192 Bild] einen Fuß hoch erhoben, auf dem andern schwebend. Ebenso suchte er das Höchste in der blühenden An¬ muth bei der Gruppe der Liebesgötter. Unter seinen Gruppen zeichnete sich durch Reichthum der Zusammensetzung und Kühnheit der Gestalten ein feierlicher Auszug des Achilleus aus, den seine Mutter, vou Tritonen und Nereiden und wunder¬ bar gestalteten Meerbewohnern umringt, nach Leuke, dem fabelhaften Eiland des Helden, führt. Sie wurde später zu Rom in einem Tempel des Neptun am flanlinischen Circus durch Cu. Domitius auf¬ gestellt {Plin. n. h. 36, 26.) und ist das Muster¬ bild sür unzählige Nachahmungen geworden. Auf ihn führt man den langbekleideten Apollon Mnsa- getes, welcher im feierlichen Schritte die Zither schlägt (Vatikan), zurück. Auch arbeitete er um 350 am Mausoleion von Halikarnaß. Praxiteles ans Athen, vielleicht Sohn des älteren Kephisodot, der Meister in der Darstellung weicher Anmuth uud sinnliche» Reizes, zog fast alle Götter in feinen Kreis, mit Vorliebe aber behandelte er die jugend¬ lichen unter ihnen (Eros, Aphrodite). Wieder¬ holungen feiner Werke scheinen der eidechsentödtende Apollo und der Erostorso im Vatikan, der Apollino in Florenz, der ausruhende Satyr (nsQißoriTog), in zahlreichen Exemplaren vorhanden, zu sein. Für die Kuidier stellte er die Aphrodite dar, un¬ verhüllt, wie es zuerst Skopas gewagt hatte (Wieder¬ holung in München), für die Koer eine nicht minder berühmte bekleidete. — Welchem von beiden die Gruppe der Niobiden (Florenz, einzelne Figuren in Rom, München u. s. w.) zuzuschreiben sei, hat weder das Alterthum noch die Neuzeit entscheiden können (vgl. Friederichs, Praxiteles und die Niobe¬ gruppe, 1855). — Zahlreiche Nachfolger erweiterten und übertrieben die vou jenen beiden Meistern an¬ gestrebte Richtung. Leochares, welcher mit Skopas am Mausoleion arbeitete, stellte den Ganymed dar, wie er von dem Adler in die Höhe gehoben wird (unbedeutende kleine Copie im Vatikan, s. Gany¬ mede s), ein Werk, welches seinen Absichten nach an der Grenze der Plastik steht. Silanion mischte dem Erz, aus welchem er seine sterbende Jokaste bildete, für die Gesichtspartien Silber bei, um den Ausdruck einer Sterbenden völlig zu erreichen. An namenlosen Werken dieser jüngeren attischen Schule sind zu nennen die Sculptnren des Lysikrates- denkmals zu Athen (Dionysos die tyrrhenischen See¬ räuber in Delphine verwandelnd) und das Nereiden¬ monnment zu JEanthos in Lykien (Statueufragmente 9 uud Friese). — So hatte die Kunst ihren Kreis¬ lauf vollendet, und es blieb nur noch übrig, das ganze Gewicht auf die Ausführung zu legen. Das Studium trat au die Stelle der Natur und des Talents, das Nebenwerk wurde Hauptsache, das Erlernbare siegte über das Unergründliche, das Ir¬ dische über da^ Göttliche. Die Fortschritte im Me¬ chanischen und die Leichtigkeit der Mittel erwarb schon in Alexanders Zeitalter manchem Künstler gleiche Vollkommenheit in verschiedenen Zweigen der Kunst. Wie aber die vorher genannten beiden Künstler noch immer im Geiste des Pheidias das innere, geistige Leben der Götter und mythischen Gestalten vor Aitgeit hatten, so sahen die nun fol¬ genden im Sinne der argivisch-sikyonischen Schule desPolykleitos besonders auf körperliche Wohlgestalt. Euphranor aus Korinth, feit 380 v. C., Maler und Bildner zugleich und dabei ebenso ausgezeichnet in Marmor wie in Erz, war besonders berühmt durch seine Statue des Paris, eine Athene (die Lntatius Catulus nach Rom brachte) und eine Latoua mit ihreit Kiuderu. Seine vorzüglichsten Gemälde befanden sich in der Halle des Kerameikos zu Athen, darunter die 12 Götter, Thesens, die Demokratie und der Demos, das Reitergefecht der Athener gegen Epameinondas bei Mantincm. Kräf¬ tiges Kolorit und richtige Vertheilung von Licht uni) Schatten wird an ihm gerühmt. Es entstand aber auf diese Weife ein übermäßiges Bestreben nach dem Mannigfaltigen in der Art der Productioueu; nicht schöpferische Kraft, sondern kluges Zusammen¬ fügen des Besten erschien als das Ziel {Plin. 34, 19, 6.); die Kunst verengte sich, die Kunstschulen hörten auf. Doch kehrte in dieser Periode Einer mit großer Kraft auf de» verlassenen Weg und zum Studium der Natur zurück, Lysippos aus Si- kyou (vgl. Cic. Brut. 86. Plin. 35, 40, 25. Petron. sät. 88.), Zeitgenosse Alexanders des Großen, seinem nächsten Berufe nach ein Erzarbeiter und Auto¬ didakt. Er stubirte wieder den menschlichen Körper und fand fo das Ideal- der Schönheit, das er in unübertrefflichen Bildnissen von Göttern und Menschen verwirklichte, indem er die größte Aehu- lichkeit mit dem höchsten Maße von Schönheit zu vereinigen suchte; er bildete den Herakles-Charakter auf eine neue Weise aus. Sein berühmtestes Werk war das Bildniß des makedonischen Alexander, den er in mannigfaltigen Größen und Stellungen darstellte: in jugendlicher und männlicher Schön¬ heit, im Kampfe, auf dem Throne sitzend, auf der Jagd, reitend und auf dem Wagen stehend, fo daß Alexander von keinem anderen Künstler dargestellt werden wollte. Arr. 1, 16, 7. Plut. Al. 4. Cic. ad fatn. 5, 12, 13. Hör. ep. 2, 1, 239. Mit gleichem Erfolge bildete er auch die Genossen des Königs, vor allen den Hephaistion. Als ant Grani- kos 25 auserlesene Gefährten Alexanders fielen, bildete sie Lysippos auf Befehl des Königs in ehernen Bildsäulen zu Pferde in Lebensgröße in mannigfaltigen Stellungen des Kampfes, der Ver¬ wundung und des Todes; das Ganze wurde zu Dion in Makedonien ausgestellt, mußte aber später die Porticus des Metellus in Rom schmücken. Arr. 1, 16, 7. Plin. 34, 64. Weiter bildete er eine Jagd, auf welcher der König, von Krateros unter¬ stützt, einen Löwen erlegt; als Weihgefcheuk des Krateros zu Delphoi aufgestellt. Ein kolossales Bild des Herakles von 30 Ellen stand vou ihm zu Tarent, wanderte aber bei der Eroberung der Stadt auf das Capitol {Plut. Fab. Max. 22. Plin. 34, 40.); ein anderes von der Höhe eines Fußes, welches, jenen auf einem Felsen sitzend, die Keule in der Rechten, eine Schale in der Linken haltend, dar¬ stellte, ist durch die Schilderungen des Statins (silv. 4, 6.) verherrlicht worden. Auch stand ein Koloß des Zeus zu Tarent, und ein anderer des Poseidon zu Korinth, die ihm zugeschrieben wurden. Die Zahl der Arbeiten dieses fruchtbaren Künstlers wird auf 1500 geschätzt. Plin. 34, 17. Auf ihn wird der Mars von Villa Ludovisi (s. Ares), so¬ wie ein mit dem Schabeisen sich reinigender Athlet im Vatikan (f. g. ’Ano^vo^svog) zurückgeführt. — Sein Bruder Lysistratos formte zuerst Gesichter ^ in Gyps ab; die getreue Nachahmung der äußer¬ lich vorhandenen Gestalt fing an Ziel der Kunst zu werden. Plin. 35, 44. — Der Einfluß Alexan-