das tiefe leibliche und geistige Elend, das er in Glaucha in der verwahrlosten dortigen Bevölkerung vor sich sah, war er von Anfang an bedacht, durch eine gute Almosenordnung zur Linderung zu helfen, zugleich aber der leiblichen Wohlthat auch die Ermahnung und Zucht im Worte Gottes hinzuzufügen; fast täglich sah man ihn inmitten zahlreicher Armen mild uud väterlich verkehren. Er hatte in seinem Hause eine Armenbüchse ausgestellt, die ihm manch Scherflein zur Linderung der bitteren Armennoth brachte; doch oft stand sie auch lange Zeit leer. Als nun einmal eine fromme Frau mit einem Male sieben Guldenstücke hineingethan, meinte Francke, das sei schon ein ehrlich Capital, davon müsse man etwas Rechtes stiften, und beschloß eine Armenschule damit anzufangen. Er kaufte für zwei Thaler Bücher und nahm für einen Thaler monatlich einen Studenten an, um die armen Kinder unter seiner Leitung zwei Stunden zu unterrichten. Zwar reichte das Grundcapital nicht weit, aber er stellte wieder eine Büchse aus mit der Inschrift: „Zur Information der armen Kinder," und siehe da, es war reich¬ licher Segen bei der Sache. Als die Bürger sahen, wie gut die armen Klei¬ nen unterrichtet wurden, baten sie Francke, auch ihre Kinder für ein Schul¬ geld unterrichten zu lassen, bald wurden selbst aus der Ferne Kinder hinge¬ schickt, und so ist die unansehnliche Armenschule der Grundstein des berühmten „Pädagogiums" geworden, welches für Tausende die Pflanzstätte reicher christlicher Bildung werden sollte. Francke hatte aber mit Schmerz bemerkt, daß bei den armen Kindern zu Hause immer wieder verdorben wurde, was in der Schule Gutes gepflanzt war, uud er beschloß daher, einige ganz in Pflege uud Erziehung zu nehmen. Bald hatte er deren vier, gleich daraus zwölf, ohue noch zu wissen, woher er