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Kurze
Sesduto non Selsen.
(£in Anhang
zu jedem Lehrbuch 6er Geschichte
für
Hessische Schulen
-
bearbeitet von
P. Müller,
Großb. ßeff. Uteis - Schul - Inspektor zu Aisseid.
Mit dem Portrait Sr. Mgl. ßofjeit des Grotzherzogs Ludwig IV.
- -
Motto:
Mhne üaterlaiibsgeschichti" feine Vaterlandsliebe.
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L1881)
Gießen.
Berlag von Emil Roth. 1881.
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Preis 60 Pfennige.
Ausgabe A. Preis für Schulen 50 Pfg. geheftet, 60 Hfg. geb.
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Georg-Eckert-Institut
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Grossherzog von Hessen und bei Rhein.
Verlag von Emil* Roth in Giessen
nach dem im Verlage von A. Schoedler in Darmstadt erschien, lithogr. Portrait. Gr. 51:73 Centim.
Preis M. 6,—.
Heschichte von Kessen.
Ein Unsiang zu. ' r £ßRc6udi cker SÄtrfife.
Für hessische Schulen bearbeitet
von
I. Müller,
Großh. Kreis-Schnlinspector zu Alsfeld.
Motto: Ohne Vaterlandsgeschichte keine Vaterlandsliebe.
Gießen.
B e r l a g von Emil Roth. 1881.
:PaiilTheod.Müller)
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Vorwort.
Eine Verfügung der oberen Schulbehörde vom 22. August v. I. macht den Lehrern zur Pflicht, ihren Schülern alljährlich am 12. September, als dem Geburtstage des Großherzogs, gelegentlich einer zu veranstaltenden Schulfeier, Bilder aus der Geschichte ihres engeren Vaterlandes vorzuführen.
Von Einigen Abschnitten abgesehen, hat die hessische Geschichte eine so vielseitige Bearbeitung erfahren, wie kaum eine Partikulargeschichte Deutschlands und es fehlt dem nicht an Material, welcher die Absicht hegt, dieselbe eingehend zu studireu. Allein nicht alles — und würe es für den Forscher noch so interessant — eignet sich für die Schule und das Volk. Hier bedarf es der verständigen Sichtung, einer methodischen Auswahl, einer dem vorhandenen Auffassungsvermögen entsprechenden Form.
Ein tüchtiger Lehrer wird in dieser Beziehung kaum in Zweifel gerathen, was er seinen Schülern vorführen kann und was ausgeschlossen bleiben muß. Aber welches der vielen vorhandenen Bücher soll er benutzen, Wenck, Schmidt, Dieffenbach, Steiner, Künzel, Hoffmeister rc. oder eine der vielen Monographien über einzelne Theile der hessischen Geschichte, wie Grimm, Simon, Strack, Bender, Rommel, Soldan u. v. a.? Leicht dürfte einzusehen sein, daß nicht bei jedem Lehrer eine so reichhaltige Bibliothek über einen Gegenstand vorausgesetzt werden kann. Darum erschien es dem Verfasser als eine dankbare Aufgabe, die für die Schule geeigneten Punkte der hessischen Geschichte zu sammeln und in möglichst knapper Form darzustellen. Es war dabei sein Bestreben
einestheils den Zusammenhang der Bilder unter sich, anderntheils den mit der deutschen Geschichte möglichst festzuhalten. Dem Lehrer soll dadurch Gelegenheit geboten werden auf allen Stufen des Geschichtsunterrichts — je nach den localen Verhältnissen bald mehr, bald weniger — auf die gleichzeitigen Vorgänge in der hessischen Geschichte Hinweisen zu können. Daß einzelne Bilder, wie die Bekehrung der Chatten zum Christenthum, der Sängerkrieg auf der Wartburg, die Erfindung der Buchdruckerkunst, Philipp der Großmüthige, Gustav Adolph in der Rheinebene, die Zerstörung von Worms u. a. etwas ausführlicher behandelt wurden, dürfte mit Rücksicht aus die eingangs erwähnte Verfügung willkommen sein.
Die Audeutung methodischer Abschnitte durch die Buchstaben a, 1), rc. und verschiedenen Druck bedarf für Fachgeuossen wohl keiner besonderen Rechtfertigung.
Der geringe Umfang des Merkchens dürfte es geeignet erscheinen lassen, in den Oberklassen mehrklassiger Volksschulen, sowie in Mittelschulen und Realschulen II. Ordnung Einführung zu finden.
Möge das Büchlein seinen eigentlichen Zweck — Liebe zum engeren Vaterland und zum angestammten Fürstenhaus in den Herzen der Jugend zu wecken und zu kräftigen — in reichem Maße erfüllen.
Alsfeld, am 12. September 1880.
Der Aerfasser.
Inhalt.
Erster Abschnitt.
Seite
Die frühesten Bewohner des Landes............................................ 7
Zweiter Abschnitt.
1. Hessen unter Römern und Franken........................................ 8
2. Die Bekehrung der Chatten zum Christenthum . . ^ . . • • 10
3. Hessen zur Zeit der Karolinger......................................... 12
Dritter Abschnitt.
Hessen unter den Landgrafen von Thüringen.
1. Ludwig 1............................................................... 15
2. Ludwig II. (der Eiserne.) -............................................ 16
3. Ludwig III............................................................. 18
4. Hermann 1.................................................................. 18
5. Ludwig IV. (der Heilige und die heilige Elisabeth)..........................20
6. Hermann II. — Heinrich Raspe . . - .......................21
Vierter Abschnitt.
Hessen unter eigenen Fürsten.
1. Heinrich das Kind......................................................21
2. Otto und Johannes...........................................................24
3. Heinrich II. (der Eiserne)..................................................24
4. Hermann der Gelehrte...................................................... 24
5. Ludwig I. (der Friedfertige)................................................26
6. Ludwig II. und Heinrich III.................................................2&
7. Wilhelm I. Wilhelm II. Wilhelm III.................................28
8. Philipp der Großmüthige.....................................................2$
Fünfter Abschnitt.
Die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt.
1. Georg I. (der Fromme).......................................................37
2. Ludwig V. (der Getreue).....................................................39
3. Georg II. (der Gelehrte)....................................................4S
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4. Ludwig VI.........................
5. Ludwig VII......................
6. Ernst Ludwig..............
7. Ludwig VIII........................ ;
S. Ludwig IX............................
Sechster Abschnitt.
Hessen unter seinen Großherzogen.
1. Ludwig I. (Als Landgraf: Ludwig X.)................
2. Ludwig II. .........
3. Ludwig III...................................
4. Ludwig IV.................................
Seite
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Erster Abschnitt.
Die frühesten Bewohner des Landes.
a) Die Vorfahren der Hessen, die Chatten, waren ein hochdeutscher Völkerstamm, welcher zu den Sueven gerechnet wird. Wie die übrigen deutschen Stämme, sind auch sie vor undenklichen Zeiten aus Asien eingewandert. Während aber fast alle Stämme zur Zeit der Völkerwanderung ihre Wohnsitze wechselten, blieben die Chatten fast unverrückt an der Stelle, welche sie sich einmal als Wohnsitz erkoren hatten.
Die erste sichere Kunde über dieselben verdanken wir dem römischen Schriftsteller Tacitus, der am Ende des ersten und zu Anfang des zweiten Jahrhunderts christlicher Zeitrechnung lebte. Nach seiner Angabe bewohnten sie den „hercynischen Wald" innerhalb der Stromgebiete der Fulda und der Schwalm, der Eder und Lahn, bis zum Rhein und Main. Der Mittelpunkt und Kern ihres Landes lag da, wo die Eder in die Fulda mündet. Das Volk hatte ausdauernde Leiber, neroigten Gliederbau, trotzige Gesichter, große Lebhaftigkeit des Geistes, natürlichen Verstand und Gewandtheit. Man rühmt ihre Treue und Tapferkeit, ihren Gehorsam gegen Obere und daß sie als kriegerisches Volk die Feldherrn höher geachtet hätten, als das Kriegsheer. Dieses bestand größtenteils aus Fußvolk. Es war allgemein Sitte, daß heranwachsende Jünglinge Haupthaar und Bart so lange wild wachsen ließen, bis sie den ersten Feind erlegt hatten; erst daun schoren sie das Haar, um es ihren Göttern darzubringen. Die Tapfersten legten zuweilen einen eisernen Armring an, gleichsam als schmachvolle Fessel, von der sie sich nur durch Erlegung eines Feindes befreien konnten.
b) Die Chatten waren stammverwandt mit ihren Nachbarn, den Cheruskern und kämpften als deren Verbündete in der großen Befreiungsschlacht am Teutoburger Walde gegen die Römer. (9 n. Chr.) Dafür mußten sie 7 Jahre später deren Rache empfinden. Während ein Unterfeldherr die Cherusker hinderte, ihren
Sreunben beizustehn, überfiel Germonifus, des Trusus Sohn die Chatten, verbrannte deren Hauptort Mattinm und nahm des Stetten Arpus Gemahlin und Tochter gefangen. Im folgenden
akbuS wa f 3°.000 Fußgängern und 3000 Reitern
si. sc?.! - !>r°f-cn Heeresmacht, welche die Römer gegen
die Chatten aufzubieten für nöthig fanden, läßt sich schließen, daß diese ein tapferer und zahlreicher Volksstamm waren. Im Jahre 44 unternahm der Statthalter Galba abermals einen Zug gegen die Chatten, wob-, er den letzten Adler unb eine Anzahl römischer Gefangenen welche noch feit Barns' Niederlage in dem Besitz der Chatten geblieben waren, zurückbrachte.
~ ?ur die Bewohner der Provinz Oberhessen und des größten Theiles der preußischen Provinz Hessen-Nassau können als Nachkommen der Chatten angesehen werden. In den beiden südlichen ^ovinzen wohnten zuerst die zu den Galliern gehörigen Celten (Kelten) und die germanischen Vangionen, zu welchen später noch von Luden die Alemannen und von Osten die Burgunder kamen. Letztere machten Worms zu ihrer Hauptstadt. Später wurden diese von den Hunnen und noch später von den Franken besiegt und nach dem Innern Frankreichs zurückgedrängt. An den Aufenthalt der Burgunder in Worms erinnert uns das „Nibelungenlied , das herrlichste Denkmal altdeutscher Poesie
Zweiter Abschnitt.
I. Hesse» unter Römern und Franke».
a) Seit die Gallier den Julius Cäsar gegen den Suevenfürst Anovist zu Hülfe gerufen hatten (58 v. Chr.), war es das unausgesetzte Bestreben der Römer gewesen, sich an dem Rheine immer mehr festzusetzen. Zu diesem Zwecke gründeten sie längs desselben eme Menge befestigter Plätze, unter denen Mainz (wahrscheinlich von Drusus im Jahre 12 v. Chr. gegründet) wegen seiner Lage, der Mündung des Main gegenüber, schon frühe besondere Wichtigkeit erlangte. Es war gleichsam die Hauptstadt des römischen Obergermaniens, der Mittelpunkt der römischen Macht und Militärherrschaft in Deutschland.
Von diesem Mittelpunkte aus zogen strahlenförmig „Römerstraßen", „Römercastelle" und „Römerwälle" auch auf das jenseitige Rheinufer in das Innere Germaniens. Solche Straßen führten z. B. über den Taunus, wo sich den römischen „Castellen"
gegenüber die „Ringwälle" der Germanen erhoben, mainanfwärts nach der Nidda, nach der Wetterau und dem Odenwalde. Die Pfeiler einer, wahrscheinlich von Trajan erbauten, festen Brücke über den Rhein waren bis vor Kurzem bei niedrigem Wasserstande noch in der Nähe von Mainz zu sehen; jetzt sind dieselben entfernt. Als die wichtigsten römischen Niederlassungen in Rheinhessen sind außer Mainz zu nennen: Worms, Oppenheim, Ingelheim, Bingen, Alzey. Ueberall erkennt man die Spuren der Römer aus den Resten ihrer zum Theil großartigen Bauwerke. Bon den römischen Ueberresten in Mainz verdienen die „Wasserleitung" und der „Eichelstein" ganz besonderer Erwähnung.
Die Wasserleitung wurde von der 14. Legion erbaut und führte das Wasser aus den Quellen bei Gonsenheim an Zahlbach vorüber auf die Höhe des Berges au und auf welchem Mainz erbaut war. Die ganze Leitung hatte eine Länge von mehr als 7 Km. und ruhte auf Pfeilern, von denen einzelne 32 M. hoch gewesen sein müssen. Noch sind die Trümmer von 56 dieser Pfeiler übrig, von denen einige eine Höhe von 7y2 M. haben. Der Eichelstein, eine runde, thurmähnliche Steinmasse, welche srüher mehr als 25 M. hoch gewesen sein soll, deren Zweck man aber nicht mehr weiß, wird gewöhnlich als das Grabdenkmal des römischen Feldherrn Drusus, des Gründers von Mainz, angesehen.
b) Die befestigte Grenzlinie der Römer führte in vielen Windungen durch Mittel- und Süddeutschland von Coblenz bis an die Donau und heißt noch heute im Munde des Volkes der „Pfahlgraben." Es finden sich noch deutlich sichtbare Spuren bei den Orten Ziegenberg, Fauerbach, Hochweisel, Pohlgöns, Kirch-göns, Langgöns, Grüningen und Arnsburg. In der Nähe des Pfahlgrabens, aber auf germanischem Gebiet, findet man noch altdeutsche Grabstätten, „Hünengräber", große Steinhaufen, in denen Knochen, mit Asche gefüllte Urnen, sowie Gegenstände von Bronze, Eisen, Bernstein und Glas gefunden wurden und zuweilen noch gefunden werden.
Der Pfahlgraben bestand aus einem oder mehreren Erdwällen^ von Zeit zu Zeit durch einen Thurm oder ein Castell verstärkt. Em besonders starkes Werk war die Saalburg mit dem Vorwerk Capersburg auf dem Gebiet der ehemaligen Landgrafschaft Hessen-Homburg.
Auch über die Höhen des Odenwaldes zogen römische Befestigungen, von denen Enlbach bei Erbach und das Hennehaus bei Vielbrunn noch theilweise erhalten sind. Auch die Riesensäule auf dem Felsberg und die Henne sän len bei Mainbullau werden
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als von den Römern herrührend bezeichnet. Das zwischen Rhein, Donau und Pfahlgraben gelegene Land, welches länger der Herrschaft der Römer unterworfen blieb, als die übrigen Theile Germaniens, hieß das „Zehntland." Lange dauerten die Kämpfe zwischen Römern und Germanen, von denen hauptsächlich die Chatten, als nächste Nachbarn die Vorkämpfer waren.
c) Erst in der Mitte des 3. Jahrhunderts gelang es den vereinigten Völkerbündnissen der Alemannen und Franken die Römer für immer vom rechten Rheinufer zu vertreiben. 403 und 407 wurde Maiuz von den germanischen Stämmen der Alanen, Vandalen und Sueven erobert und zerstört. Kaum nothdürftig wieder hergestellt verwandelte es (451) Attila, der Hunnenkönig, abermals in einen Schutthaufen. Kurze Zeit später wurde das obere Germanien von dem Frankenherzog Merovig völlig überwältigt (454) und Mainz war fortan eine fränkische Stadt. Chlodwig, der Enkel Merovigs, der auf Veranlassung seiner Gemahlin Chlotilde Christ geworden war, besiegte nach einander alle benachbarten Völker: den Rest der Römer (486 bei Soissons), die Alemanen, (496 bei Zülpich) die Burgunder (500 bei Dijon) und die Westgothen (507 bei Vouglö.) In treuloser Weise beseitigte er alle Fürsten der Franken und wars sich zum Alleinherrscher des großen Frankenreiches aus. Dieses erstreckte sich von der Garonne bis zu
den Quellen des Mains, von den Alpen bis zur Nordsee. Seine
Hauptstadt war Paris. Wie so viele deutsche Völkerstämme, waren auch die Chatten in den Franken aufgegangen, um einige Hundert Jahre später als Hessen sich wieder abzutrennen und ein eigenes Staatswesen zu gründen.
2. Die Bekehrung der Heffen zum Christen thu A.
a) Wohl hatte sich Chlodwig auf Veranlassung seiner Gemahlin und, weil ihm nach seiner Meinung der Christengott bei
Zülpich den Sieg verliehen, mit 3000 der Seinen zu Rheims
taufen lassen, aber die Mehrzahl der Franken beharrte nach wie vor im germanischen Heidenthum. Auch in die Dickichte des her-cynischen Waldes, zu unseren Vorfahren, den Chatten, war noch keine Kunde von dem Evangelium gedrungen. Auch für sie sollte die Stunde der Erlösung schlagen! Der Engländer Winfried, um 680 zu Kirtou in der Grafschaft Devonshire geboren, sollte sich um dieselben den Namen „Bonifacius" d. i. Wohlthäter erwerben.
Schon in seinem 6. Lebensjahre brachte ihn sein Vater in die Klosterschule zu Excester. Hier gewann er durch seinen beharrlichen Fleiß, seine Wißbegierde und seine Tugend die Liehe
aller seiner Lehrer; ganz besonders schenkte ihm der Abt Wolfard wegen seiner kindlichen Frömmigkeit seine Zuneigung. Durch seine Lehrer wurde dem jungen Winfried der Stand eines Geistlichen lieb und werth. Da er schon früh die Erzählungen aus dem Leben solcher frommen Männer hörte, welche ihr Vaterland verlassen hatten, um den armen Heiden das Evangelium zu verkünden, regte sich auch bei ihm der Wunsch, ein Geistlicher zu werden, um als Bote des Friedens zu den Heiden zu gehen. Der adelige Vater hatte ihn zu einem weltlichen Berufe bestimmt und suchte ihn daher — anfangs durch Ermahnungen, später durch Drohungen — von seinem Vorhaben abzubringen. Umsonst! Die Festigkeit des Sohnes besiegte den Vater und dieser brachte ihn auf die höhere Schule zu Nuscella. Auch hier gewann Winfried bald die Liebe seiner Ordensbrüder und stndirte so eifrig in der heiligen Schrift, daß bald Mönche aus andern Klöstern kamen, um sich dieselbe von ihm erklären zu lassen. Unter den Segenswünschen seines Abtes Winbert verließ (715) Winfried, als ein auserwähltes Rüstzeug, seine Heimath und gelangte glücklich nach Friesland. Ein ausgebrochener Krieg nöthigte ihn jedoch wieder in sein Kloster zurückzukehren. Zwar wurde er nach Winberts Tode zum Abte gewählt, aber schon 718 reiste er über Rom, wo er den Segen des Papstes empfing, nach Deutschland, um nach einander Thüringen, Baiern, Friesland, Sachsen und Hessen zu besuchen.
b)_ Einst, auf seinem Zuge durch Hessen, traf er bei Geismar eine Eiche von ungewöhnlicher Größe, unter welchem die Heiden ihrem „Thor" zu opfern pflegten. Um denselben zu zeigen, wie ohnmächtig ihre Götter seien, beschloß Winfried die Eiche zu fälleu. Nachdem er ihnen von dem allmächtigen Gott, dem Schöpfer Himmels und der Erde und von seinem Sohne Jesus Christus gepredigt hatte, hob er schweigend seine Axt um die Eiche umzuhauen. Umsonst erwarteten die Heiden, daß ihr Gott den Frevel an seinem Heiligthum durch einen zermalmenden Blitz rächen würde; es geschah nichts. Mit kräftiger Hand haut Bouifaeius auf den Baum ein uud als er endlich krachend vor den Augen des erschrockenen Volkes niederstürzt, da ist es um das Ansehen der heidnischen Götter geschehen. Aus dem Holz der Eiche zimmerte Bonisacius eine Kapelle zu Ehren des Apostels Petrus.
Mit dem Christenthum begann in Thüringen und Hessen eine höhere Cultur. Wälder wurden ausgehauen, Wüstungen urbar gemacht, Dörfer gegründet, Kirchen und Kapellen gestiftet. Namentlich die Klöster verbreiteten in ihrer Umgebung Kenntnisse der Landwirthschaft und regten Handwerke uud Künste im Dienste der
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Kirche an. Die geräuschlosen Beschäftigungen des Friedens waren an Stelle der wilden Kämpfe getreten.
Das erste Kloster, welches Bonifacins gründete, war das zu Amöneburg (722). An dieses reihten sich die zu Fritzlar und Fulda. (Letzteres von dem Abt Sturm, einem Schüler des Bonifacius, gegründet.) 745 wurde Bonifacius durch den Papst Gregor III. zum Erzbischof von Mainz ernannt. Am Abend seines Lebens, als 70jähriger Greis, besuchte er nochmals die Friesen, um eine Anzahl Neubekehrter einzusegnen. Während der heiligen Handlung stürmte eine Schaar Ungläubiger auf ihn ein und erschlug ihn mit 53 der Seinen (755). Seine Gebeine brachte man erst nach Utrecht, dann nach Mainz und zuletzt nach Fulda, wo sie in einer Kapelle unter dem Dom ruhen.
Wie Mainz in den ersten Jahrhunderten christlicher Zeitrechnung der Sitz römischer Militärherrschaft war, so wurde es durch Bonifacius der Sitz des römischen Kirchenregiments in Deutschland. Sein Nachfolger Hatto, bekannt durch die Sage vom Mäusethurm, beförderte die Schifffahrt, ließ die Felsen aus dem Singer Loch ausbrechen und sich dafür an einem Thurme im Rhein „Mauth" d. H. Zoll zahlen, daher „Manththurm"; an den frommen Willegis, (995—1011) eines Wagners Sohn, erinnert uns das Rad im Mainzer Wappen.
3. Hessen zur Zeit der Karolinger.
a) An Karl den Großen, den gewaltigsten Herrscher des Frankenreiches werden wir in Hessen öfters erinnert; denn so gewaltig die Ausdehnung seines Reiches war und wie viele herrliche Gegenden es in sich schloß, so gefiel es ihm doch am Rheinstrom, wo frühe schon durch die Römer eine blühende Cultur veranlaßt worden war, am besten. Hier hatte er seine Lieblingspfalzen, hier feine Jagdgebiete, hier hielt er die meisten seiner Reichstage.
Das Kloster Lorsch wurde schon während der Regierungszeit Pipins des Kurzen von einem seiner Anverwandten gegründet. Bei der Einweihung (2. Sept. 773) war Karl der Große zugegen und beschenkte es reichlich mit liegenden Gütern. Hier beschloß Herzog Thafsilo von Bai er n sein Leben.
Dieser besaß nämlich sein Herzogthum von den Frankenkönigen zu Lehen und hatte schon Pipin dem Kurzen den Eid der Treue geschworen. Seine stolze Gemahlin, eine Tochter des bekannten Longobardenkönigs Desiderius, veranlaßte ihn jedoch nach Selbständigkeit zu streben. _ Als ihn daher Karl 772 aus den Reichstag zu Worms (wo auch der Krieg gegen die Sachsen beschlossen wurde) vorlud, damit er aufs neue sein Lehen empfinge, blieb er ungehorsam aus. Solche Verachtung der Königswürde
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konnte Karl nicht dulden. Er zog mit 3 Heeren gegen ihn, um ihn zu züchtigen. Als Thassilo nirgends einen Ausweg sah, unterwarf er sich seinem gewaltigen Gegner, übergab ihm sein Herzogthum und empfing es als Lehen zurück. Aber diese Untwersung war nur Heuchelei; heimlich verband er sich mit den Sachsen und Schwaben, ja sogar mit den heidnischen Avaren an der mittleren Donau. Doch der Wachsamkeit Karls entgingen die geheimen Rüstungen nicht nnd plötzlich lnd er den ungetreuen Vasallen auf das Maifeld uach Ingelheim zur Verantwortung. Zwar glaubte Thassilo den Gewaltigen durch Scheinheiligkeit abermals täuschen zu können, als aber selbst seine Baiern gegen ihn zeugten, sprachen die Großen des Reiches die Todesstrafe gegen ihn aus. Karl begnadigte ihn und wies ihm das Kloster Lorsch als Gefängniß an, „damit er seine Schmach in Vergessenheit begrabe."
b) Nächst Aachen, das Karl ben Großen burch seine warme Quelle besonbers anzog, war Nieber-Jngelheim sein Lieblingsaufenthalt. Hier ließ er sich zwischen 768 unb 774 einen herrlichen Palast bauen, ber mit dielen Säulen aus Granit, bie er aus Ravenna hatte kommen lassen, Marmor unb Porphyr geziert war. Mit bem Geschlecht ber Karolinger zerfielen auch bie stolzen Schlösser, welche Karl zu Tribur, Mainz, Worms unb Ingelheim hatte bauen lassen. Zwar ließ Friebrich Barbarossa (1154) bas Schloß zu Ingelheim wieber herstellen, aber in der „kaiserlosen Zeit" bes Interregnums würbe es abermals unb zwar von Richarb von Cornwallis, an welchen bie Großen bes Reiches bie Krone verschachert hatten, zerstört. Unter Karl IV. erhob es sich nochmals aus seinem Schutte, aber bie Morbbrcnnerlmnben Lubwigs XIV., welche gegen Enbe bes 17. Jahrhuuberts bie Pfalz verwüsteten, ließen nur noch wenige Trümmer von bem Zeugen ehemaliger Kaiserherrlichkeit übrig. Bei Gernsheim, Ni er stein unb Heppenheim bestauben zu Karls bes Großen Zeit kaiserliche Kammergüter, ans welchen Musterwirthschaften betrieben würben, beren Beispiel verbessert unb anregenb auf bie Umgebung einwirkte. Die ganze Ebene zwischen Rhein, Main unb Obenwalb nahm zu jener Zeit ber kaiserliche Reichsforst „Fo rehahi" (Föhren- [Staunen] tu alb) ein, wo Karl unb noch seine Nachfolger nach ber Last ber Regierungsgeschäfte sich mit bem eblen Waibwerk ergötzten. Die großartigen Trümmer bes Jagbschlosses Dreieichenhain ■— vom Volke noch heute scherzhaft „kaiserlicher Hunbestall" geheißen — geben Kunbe von einstiger Herrlichkeit.
Auf ben Pfeilern ber zerstörten Römerbrücke bei Mainz ließ Karl ber Große eine hölzerne Brücke aufführen, bie jeboch kurz nach ihrer Vollenbung ein Raub ber Flammen würbe (803). Der weitere Plan Karls v. Gr., bie beiben Ufer bes Rheines burch eine steinerne Brücke zu verbiuben, kam nicht zur Ausführung. An Karl
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den Großen erinnert anch das Denkmal im Mainzer Dom, das er seiner 794 in Frankfurt a. M. verstorbenen zweiten Gemahlin Fastrade hatte errichten lassen.
Auch die Sachsenkriege berührten theilweise hessischen Boden, indem Karl der Große 778 einem sächsischen Heere bei Battenfeld an der Eder eine Niederlage beibrachte.
Ludwig der Fromme, Karls des Großen jüngster und zugleich der einzige ihn überlebende Sohn, war zu schwach, um das große Frankenreich im Geiste seines Vaters zu regieren. Schon 817 theilte er es unter seine drei erstgeborenen Söhne und gab damit die Veranlassung zu all den Unruhen und Streitigkeiten, welche unter seiner Regierung den Wohlstand des Reiches vernichteten und einen der traurigsten Abschnitte der Geschichte bilden. Die Geburt eines weiteren Sohnes veranlaßte ihn zu einer wiederholten Theilung des Reiches mit neuen Bruderkriegen. Als er zur Schlichtung der Streitigkeiten einen Reichstag nach Worms ausschrieb, starb er unterwegs (840) auf einer Rheininsel bei Ingelheim.
c) Der Geheimschreiber Karls des Großen, Eginhard, mochte bei den Fehlern, welche Ludwig der Fromme in der Regierung machte und von denen er bald erkannte, daß sie das Werk seines verstorbenen Herrn vernichten müßten, nicht weiter mitwirken und erbat sich als Ruheplatz die „Villa Mühlheim" am Main, wo er eine stattliche Abtei gründete, deren Reste in Seligenstadt noch zu sehen sind.
Die Sage erzählt: Eginhard sei Kaiser Karls Schwiegersohn gewesen. Nach dieser Sage habe Kaiser Karl, erzürnt über die Liebe seiner Tochter Emma zu einem „Schreiber", beide aus seiner Umgebung verbannt. Sie seien dann zusammen fortgewandert und hätten sich au einem einsamen Ort im Mainthal niedergelassen, wo sie zwar arm, aber zufrieden und glücklich gelebt hätten. Kaiser Karl aber habe sein übereiltes Verfahren sehr bereut, beim beide seien ihm sehr lieb gewesen. Nach einigen Jahren fei er aus der Jagd von seinem Gefolge abgekommen und habe sich verirrt. Der Zufall habe ihn in die Nähe der Wohnstätte feiner Tochter geführt und diese finden lassen. Dabei soll er in feiner Freude gerufen haben: „O selige Statt, wo ich meine Tochter wiedergefunden!" Hieraus sei der Name Seligenstadt entstanden.
Ludwig des Frommen Enkel, Karl der Dicke, vereinigte zwar durch Erbschaft nochmals fast das ganze Reick Karls des Großen in seiner Hand, wurde jedoch wegen Unfähigkeit auf dem Reichstag zu Tribur (887) abgesetzt.
Unter Karls des Großen Regierung war das ganze Land in Gaue getheilt, denen Grasen (Gaugrafen) vorstanden. Diese leiteten den Gerichts- und Heerbauu und führten im Kriege ihre Mannen dem königlichen Heere zu.
Königliche Sendboten (Sendgrafeu) aus den erfahrensten Männern geistlichen und weltlichen Standes ausgewählt, bereiften das Land nach
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allen Riäiturigeii, um das Ganze zu überwachen, den Heerbann zu beaufsichtigen, die Verwaltung der Krongüler zu prüfen und die Rechte des Thrones zu wahren. —
Tie Gaue erhielten ihre Namen entweder nach den Volksstämmen
(fränkischer, sächsischer, Hessengau) oder von Naturgrenzen, namentlich Flüssen und Bächen (Rheingau, Maingau, Wettergau, Rodgau, Bachgan,
Lahngau.)
Tie Gaue waren wieder in Centen getheilt, denen die Centgrafen vorstanden. Die Centen zerfielen in Marken, mit Markrichtern als Vorsteher.
Tie beiden Gaue, innerhalb welcher der größere Theil der heutigen
Provinz Starkenburg gelegen ist, waren der Oberrheingau und der Matngau. Elfterer erstreckte sich zwischen Rhein und Odenwald, letzterer vom Main südlich bis zum Neckar und nmfoßre den Plumgau, den Bachgau und den Rodgau. Ein großer Theil der Provinz Oberhessen gehörte zu dem Oberlahngau. dem Niederlahngau, dem Wettergan, dem ^ '9 0 a u und dem Nidgau. Die östliche Spitze Oberhessens bildete
den Buchgau. Der Lobdengan mit dem Wormsgau umfaßte den größ? ten Theil der Provinz Rheinhessen, der Wingorteiba den südlichen Odenwald.
Ums Jahr 1000 erlitt die alte deutsche Gauverfassung nach und nach bedeutende Veränderungen. Der Amtebegriff der „Grafen" verlor sich immer mehr; einzelne Familien durch glückliche Umstände begünstigt setzten s-ch ’N ^n Oioienffm h ft, nt d breefnen bind1 93ihHnung, Etbidasten Hei-rolhen, Vermächtnisse, Tausch unb Kauf, ausgedehnte Besitzungen an sich. Sie erlangten ein Uebergewidjt über anhre, weniger vom Gluck begünstigte Familien, und bemühten sich eine immer größere Unabhängigkeit zu erlangen. (Statt der Nomen ihrer Gaue legten sie sich fortan die Nomen ihrer Geschlechter und Stammschlösser bei und regierten ihre Bezirke nicht mehr im Auftrag des Kaisers, sondern aus eigner Machtvollkommenheit.
Dritter Abschnitt.
Kessen unter den Landgrafen von Thüringen. (1123—1247.)
1. Ludwig I. (1123 — 1140.)
a) Nach dem Verfall der Karolinger wurden von dem fränkischen Gaugrafen die Konradinger die mächtigsten und erlangten die herzogliche Gewalt über Franken, zu dem damals Hessen gehörte. Es ist bekannt, daß, nachdem mit Ludwig dem Kind (y 11) der le|te Karolinger ruhmlos ins Grab gesunken war, die weltlichen :md geistlichen Großen aus den 5 deutschen Herzogtümern (Fran-ken, Sachsen, Lothringen, Schwaben, Settern) in Forchheim zusammentraten und Konrad von Franken zum König wählten, als welcher er den Namen Konrad I. führte. (Otto der Erlauchte von wachsen hatte wegen seines Huchen Alters die dargebotene Krone ausgeschlagen.) Es ist weiter bekannt, wie der kinderlose Konrad
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am Abend seines Lebens, besorgt um das Wohl des Reiches, seinen Bruder Eberhard veranlaßte, auf die Krone zu verzichten und für die Wahl des thatkräftigen Heinrich von Sachsen, Otto des Erlauchten Sohn, zu wirken. Obgleich mit Eberhards Tode das Herzog-Ihum Franken nicht ganz einging, so erstreckte sich doch die Herrschaft der fränkischen Herzöge nicht mehr auf Hessen. Hier traten vielmehr eine größere Anzahl von adeligen Geschlechtern neben einander auf, von denen die Gisonen, Grafen von Gndensberg, bald alle andern überragten, sodaß, als Ludwig I. Landgraf von Thüringen, ein Sohn Ludwigs des Springers, die Erbtochter Geiso's IV. von Gudensberg heirathete, alle hessischen Großen denselben als ihren Landesherrn anerkannten. Kaiser Lothar belehnte ihn (1130) in feierlicher Versammlung zu Quedlinburg durch Ueberreichung der Fahne mit der Landgrafschaft Thüringen und er nannte sich fortan Ludwig I., Landgras von Thüringen.
Die Landgrafschaft Thüringen war aber in folgender Weise entstanden: Ein Nachkomme Karls des Großen aus Frankreich, Ludwig der Bärtige, erwarb um 1039 große Güter am Thüringer Wald, in deren Besitz ihn sein Verwandter, der fränkische König Konrad II. bestätigte. Sein Sohn Ludwig der Salier, von seinem sagenhaften Sprung von der Burg Giebichen-stein in die Saale auch der Springer genannt, erbaute auf einer Bergkuppe die Wartburg, welche durch ihre Schicksale eine heilige Stätte geworden ist. Sein Sohn war der obengenannte Ludwig I., Landgraf von Thüringen (und Hessen).
2. Ludwig II., der Eiserne. (1140—1172.)
a) Woher der Sohn Ludwigs I. den Beinamen „der Eiserne" erhalten hat, ist ungewiß. Einige sagen: „Als Landgraf Ludwig
noch jung war, bekümmerte er sich wenig um sein Land. Die adeligen Herren gingen ganz übel mit den Bauern um, sodaß diese, wenn sie kein Zugvieh mehr hatten, sich selber vor den Pflug spannen mußten.
Einst verirrte sich Ludwig auf der Jagd, und konnte nach langem Umherirren keine andere Unterkunft finden, als in einer einsamen Waldschmiede. Der Schmied, welcher den späten Gast nicht kannte, nahm ihn gleichwohl freundlich aus und setzte ihm vor, was er hatte. Nach dem Nachtessen setzte der Schmied seine
Arbeit fort; er zog den Blasebalg, netzte die Kohlen mit Wasser
und als das Eisen glühend war, hämmerte er darauf los, daß die
Funken weit umher stoben. Dabei sang er die Worte: „Landgraf
Ludwig werde hart!"
Das hörte der Fürst mit großer Verwunderung, doch ließ er
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sich nichts merken, nahm am nächsten Morgen freundlichen Abschied und ritt auf sein Schloß zurück.
Nun fing er an die Klagen zu untersuchen, die er seither wenig beachtet hatte. Da fand er denn, wie seither seine Ritter und Amtleute das Volk mißhandelt hatten. Er forderte sie vor seinen Richterstuhl, gab ihnen harte Verweise und drohte ihnen mit den härtesten Strafen, wenn sie sich wieder etwas derartiges zu Schulden kommen ließen. Die Ritter aber — weit entfernt ihr Unrecht einzusehen — trotzten dem Landgrafen und machten es schlimmer als vorher. Dieser aber war wirklich hart geworden; er nahm die Widerspenstigen gefangen und ließ einige sogar selber vor den Pflug spannen, damit sie einmal sähen, wie es den armen Bauern thäte. Da mußten die Ritter nachgeben, aber sie waren so erbost, daß sie dem Landgrafen nach dem Leben trachteten. Zu seiner Sicherheit trug er deshalb stets einen eisernen Harnisch".
b) Nach einer anderen Sage wäre ihm der Name „der Eiserne" von seinem Schwager, dem Kaiser Friedrich Barbarossa beigelegt worden, wegen nachstehender Begebenheit:
Nach Naumburg hatte den Kaiser sich, den Barbarossa, geladen
Zu Gaste der eiserne Ludewig, ein Herr, durch kräftige Thaten
Gar wohl geachtet, als Held bekannt im ganzen wackeren deutschen Land.
Als sie nun hatten in lustiger Hall gar männlich und wacker gezechet,
Und heiter scherzten beim Becherschall, da spottet der Kaiser: „Ei
sprechet,
Herr Landgraf, Ihr bauet, gern wüßt ich warum, ein treffliches Schloß,
doch nicht Mauern darum."
„Wohl muß ich, mein Kaiser, fiel Ludewig ein, Euch Beifall, wie
billig ist, geben,
Doch wollt ihr, so soll bis zum Morgenschein die Mauer, wie
keine, sich heben!
Nun aber ruft mahnend der Wächter uns zu: Ihr Zecher die
Mitternacht winket zur Ruh!"
„Wohl", sagt der Rothbart, „so wollen wir sehn, was Ludewigs
Rede verkündet,
Nur glaub ich mit nichten, es werde geschehn, wenn nicht sich ein
Zauberer findet! —
x5F führt wohl gar selber was Arges im Sinn? Nun zaubert,
Herr Landgraf, nur immerhin."
Müller. Geschichte von Hessen. 9
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Kaum nahte des Morgenroths glühender Schein, mit freundlich
aufdämmerndem Grauen,
Da trat zu dem Kaiser ins Schlafgemach ein der Landgraf mit
frohem Vertrauen;
„Erwache," —so rief er — „Herr Kaiser und schaut die Mauer, die
während der Nacht ich erbaut!"
Und Friedrich erhob sich, mit Staunen hinaus durchs Fenster
blickt er und siehet,
Wie rings um das Schloß aus dem Boden heraus sich eisernes
Mauerwerk ziehet;
Es stehen gerüstet in endloser Zahl die Völker des Fürsten in
glänzendem Stahl.
Und als Barbarossa auf diesen Wall herab sah freundlich und
heiter.
Empfing ihn schmetternder Hörnerschall, und jubelnd riefen die
Streiter:
„Es lebe der Kaiser, er sehe den Schutz, den wahren vor frevelndem Feindestrutz!"
Da nickte der Kaiser: „Ihr Treuen habt Recht! ei, Landgras,
Ihr seid zu beneiden!
Das nenn' ich den Grundstein der Herrschaft gelegt, solch trefflichen Wall zu bereiten!
Im wachen, im treuen, im tapferen Sinn des Volkes, da ruhet
die Sicherheit drin."
3. Ludwig III. (1172—1190.)
Nach Ludwigs II. Tod übernahm sein Sohn Ludwig III. die Regierung. Er begleitete seinen Oheim, Friedrich Barbarossa, auf seinem Zug ins heilige Land. Wie dieser, sollte auch er von da nicht wiederkehren. Er starb auf der Insel Cypern ohne männliche Erben, weßhalb sein Bruder Hermann (1190) die Regierung übernahm.
4. Hermann I. (1190—1216.)
a) Hermann I. hatte, wie sein verstorbener Bruder eine ausgezeichnete Erziehung genossen. Sein Vater hatte ihn an die Universität Paris geschickt, damit er in den Wissenschaften unterrichtet werde. Von seiner Mutter Jutha, (einer Schwester Friedrichs Barbarossa) welche die schwäbische Dichtkunst nach Thüringen verpflanzte, hatte er die Liebe zur Dichtkunst und zum Minnegesang geerbt. Sein Name ist dadurch unsterblich geworden.
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Hermann luar zweimal verheirathet: zum ersten mal mit Sophie, einer Schwester Leopolds VII., des Ehrenreichen, von Oesterreich und zum zweiten mal mit einer Schwester des Herzogs Otto von Baiern, die ebenfalls Sophie hieß. Aus dieser letzten Ehe wurden ihm 4 Söhne geboren: Ludwig, Hermann, Heinrich Raspe (der Rauhe) und Konrad. Hermann starb schon vor seines Vaters Tod.
Nach der Sitte damaliger Zeit dachte Landgraf Hermann schon frühzeitig an eine Vortheilhafte Verheirathung seines ältesten Sohnes und Thronerben Lndwig. Die Gelegenheit bot sich ihm, nacb der Sage, auf eigenthümliche Weife dar.
Die Liebe zur Dichtkunst uud zum Minnegesaug hatte ihn veranlaßt b Minnesänger*) in seinen Dienst zu nehmen, welche ihm aus feinem (schlosse, der Wartburg, mit ihren Gesängen erfreuten und sein Lob der Mit- und Nachwelt verkünden sollten.
Der^ anfangs friedliche Wettstreit dieser Sänger artete bald in bitteren Haß aus. Heinrich von Ofterdingen übertraf sie alle und weckte taburch ihren Reib. Um ihn los zu werden machten bie cmbern em Komplott. Sie kamen mit ihm überein, baß besi'eu Leben verwirkt sein sollte, ber in bem nochmals anzustellenben Wett-gelange unterliege. Da keiner weichen wollte, so sollte ber Streit enbuch burch bte Würfel entfchieben werben. Heinrich von öfter-ungen verlor, weil seine Gegner sich falscher Würfel bedient hatten, echon erschien der Nachrichter mit dem Strange, um das Urtheil zu vollziehen. Da floh der geängstigte Sänger in das Zimmer der Lanbgraftn unb versteckte sich unter bereu Mantel. Nach bem ne aache eme so ernste Wenbung genommen hatte, trat ber Lanb-graf selber für den verfolgten Sänger ein. Er befahl, baß bem-selben eine einjährige Frist verwilligt werbe, währeub welcher er ben Dichter unb Sauger Meister Kliugsor aus bem fernen Siebenbürgen zur Eutscheibuug herbeiholen sollte.
2Jieifter Klingsor, eine mystische Person, war angeblich ein ©teBenfiiir-
LL'.-L f ***"’ u»d *om ftubirt, groBe toifei, gern«*} „ b ™ Ruft emes hochgelehrten ÄaiuicS und Schwarzkünstlers ber am SJTÄf yr™ä“- «™ Ungarn angeficüt geroefen fei Sii; ©aqc erzählt, daß Osterdingen sich unterwegs zu fange bet Herzog tieotioln vrr °°N-rr-,ch, de» er in feine,. ffle&gL ue/herrlichl K a°7geh-ttm
r~r *) Ihre Namen seien hier aufgeführt: l) Heinrich v Velde ck
feö^rttm11ete°*2!r f ” ^^leich das Amt eines Kanzlers beim ^anbqra= o E'chenbach, 3) Walther von der Bo-6) A e T n i't rft h Kf 1 § wetzen, 5) Johann v. Bitterolf und
ichleckt der fihift? 9 ei^ $te ^sten stammten ans adeligem Ge-
ger aus Eisenach 5U Hamanns vosge„nde, der letzte war ein Bür-
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habe, sodaß die Jahresfrist, als er bei Klingsor ankam, bis auf wenige Tage verstrichen gewesen sei. Dieser habe sich den Vorgang genau erzählen lassen und sich daun entschlossen, das Amt eines Schiedsrichters zu übernehmen. Im Schlafe habe er dann mit Hülfe seiner schwarzen Kunst in einer Nacht den Dichter und seine Begleiter nach dem fernen Thüringen gebracht uni) den Streit zu Gunsten Ofterdingens entschieden.
Eines Abends nun, als Klingsor mit vielen Leuten vom Hofe und achtbaren Bürgern im Garten seiner Herberge beim Abendtrunk gesessen und von seinen Reisen gesprochen habe, hätte man ihn gebeten wieder etwas Neues zu erzählen. Klingsor habe hierauf lange und mit Aufmerksamkeit den gestirnten Himmel betrachtet und endlich gesprochen: „In dieser Nacht wird meinem Herrn, dem Könige von Ungarn, eine Tochter geboren, die wird heilig sein und dem Sohne dieses Fürsten zur Ehe gegeben werden. Von ihrer Heiligkeit wird einst die ganze Christenheit erfreut und getröstet werden." Dieselbe Nachricht habe er am folgenden Morgen dem Landgrafen und seiner Gemahlin überbracht, die sie mit großer Freude aufgenommen hätten.
b) Thatsache ist, daß im Jahre 12] 1 Landgraf Hermann eine große und glänzende Gesandtschaft nach Preßburg abschickte, wo König Andreas II. Hof hielt und für seinen elfjährigen Sohn um die Hand der damals vierjährigen Prinzessin Elisabeth anhalten ließ.
Bereits aus der Reise wurde die Gesandtschaft des mächtigen Landgrafen von Thüringen überall mit größten Ehren empfangen. Auch in Preßburg erwies man ihr alle Ehren und ertheilte die Einwilligung ans ihre Werbung. Reich beschenkt zogen die Abgesandten ihrer Heimath zu. Das vierjährige Kind wurde in ein seidenes Gewand gehüllt, in eine silberne Wiege gelegt und der Gesandtschaft übergeben, mit vielen Kleidern, Gefäßen aus edlem Metall und Prachtgewändern, dergleichen man in Thüringen noch nicht gesehen hatte.' Das Kind wurde auf der Wartburg mit den Töchtern des landgräflichen Ehepaares erzogen und 1221 mit dem Landgrafen Ludwig, der nach dem Tode seines Vaters (1216) zur Regierung gekommen war, vermählt.
5. Ludwig IV., der Heilige (1216—1227) und die heilige Elisabeth.
Beide Ehegatten führten auf der Wartburg ein glückliches Leben, das jedoch nur von kurzer Dauer sein sollte. Ludwig IV., der Heilige, starb schon 1227 aus einer Kreuzfahrt, welche er im Heere Friedrichs II. unternommen hatte, zu Otranto in Unteritalien.
Kaum hatte Ludwig der Heilige seine Augen geschlossen, als sein Bruder Heinrich Raspe, angeblich als Vormund seines minderjährigen Neffen Hermann, die Regierung des Landes an sich riß. Elisabeth wurde mit ihren 3 Kindern von der Wartburg vertrie-
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ben und irrte schutzlos umher, da sie in Eisenach, aus Furcht vor dem Landgrafen, niemand aufzunehmen wagte. Endlich gewährte ihr der Bischof von Bamberg, ihr mütterlicher Oheim, einen anständigen Aufenthalt auf dem Schlosse Bottenstein. Heinrich Raspe, der später fein Unrecht einsah, söhnte sich zwar mit ihr ans und berief sie nach der Wartburg zurück, Elisabeth aber, die sich schon zu Lebzeiten ihres Gemahls die strengsten geistlichen Uebungen auferlegt und alle Bequemlichkeiten des Lebens versagt hatte, trennte sich bald darauf von ihren Kindern und zog sich auf ihren Witt-wenfitz Marburg zurück, wo sie bis zu ihrem Tode (1231) ganz andächtigen Uebungen, Werken der Barmherzigkeit und dem Gehorsam gegen ihren despotischen Beichtvater Konrad von Marburg hingegeben, lebte. Die vielen Wunder, welche ihre Gebeine bewirkt haben sollen, veranlaßten schon 1236 ihre Heiligsprechung. Ueber ihrem Grabe wurde durch Landgraf Konrad die prachtvolle Elisabethenkirche erbaut.
Elisabeth hatte einen Sohn, Hermann und 2 Töchter, von denen die älteste, Sophie, mit Heinrich dem Großmüthigen von Brabant vermählt war.
6. Hermann II. (1216 -42) Heinrich Raspe (1242-1247.)
Hermann II., der heiligen Elisabeth Sohn, während dessen Minderjährigkeit seine beiden Oheime, Heinrich Raspe und Konrad die Regierung geführt hatten, starb 1242 ohne Erben, woraus Heinrich Raspe die Regierung ganz an sich nahm. Lange sollte er sich jedoch seines Besitzes nicht freuen. Aus Wunsch des Papstes trat er (1246) als Gegenkaiser gegen Friedrich II. auf. Er besiegte zwar dessen ^ohn, Konrad IV., in einer mörderischen Schlacht bei Frankfurt a. M., kehrte jedoch nach der vergeblichen Belagerung von Reutlingen und Ulm krank auf die Wartburg zurück, und starb kinderlos 1247.
Vierter Abschnitt.
Kessen unter eigenen Arirsten.
1. Heinrich das Kind. (1247—1308.)
a) Einhundert und siebenzehn Jahre war Hessen ein ErbtheiL , thüringischen Hauses gewesen, als der Tod Heinrichs Raspe eine große Veränderung ankündigte.
Vier NachkommenHermanns I. machten Ansprüche auf dessen Erbe»
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drei Schwestersöhne Ludwigs des Heiligen und dessen Tochter Sophie, die Gemahlin Heinrichs des Großmüthigen von Brabant, für ihren 3jährigen Sohn Heinrich, in der Geschichte „das Kind" genannt.
Sophie hatte mit der Frömmigkeit ihrer Mutter zugleich den Heldensinn ihres Vaters geerbt. Nach ihres Mannes Tod abgetrennt von Brabant, wo ihr Stiessohn Heinrich der Sanstmüthige regierte, fand sie sich plötzlich in einer Lage, welche bei der größten Umsicht einen selbständigen, entschlossenen Willen erforderte. Es war die Zeit unmittelbar vor dem Interregnum. Im deutschen Reiche bekämpften sich zwei Kaiser: Friedrich II. und der von den geistlichen Reichsfürsten an Heinrichs Raspe Stelle erwählte Gegenkaiser Wilhelm von Holland. Die mächtigeren Fürsten benutzten die Unsicherheit zur Vergrößerung ihrer Macht und die Ritter hausten auf ihren festen Raubschlösseru als Schrecken des Kaufmanns und friedlichen Bürgers.
Markgraf Heinrich v. Meißen, einer der Bewerber um die thüringische und hessische Erbschaft, im Besitze der meisten Schlösser in Thüringen, zugleich sehr reich und von den Großen in Thüringen, die er überrascht hatte, bereits anerkannt, war in der Lage, nicht nur seinen Besitz behaupten, sondern auch mit hessischem Gebiet vergrößern zu können. — Auch Herzog Otto von Braunschweig, sowie Bischof Siegfried von Mainz hatten bereits beträchtliche Stücke von Hessen sich angeeignet; die Grenzen waren von Raubschlössern umlagert.
b) Unter diesen Umständen erschien Sophie mit ihren Erben in Marburg, wo das Andenken an ihre Mutter noch lebendig war. Hier zeigte sie den versammelten Bürgern ihren hoffnungsvollen Sohn und empfing die ersten Huldigungen ihrer Hessen. Man erzählt, daß sie auf einem Wagen, ihren Erben aus dem Schoße, von vielen Gewappneten umgeben, allenthalben die Städte ihres väterlichen Erbgutes besucht habe und von den getreuen Bürgern in feierlichem Aufzuge empfangen worden sei. Eine Anzahl getreuer adeliger Herren eilten zu ihr und halfen ihr theils die väterlichen Burgen und Schlösser erobern, theils die Raubnester zerstören. Den Weißenstein bei Marburg zerstörte sie sogar mit Hülfe der Bauern eines benachbarten Dorfes. Auf einem Hügel der Lahn-Berge, unweit Marburg, erbaute sie zum Schutze ihrer Besitzungen die „Frauenburg."
Hieraus zog Sophie nach Thüringen, wo sich ihr die Stadt Eisenach mit der Wartburg öffnete. Auch ihr Verwandter und Gegner, Markgraf Heinrich von Meißen, kam dahin und gewann
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ihr Zutrauen. Nachdem sie einige streitige Punkte ausgeglichen hatten, übertrug sie ihm sogar die Vormundschaft über ihr Land und übergab es ihm „zu getreuer Hand," in der Ueberzeugung, daß nur hierdurch die Ruhe bis zu einem Ausspruch des Kaisers und der Fürsten erhalten und jede verderbliche Einmischung feindseliger Nachbarn vermieden werden könne. Sie glaubte um so sicherer auf die Treue des Markgrafen bauen zu können, als ihr Vater seiner Zeit mit großmüthiger Uneigennützigkeit die Vormundschaft über den jungen Markgrafen geführt hatte.
c) Das enge Bündniß zwischen Sophie und Heinrich dem
Erlauchten war auch anfangs so ersprießlich für Thüringen und Hessen, daß weder Kirchenbann noch Interdikt des Bischofs von
Mainz irgend einen Eindruck auf diese Länder machte. Als jedoch Heinrich sich mit dem Erzbischof von Mainz aussöhnte und alle Lehen der Laudgraffchaft Thüringen von ihm annahm, dagegen für Hessen nichts als einen Aufschub von 2 Jahren (bis zur Mündigkeit Heinrichs des Kindes) und einen allgemeinen Landfrieden aus-
bedung, da kehrte Sophie rafch aus Brabant zurück und hob die
angeordnete Statthalterschaft auf. Markgraf Heinrich behielt jedoch die Wartburg und das hessische Stammschloß Gndensberg zurück. Man erzählt, daß um diese Zeit, da auch die Stadt Eisenach ihr den Einzug verweigern wollte, sie mit einer Axt an das Thor geschlagen und die Oeffnnng mit unwiderstehlichem Muthe erzwungen habe. Da eine Entscheidung des Kaisers bei den damaligen traurigen Zuständen des Reiches nicht zu erwarten war, so konnten nur die Waffen entscheiden.
Sophie verband sich daher mit Albrecht dem Großen, dem Nachfolger Ottos von Braunschweig (ihres früheren Feindes), indem sie ihm ihre Tochter Elisabeth zur Frau gab uud ihren Sohn mit dessen Schwester Adelheid verlobte. Nun gab Heinrich Gndensberg heraus und beschränkte sich nur auf Thüringen. Der Krieg war jedoch trotzdem nicht zu vermeiden. Nach jahrelangen, mit abwechselndem Glück geführten, zum Theil blutigen Kämpfen und nachdem Albrecht in Gefangenschaft gerathen war, kam 1263 ein Vertrag zu Stande, der den „thüringischen Erbfolgekrieg" beendigte.
ä) Heinrich, der unterdessen mündig geworden war, legte den Titel eines „Landgrafen von Thüringen" ab und begnügte sich mit Hessen. Er nannte sich „Landgraf und Fürst zu Hessen" und verlegte seine Residenz nach Kassel. In einer fast 44jährigen Regierung säuberte er fein Land von Raubrittern, schützte es gegen die Anmaßungen übelwollender Nachbarn, vergrößerte es durch passende Erwerbungen und errang sich die Achtung der hessischen
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Großen, sodaß sie ihn bereitwillig als ihren Landesherrn anerkannten.
Nachdem die „kaiserlose, schreckliche" Zeit mit der Erwählung Rudolphs von Habsburg ihr Ende erreicht hatte, half er diesem seine Feinde überwinden, namentlich den König Ottokar von Böhmen. Er erlebte noch den Schmerz, daß sein erstgeborner Sohn Heinrich sich gegen ihm empörte, weil er mit der beabsichtigten Theilung des Landes unzufrieden war. Ihm folgten in der Regierung seine beiden jüngeren Söhne: Ioh annes, in Niederhessen und Otto in Oberhessen. Als ersterer schon im 3. Jahre seiner Regierung gleichzeitig mit seiner Gemahlin und Tochter an der Pest starb, so fiel das ganze Land seinem Bruder Otto zu.
2. Otto I (1308—13-28.)
Derselbe wird als ein frommer, weiser und friedliebender Fürst geschildert. Er hatte die Landestheilung seines Vaters ebenfalls nicht gebilligt und war bemüht, das Recht der Erstgeburt in Hessen einzuführen. Wenn ihm dies auch nicht gelang, so vererbte er doch, obgleich er zwei Söhne hatte, das Land nngetheilt auf seinen ältesten Sohn.
3. Heinrich II., der Eiserne. (1328—1376.)
Seine ganze Persönlichkeit hat einen romantischen Anstrich und es ist in seiner Geschichte schwer Wahrheit und Dichtung zu trennen. Schon sein Name, „der Eiserne" ist historisch unerklärt, wie man auch weder das Jahr seiner Geburt, noch das seines Todes sicher kennt. Die romantischen Erlebnisse seines früh verstorbenen Sohnes Otto hat Gottfried Kinkel in einem schönen epischen Gedicht, „Otto der Schütz", verewigt.
Nach dem Tode seines einzigen Sohnes Otto nahm Heinrich den Sohn seines Bruders Ludwig, Hermann den Gelehrten, zum Mitregenten an, welcher auch sein Erbe und Nachfolger wurde.
4. Hermann der Gelehrte. (1367, resp. 1376— 1413.)
a) Als Sohn des jüngeren Bruders Heinrichs des Eisernen hatte er feine Aussicht zur Regierung zu gelangen, und widmete er sich daher gelehrten Studien und dem geistlichen Stande. Er studirte in Paris und Prag und erwarb sich an letzterem Orte den Grad eines Magisters der freien Künste (Baccalanreus). Später ward er Domherr zu Magdeburg, bis ihn sein Oheim Heinrich II. 1367 zum Mitregenten und bereinftigen Nachfolger berief. Er
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hatte gleich von Anfang einen schweren Stand bei dem hessischen Landadel, denn zu jener Zeit des Faustrechtes konnte nur rohe Körperkraft sich Geltuug verschaffen, dagegen hielt man feinere Sitten und gelehrte Kenntnisse eines Fürsten und Ritters unwürdig. Seine Edelleute trauten ihm wenig ritterlichen Sinn zu und höhnten keck: „sie wollten schon den Baccalanrens reisig machen." Aber sie hatten sich verrechnet uud fanden bald, daß in dem Gelehrten der Ritter nicht untergegangen war.
b) Wie es zu jener Zeit in Deutschland aussah, schildert ein Geschichtsschreiber folgendermaßen: „Damals stimds in Deutschland und fürnämlich am Rhein also, daß wer der Stärkste war, der schob den anderen in den Sack, wie er konnt und möchte: und die Reuter und Edelleute nährten sich aus dem Stegreif, mordeten, wen sie konnten, verlegten und versperrten die Pässe und Straßen und stellten denen, so ihres Gewerbes halber über Land ziehen mußten, wunderbarlich nach; daneben hatten etliche Herrschaften Zoll am Rhein aufgerichtet; auch war das arme Volk mit übermäßigen unbilligen Schatzungen hoch beladen und beschwert."
Um sich vor derartigen Unbilden möglichst zu schützen und ihren Handel zu sichern, hatten sich, nach dem Vorgang anderer Städte im Reiche zuerst die Städte Mainz und Worms vereinigt, und gegenseitigen Beistand gelobt. Beiden schlossen sich nach kurzer Zeit viele andere Städte am Rhein und in Hessen sowie eine Anzahl gutgesinnter Fürsten und Herren an. Dieser Buud ist in der Geschichte als „rheinischer Städtebund" bekannt. Er hatte stets ein schlagfertiges Heer bereit und vermochte seinen Angehörigen wirksamen Schutz zu verleihen. Von hessischen Städten gehörten demselben an: Mainz, Worms, Wimpfen, Friedberg, Marburg, Alsfeld, Gründe rg, Hersfeld, Fulda, Bingen u. a.
Neben den Städten hatten sich auch die Ritter und Herren zu Bund« nissen geeinigt. Da aber alle diese Vereinigungen die Erhaltung der Gerechtsame der einzelnen Glieder bezweckten, so war es bei der Verschiedenheit der Interessen nicht anders möglich, als daß Anstöße und Zerwürfnisse erfolgten. So finden wir denn in jener Zeite endlose Fehden zwischen den Städtebündnissen und Ritterbündnissen. In der Regel findet man aber, daß die Städte entschieden eintraten für die Rechte ihrer angestammten Fürsten. Auch Hermann war es nur mit Hülfe der Städte möglich, den widerspenstigen Adel zu bezwingen.
c) Der offenbare Hohn mit welchem ihn der Landadel empfing, veranlaßte Hermann, im Einverständnis mit seinem Oheim Heinrich dem Eisernen, viele der Ritter zu entlassen, welche als Vertheidiger, in den landgräflichen Burgen und Schlössern saßen und deren Verköstigung ihm, den Städten und Gemeinden zur Last fiel. Außer diesen Rittern gab es noch eine ganze Menge von Adeligen, denen eine einheitliche und kräftige Landgrafschaft nicht behagte, die entweder selber nach Unabhängigkeit strebten, oder bei der Vertheilung einer großen Güterbeute zu gewinnen hofften. So bildete sich gegen Hermann und seine getreuen Städte der „Sternerbund", eine furchtbare Gesellschaft von mehr als 2000 Rittern, Freiherren und Grafen aus Hessen, Westfalen, Buchonin, Franken und der Wetterau, unter denen 850 Inhaber von Schlössern waren. Als Anstifter gilt Herzog Otto von Braunschweig; das Haupt des Bundes aber war Graf Gottfried von Zie-
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genhain, aus dessen Wappen man auch das Bundeszeichen — einen Stern — der an den Steigbügeln oder an Kappen getragen wurde, wählte.
Man erzählt, daß selbst die Hofdiener des Landgrafen sich mit dem Stern versehen hätten, um im Augenblick der Gefahr sich Sicherheit zu verschaffen.
Die^ beiden Landgrafen erließen zwar eine schriftliche Abmahnung an ihre Basallen und Burgmannen, dem Bunde nicht beizutreten, oder auszutreten, falls sie Glieder wären, aber ohne Erfolg. Bei einer außerordentlichen „Tagsatzung" zu Marburg, schilderte Hermann den Abgeordneten der oberhessischen Städte die Lage des Landes und die Treulosigkeit seiner Vasallen. Als er unter Thränen erklärte, daß er alle ihm treuen Ritter mit einem Brode speisen könne, erhoben sich die Vertreter der Städte und vergießen dem Landgrafen Leib und Gut. Landgraf Hermann, hierdurch er-muthigt nnd gestärkt, verwarf nun selbst den Vorschlag seines Oheims, durch eine Gebietsabtretung an Braunschweig die Ruhe seines Landes zu erkaufen und beschloß auszuharren in dem aufgedrungenen Kampfe.
d) Die Städte hatten in der Folge schwere Drangsale zu erdulden, doch waren ihre Bürger von einem tapferen Geiste beseelt. Es gelang ihnen nicht selten, die Anstürmenden zurückzuwerfen und ihnen empfindlichen Schaden zuzufügen. Bei Wetzlar gelang es den mit Hermann verbündeten Grafen von Solms, Otto und Johann II., nach einem siegreichen Treffen die Häupter des feindlichen Heerhaufens gefangen zu nehmen. Graf Otto ließ leine Gefangenen als treubrüchige Vasallen hinrichten, Johann dagegen, vielleicht durch ein Lösegeld bestochen, vielleicht auch entschlossen von Hermann abzufallen, entließ die seinigen heimlich. Hierüber entrüstet, überfiel ihn Landgraf Hermann, behandelte ihn als offenen Feind und begann, um die Stadt Wetzlar zu schützen, ihn selbst aber zu bezwingen, auf einer Anhöhe <xn der Dill eine Feste zu bauen, die nach ihm Hermannstein genannt wurde.
Auf diese Weise wurde die Kraft der Stern er getheilt und ihr Name fiel bald der Verachtung anheim. Auch mit Thüringen und Mainz hatte Hermann zu kämpfen und seine Hauptstadt Kassel hatte zwei Belagerungen auszuhalten. Das letzte mal rettete ihn der Muth seiner zweiten Gemahlin, 'einer Tochter des Burgrafen Friedrich V. von Nürnberg. Dieselbe wagte sich nämlich in das feindliche Lager und bewog durch ihre Beredsamkeit den Landgrafen Balthasar v. Thüringen zum Abzug.
5. Ludwig I., der Friedfertige. (1413—1458.)
a) Das Leben und Wirken dieses Fürsten, eines Sohnes Hermanns des Gelehrten, bilden in den unerquicklichen Wirren und Fehden seiner Zeit einen angenehmen Ruhepunkt. Er verstand es einerseits seine Feinde zu züchtigen, aber andrerseits auch wieder mild und versöhnlich zu sein. Um seinem Volke Ruhe und Frieden zu sichern, verzichtete er auf seine Erbausprüche in Brabant und schlug selbst die ihm nach Albrechts II. Tod (1440) angebotene Kaiserkrone aus. Da er in seiner Jugend schwächlich war, so hatte er weder Lesen noch Schreiben gelernt; trotzdem wurde er vielfach als Schiedsrichter angerufen. Sehr gottesfürchtig, war er in seiner Jugend mit seinem Freuude, dem Grasen Johann von
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Ziegenhain, am heiligen Grabe gewesen. In Venedig sollen da-sige Kaufleute in dem Grafen von Ziegenhain den Ritter wieder erkannt haben, der sie einige Jahre vorher auf einer Geschäftsreise durch Ziegenhain'sches Gebiet beraubt hatte und seine Gefangennahme bewirkt haben. Ludwig schoß ihm das für seine Freilassung geforderte Lösegeld iu uneigennützigster Weise vor. Die Dankbarkeit veranlaßte diesen hierauf, da er nicht mit Kindern gesegnet war, Ludwig als Erben einzusetzen. Auf diese Weise kamen die Grafschaften Ziegenhain und Nidda mit den schönsten Theilen der Wetterau an Hessen. Sein Ruf war so allgemein verbreitet, daß ihm 1450 Papst Nikolaus VI. bei seiner Anwesenheit in Rom, gelegentlich des großen Jubiläumsfestes, als dem Würdigsten, die geweihte goldne Rose mit dem Titel „Friedensfürst" verlieb.
Statt der schon entarteten Klöster beförderte Ludwig die Stiftung von Häusern der „Brüderschaft des gemeinen Lebens" oder der „Kugelherrn" (von ihrer kugelförmigen Kopfbedeckung) und damit wissenschaftliche Bildung. Das wichtigste Ereigniß unter seiner Regierung ist unstreitig die Erfindung der Buchdruckerknust in der Stadt Mainz, die allerdings damals nicht zu Hessen gehörte.
b) Obgleich, wenn von Erfindung der Buchdruckerkunst die Rede ist, Johann Gutenberg, Peter Schösser und Johann Fnst, oder Faust, in Gemeinschaft genannt werden, so gebührt doch die Ehre der Erfindung ausschließlich dem zuerst Genannten. Johann Gutenberg, ums Jahr 1397 zu Mainz geboren, gehörte dem alten Patriziergeschlecht der „Gentfleische" an, weshalb er sich selbst gewöhnlich Genf?fleisch zum Gutenberg nannte.
Schon frühe hatte er Versuche gemacht Buchstaben in Holz auszuschneiden, sie an einander zu reihen und auf Pergament, oder Holz mit Farbe abzudrucken. Als ihn ein Aufstand der Mainzer Bürger gegen die Vorrechte der Patrizier nöthigte, mit seinen Eltern nach Straßburg auszuwandern, setzte er auch da die Versuche fort. Schon im Jahr 1438 war er mit diesen so weit gekommen, daß er statt des Holzes Blei zum Ausschneiden der Buchstaben benutzte; außerdem war es ihm gelungen, feine Presse zu verbessern und eine haftbarere Farbe herzustellen. Doch verstand er noch nicht den an einander gereihten Buchstaben die gehörige Haltung zu geben. Nach seiner Rückkehr nach Mainz setzte er feine Versuche mit solchem Glück fort, daß er die Absicht hegen konnte, ein großes vollständiges Werk zu drucken, wozu er die Bücher der heiligen Schrift wählte. Da es ihm aber an Geld fehlte, so sprach er den reichen Goldschmied Fust darum an. Dieser lieh ihm gegen 6 Prozent und die Hälfte des Gewinns 1550 Goldgulden, ließ sich aber zugleich Gutenbergs ganzes Werkzeug als Pfand verschreiben. Ums Jahr 1450 war die Bibel vollendet. Aber gerade als Gutenberg zur Fortsetzung feines Geschäftes das Geld am nöthigsten brauchte, forderte Fust fein Kapital zurück und nahm, als dieser nicht zahlen konnte, die Druckerei an sich. Um Gutenbergs Erfindung für sich selbst auszunützen verband er sich mit feinem Hauslehrer Peter Schösser aus Gernsheim, Der sich früher als Schönschreiber in Paris aufgehalten und Handschriften copirt hatte.
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?°tzterer war ein erfinderischer Kopf. Er fand bald, daß das Ausschneiden -er Buchstaben aus Holz oder Blei viel zu mühsam und kostspielig sei und versuchte dieielben zu gießen, was ihm auch nach einigen Versuchen glückte. Äpater erfand er eine zweckmäßigere Metallmischung und eine schwärzere ersetzte ro“^rent) er bie plumpen Buchstaben Gutenbergs durch gefälligere
Es ist leicht einzusehen, daß Fust und Schöffer, denen Gutenbergs vollkommen eingerichtete Druckerei zur Beifügung stand, vor diesem selbst einen Ursprung von mehreren Jahren gewannen und sich die großen Vortheile sichern konnten, welche der Verkauf ihres ersten Druckwerks ihnen bringen mußte. a
©choti 18 Monate nach ihrer Trennung von Gutenberg brachten sie nn Werk zu Stande, das noch heute als Meisterstück der Buchdruckerkunst bezeichnet werden kann, das „Psalterium“ mit der Jahrzahl 1557.
- ■ ^utenberg hatte zwar sein Vermögen, aber nicht seinen Muth und eine -Thatkraft verloren. Ein edler Mann Dr. Konrad Humery unterstützte ihn großmüthig und ermöglichte ihm auch seinerseits seine Erfindung immer mehr zu vervollkommnen. Das erste Werk, welches aus seiner neugeschaffenen Druckerei hervorging, war das „Catholicon“, eine lateinische Grammatik mit der Jahrzahl 1560.
Die dankbare Nachwelt hat Johann Gutenberg in Mainz und Peter Lchoffer in Gernsheim ein Denkmal gegründet.
6. Ludwig II. (1458—1471.) Heinrich III. (1458—1483.)
Unter Ludwigs I. Söhnen wurde das Land abermals getheilt: Ludwig II., der Freimüthige erhielt Niederhessen mit Kassel, Heinrich III. Oberhessen mit Marburg. Diese Bertheilung wurde die Ursache eines blutigen Bruderzwistes, der sich noch verschärfte, als beide sich an dem Kampfe betheiligten, welchen Dieter von Isenburg, der erwählte und Adolph von Nassau, der vom Papste ernannte Erzbischof von Mainz viele Jahre lang führten.
Durch Vermittelung der Laudstüude verglichen sich endlich (1469) die feindlichen Brüder und erhielten (1471) auf dem Reichs-tag zu Regensburg durch Kaiser Friedrich III. die Belehnung mit ihren Gebieten.
Heinrich III. erwarb 1479 durch Verheirathung mit Anna, der Erbtochter des letzten Grafen Philipp' von Katzenellenbogen die niedere und obere Grafschaft Katzenellenbogen nebst der Grafschaft Dietz. Die obere Grafschaft umfaßte den_ größten Theil der heutigen Provinz Starkenburg. Die Grafschaft Dietz wurde nach 57jährigem Streit von Philipp dem Großmüthigen an Nassau abgetreten.
7. Wilhelm I. (1471—1493) Wilhelm II. (1471—1509) Wilhelm III.
(1483—1500.)
Nach Ludwigs II. Tode übernahm Heinrich III. als Oheim
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die vormundschaftliche Regierung für dessen minderjährigen Söhne Wilhelm I. und Wilhelm II.
Als auch Heinrich III. 1483 starb, folgte ihm in der Regierung fein Sohn Wilhelm III., sodaß damals in Hessen 3 Fürsten nebeneinander regierten, welche den Namen Wilhelm trugen.
Wilhelm I., der Aeltere, wurde auf der Rückreise von Palästina geisteskrank und mußte deshalb (1493) abdanken; Wilhelm III., der Jüngere, verunglückte (1500) aus der Jagd. In Folge dessen vereinigte Wilhelm II., der Mittlere, ganz Hessen unter seinem Scepter. Er war ein thatkräftiger Regent, den ein enges Freundschaftsband mit Kaiser Maximilian I. vereinigte und an dessen Seite er mit seinen Hessen in Flandern und Ungarn kämpfte. Als er 1509 starb, vererbte er sein Land nngetheilt auf feinen Sohn.
8. Philipp der Großmüthige. (1509—1567.)
a) Derselbe war am 13. Nov. 1504 auf dem Schlosse zu Marburg geboren. Kaum 5 Jahre alt, hatte er das Unglück feinen Vater zu verlieren. Derselbe hatte zwar den Hofmeister Konrad von Wallenstein nebst andern Herren vom Adelsgeschlecht zu seinen Stellvertretern ernannt, wenn er allenfalls zu früh vom Tode überrascht werdeu sollte, widerrief aber diese Verfügung auf dem Sterbelager und ernannte feine Wittwe Anna von Mecklenburg zur Regentin des Landes und Vormünderin seines Sohnes. Kaum hatte er aber die Augen geschlossen, als sich einige der angesehensten hessischen Ritter zu Regenten des Landes auswarfen. Erst 1514 gelang es den unzufriedenen Landständen mit Hülfe der Bürger von Kassel und Marburg die Mutter in ihre Rechte einzusetzen, die sie nun bis zur Volljährigkeit ihres Sohnes, in Verbindung mit einem aus den vornehmsten Rittern und den Abgeordneten der Städte gebildeten Ausschuß, ausübte. Schon 1518 in seinem 14. Jahre wurde Philipp von Kaiser Maximilian für-volljährig und regierungsfähig erklärt. Philipp war nicht groß von Körper, aber kräftig und durch Jagd und Waffenspiel abgehärtet.
b) Kaum hatte Philipp die Regierung seines Landes angetreten, als ihm Franz v. Sickingen, einer der reichsten und tapfersten Ritter Deutschlands und das Haupt aller ritterfchaftlichen Vereine am Rhein, in Franken und Schwaben, um nichtiger Ursache willen, einen Fehdebrief zusandte. Ihm gesellten sich alle hessischen Ritter zu, die aus irgend einem Grunde mit dem Landgrafen unzufrieden waren, während viele befreundete Fürsten und Herren vorzogen unter theilweise hinfälligen Entschuldigungen neutral zu bleiben.
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Die versprochene Hülfe des Markgrafen von Brandenburg, sowie ein erwirktes Stillstandsgebot des Kaisers, kamen zu spät. Den jungen Landgrafen selber hatte seine Mutter nach Spangenberg in Sicherheit gebracht. Als Sickingen mit seinen dreitausend Reitern und zehntausend Fußgängern an der Grenze des Landes brennend und plündernd erschien, stand ihm die ganze Grafschaft Katzenellenbogen offen. Das „Gerauer Ländchen" und die Bergstraße wurden mit Plünderung heimgesucht und durch Feuer und Schwert verwüstet; nur ein kleines befestigtes Schloß, Stein, welches an der „Mainspitze" lag, wurde von einigen Rittern tapfer vertheidigt. Plötzlich umzingelte Sickingen Darmstadt, in welchem sich die Blüthe des hessischen Adels befand. Statt sich zu vertheidigen und auf die von Brandenburg zugesagte Hülfe zu warten, schloß man in der Bestürzung mit Sickingen einen Vertrag, in welchem ihm alle Forderungen zugestanden wurden. 80 hessische Ritter übernahmen die Bürgschaft, da der Landgraf nicht zugegen war. Dem Hauptartikel kam Philipp nach, indem er 35000 Gulden (in lauter Hellern) nach Mainz abführen ließ; für die übrigen Artikel dieses schimpflichen und übereilten Vertrags, den auch Kaiser Maximilian für nichtig erklärte, hielt er weder sich, noch seine Ritter verpflichtet.
Sickingen verlangte die Ausführung des Vertrags und drohte „er werde bald die alten Herbergen wieder aufsuchen." Als man ihm den stolzen, hochstrebenden Sinn des jungen Fürsten schilderte, sagte er lächelnd: „Ein Kind versöhnt man mit einem Apfel." Von allen Seiten im Stiche gelassen, wurde Philipp Mitglied des „schwäbischen Bundes." Dieses Bündniß legte ihm zwar schwere ilpfer auf, aber es bot ihm doch wirksamen Schutz, denn selbst Sickingen scheute sich einer solchen Macht die Stirne zu bieten uud ließ teilte Drohungen unerfüllt.
Das höhnende Wort aber konnte ihm der junge Landgraf nicht vergessen; er wartete auf eine günstige Gelegenheit um ihm die wohlverdiente Züchtigung geben zu können. Diese fand sich bald, als Sickingen den Erzbischof von Trier überfiel. Philipp verband sich mit dem Kurfürsten von der Pfalz, um dem bedrohten Standesgenoffen zu Hülfe zu kommen. Sickingen zog vor, unverrichteter Dinge wieder abzuziehen, nicht ohne das Trierer Land seinen Zorn fühlen zu lassen. Die verbündeten Fürsten wollten jedoch nicht auf halbem Wege stehen bleiben, sondern die „böse Wurzel" ausrotten. Nachdem sie einige Verbündete Sickingens gezüchtigt hatten, rückten sie vor dessen Burg Nannstuhl in der Pfalz, um sie zu belagern. Sickingen wurde durch einen Splitter tödtlich
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in der Seite verwnndet und mußte seine Burg übergeben. Die Fürsten fanden den gebeugten Löwen sterbend in einer Mauerhöhle. Angesichts des Todes verschwand Philipps Zorn und er vermochte es sogar tröstende Worte an seinen ehemals grimmigen Feind zu richten. Die gemachten Eroberungen gab er später an die Familie des früheren Besitzers zurück, um, wie er sagte, mit Ruhe und Zuversicht beten zu können: Vergieb uns unsere Schuld, wie wir unsern Schuldigem vergeben.
c) Im März 1521 erschien der 17jährige Landgraf mit stattlichem Gefolge auf dem Reichstag zu Worms, wo er für sich und seine Nachkommen die Belehnung über die Landgrafschaft vom Kaiser empfing. Hier wurde er von der Macht der evangelischen Wahrheit, wie sie Dr. Martin Luther verkündigte, tief ergriffen und fein Geist von dem göttlichen Lichte erleuchtet. Das Evangelium wurde von da an die Richtschnur seines Lebens, der er bis zu seinem Tode treu zugethan blieb. Schon zu Worms hatte er unter einem warmen Händedruck zu Luther das männliche Wort gesprochen: „Habt ihr Recht, Herr Doktor, so helf euch Gott! und ihm treues und sicheres Geleit durch fein Gebiet gewährt.
ä) Nur innere Ueberzeugung, nicht eigennützige, oder politische Beweggründe hatten Philipp der evangelischen Lehre zugeführt und dieses veranlaßte ihn, auch seinem Lande die Segnungen der Reformation zu sichern. Aber nicht auf fürstlichen Befehl, sondern aus freier Entschließung sollten feine Unterthanen sich zur neuen Lehre bekennen. Deshalb schrieb er 1526 eine Synode nach Homberg aus. Hier erschienen die Grafen, Ritter, Abgeordnete der Städte, Prälaten, Vorsteher re. um die Grundzüge einer Verfassung der evangelischen Kirche der Landgraffchaft zu berathen. Das Evangelium wurde die Grundlage des Glaubens, die Ehelosigkeit der Priester aufgehoben, das Abendmahl in beiderlei Gestalt vertheilt, die Ohrenbeichte abgeschafft und der Gottesdienst in deutscher Sprache gehalten. Etwa 50 Klöster mit über 1000 Mönchen und Nonnen, wurden hieraus aufgehoben und deren Einkünfte theilweise für Kirchen und Schulen verwendet; ferner wurden Hospitäler für Kranke, Gepreßte und Wahnsinnige errichtet, darunter auch das zuHosheim bei Crumstadt, sowie die Festung Ziegenhain erbaut und die Universität Marburg gegründet, damit aus ihr „unerschrockene Bekenner Christi und Vertheidiger der evangelischen Wahrheit" hervorgingen.
e) Mit den evangelischen Fürsten, mit welchen Philipp bereits 1526 ein Büudniß zu Torgau geschlossen hatte, unterzeichnete er auch 1529 in Speier die „Protestation," welche den Evangelischen den Ehrennamen „Protestanten" verschaffte und als kräftigster
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Ausdruck evangelischer Ueberzeugung und Gewissensfreiheit angesehen werden muß.
f) Um Luther und Zwingli, welche namentlich in der Auf->asiung der Lehre vom heiligen Abendmahl von einander abwichen, zu vereinigen, veranlaßte er 1529 in Marburg ein Religionsgespräch, das leider bei dem unbeugsamen Widerstand der Wittenberger Theologen nicht zum Ziele führte.
Phl^pp ivar es auch, der auf dem Reichstag zu Augsburg 1o30 darauf drang, daß die von Melanchthon verfaßte „Augsburgische Confession", das Bekenntniß des evangelischen Glaubens, nicht bloß lateinisch, sondern auch deutsch verlesen wurde.
g) Für Aufrechthaltung der gesetzlichen Ordnung im Reiche trat der Landgraf überall freudig und mit allem Nachdruck in die Schranken. Um 1525 brachen in dem größeren Theile von Deutschland Unruhen unter den Bauern aus. Dieselben hatten die Pre-bi9LÜD.n der „evangelischen Freiheit" falsch aufgefaßt und standen nt Masse auf, um die wirklichen oder vermeintlichen Lasten, welche sie drückten, abzuschütteln. Sie schritten bald zu ruchlosen Widersetzlichkeiten und frevelhaften Gräuelthaten fort, plünderten Schlösser und Klöster, zerstörten die Gotteshäuser, sengten und mordeten. Es waren mitunter Schaaren von 20000 beisammen. Bei Heil-bronn wurden 80 Ritter ohne Erbarmen in die Spieße der blutdürstigen verwilderten Bauern getrieben. In 12 Artikeln stellten sie ihre Forderungen zusammen. Philipp war feinen Augenblick im Zweifel, was er zu thun habe und schickte einige Hundert Mann dem schwäbischen Bunde zu, der sich anschickte, die Bauern zu bekämpfen. Kaum waren die Hessen auf dem Marsche, als sich die Kunde verbreitete, daß auch an den Grenzen seines Landes die Empörung ausgebrochen sei. Von Thüringen waren mehrere Hau-feit von 5, 7 und 8000 Mann im Anzuge, in Fulda standen 10000 und gegen Hersseld waren 5000 in Bewegung.
Vorerst wollte der Landgraf, um Blutvergießen zu vermeiden, unterhandeln. Man verlangte, er solle die 12 Artikel annehmen. Aus solche Bedingungen konnte der Landgraf unmöglich eingehen. Er befchied daher feine treuen Hessen nach Alsfeld zu einer Berathung und sprach den Versammelten das Vertrauen ans, daß sie ihren angestammten Regenten in dieser gefahrvollen Zeit nicht im Stiche lassen würden; wer auf seiner Seite stehen wollte, solle die Finger erheben. Alle erhoben gleichzeitig unter lauter Versicherung ihrer Anhänglichkeit ihre Hände, die Hessentreue hatte sich abermals bewährt. Schon am nächsten Morgen brachen die Gerüsteten auf, um die Grenze zu sichern. Die Rebellen in
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Hersfeld baten um Gnade und erhielten großmüthig Verzeihung; nur zwei ihrer Anführer mürben mit Verbannung gestraft. Fulda leistete zwar Widerstand, mußte sich aber bald ergeben. Hier wurden die Rädelsführer enthauptet. Die Bauern wurden in den Stadtgraben getrieben und mußten daselbst zur Strafe 3 Tage ohne Nahrung bleiben.
h) In Thüringen Hatte ein Geistlicher, Thomas Münzer, die Köpfe verrückt. Er predigte gegen den Papst und gegen Luther, verwarf die Kindertaufe, rühmte sich göttlicher Offenbarungen und verhieß den Armen Gütergemeinschaft. Ein Gehülfe von ihm durchzog die Gegend von Mühlhausen und verbreitete durch Plünderung und Brand Angst mb Schrecken. Philipps Schwiegervater, Herzog Georg von Sachsen, beschloß durch Waffengewalt den Aufruhr zu stillen. Philipp, zur Hülfe aufgefordert, war rasch zur Hand. Bei Frankenhausen wurden die Meuterer geschlagen. Man zählte 5000 Leichen in der Stadt und Umgegend. Münzer selbst wurde vou einem Soldaten aus einem Speicher, wohin er geflohen, entdeckt und unter furchtbaren Dualen mit feinem Gehülfen Pfeifer Hingerichtet. Der Papst sandte dem Landgrafen wegen dieses Sieges ein schmeichelhaftes Danksagungsschreiben. —
i) Herzog Ulrich von Württemberg Hatte durch eine verschwen-berische, prachtliebenbe Regierung sein Lanb in Schulden gestürzt, was einen gefährlichen, schwer zu unterdrückenden Ausstand veranlaßte. Als er gar seinen früheren Günstling Hans von Hutten aus Eifersucht erstach und die Reichsstadt Reutlingen überfiel um sie mit seinem Lande zu vereinigen, da erhob sich der Württembergische Adel und der schwäbische Bund gegen ihn und verjagte ihn aus seinem Lande. Der schwäbische Bund, der nicht wnßte, was er mit Württemberg ansangen sollte, verkaufte das Laub an ben Bruder des Kaisers, den König Ferdinand. Ulrich wurde in die Acht erklärt und irrte heimathlos umher. Das Unglück jedoch gewann dem vertriebenen Herzog manches Herz. Philipp gab demselben sicheren Aufenthalt auf feinen Schlössern an der Bergstraße, auch legten mehrere deutsche Fürsten Fürsprache für den hinlänglich Gestraften bei dem Kaiser ein. Die Bitte war umsonst. Aus dem Reichstag zu Augsburg beugte Philipp sogar sein Knie vor dem Kaiser um Gnade für seinen Verwandten zu erhalten. Da der Kaiser einer Antwort auswich, jo beschloß Philipp hierauf den Herzog mit Waffengewalt wieder in sein Land einzusetzen. Weil er aber von deutschen Fürsten keine Unterstützung erhalten konnte, so wandte er sich an Frankreich, das ihm gegen Verpfändung einiger württembergischer Besitzungen eine bedeutende Geldunterstützung verwilligte. Mit einem wohlgerüsteten Heer von 16000 Fußgängern
Müller. Geschichte von Hessen. S
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und 4000 Reitern wurden die Grenzen Württembergs überschritten, das Land nach kaum 3 Wochen erobert und seinem rechtmäßigen Herrn wiedergegeben. Ferdinand, der umsonst den Papst umHülfs-gelder angegangen hatte, mußte in dem Vertrag von Kadan das Geschehene gut heißen.
k) Da die Wiedertäufer nach Münzers Niederlage in Deutschland nirgends geduldet wurden, so hatten sie sich nach Holland zurückgezogen. Von hier aus waren sie bemüht, ihre verderblichen Grundsätze zu verbreiten. Als sie hörten, daß in Münster die evangelische Lehre Eingang gefunden habe, versuchten sie, ob sie nicht hier festen Fuß fassen könnten. Johann Bockhold, ein Schneider aus Leyden und Johann Mathiefen, ein Bäcker aus Hartem, zeichneten sich besonders aus. Durch schwärmerische Weissagungen von dein nahen Gottesreiche gelang es ihnen das Volk zu bethören und ihren Anhang so zu vermehren, daß sie in der Stadt die Oberhand gewannen. Johann von Leyden herrschte mit unumschränkter Gewalt. Jeder beugte sich seinen Machtgeboten, aus Furcht, sein Leben zu verlieren. Als eine der 14 Gemahlinnen Bockholds äußerte, sie könne nicht glauben, daß Gott an dem Tode so vieler Menschen Wohlgefallen habe, enthauptete sie der Unmensch mit eigener Hand und tanzte mit dein ganzen Volke um ihren Leichnam. Im Auftrag des Kaisers zog Philipp nach der Stadt Münster, um die Ordnung wieder herzustellen. Ein Versuch, durch friedliche Unterhandlung das Blutvergießen zu vermeiden, mißglückte. Die Stadt wurde belagert. Als die Hungersnoth schon aufs höchste gestiegen war, zeigten 2 Bürger den Belagerern eine schwache Stelle der Mauer. So drang das Heer in die Stadt und eroberte sie nach verzweifelter Gegenwehr der religiösen Schwärmer. (1535.)
Johann von Leyden, sein Scharsrichter Knipperdolling und sein Kanzler Krechting wurden gefangen, in mehreren Städten zur Schau herumgeführt und zuletzt in Münster grausam hingerichtet. Ihre Körper wurden in eisernen Käfigen an dem Thurme des Domes aufgehängt. —
1) Die evangelischen Fürsten hatten bereits nach Schluß des Reichstags zu Augsburg, nachdem der Reichstagsabschied die evangelische Lehre verdammt und die Beibehaltung der alten Lehre befohlen hatte, zu Schmalkalden, am Fuße des Thüringer Waldes, (1531) den „fchmalkaldifchen Bund", zum Schutze der Anhänger des Evangeliums, gegründet. Die Häupter desselben waren Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und Philipp von Hessen. Die katholischen Fürsten schlossen hierauf (1538) den „heiligen Bund"
an dessen Spitze die Herzoge Ludwig von Baiern und Heinrich von Braunschweig standen. Letzterer wurde, weil er die dem schmalkaldischen Bunde befreundeten Städte Goslar und Brauu-schweig befehdet hatte, durch die Häupter des Bundes aus seinem Lande vertrieben. Der Kaiser mußte es vorerst geschehen lassen, weil er die Hülfe der evangelischen Fürsten gegen die Türken und die Franzosen nöthig hatte.
Nachdem er jedoch Frieden mit Frankreich und einen Waffenstillstand mit den Türken abgeschlossen hatte, fühlte er sich stark genug, gegen die Protestanten einzuschreiten.
Er begann kriegerische Rüstungen in Deutschland, Niederland und Italien und sicherte sich den Beistand der katholischen Fürsten sowie des protestantischen Herzogs Moritz von Sachsen, des Schwiegersohnes Philipps des Großmüthigen. Letzteren gewann er dadurch, daß er ihm das Land seines Vetters Johann Friedrich nebst der Knrwürde versprach. Als alles vorbereitet war, wurden die beiden Häupter des schmalkaldischen Bundes in die Acht erklärt. Der schmalkaldische Krieg begann. Da jedoch die Häupter der Protestanten sich nicht in Uebereinstimmung befanden, namentlich anfangs, als sie dem Kaiser überlegen waren, zu lange zögerten, so wurde es dem Kaiser, der mittlerweile die niederländischen und italienischen Hülsstruppeu au sich gezogen hatte, leicht, den Kurfürsten von Sachsen bei Mühlberg zu schlagen und gesamten (1547-} O^e Hülfe, nur auf sich beschränkt, sah nun auch Philipp ein, daß er sich der kaiserlichen Uebermacht gegenüber mcht behaupten könne. Er ließ daher durch seinen Schwiegersohn und_ den Kurfürsten von Brandenburg Unterhandlungen mit dem Kaiser anknüpfen. Doch dieser tierlrmntp. dnfc mir;**
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:rv v»i»mmu»a ctiyeiu ijuuen, gtng Pyiiipp ans diese harten Be-imgungen etit, erschien 1547 vor dem Kaiser in Halle und that vor feierlicher Versammlung Abbitte.
Als er sich entfernen wollte, wurde er tmhpr
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zuruck behalten. Der Kaiser beschönigte sein Verfahren damit, daß er den Landgrafen mcht in „ewiger" Gefangenschaft halten wolle wie er versprochen habe. Philipp wurde zuerst nach Ondenarde um. dann nach Mecheln (in Belgien) gebracht, wo er 5 Jahre in
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strenger Gefangenschaft gehalten wurde, ans der ihn treue Hessen vergeblich zu befreien sich bemühten. Die Festuugen Kassel, Gießen und Rüsselsheim wurden geschleift und 200 Kanonen weggeschafft.
Ein schönes Beispiel von Treue gab der tapfere Heinz von Lüder dem die Festung Ziegenhain anvertraut war. Vergebens berief sich der kaiserliche Kommissär auf den Vertrag zu Halle, wonach der Landgraf versprochen habe, alle seine Festungen dem Kaiser zu übergeben. Unerschütterlich erklärte der wackere Vertheidiger: „Als freier Reichsfürst hat mein Herr mir diese Festung übergeben nnd nur meinem freien Herrn will ich sie wieder abliefern!"
Der Kaiser verlangte später, daß dieser ungehorsame Vasall in Ketten aufgehängt werde. Der Landgraf führte diesen Befehl des Kaisers wörtlich aus, indem er den treuen Heinz am Thor zu Ziegenhain mit einer goldenen Kette einen Augenblick aufheben ließ und ihm dieselbe sodann als Zeichen seiner Dankbarkeit schenkte.
n) Der schmalkaldische Bund war mit der Gefangennahme seiner Häupter gelöst, nur die wohlbefestigte Stadt Magdeburg trotzte den: Kaiser. Dafür wurde die Reichsacht über sie verhäugt und der nene Kurfürst Moritz von Sachsen mit deren Vollstreckung beauftragt.
Als aber trotz wiederholter Vorstellungen desselben der Kaiser seinen Schwiegervater nicht freigab, ja, nach einem mißglückten Fluchtversuch denselben nur noch härter halten ließ, es auch den Anschein gewann, als strebe der Kaiser darnach die Macht der Fürsten gänzlich zu brechen, da verband sich Moritz insgeheim mit verschiedenen deutschen Fürsten, namentlich mit seinem Schwager Wilhelm, welcher während der Gefangenschaft seines Vaters Heffen regierte, sowie mit Heinrich II. von Frankreich, um den Kaiser, der damals mit geringer Trnppenmacht zu Juusbruck lag, zur Nachgiebigkeit zu zwingen. Obgleich man den Kaiser vor Moritz gewarnt hatte, so hielt er es doch nicht für möglich, daß ihn ein Deutscher überlisten könne. Plötzlich zogen 3 Heerhaufen nach öii= den, besetzten Augsburg uud rückten in Tirol ein. Nur eiue Meuterei unter den Landsknechten, welche für die Erstürmung der Ehrenbürger Klanse einen Extrafold verlangten, hinderte die Gefangennahme des Kaisers. Ferdinand, des Kaisers Bruder, übernahm die Vermittelung, welche zum Passauer Vertrag (1552) führte, der den gefangenen Fürsten ihre Freiheit brachte. Der Augsburger Religioussriede (1555) gewährte den Bekennern der Angsbnrgischen Consession unbedingte Religionsfreiheit.
o) Grau von Sorgen und durch die lange, ungewohnte Haft alt und mürbe geworden, kehrte Landgraf Philipp in sein geliebtes Hessenland zurück, das deu Märtyrer des evangelischen Glaubens jnbelnd empfing. Nach langen furchtbaren Kämpfen nnd
schweren Schicksalen, denn auch seine Gemahlin Christine war während einer Gefangenschaft am gebrochenen Herzen gestorben, genoß endlich Philipp der Großmüthige nebst seinem Lande die wohlverdiente Ruhe. Nachdem er sein Haus wohlbestellt hatte, starb er am 31. März 1567 zu Kassel, wo er auch in der St. Martinskirche begraben liegt und wo ihm sein Sohn und Nachfolger, Wilhelm, ein Denkmal errichten ließ. Schon 5 Jahre vor seinem Tode hatte er den berufenen Zeugen seinen letzten Willen kund gethan. Sein Testament ist ein Denkmal seiner Geistesgröße, in welchem er das Siegel aus die Stiftungen drückt, durch welche er der Wohlthäter seines Landes geworden ist.
Er empfiehlt darin seinen Söhnen bei der reinen Lehre des Evangeliums zu bleiben, einen sittlichen Lebenswandel zu führen, gerecht und mildthätig zu sein und sich jeder fürstlichen Tugend zu befleißigen. Ferner äußert er den Wunsch, daß seine 4 Söhne in Eintracht miteinander leben und das Land iftcht theilen möchten. Für den Fall jedoch, daß sie nicht miteinander leben könnten, oder wollten, bezeichnete er genau, was jeder besitzen sollte.
p) Wilhelm erhielt Niederhessen, etwa die Hälfte des Landes,
mit der Hauptstadt Kassel; Ludwig, der zweite Sohn, Oberhessen, etwa ein Viertel des Landes, mit der Hauptstadt Marburg; Philipp die niedere Grafschaft Katzenellenbogen mit Rheinfels und St. Goar; Georg, der jüngste Sohn, die obere
Grafschaft Katzeuellenbogen mit der Hauptstadt Darmstadt. Die Universität und das Hofgerickt in Marburg, sowie die
Hospitäler sollten gemeinsam verbleiben. Schon 1583 starb die Linie Rheinfels und 1604 die Linie Marburg aus, sodaß nur 2 Linien weiter bestanden. Die Linie Kassel erreichte ihr Ende im Jahr 1866. Für die Folge werden wir uns nur mit Hessen-Darm-stadt beschäftigen.
* Fünfter Abschnitt.
Die Landgrafschaft Kessen-Mrmstadt.
1. Georg I., der Fromme. (15G7—159G.) a) Landgraf Georg, der Stammvater der „Hessen-Darmstädti-schen" Linie, war am 10. September 1547, kurz nachdem sein Vater in die Gefangenschaft des Kaisers gerathen war, als jüngstes Kind geboren. Bei der Erbvertheilung erhielt er etwa l/s des Landes, nämlich die von seinem Nrgroßonkel (1479) durch Heirath erworbene obere Grafschaft Katzenellenbogen. Es gehörten
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dazu die Aemter Rüsselsheim, Dornberg, Lichtenberg Rein-le“n' Zwingenberg und Auerbach, mit Darmstadt alsHaupt-stadt Georg, em munterer, bildschöner Knabe, wurde nach seiner Mutter ^ode von ferner Schwester Agnes, der Gemahlin des Herzogs (spater Kurfürsten) Moritz von Sachsen, erzogen. Nach feines Katers Rückkehr erhielt er in Wilhelm Buch, der ihn mit 0 jungen Edelleuten in der stillen Feste Ziegenhain unterrichtete, einen vortrefflichen Lehrer. Der Vater hielt auf Frömmigkeit und strenge Einfachheit, duldete keine Zierrathen und fremden Moden und ließ fernem Sohne einst, als dieses Gebot übertreten worden war, die lernen Kleider ausziehen. Hieraus erklärt sich leicht die außerordentliche Einfachheit und Sparsamkeit, die Georg später ■t Je er [em kleines Erbtheil verwaltete. Darmstadt und der größte Theil des Landes litt noch an den Wunden, welche ihnen der kaiserliche General v. Büren im schmalkaldischen Kriege geschlagen. Dav von den Grasen von Katzenellenbogen erbaute Schloß war niedergerissen und der junge Landgras mußte sich mit einem hölzernen Hanfe begnügen, das sein Bruder Ludwig sich daselbst erbaut hatte und mehrfach Geräthe von feinen Bürgern leihen.
... b) Aber Gottes Segen ruhte sichtbar auf allem, was der gottes-surchtige, sparsame und einfach häusliche Landgraf unternahm. Er führte den Seiden- und Weinbau ein, legte an der Bergstraße einen Marmorbruch, bei Oberramstadt ein Kupferbergwerk au und nnn ^b^helin einen Entenfang anlegen, der jährlich über 000 Enten für feine Küche abwarf. Er entwässerte das niedriggelegene Ried durch den künstlich angelegten Landgraben und schuf durch Abzugsgräben Sümpse in fruchtbare Felder um; ebenso ließ er die Hofgüter Gehaborn, Sensfeld u. a. einrichten. Hierdurch vermehrten sich feine Einkünfte in einer Weife, daß es ihm möglich wurde in Darmstadt ein Schloß und eine Kirche zu bauen, ^en „großen Woog" als Wasserbehälter gegen Feuersgefahr anzulegen, daß Schloß Sichtenberg, das feiner Gemahlin als Wittwen-sitz dienen sollte, umzubauen und das Jagdschloß Kranichstein herzurichten. '
Trotzdem er eine Menge Güter durch Kauf erwarb und feine Unterthanen in keiner Weife durch Abgaben gedrückt wurden, konnte er andern Fürsten Gelt»Vorschüsse machen und bei feinem Tode einen Hauslchatz von fast einer halben Million Gulden hinterlassen.
c) Georg war im Geiste jener nachreformatorifchen Zeit sehr fromm, fang gern geistliche Lieder, verrichtete täglich knieend seine Morgen- und Abendandacht, versäumte keinen Gottesdienst und las die Bibel neunmal durch. Er errichtete Pfarr- und Schnlstellen und
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stattete sie mit Einkünften aus. Der Waisenversorgung, namentlich der Verwaltung von deren Vermögen, widmete er seine besondere Aufmerksamkeit. Die Armen unterstützte er reichlich. Die Verwaltung des Landes besorgte er mit wenigen Beamten selbst und gönnte sich, um die nöthige Zeit zu gewinnen, täglich nur 7 Stunden Schlafes.
d) Georg war zweimal verheirathet, zuerst mit der Gräfin Magdalene von Lippe die ihm schon im 35. Lebensjahre durch den Tod entrissen wurde und dann mit der Herzogin Eleonore von Württemberg. Mit gleicher Gewissenhaftigkeit wie die Verwaltung seines Landes, leitete er die Erziehung seiner Kinder. Er überwachte deren Schularbeiten und wohnte deren Prüfungen an. Dieselben mußten die Bibel mehrmals durchlesen, auch erzählt man, daß er einem seiner Söhne den lutherischen Katechismus mit Ruthen habe „einstreichen" lassen.
e) Die Nachricht, daß ihm ein Regierungsnachfolger geboren sei, wurde ihm überbracht, als er gerade von der Jagd zurückkehrte. Zum Andenken an diese frohe Botschaft pflanzte er, wie erzählt wird, das frische Eichenreis, womit er seinen Hut geschmückt hatte, in seinen Lustgarten. Mehr als 100 Jahre stand dieser Baum und ein Zweig desselben soll noch heute als kräftiger Baum auf dem Schloßwall fortgrünen. Oeftere Schlaganfälle und eine mit den Jahren zunehmende Reizbarkeit verkürzten sein Leben. Er starb, nachdem er durch ein treffliches Testament sein Haus wohlbestellt hatte, 1596, erst 49 Jahre alt.
Nach dem Tode seines Bruders Philipp von Rheinfels hatte Georg ererbt die Aemter Schotten, Stornfels, Homburg v. d. H. und einen Theil des Amtes Braubach.
Es sei hier auch des „Frankensteiner Eselslehens" aus jener Zeit Erwähnung gethan: Die Stadt Darmstadt entrichtete an die
Herren von Frankenstein jährlich 12 Malter Korn; dafür hatten diese die Verpflichtung bei Aufforderung einen Boten mit einem Esel nach Darmstadt zu senden, aus welchem die Frau, welche ihren Mann geschlagen, durch die Stadt reiten mußte. Hatte die Frau ihren Mann hinterlistig überfallen, so führte der Bote den Esel, war aber der Mann im Streite unterlegen, so mußte er den Esel selber durch die Stadt geleiten.
2. Ludwig V., der Getreue. (1596—1626.)
a) Bei einer so sorgfältigen und gewissenhaften Erziehung, wie sie Ludwig V. zu Theil geworden war, ist es kaum zu verwundern, wenn er in allen Stücken in die Fußstapfen seines vortrefflichen Vaters trat. Ludwig war nicht nur ein gründlicher
Gelehrter, sondern auch ein weiser und milder Regent, dessen vor-
trefflicher Charakter so allgemein anerkannt war, daß ihm mehrfach die Ehre zu Theil wurde von streitigen Fürsten als Schiedsrichter angerufen zu werden. Den Beinamen „der Getreue" erhielt er
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wegen seiner unwandelbaren Treue zum österreichischen Kaiserhause. Gleich sparsam wie sein Vater, war auch er darauf bedacht, sein Land durch Kauf zu erweitern.
b) Mit klarem, staatsmännischem Blick begabt, hatte er erkannt, daß die früher in Hessen üblichen Erbvertheilungen nur Nachtheile für das Laud in sich schlossen und die Gestaltung eines kräftigen Staatswesens hinderten. Er führte deshalb 1608 mit Genehmigung des Kaisers Rudolph II. das Erstgeburtsrecht in Hessen ein. Seinen beiden Brüdern Philipp und Friedrich hatte er anfangs zu ihrem Unterhalt eine bestimmte Summe auszahlen lassen; später (1622) übergab er dem ersteren Philippseck und Bntzbach, dem letzteren Homburg v. d. H. mit ihren Einkünften, jedoch unter Vorbehalt der landesherrlichen Oberhoheit. Ersteres fiel schon nach dem Tode seines ersten Besitzers wieder an das landgräfliche Haus zurück, aus letzterem entwickelte sich die Landgraffchaft Hessen-Homburg, die etwa 200 Jahre später (1816) souverän wurde. Nach dem Tode des letzten Besitzers, des Landgrafen Ferdinand, fiel es an Hessen-Darmstadt zurück, mußte jedoch im Friedensvertrag vom 3. September 1866 au die Krone Preußen abgetreten werden.
c) Nach dem früh erfolgten Tode seiner Gemahlin, Magdalena von Brandenburg, unternahm er eine Pilgerfahrt nach dem heiligen Land, die jedoch nicht ganz zur Ausführung kam, da ihm der Großmeister des Johanniterordens in Malta die Weiterreise, wegen der häufigen Seeräuber, dringend Widerrieth. Auf der Rückreise berührte er auch Rom und besuchte den Papst Paul V. Mau glaubte damals, der Landgraf beabsichtige eine Religionsändernng. Aus einem Briefe des Landgrafen an einen Freund geht jedoch klar hervor, daß eine derartige Absicht nicht existirte: „Er habe zwar dem Papste, als einem großen Herrn, Reverenz gemacht, doch den Pantoffel nicht geküßt, auch fei er seines Glaubens überall bekannt gewesen und habe nicht geheuchelt."
d) Kurz nach der Rückkehr des Landgrafen brach der dreißigjährige Krieg aus. Der Augsburger Religionskriege hatte nämlich die Feindschaft zwischen Protestanten und Katholiken nicht beendet. Letztere schlossen zu Schutz und Trutz die „Liga" unter dem thatkräftigen Herzog Maximilian von Baiern, erstere waren zu der „Union" zusammengetreten mit dem Kurfürsten Friedrich von der Pfalz an der Spitze. Vergebens bemühten sich aber die Evangelischen den Landgrafen Ludwig V. zum Beitritt zu bewegen. Er erklärte, daß ihm feine Begriffe von Treue nicht erlaubten einem Bünduiß beizutreten, dessen Spitze gegen den Kaiser, dem er Treue gelobt habe, gerichtet sei. Es ist bekannt, wie nach der Schlacht am
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„weißen Berg" Ernst von Mansfeld und Christian von Braunschweig für Friedrich, den „Winterkönig" eintraten und den Krieg auf eigene Faust fortsetzten. Ernst von Mansfeld überfiel auf seinen Zügen auch Hessen, berannte die festen Schlösser, plünderte die Dörfer und brannte sie nieder. Er zerstörte die Ernten und schonte selbst nicht der evangelischen Gotteshäuser. Auch Darmstadt wurde von Mansfeld eingenommen und geplündert, der Landgraf jedoch, mit seinem Sohne Johaunes auf der Flucht vom Herrngarten nach Büttelborn gefangen genommen. Erst der Sieg Tilly's bei Höchst (1622) verschaffte denselben die Freiheit. Was die Schaaren Mansfelds übrig gelassen, das zerstörten nun die nachfolgenden kaiserlichen Heere, deren geworbene Söldner einen Unterschied zwischen Freund und Feind nicht machten.
e) Bezüglich der Flucht des Landgrafen hat sich eine Sage gebildet, die Folgendes erzählt:
Auf der Flucht kamen dem Landgrafen und seinem Sohne die Verfolger immer näher. Ihre Kräfte waren erschöpft. In höchster Noth suchten sie in einer Köhlerhütte Schutz, der ihnen auch, als man den Landgrafen erkannte, bereitwilligst gewährt wurde. Rasch wurden beide in unscheinbare Kleider gehüllt und die fürstlichen verborgen. Kaum war dies geschehen, als schon die Verfolger die Hütte betraten. Obgleich man dein Landgrasen und seinem Sohn Gesicht und Hände geschwärzt hatte, so erregte doch ihre Haltung Verdacht. Man fragte den Köhler und seine Frau, wer die Beiden wären, doch sie gaben ausweichende Antworten. Als man aber begann dieselben durch Mißhandlungen zum Geständnis zu bringen, da trat der Landgraf vor und sprach: „Laßt diese, ich bin der Landgraf, den ihr suchet!" Der Mansselder führte hierauf den Landgrafen und sein Kind auf seinen Streifzügen als Gefangene mit herum und ließ sie scharf bewachen. Einst, indem der Landgraf mit betrübtem Herzeu seiner fernen Lieben gedachte, hörte er ein leises Klopfen an dem Fenster seines Gefängnisses. Als er öffnete, bemerkte er den Köhler, welcher ihm mittheilte, daß seine Wächter schliefen und alles zur Flucht bereit sei. Das schlafende Kind wurde rasch geweckt und ohne Anstand gelangten sie in den nahen Wald, wo 2 Pferde ihrer harrten. Aber kaum hatten sie dieselben bestiegen, als die Flucht bemerkt wurde. Schon hörten sie den Hufschlag der sie verfolgenden Rosse. Das Pferd des Landgrafen, der sein Kind vor sich genommen hatte, fing an von der doppelten Last zu ermatten, der Zwischenraum zwischen ihm und seinen Verfolgern wurde immer kleiner, da, in einer Schlucht, sprang der wackere Köhler vom Pferde und erwartete die heran-stürmenden Feinte. Es gelang ihm dieselben einige Zeit aufzuhalten, doch mußte er schließlich der liebermacht erliegen und wurde ein Opfer seiner Treue. Der Landgraf aber, der dadurch einen Vorsprung gewann, kam glücklich in Sicherheit.
f) Landgraf Ludwig IV. war 1604 in Marburg ohne Erben gestorben. In feinem Testament hatte er seine beiden Vettern, Moritz, den Gelehrten, von Kassel und Ludwig V. von Darmstadt, zu seinen Erben eingesetzt, dabei jedoch bestimmt: „wer in seinen
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Ländern den lutherischen Glauben abschaffe, oder sein Testament anfechte, der solle der Erbschaft verlustig gehen." Er mochte wohl die Hinneigung des jungen Landgrafen Moritz von Kassel zur reformirten Lehre ahnen. Moritz fing gleich nachher in Nieder-
hessen an den Gottesdienst nach reformirtem Gebrauche einzurichten. Das Land hatten die Erben nach dem Ausspruch eines
von ihnen eingesetzten Gerichts vertheilt, dabei war die Universität
Marburg der Linie Kassel, das Zeughaus in Gießen Darmstadt zugesprochen worden. Ludwig V. ließ sich einstweilen in dem ihm zugesprochenen Lande huldigen, behielt sich jedoch alle seine weiteren Rechte und Ansprüche vor. — Moritz fuhr unterdessen in seiner Reformation immer weiter fort. Vornehmlich waren es vier Punkte, deren Beachtung den Pfarrherrn anbefohlen wurde, bezüglich der Allgegenwart Christi, der Anordnung der 10 Gebote, des Brotbrechens beim H. Abendmahl und wegen Entfernung der Bilder in den Kirchen. Den Professoren der Universität wurde untersagt etwas diesen Punkten zuwiderlaufendes zu lehren; zugleich wurden sie ermahnt, die vier Punkte anzunehmen und zu unterschreiben. Als sie mit aller Bestimmtheit erklärten, daß dies gegen ihr Gewissen sei und ihren Amtspflichten zuwiderliefe, so wurden sie, gleichwie die nicht gehorsamen Geistlichen, entlassen und ihre Stellen reformirten Predigern übergeben. Ludwig V. nahm die Vertriebenen aus und gründete, nachdem ihm die Stände des Oberfürftenthums Hessen und der Dbergraffchaft die Mittel verwilligt hatten, in Gießen ein Gymnasium, das später zu einer Universität erweitert wurde.
Der wegen der Erbschaftsklaufel angestrengte Prozeß hatte 1623 das Resultat, daß Hesfen-Darmstadt die ganze Marburger Erbschaft vom Kaiser Ferdinand II. zugesprochen wurde. Kassel war wenig geneigt, das, was es im Besitz hatte, herauszugeben. So spielte neben und während des 30jährigen Krieges in Hessen ein Bruderkrieg , der erst mit dem westfälischen Frieden (1648) durch Vergleich geschlichtet wurde.
Ludwig starb schon 22 Jahre vor dieser Zeit, erst 49 Jahre alt.
g) Folgende Besitzungen hatte Ludwig V. erworben:
a) Durch Kauf vom Grafen von Isenburg das Amt Kelsterbach, vom Grafen von Erbach das Dorf Langwaden, von Kurmainz die Rheininsel Knoblochsau und den Mönchsbruch.
b) Durch die Marburger Erbschaft: Gießen, das Busecker Thal, Hüttenberg, Staufenberg, Storndorf, Schwarz, Alsfeld, Romrod, Homberg a. d. D., Burg-Gemüuden, Ulrichstein, Grebenau, Lisberg, Grünberg, Merlau, Butzbach, Rosbach.
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3. Georg II., der Gelehrte. (1626—1661.)
a) Erst 21 Jahre alt, übernahm Georg nach seines Vaters Tod die Regierung des von den Stürmen des Krieges zerrütteten Landes. Er hatte sich ans seinen Beruf wohl vorbereitet und besaß nicht allein ausgedehnte Kenntnisse, welche ihm den Beinamen „der Gelehrte" verschafften, sondern hatte auch durch größere Reisen ins Ausland sich Erfahrungen gesammelt. Wie sein Vater und Großvater war auch er durch eine große Frömmigkeit ausgezeichnet und las gerne und oft in der Bibel, die er während seines Lebens 28—30 Mal und zwar in deutscher, lateinischer, französischer und spanischer Sprache durchgelesen haben soll.
In den lutherischen Anschauungen seines Hauses aufgewachsen, konnte er mit der reformirten Lehre, die sein Vetter Moritz und nach diesem sein Sohn Ludwig V. von Hessen-Kassel mit übermäßiger Strenge in ihrem Lande eingeführt hatten, sich nicht befreunden. Hieraus erklärt sich zur Genüge die Erbitterung, mit welcher, in der an sich schon traurigen Zeit des 30jährigen Krieges, die beiden verwandten Staaten sich wegen der Marburgei* Erbschaft bekämpften.
Während dieser Kämpfe war es, wo die Stadt Alsfeld (1646) von den Niederhessen belagert, aber von ihren wackern Bürgern unter Anführung des Bürgermeisters Haas mit Heldenmuth vertheidigt und ihrem rechtmäßigen Herrn erhalten wurde.
b) Zwar hatte Tilly's Sieg über Christian von Braunschweig und Ernst von Mattsfeld bei Höchst deren zügellose Schaaren aus dem Gebiet der oberen Grafschaft verdrängt und den Kriegsschauplatz nach Norddeutschland verlegt, aber Gustav Adolphs Sieg bet Breitenfeld (1631) führte ihn im Sturmschritt zum Rhein und Main. Aschaffenburg, Hanau, Offeubach und Frankfurt öffneten dem Sieger ihre Thore, Höchst a. M. mußte sich ergeben, ebenso die Orte an der Bergstraße: Bensheim, Heppenheim, die Starkenburg it. a. Nun galt es Mainz zu nehmen. Jedoch der Ueber-gang über den Rhein bot scheinbar unüberwindliche Schwierigkeiten dar, denn auf dem linken Ufer standen Baient, Lothringer und Spanier, nachdem sie alle Fahrzeuge auf dem rechten Ufer verbrannt, oder versenkt hatten in festen Stellungen zur Vertheidigung und zum Angriff bereit. Gustav Adolph durchstreifte selbst die Gegend rheinanf- und abwärts, um eine geeignete Stelle zum Uebergang zu finden. Mit einem Nachen, den er in Stockstadt aufgetrieben; fuhr er selbst über den Strom um eine geeignete Stelle zum Landen auszukundschaften. Kaum ans Land gestiegen
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wurde er von ber spanischen Wache bemerkt nnb es ist fast ein Wnnber zn nennen, baß er bereu zahlreichen Schüssen entkam. Er hatte aber gefnnben was er suchte, eine Stelle, wo nahes Holz eine Lanbung zu begünstigen schien.
Mittlerweile war es zwei Schiffern aus Gerusheim uub Nierstein gelungen zwei versenkte Schiffe zu heben uub auszubesseru, auf biefe würben Scheuueuthore gelegt uub stehenb fuhr morgens am 17. December 1631 Graf Brahe mit 300 Manu ber Garbe über ben Strom. Kaum hatten diese bas steile Ufer etwas bequemer zum Lauben abgegraben und einige Schanzen aufgeworfen, als sie von mehr als 1000 spanischen Kürassieren mit großer Wuth augegriffen würben. Ihre Lage war peinlich, allein sie hielten aus, bis bie gebrechlichen Fahrzeuge Hülse brachten uub bie Spanier zusammen-gehaueu, oder versprengt würben. Noch am Abend mußten sich bie in ber sogenannten Sternschanze aufgestellten Spanier ergeben. Am 18. December führte Gustav Adolph neue Schaaren nebst Geschütz über den Rhein uub griff bie Stabt Oppenheim an. Die Bürger, bes spanischen Druckes überdrüssig, stammten sich gegen ihre Bedränger nnd_ erschlugen ihrer viele. Bon außen nnd innen bedroht wagte ber Kommandant nicht zu widerstehen und zog ab, nicht ohne vorher den Feuerbraud in die Häuser der Stadt geworfen zu haben. Nach tapferer Gegenwehr der Besatzung wurde auch das nahe Schloß „Landskrone" bezwungen. Die Bewohner Oppenheims kamen Gustav Adolph mit Bereitwilligkeit entgegen. Mit ihrer Hülfe gelang es ihm eine Schiffbrücke zu errichten, auf der er den Rest seines Heeres überführen konnte. An der Stelle, wo er seinen Uebergang bewerkstelligte, lieö er eine 14 M. hohe Säule mit einem gekrönten Löwen zum ewigen Gedächtniß ausrichten. Schon am Abend des 19. December stand Gustav Adolph mit feinein Heere vor Mainz. Vier Tage flogen die Bomben hin uud her. Die Spauier machten zwar Ausfälle, aber die Schweden rückten unaufhaltsam vor. Schon schickten sie sich zum Sturme an, als ber Kommandant die weiße Fahne aufzog. Die Besatzung erhielt freien Abzug. Dieser wurde jedoch erst bewerkstelligt, nachdem bie Stabt rein ausgeplünbert war. Anfangs März brachen bie Schweben von Mainz auf nach Baiern.
c) So lange Gnstav Abolph seine Schweben führte, Hielt er strenge Mannszucht uub bulbete weber Raub noch Plünderung. Deshalb würbe er von ber Bevölkerung auch überall mit Frenben empfangen uub geradezu verehrt. Anders war es jedoch, als er 1632 bei Lützen gefallen und sein wohlthätiger Einfluß geschwunden war. Nachdem die Schweden (1634) unter Herzog Bernhard von
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Sachsen-Weimar und Horn bei Nördlingen von den Kaiserlichen waren geschlagen worden, zogen sie sich gegen Mainz zurück, verfolgt von den Siegern. Die Gegenden zu beiden Seiten des Rheines wurden nun gänzlich verwüstet. Unerhört sind die Gräuel, welche die Bewohner von den verwilderten Schaaren beider Heere zu erdulden hatten. Sie verließen ihre Wohnungen und suchten in Hohlen, Steinbrüchen, Wäldern und den befestigten Schlössern Schutz.
Hier füllten sie alle Räume, selbst Höfe und Winkel, allen Einflüssen der Witterung preisgegeben. Hierzu kam der gänzliche Mangel an Nahrung, welcher die Menschen nöthigte ungenießbare, ja geradezu ekelhafte Dinge, wie Aas, Leder re. zu verzehren. Nach kurzer Zeit brachen verheerende Seuchen aus, welche Tausende und Tausende in kurzer Zeit wegrafften, sodaß manche Dörfer ganz entvölkert wurden. Biele Dörfer, deren Namen man heute noch nennt, verschwanden damals gänzlich vom Erdboden. In jener Zeit ordnete der Landgraf das Zehn-, Zwölf- und Fünfnhrlänten an, als Mahnung, das Herz im Gebet zu Gott zu erheben. Wegen Mangel an Saatfrucht und Zuchtvieh blieb das Feld unbestellt, es lösten sich alle Bande, Unwissenheit, Aberglauben und Lasterhastigkeit nahmen überhand. — Noch aber war das Maß des Leidens nicht voll. Frankreich, darauf bedacht die Macht des österreichischeu Kaiserhauses zu schwächen und seine Ostgrenze zu erweitern, hatte kluger Weise gewartet, bis beide Gegner erschöpft waren, bctnn verband es sich mit Schweden und verlängerte dadnrch den unseligen Krieg noch um volle 12 Jahre. Auch die letzte Periode brachte dem Hessenlande schwere Heimsuchungen, so namentlich, als der französische General Türenne (1644) die Bergstraße brandscbatzte nnd Darmstadt einnahm. Der Landgraf hatte anfangs in Lichtenberg, später in Gießen und Marburg eine Zufluchtsstätte gefunden.
d) Der westfälische Friede machte bekanntlich jener Schreckenszeit ein Ende und gleichzeitig kam auch zwischen Kassel nnd Darmstadt ein Vergleich zu Stande (1648), welcher dem mehr als vierzigjährigen unnatürlichen Bruderkampfe ein Ende machte und Darmstadt einen beträchtlichen Gebietszuwachs brachte.
Bei allen Schrecknissen des traurigsten aller Kriege hatte der Landgraf das Wohl seines Landes nicht aus dem Auge verloren und durch Gründung des Gymnasiums in Darmstadt und die Abfassung einer verbesserten Kirchenordnung gezeigt, daß man auch in der traurigsten Zeit das Ideale nicht dürfe untergehen lassen.
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4- Ludwig VI. (1661—1678.)
a) Er hatte eine strengwissenschaftliche und gelehrte Erziehung erhalten, die er durch längere Reisen in Deutschland, Schweden, stauen und Holland noch vervollständigte. Die traurige Zeit, in welche seine fugend fiel, mag nicht wenig auf die Richtung seines ^harakters eingewirkt und den finstern Ernst veranlaßt haben, der stets ans seinen Gesichtszügen lagerte.
-chon bei Lebzeiten ließ er sich einen Sarg nach seinen Angaben mit künstlichen Verzierungen und Bibelsprüchen geschmückt, nebst emem Todtengewand verfertigen und in seiner Nähe in einem besonderen Gemache aufbewahren. Er beschäftigte sich viel damit, me Psalmen m deutsche Reime zu bringen. Strenge Gerechtigkeit zierte ihn, dabei war er ein Vater seiner Unterthanen. Die Einführung emer Schulordnung, die Anordnung einer strengen sonntagsseier, das Verbot des Tabakrauchens, die Begünstigung der Einwanderung, das Verbot der Ausfuhr von Fruchten und Mehl sollten einesteils den gesunkenen Wohlstand seines Landes heben, anderntheils den in den Kriegswirren überhand genommenen Lastern steuern und Zucht uud Sitte wieder zur Geltung brmgen. 3
-seine Treue gegen Kaiser und Reich bethätigte er dadurch, -.atz er mit Kassel gemeinsam ein Regiment gegen die Türken errichtete.
_ . *>) Zwei Dinge haben seinen Namen unvergeßlich gemacht: Die Gründung der Hofbibliothek und das Glockenspiel in Darmstadt. Die Glockenspiele waren seiner Zeit in Holland sehr beliebt und weit verbreitet gewesen. Dort hatte sie der Landgraf kennen gelernt und solche Freude daran gewonnen, daß er beschloß Nch ein solches für seine Residenz anfertigen zu lassen, „Gott zur Cyre und den Bewohnern Darmstadts zur Freude." Die Aufstellung des Werkes erfolgte 1611. Dasselbe besteht aus 35 Glocken, welche die .tone von 3 Oktaven umfassen. Durch ein Uhrwerk wird etne Walze mit Stiften in Bewegung gesetzt, welche die Glocken zum Klingen bringt. Bei jedem Stundenschlag erklingt ein feierlicher Choral. In neuerer Zeit ist eine Einrichtung getroffen wonen, daß es auch mit den Händen gespielt werden kann.
c) In die Zeit der Regierung Ludwigs VI. fallen auch die Hexenprozesse m Lindheim und dem Busecker Thal. Namentlich ist
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der von oynhausen'sche Oberschultheis Geiß zu Lindheim, eitt fanatischer, geldsüchtiger und roher Mensch zu einer traurigen Berühmtheit gelangt. In der Zeit von 1661—66 ließ derselbe nicht weniger als 30 Menschen nach furchtbaren Folterqualen in dem „Hexenthurm" zu Lindheim lebendig verbrennen, oder sonst zum Tode führen. Darin, daß derselbe bei dem Ritt über einen Graben, der von da an der „Teufelsgraben" heißt, sich den Hals abstürzte, wollte man ein Gottesurtheil erkennen.
Auch unter diesem Landgrafen hatte sich das Land vergrößert. Die Burg Frankenstein, die andere Hälfte von Eberstadt, die Dörfer Hoxhohl, Ober-, Nieder- und Schmalbeerbach waren gekauft, das Dorf Rodau und die Rheinau bei Ginsheim eingetauscht worden.
5. Ludwig VII. (1678.)
Er hatte nur 3 Monate regiert, als er auf dem Schlosse zu Friedenstein bei Gotha, während der Reise zu seiner Vermählung, plötzlich erkrankte und starb.
Ihm folgte sein ältester Stiefbruder Ernst Ludwig.
6. Ernst Ludwig. (1678—1739.)
a) Da Ernst Ludwig erst 11 Jahre zählte, als der unerwartete Tod seines Bruders ihn auf den hessischen Thron berief, so führte seine geistes- und willenskräftige Mutter, Elisabeths Dorothea, 10 Jahre lang für ihn mit fester Hand die Regierung. Und wahrlich, einer festen Hand bedurfte es, denn im Osten und Westen Pochte mit harter Hand der Erbfeind an den Thoren des alternden „heiligen römischen Reiches", daß alle Fundamente wankten. Das hessen-darmstädtische Reichscontingent gehörte damals zu den Regimentern des oberrheinischen Kreises und bildete als solches einen Theil des Heeres, welches das Reich dem ehrgeizigen Großwesir Kara Mustafa, der 1683 mit zweimal hunderttausend Türken die Kaiserstadt Wien belagerte, entgegensandte. Unter Leitung des Herzogs Karl von Lothringen halsen auch Hessens Söhne, dem edlen Polenkönig Johann Sobiesky die türkische Armee vernichten und Wien befreien.
Ebenso nahmen die Hessen Theil an dem Reichskriege gegen Ludwig XIV., als dieser die Erbgüter des verstorbenen Kurfürsten Karl von der Pfalz für Frankreich in Anspruch nahm. Auf Vorschlag seines Ministers Louvois beabsichtigte Ludwig XIV. nichts Geringeres, als zur Sicherung der französischen Grenze einen meilenbreiten Gürtel von Deutschland zur Wüste zu machen. Nicht weniger als 1200 Orten war die Einäscherung zugedacht. Damals war es, als General Melac die gesegneten Fluren der Pfalz
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verwüstete, das Heidelberger Schloß und die Städte Mannheim, Gernsheim, Oppenheim, Alzey, Worms, Speyer it. a. zerstörte und die Bergstraße heimsuchte.
b) In welcher Weise man mit Worms verfuhr, sei hier kurz erzählt: Am 1. Oktober erschienen die Franzosen vor Worms und Zwangen die Stadt theils durch Drohungen, theils durch das Versprechen, daß man nur 300 Mann als Garnison in die Stadt legen und die Gerechtsame der Bürger respektiren wolle, die Thore zu öffnen. Statt 300 rückten sosort 1400 ein, deren Zahl sich in kurzer Zeit noch um die Hälste vermehrte. Die Franzosen benahmen sich wie die Herren und behandelten die Bürger mit Hohn und Spott. Um den Magistrat gefügig zu machen, wurden mehrere Rathsherren eingesperrt, andern eine Einquartierung aus der Hefe der Bevölkerung ins Haus gelegt, oder deren Frauen zu den entehrendsten Dienstleistungen gezwungen. Die Einwohner mußten ihre Schulden nach Holland, Köln, Frankfurt und Nürnberg aufs gewissenhafteste angeben und dann dieselben innerhalb 3 Wochen an die französische Kriegskasfe bezahlen. Kurze Zeit darauf traf der Befehl ein, daß alle Festungswerke, ohne Ausnahme geschleift werden sollten. In wenig Wochen wurden so die äußern
Werke, Mauern, Wälle, Thore und über vierzig große und kleine Thürme vernichtet. Die Bürger mußten alles, was sie von Waffen
befaßen, abliefern und wurden, nebst den Landleuten der Um-
gegend, durch Prügel gezwungen an der Zerstörung mit zu arbeiten. Die im Zeughaus vorhandenen Geschütze wurden theils in den Rhein versenkt, theils nach Landau geführt. Alle vorrüthigen Früchte
mußten, bei Androhung der Häuferverbrennung an die französische Garnison zu Mainz abgeliefert werden. Aber das Maß des Schreckens war damals noch nicht erfüllt, noch stand der Stadt das schlimmste bevor! Am 22. Mai 1689, des Abends, ließ der Kommandant den Rath und die vornehmsten Bürger vor sich kommen und eröffnete ihnen, daß nach 6 Tagen die Stadt ein Raub der Flammen werden müßte.
Vergebens waren alle Versuche der Unglücklichen, das furchtbare Geschick abzuwenden. Das Einzige, was sie erlangten, war das Versprechen, die Habe der Bürger auf 500 Wagen wegführen zu lassen. Bis diese kämen, sollten ihr im Dom, im Bischofshofe und in dem Nonnenkloster Marienmünster, welche Gebäude verschont bleiben sollten, eine sichere Aufbewahrungsstätte gewährt fein. Viele brachten ihre Habe auch wirklich nach dem Dom. Zu ihrem Schrecken hörten sie kurz darauf, daß nur das Kloster verschont bleiben solle. Aber die Wachen ließen jetzt niemand mehr zum
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Dom, und zu spät sahen bie Unglücklichen, baß sie nur für beit unmenschlichen Feinb ihr Gut an einem Ort zusammengebracht hatten.
Nachbem der anfangs bestimmte Termin um 6 Tage hinausgeschoben worben war, würbe plötzlich am 31. Mai bekannt gemacht, ber Termin sei wieber um 2 Tage verkürzt unb es solle Nachmittags nach 12 Uhr kein Einwohner sich mehr blicken lassen, Weber in seinem Hanse noch auf ber Straße. Väter, Mütter, Kinder, Greise verlassen jetzt ihre Heimath, um in bett benachbarten Dörfern Schutz unb Obbach zu suchen. Um 4 Uhr wirb bett mit Plünbern beschäftigten Grenabiereu bas erste Zeichen zum Anzünben gegeben. Dieselben eilen an bie überall aufgethürmten Strohhaufen, um sich Fackeln zum bequemen Anzünben zu bereiten. Ein Kanonenschuß giebt bas letzte Zeichen, rasch vertheilen sich bie Mordbrenner in bie verschieben Straßen unb Wersen unter Jubelgeschrei bett Brand in die Häuser. Bald wälzen sich bie Flammen durch bie ganze Stabt unb am nächsten Morgen ist von ber herrlichen Stabt nichts übrig, als ein rauchender Trümmerhaufen. Nur ber Dom hatte der zerstörenben Macht bes Feuers wiberstanben. Nur 6 Wochen hausten bie Vanbalen auf ben Trümmern ber Stabt, erbrachen bie Gewölbe im Dom, sowie bie Gräber, beraubten bie Leichname ihrer Kostbarkeiten unb Gewänber uttb warfen bie Leichen fpottenb auf ben Friebhöfen unb in ben Kirchen umher, bann zogen sie ab nach Mainz.
c) Auch Dannstabt würbe zweimal erobert unb gebranbschatzt, (1691 uttb 1693) bis ettblich ber Friebe von Ryswick (1697) dem Reich bett Frieden brachte.
Nochmals kämpften die hessischen Truppen gegen Ludwig XIV. in dem sogenannten „spanischen Erfolgekrieg". In diesem Kriege erwarb sich der Bruder des Landgrafen, der kaiserliche Feldmar-fchaßieittrtant Prinz Georg von Hessen, der 1705 vor Barcelona den Heldentod starb, durch die Eroberung von Gibraltar (1704) unsterblichen Kriegsruhm.
d) Abweichend von seinen sparsamen Vorfahren war Ernst Ludwig prachtliebend und führte Bauten aus, bie seine Mittel überstiegen unb bereu Kosten ihn unb seine Nachfolger brückten, so, bas neue Schloß, als bas alte 1715 theilweise ein Raub der Flammen geworben war, bie Jagbschlösser: Jägersburg, Wolfsgarten, Mönchsbruch, bas sogenannte Griesheimer Haus, ferner bas alte Opernhaus unb bas Orangeriehaus im Bessnnger Herrengarten. Noch eine anbete Liebhaberei bes Lanbgrafen verschlang^ große Summen, nämlich seine Experimente zur Entdeckung des „Steins der Weisen", mit welchem er unedle Metalle in Gold ZU verwandeln hoffte.
Müller. Geschichte von Hessen. 4.
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e) Den um ihres Glaubens willen vertriebenen Waldensern wies er unter günstigen Bedingungen in Kelsterbach, Walldorf, Rohrbach, Wembach und Hahn Wohnplätze und Güterstücke an.
Die Regierung ließ er sich sehr angelegen sein; so verbesserte er die Gerechtigkeitspflege durch verschiedene Verordnungen und suchte das Schulwesen durch eine, für damalige Verhältnisse ausgezeichnete Schulordnung zu fördern.
Von dem Ansehen, in welchem er bei seinen Zeitgenossen stand, gibt seine 1722 erfolgte Wahl zum Kreisobersten des Oberrheinkreises Zeugniß.
Ein Jahr vor seinem Tode (1738) war es ihm vergönnt, sein fünfzigjähriges Regierungsjubiläum zu feiern.
Das Land erlangte unter ihm eine bedeutende Vergrößerung. So erwarb er den Schönauer Hof, das Amt Bingenheim, das Amt Seeheim und Tannenberg mit den Orten Bickenbach, Jugenheim, Seeheim, Matchen, Babenhausen, Staffel, Wurzelbach, Beedenkirchen — den Hof Hardenau; die Orte Ernsthofen, Aschbach, Klein-Bieberau, Hoxhohl und Neutsch, sowie den solms'schen Antheil von Butzbach. Durch Schlichtung eines Streites zwischen Nassau-Weilburg und Hessen-Darmstadt kamen die Dörfer Lang-, Kirch- und Pohlgöns, Allendorf, Annenrod und Hausen an Hessen. Ebenso wurde von Kassel ein Theil von Umstadt und Kürnbach durch Tausch erworben.
7. Ludwig YIII. (1739—1768.)
a) Obgleich Ludwig VIII. erst spät — im 48. Lebensjahr — seinem greisen Vater in der Regierung folgte, so blieb er doch fast 30 Jahre im Besitz der Herrschaft. Den Traditionen seines Hauses folgend hielt auch er treu zum österreichischen Kaiserhaus, mit welchem er durch eine besonders intime Freundschaft verbunden war. Maria Theresia, welche diese Treue zu ehren wußte, machte ihn (1741) zum General-Feldmarschall. Hierdurch erklärt es sich, warum die Provinz Oberhessen im siebenjährigen Kriege in Mitleidenschaft gezogen wurde. Bekanntlich fand der letzte Kampf in diesem Kriege hart an der Grenze — bei Amöneburg — zwischen Herzog Ferdinand von Braunschweig und den Franzosen uuter dem Prinzen Soubise statt, als die Nachricht von dem erfolgten Friedensschluß die Einstellung der Feindseligkeiten veranlaßte. Als nach Karls VII. Tod Maria Theresias Gemahl, Franz von Toskana zum deutschen Kaiser erwählt worden war, überbrachte ihm Ludwig das Dekret der Kurfürsten nach Heidelberg. Franz verehrte ihm bei dieser Gelegenheit einen kostbaren Brillantring mit dem Bildniß seiner Gemahlin und einen aus 7000 'Gulden geschätzten Ehrendegen. Nochmals sahen sich beide (1764) an der Landstraße bei Heusenstamm, wohin sich der hochbetagte Landgraf zur Begrüßung
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des Kaisers begeben hatte, als dieser seinen Sohn Joseph (II.) nach Frankfurt geleitete, damit er zum römischen König gewählt und gekrönt werde. Franz erkannte das von dem 74jährigen, altersschwachen Greise gebrachte Opfer dankbar an und äußerte dabei: „Landgraf Ludwig sei sein bester Freund."
b) Wie sein Vater, war auch Landgraf Ludwig ein großer Freund der Jagd und wohnte deshalb größtenteils in seinem Jagdschloß Kranichstein, von wo er zuweilen in einem mit 6 weißen Hirschen bespannten Wagen nach Darmstadt fuhr, um der Aufführung einer Oper anzuwohnen, denn auch die Musik liebte er leidenschaftlich.
Zu bestimmten Zeiten zog Ludwig mit großem Gefolge zur Jagd nach Oberhessen, namentlich ins Jägerthal bei Romrod, zur Klendelbnrg und nach Neujägersburg bei Batteuberg, zuweilen auch vom Jagdschloß Zwiefalten aus in den Oberwald. Er schoß gewöhnlich mit einer Windbückse.
Besonders interessant mögen die schon von seinem Vater eingeführten Parforcejagden gewesen sein.
„ Das Wesentliche der Parforcejagden — die zur Zeit Ludwigs XI V. in Frankreich aufkamen — bestand darin, daß ein bestimmter Hirsch in einen mit Rothwild reich bevölkerten Forst gebracht wurde. Nur dieser tourte angejagt, nur dieser durfte von allem Wild verfolgt werden. Ihn von jedem andern Hirsche genau zu unterscheiden, ihn, wenn seine Spur verloren war, mit Sicherheit wieder zu finden, war die eigentliche Kunst. Die Verfolgung geschah zu Pferde und dauerte so lange, bis der Kirsch so er-ichopft war, daß er von den Hunden (der Meute) „gestellt" werden konnte worauf die Erlegung desselben durch den fürstlichen Jäger erfolgte. Diese ^agd konnte nur in einer ebenen Gegend stattfinden und erforderte großen Aufwand an Pferden und Hunden.
c) Bei alledem vergaß Ludwig nicht die Regierung seiues Landes. Obgleich wohlwollend, gerecht und milde, hielt er doch strenge auf Ordnung, Zucht und Sitte. Zur Besserung der Verbrecher ließ er ein „Spinnhaus" bauen, ebenso verdankt das „Landeswaisenhaus" ihm seine Entstehung.
erzählt, daß er einst den Haß einer Zigeunerbande nch zugezogen habe, weil er ihren Hauptmauu, den man bei einem Drebstahl ertappte, habe aufhängen lassen. Die Baude beschloß hierauf, ihn, wenn er abends von Kranichstein nach Darmstadt fahre, in seinem Wagen zu erschießen. Ein junger Zigeuner aber entdeckte dem Landgrafen den Anschlag auf sein Leben. Man ergriff hierauf geeignete Maßregeln, nahm die ganze Bande gefangen und überlieferte sie der wohlverdienten Strafe. Das unschuldige Kind des Anführers ließ der Landgraf — ein Beweis seines vortrefflichen
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Herzens — erziehen und legte ihm den Namen „Nievergelter" bei, welchen Namen eine achtbare Familie noch heute führt.
d) Ludwig VIII. war mit der einzigen Tochter des letzten Grafen Johann Reinhard von Hanau vermählt. Nach dessen Tode (1736) entstand abermals ein Erbschaftsstreit zwischen den beiden hessischen Linien, der (1771) dahin entschieden wurde, daß Kassel die Grasschaft Hanau-Müuzenberg und Darmstadt, die größtenteils unter französischer Hoheit im Elsaß gelegene Grafschaft Hanau-Lichtenberg, sowie das bis dahin streitige Amt Schaafheim mit den Orten Schaafheim, Schlierbach, Altheim, Harpershausen und Dietzenbach erhielt. Ludwig starb im 78. Jahr im Opernhaus zu Darmstadt beim Niederfallen des Vorhangs an einem Nervenschlag.
8. Ludwig IX. (1768—1790.)
a) Schon als Erbprinz übernahm Ludwig IX. (1741) die Regierung der ihm von seinem mütterlichen Großvater angefallenen Grafschaft Hanau-Lichteuberg mit dem Titel „Graf von Hanau." Diese Grafschaft lag größtenteils auf dein linken Rheiuufer und bestand aus 11 Aemtern, von denen 10 der Hoheit Frankreichs unterworfen waren; das elfte, Lemberg, gehörte zum deutschen Reich. Der Hauptort war zwar Buchsweiler, Ludwig zog jedoch vor, seinen Wohnsitz nicht hier aufzuschlagen, sondern wählte sich das auf deutschem Gebiet gelegene Dörfchen Pirmasens, das er nach und nach zur Stadt erhob, zu seiner Residenz. Er behielt dieselbe auch dann noch bei, als er die Regierung seines Stammlandes übernahm. Friedrich der Große hatte damals angefangen die Welt mit seinen Thaten zu erfüllen. Der gräfliche Erbprinz, ein geborener Soldat, wnrde bald ein feuriger Verehrer und Anhänger desselben. Seine geistreiche Gemahlin Henriette Karoline theilte diese Verehrung, aber sie galt bei ihr weniger dem Exereiermeister und Kriegshelden, als dem großen Denker und ausgezeichneten Regenten.
b) Die französische Oberhoheit, unter welcher der größte Theil seiner Grafschaft lag, war wohl die Veranlassung, daß Ludwig (1742) in den französischen Kriegsdienst trat und an den Kämpfen theilnahm, welche Kurfürst Karl Albrecht von Baiern, der nachmalige Kaiser Karl VII., im Bunde mit Frankreich und Spanien gegen die Erbfolge Maria Theresias führte.
Seine Neigung der Politik voranstellend trat er im folgenden Jahre aus dem französischen Kriegsdienst aus, um in die Armee Friedrichs des Großen einzutreten. Als Generalmajor und Chef eines Regiments kämpfte er in den Schlachten des sogenannten zweiten schlesischen Krieges mit.
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Vergebens verlangte sein Vater, der dem österreichischen Kaiserhause, und ganz besonders Maria Theresia, treu ergeben war, daß Ludwig den preußischen Kriegsdienst verlasse. Er entschloß sich vielmehr (1750) die Stadt Prenzlan in der Uckermark, wo sein Regiment in Garnison lag, zu seinem und seiner Familie Wohnsitz zu erwählen.
c) Da brach (1756) der siebenjährige Krieg ans. Ludwig, den der König zum Generallieutenant ernannt hatte, wünschte als Befehlshaber einer Armeeabtheilung daran theilznnehmen, aber politische Erwägungen veranlaßten ihn dem Wunsche seines Vaters nachzukommen und den preußischen Dienst zu verlassen. Frankreich, dessen Grenze seiner Grafschaft so nahe lag, hatte sich nämlich mit Oesterreich gegen Preußen verbunden und dessen Heere würden in erster Lime seine Grafschaft überschwemmt haben. Der Soldat mußte sich dem Landesvater unterordnen. Ludwig kehrte 1757 mit seiner Familie nach Pirmasens zurück, das er von jetzt an zu seinem fast ununterbrochenen Aufenthaltsorte machte und das er zu einer Militärcolouie umschuf.
d) Bekannt ist seine Vorliebe für langgewachsene Leute, die er aus aller Herren Länder, oft um schweres Geld, für sein Grenadierregiment anwerben ließ. Er ließ sich ein großes Exercier-hans bauen, in welchem seine Truppe auch im Winter ihre Uebungen ausführen konnte. Ein Augenzeuge berichtet, daß das Regiment so vortrefflich einexereiert gewesen sei, daß man, wenn es in Front stand, von einem Flügel bis zum anderen nicht eine krnmme Linie habe bemerken können. Damit jedoch die für theures Geld angeworbenen Leute nicht befertirten, war es ihnen streng untersagt die Stadt zu verlassen, die außerdem beständig von Husaren umritten wurde. Auch ein Freund von Musik war Ludwig, namentlich von Militärmusik. Für seiu Regiment componirte er 'sast alle Märsche selbst und er soll deren eine fast unglaubliche Anzahl zu Stande gebracht haben. Einst hörte er in Aachen einen Marsch, der ihm ganz besonders gefiel. Da er sich denselben nicht ausbitten lassen wollte, vielleicht auch annahm, daß man ihm denselben nicht überlassen würde, so verlängerte er seinen Aufenthalt daselbst, bis er im Stande war, denselben aus dem Gedächtniß niederzuschreiben. Der längere Aufenthalt hatte 6000 Gulden gekostet und der Marsch führte daher den Namen Sechstausendguldenmarsch.
e) Ludwigs geistvolle Gemahlin, welche die militärische Liebhaberei ihres Gemahls nicht theilte, zog vor, den größten Theil des Jahres in dem reizend gelegenen Buchsweiler zu wohnen. Als je-
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doch die Zeit herannahte, wo sie auch dem hessischen Staate Landesmutter werden sollte, verlegte sie mit Zustimmung ihres Gemahl rhren Wohnsitz nach Darmstadt. Hier lebte sie ganz der Erziehung ihrer Kinder, umgab sich mit einem Kreis ausgezeichneter Männer, rn welchem auch Göthe, Herder und Schiller zeitweilig Aufnahme san-den und wußte durch kluge Einwirkung auf ihren Gemahl, der nach wie vor seinem Lande fern blieb, das Wohl des Landes zu fördern.
f) Landgraf Ludwig IX. war übrigens, trotz feiner Neigung zum Soldatenspiel, ein gerechter und fleißiger Mann, der fehr einfach lebte und durch seine außerordentliche Sparsamkeit die seit Ernst Ludwig zerrütteten Finanzen des Landes wieder ins Gleichgewicht brachte. Er hob die Wildbahnen auf, beseitigte die Tortur in der Rechtspflege, veranstaltete eine Sammlung der Landesgesetze, errichtete eine Brandassecnranz, erbaute die ersten Chausseen, sowie die Saline Salzhauseu, das Collegienhans und das Exercier-haus (jetzt Zeughaus) in Darmstadt,
Sein ausgezeichneter Minister Karl v. Moser, rief (1777) die „Landescommission" ins Leben, deren Bemühen darauf gerichtet fein sollte „dem guten, fleißigen Unterthan seine Abgaben leichter, sein Leben froher, seinen Himmel blauer, ihn zufrieden mit sich und dankbar gegen seinen Fürsten zu machen."
g) Ludwig IX. starb in Pirmasens, wo er auch begraben liegt. Großherzog Ludwig II. errichtete ihm daselbst mit der Pietät des Enkels ein Denkmal.
Seiner ausgezeichneten Gemahlin, welche den Ort im Herrengarten selbst bestimmte, wo ihre Gebeine ruhen sollten, errichtete ihr Verehrer Friedrich der Große ein Denkmal mit der Ausschrift: „Voil Gefchlecht ein Weib, an Geist ein Mann!" Ihre Töchter zierten 4 europäische Throne: Die älteste Tochter, Friederike, war bie
Gemahlin des Königs Friebrich Wilhelm II. von Preußen, bie zweite heirathete ben Markgrasen K. Friebrich I. von Baben, bie britte ben Kaiser Paul I. von Rußlanb und die jüngste, Louise, den Herzog Karl August von Weimar. Die erste Tochter war demnach die Großmutter des Kaisers Wilhelm und die jüngste die Großmutter der Kaiserin Augusta.
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Sechster Abschnitt.
Kessen unter seinen Großherzogen.
1. Ludwig I. (Von 1790—1806 Landgraf Ludwig X.) (1790—1830.)
a) Er wurde am 14. Juni 1753 zu Prenzlau in der Uckermark geboren, wo sein Vater — damals noch Erbprinz — als preußischer Generallieutenant sein Standquartier hatte. Bei der ausgesprochenen Vorliebe des Vaters für den Soldatenstand, die denselben fast ständig in seiner Militärcolonie Pirmasens festhielt, fiel die Aufgabe der Erziehung der ausgezeichneten Mutter, Henriette Karoline, einer geborenen Prinzessin von Zweibrücken-Birken-seid, zu, die sich derselben mit strenger Gewissenhaftigkeit und Aufopferung unterzog. Ihr galt es darum, ihren Sohn in erster Linie zu einem guten, tüchtigen Menschen und in zweiter zu einem gewissenhaften Regenten zu erziehen. Nachdem der Erbprinz auf der damals blühenden Universität Leyden studirt, Frankreich und Eng land bereist hatte, trat er, wohl durch seinen Schwager, dem Großfürsten Paul hierzu veranlaßt, (1773) als Generalmajor in russische Dienste.
Unter Romanzow erkämpfte er sich an den Ufern der Donau unverwelkliche Lorbeeren, trat jedoch nach dem Tode seiner Schwester aus dem russischen Dienste wieder aus.
b) Von nun au führte er, bald in Darmstadt, bald auf dem Fürstenlager bei Auerbach wohnend, an der Seite seiner vortrefflichen Gemahlin Louise ein der Vorbereitung auf seinen Beruf, der Wissenschaft und Kunst geweihtes Leben. In seinem geheimen Cabi-netssekretär Schleiermacher hatte er schon damals einen Freund und Gehülfen gefunden, der ihm seine schönen Ideen ausführen half. Junge, aufstrebende Talente ivurden reichlich unterstützt, das Museum sowie die naturhistorischen und Kunstsammlungen wurden gegründet und die Hofbibliothek erweitert.
c) Ludwig I. ist und bleibt eine großartige Erscheinung in der Geschichte. Mit Weisheit, Thatkraft, Klugheit und Entschlossenheit, wußte er den Staat, an dessen Spitze ihn die Vorsehung berufen, durch alle Klippen einer sturmbewegten Zeit mit sichrer Hand zu steuern und nicht allein zu erhalten, sondern nach allen Richtungen erweitert und verbessert seinem Nachfolger zu hinterlassen.
„Des Staates Ruder fest umfassend,
Den Blick den Sternen zugewandt,
Vor Klippen nicht, noch Sturm erblassend,
Lenkt er sein Schiff, das Vaterland."
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Kurz nach Ausbruch der französischen Revolution zur Regierung gelangt, blieben ihm die traurigsten Erfahrungen nicht vorenthalten. Der Lüneviller Friede, (1801) welcher den Reichskrieg mit dem republikanischen Frankreich beendete, raubte ihm die ans dem linken Rheinufer gelegene Grafschaft Hanau-Lichtenberg und der Reichsdepntationshauptfchluß(1803) — die auf Deutschland bezüglichen Ergänzungen zu diesem Friedensschluß — nöthigte ihn zur Abtretung mehrerer Aemter an Baden und Nasfan-Usingen. Als Entschädigung erhielt er das Herzogthum Westfalen, die kurmainzischen Aemter Heppenheim, Gernsheim, Lorsch, Fürth und Steinheim, die pfälzischen Aemter Lindenfels und Umstadt, die Reste des Hochstifts Worms, die Abtei Seligeustadt, die Reichsstadt Friedberg und Marienschloß. (Jetzt Landeszuchthaus.)
d) Das „heilige römische Reich deutscher Nation", schon längst nur noch eine klägliche Ruine, sank unter dem Anprall der Stürme von Westen vollends zusammen. Kaiser Franz H. legte die Krone, deren Glanz längst erblichen war, nieder und nannte sich fortan Franz I., Kaiser von Oesterreich.
Landgraf Ludwig X., den die Verhältnisse, namentlich die Rücksichten auf sein Land, zum Eintritt in den von Napoleon I. mit den kleineren Staaten Süd- und Westdeutschlands gegründeten Rheinbund gezwungen hatten, nahm am 14. Aug. 1806 als souveräner Fürst den Titel eines Großherzogs an und nannte sich Ludwig I. Das neue Großherzogthum, aus den verschiedensten Gebieten zusammengewürfelt, bot eine förmliche Musterkarte staatlicher Einrichtungen dar. Es ist dies nicht zu verwundern, denn jedes der etwa 1000 selbständigen Territorien, aus denen das alte Reich zusammengesetzt war, hatte seine besonderen staatlichen Einrichtungen, sein besonderes Geld, seine verschiedenen Maße uud Gewichte. Ein Glück für das neue Staatswesen, daß es in seinem ersten Großherzog den Mann besaß, der es verstand, sofort gestaltend einzugreifen, das Alte, Ueberlebte mit Schonung zu entfernen und Neues, Lebensfähiges an dessen Stelle zu setzen.
Schon unterm 1. Oktober wurden die alten ständischen Einrichtungen , welche Darmstadt mit Kassel gemeinschaftlich hatte und die sich so vollständig überlebt hatten, daß sie seit 200 Jahren außer Gebrauch gekommen waren, aufgehoben, ebenso die besonderen Einrichtungen in den neuen Gebietstheilen, soweit sie den veränderten Verhältnissen nicht mehr entsprachen. Die überall noch bestehende Leibeigenschaft wurde noch unter den Wirren des Krieges (1811) aufgehoben.
e) Das Jahr 1813 ließ das deutsche Volk die Fesseln brechen,
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in welche ein fremder Eroberer es geschmiedet hatte und auch Hessen schloß sich, nach Auflösung des Rheinbundes, den zur Bekämpfung des Erbfeindes verbündeten Mächten an und ließ seine Truppen, die unter dem Prinzen Emil für Napoleon bei Badajoz in Spanien, bei Wagram und auf den Eisgefilden Rußlands gekämpft und geblutet hatten, der nach Frankreich ziehenden großen Armee sich anschließen.
Der nachfolgende Friede und die Bestimmungen des Wiener Kongresses hatten für das Großherzogthum eine abermalige Gebietsveränderung zur Folge. Westfalen, nebst Wittgenstein und Berleburg mußten an Preußen, Alzenau, Amorbach, Miltenberg und-Heubach an Baiern abgetreten werden; es erhielt dafür Rheinhessen.
Hiermit waren für das Großherzogthum Hessen die Gebietsveränderungen für eine lange Reihe von Jahren geschlossen und es konnte, was die Zeitverhältnisse bisher nur in unvollkommener Weise gestattet hatten, bie Herstellung dauernder, ans Hebung der Volks-wohlfahrt berechneter Einrichtungen begonnen werden.
f) Die erste Sorge des Regenten nach wiederhergestelltem Frieden war darauf gerichtet, durch Hebung des Volksunterrichts, Errichtung von Lehrerseminarien, Verbesserung der Gymnasien, Gründung vou Real- und Gewerbeschulen die geistige und sittliche Bildung seines Volkes zu erhöhen, durch Befreiung des Bauernstandes aber von den Lasten, welche ihn seither gedrückt, eine sichere Grundlage für die Vermehrung des Wohlstandes zu schaffen. Die dem Bauernstande erwiesenen Wohlthaten lassen sich nicht treffender schildern, als dnrch Zusammenstellung der Inschriften, welche die Standarten der Vertreter dieses Standes bei Einweihung des Ludwigsmonumentes (1844) trugen:
1) Aufhebung der Leibeigenschaft 1811, 1827;
2) Frohnfreiheit 1811, 1819, 1824, 1827;
3) Aufhebung des Novalzehntens 1816, 1820, 1821;
4) Verwandlung der Zehnten 1816, 1824;
5) Ablösung der Grundrenten 1821;
6) Vergütung des Wildschadens 1810;
7) Gemeinheitstheilungen 1814, 1827;
8) Aufhebung des Mühlbannes 1818;
9) Beförderung der Wiesenkultur 1829;
10) Freier Absatz der Produkte — Zollverein 1828.
b)Das kostbarste Geschenk jedoch, welches Hessen seinem ersten Großherzog verdankt, ist die Verleihung einer Verfassung. Die-selbe wurde als „Staatsgrundgesetz" am 17. December 1820 veröffentlicht. Sie sichert jedem Staatsangehörigen Freiheit der Per-
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fon und des Eigenthums, Glaubens- und Gewissensfreiheit zu, berechtigt das Volk durch seine selbstgewählten Vertreter (Abgeordneten) zur Theilnahme an der Gesetzgebung, gewährt ihm das Recht der Steuerverwilligung und der Mitaufsicht über die Verwendung der Staatseinkünfte. Auf Grund der Verfassung und bei vertrauensvollem Entgegenkommen von Regierung und Landständen entwickelte sich in Hessen bald ein trefflich organisirtes blühendes Staatswesen. Ein Staatsschuldentilgungsgesetz regelte die Deckung der dem Lande in schwerer Zeit erwachsenen Verpflichtungen.
Um Ordnung in das Staats- und Gemeinderechnungswesen zu bringen, wurde eine Oberrechnungskammer errichtet. Durch Einschätzung und Katastrirnng der Grundstücke, wurde eine Grundlage zur gleichmäßigen Verkeilung der Lasten gewonnen.
Die Rechtspflege, welche vorher mit Polizei und Verwaltung vereinigt war, wurde von dieser getrennt und einem von der Staatsgewalt unabhängigen Richterstand überwiesen. Die Verwaltung der Gemeinden wurde durch eine „Gemeindeordnung" geregelt. Eine „Dienstpragmatik" regelte Rechte und Pflichten der Staatsdiener. Von einschneidender Wichtigkeit war der Eintritt in den von Preußen gegründeten Zollverein. Vorher war jeder der 38 deutschen Staaten, welche der Wiener Eongreß übrig gelassen, von dem andern durch Zollschranken abgesperrt, welche Handel und Verkehr außerordentlich hemmten und das Gesühl der Zusammengehörigkeit bei den deutschen Stämmen nicht auskommen ließen.
h) Wenn Ludwig I. von den Regierungsgeschäften ermüdet war, dann suchte er Erholung bei der Kunst, namentlich der Musik, die er leidenschaftlich liebte und deren Uebung und Pflege er sich angelegen sein ließ. Er ließ das neue Opernhaus bauen (dasselbe, welches 1874 ein Raub der Flammen wurde) und erhob es durch reichliche Unterstützung zu einer Kunstanstalt ersten Ranges; er leitete häufig selbst die Proben uud bildete sich dadurch eine ausgezeichnete Kapelle heran. Auch den berühmten Componisten und Orgelspieler Abbe Vogler, den Lehrer K. M. v. Webers, Meyer-beers und anderer ausgezeichneter Künstler, fesselte er an Darmstadt.
Als Ludwig I. in einem Alter von 77 Jahren zu seinen Vätern versammelt wurde, konnte er den Ruhm mit ins Grab nehmen, bis zum letzten Augenblick auf der Höhe seiner Zeit gestanden und sie begriffen zu haben. Das Denkmal auf dem Luisenplatze in Darmstadt mit der Inschrift:
„Ludewig dem Ersten Sein dankbares Volk." verkündet seinen Ruhm den fernsten Geschlechtern.
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2. Ludwig II, (1830 — 1848.)
a) Geboren am 26. December 1777, war Ludwig II. bereits 53 Jahre alt, als ihn seines Vaters Tod (1830) auf den Thron berief. Er hatte auf der Universität zu Leipzig studirt und sich 1804 mit Wilhelmine, der Tochter des Erbprinzen von Baden ver-heirathet.
Der Feuereifer feines gewaltigen Vaters ließ ihm nur geringen Antheil an den Regierungsgefchäften zukommen, doch trat er nach Einführung der Verfaffnng in die erste Kammer ein und gehörte von 1823 dem Staatsrath an. Die Einwirkungen der französischen Julirevolution ant Anfang seiner Regierung blieben Dank der ausgezeichneten Verfassung, in welcher er das Land von seinem Vater überkommen hatte, auf ein geringes Maß beschränkt, sodaß er in pietätvoller Weise dessen Werk fortsetzen und im Einzelnen ausbauen konnte. Durch Edikte (1832) wurden die Verhältnisse der evangelischen Kirche und das Schulwesen in zeitgemäßer Weise geregelt, es entstanden in Friedberg und Bensheim Taubstummenanstalten, sowie in den größeren Städten Realschulen. Ein land wirtschaftlicher Verein (1831) und ein Landesgewerbeverein (1837) wurden für Landwirthschaft und Industrie die geistigen Mittelpunkte und veranlaßten eine gesunde Entwickelung derselben, indem sie durch Zeitschriften belehrten und anregten. Das Netz der Landstraßen wurde vervollständigt, durch ein Nentenablösnngsgesetz Gelegenheit geboten Grund und Boden immer mehr zu entlasten und in freies Eigenthum zu verwandeln. Durch Anlegung zuverlässiger Hypothekenbücher wurde der landwirtschaftliche Credit gesichert und dadurch nicht nur der Werth der Grundstücke erhöht, sondern auch dem Feldbau Kapital für nothwendige Verbesserungen zugeführt. Der Bau der Main-Neckarbahn öffnete für Haudel und Verkehr neue Wege.
b) Wie der Anfang feiner Regierung wurde auch das Ende desselben durch einen von Frankreich ausgehenden Sturm (die Februarrevolution) getrübt. Schon längere Zeit körperlich leidend, berief er deshalb im März 1848 feinen ältesten Sohn Ludwig zum Mitregenten. Kurze Zeit darauf, am 16. Juni starb er. Er verdient „der Gütige" genannt zu werden, denn die Armen zu unterstützen und Gerechtigkeit zu üben, war die Freude seines Lebens.
3. Ludwig III. (1848—1877.)
a) war am 9. Juni 1806 geboren. Unter den Stürmen des Jahres 1848, anfangs zur Mitregentschast berufen und am 16.
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Juni desselben Jahres zur Regierung gelangt, mußte er durch sein leutseliges Wesen und sein Verständniß für die Wünsche des Volkes, seine Unterthanen zu beruhigen und den Staat wieder in die geordneten Bahnen einer ruhigen, steten Entwickelung zu führen. Durch Einführung der öffentlichen und mündlichen Geschworenengerichte wurde der Rechtssinn des Volkes geschärft; eine Verfassung gab der evangelischen Kirche die langersehnte Selbstständigkeit; freisinnige Gesetze gewährten den Gemeinden, Kreisen und Provinzen ein weitgehendes Mitwirkungsrecht bei der Verwaltung ihrer Angelegenheiten; ein Volksschulgesetz legte deu Gruud zu einer freudigen Entwickelung des Volksfcbulwefens; durch die Umgestaltung der Gewerbeschule in Darmstadt zu einer „technischen Hochschule" wurde den Bedürfnissen der Zeit Rechnung getragen.
Die Main-Weserbahn die verschiedenen Linien der Hessischen Ludwigsbahn uud der oberhessischen Bahnen, sowie die Gründung zweier Bankinstitute, der „Bank für Handel und Industrie" und der „Bank für Süddeutschland", trugen nicht wenig zur wirtschaftlichen Hebung des Landes bei.
Vermählt war Ludwig III. seit 1833 mit Mathilde, der Tochter des Königs Ludwigs I. von Baiern, die znm Schmerz des Landes schon 1862 kinderlos starb.
b) Die Ereignisse des Jahres 1866 erfordern eine etwas weitläufigere Erzählung:
Die deutschen Staaten, nachdem sie das französische Joch abgeschüttelt hatten, einigten sich (1815) zu dem „deutschen Bund" dessen gemeinsames Organ die in Frankfurt a/M. tagende Bundesversammlung war. Dieselbe war schon von Anfang an eine verunglückte Schöpfung und nicht im Stande dem deutschen Volke das zu bringen, was es zur Zeit der Freiheitskriege gehofft, — die nationale Einheit. Es wurden zwar viele Versuche gemacht^ den deutscheu Bund zeitgemäß umzugestalten, aber umsonst, da seine der beiden Großmächte, Oesterreich und Preußen, sich der andern unterordnen wollte. Im Lause der Zeit wurde der Riß zwischen diesen beiden Staaten immer größer. Zwar vereinigte der deutschdänische Krieg (1864) dieselben vorübergehend, aber schon nach kurzer Zeit traten die Gegensätze um so schärfer hervor. Der Krieg wurde unvermeidlich. Oesterreich, das sich im Bundestag die Mehrheit zu verschaffen gewußt hatte, setzte am 14. Juni 1866 den Beschluß durch, daß alle Buudeseontingente, mit Ausnahme der preußischen mobil gemacht werden sollten und gab dadurch die Veranlassung zum Bruch. Preußen, das vorher ein Schutz- und
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Trutzbündniß mit Italien abgeschlossen hatte, im Bunde mit den kleineren Staaten Norddeutschlands stand auf der einen, Oesterreich mit den übrigen Staaten auf der andern iseite. Auf Oesterreich3 Seite stand auch Hessen, dessen Fürst und Regierung sich durch den Beschluß des Bundestags für gebunden erachteten.
Die Ueberlegenheit der preußischen Führung im Verein mit dem Züuduadelgewehr führte trotz der größten Tapferkeit auf anderer Seite die Entscheidung rasch herbei. Die Schlacht bei Kö-niggrätz (3. Juli 1866) brach Oesterreichs Macht uud zwang es zum Friedeu. Auck die hessischen Truppen kämpften am 14. Juli bei Laufach tapfer gegen eine preußische liebermacht, aber sie konnten das Geschick nicht aushalten. Dem Waffenstillstand vom 1. August folgte bald der Friede von Würzburg. (3. September.)
Hessen mußte an Preußen 3 Millionen Gulden Kriegskosten bezahlen und außerdem die ihm kurz vorher durch Erbschaft angefallene Landgrafschaft Hessen-Homburg mit Meisenheim, die Kreise Biedenkopf und Vöhl, den nördlichen Theil des Kreises Gießen, (8 Orte) Rödelheim und die Hälfte von Nieder-Ursel abtreten.
Preußen gab an Hessen: den Distrikt Katzenberg, das Amt Nauheim, Trais an der Lumda, Massenheim, Rumpeuheim, einen Walddistrikt zwischen Altenstadt und Bönstadt, den früher kurhessischen Theil von Mittel-Grüudau, das Amt Reichelsheim in der Wetterau, Harheim und die früher franffurtifchen Orte Dortelweil und Niedererlenbcich.
Der Flächeninhalt des Landes verminderte sich dadurch von 152 aus 139,4 □ M.
Zugleich trat Hessen mit seiner Provinz Oberhessen dem neugegründeten „norddeutschen Bunde" bei und schloß mit Preußen eine Militärconvention.
c) Als 1870 Frankreich in frevelhaftem Uebermuth Preußen den Krieg erklärte, da stand Ludwig III. mit seinem Volke, alles Vergangene vergessend, treu auf der Seite des Verbündeten und die hessischen Truppen fügten auf den Schlachtfeldern Frankreichs unter der Führung ihres geliebten Erbprinzen den alten Lorbeeren neue hinzu.
Noch half Ludwig III. im Vereine mit den übrigen deutschen Fürsten und freien Städten das „neue deutsche Reich" mit einem Kaiser an der Spitze aufrichten, dann starb er, beweint von seinem Volke, betn er ein treuer Vater gewesen, am 13. Juni 1877 in Seeheim an der Bergstraße. Georc-Eckort-Mstitut
für internationale Schulbuchforschung Braunscnweig -Schulbuchb",biiothek -
4. Ludwig IV. 1Sjf~ /W.
a) Kraft des bestehenden Ersolgerechts ging nach Ludwigs III. kinderlosem Tode am 13. Juni 1877 die Regierung an Ludwig den ältesten Sohn des knrz vorher verstorbenen Prinzen Karl (ein Bruder Ludwigs III.) und der Prinzessin Elisabeth von Preußen über. Ludwig IV. ist am 12. September 1837 geboren. Nach einer vortrefflichen Erziehung, welche ihm die erlauchten Eltern mit seinen zwei jüngeren Brüdern (Heinrich und Wilhelm) und einer leider zu früh (als Großherzogin von Mecklenburg) verstorbenen Schwester zu Theil werden ließen, besuchte er die Universitäten Bonn, Göttingen und Gießen. Seine militärische Ausbildung er-
• langte er durch einen zeitweiligen Eintritt in die preußische Armee.
b) Am 1. Juli 1862 vermählte er sich mit der Prinzessin
• Alice von Groß-Brittanien und Irland, Herzogin zu Sachsen. Mit umfassendem Geiste, reiner Liebe und im ermüdeter Thatkraft
. : wirkte die hohe Frau schon als Erbprinzessin für alles Gute und Schöne. Mit weiser Einsicht schuf sie Segensreiches und Nützliches, wdaß ihr bald alle Herzen in ihrem neuen Vaterlande entgegenschlugen. Leider sollte diese glückliche mit 7 Kindern gesegnete Ehe nur von kurzer Dauer sein. Nachdem schon 1873 der durch den Sturz aus dem Fenster erfolgte Tod eines blühenden Söhn-leins den Elternherzen tiefe Wunden geschlagen hatte, erkrankte plötzlich, kurz nach dem Regierungsantritt, die ganze großherzogliche Familie mit Ausnahme der Großherzogin, an Diphterie. Mit unermüdlicher Sorgfalt pflegte die treue Mutter ihre Lieben, mußte jedoch nochmals den herben Schmerz erfahren, daß ihr jüngstes Kind, die liebliche Prinzessin Marie, der tückischen Krankheit zum Opfer fiel. Schon hoffte man, daß die über das geliebte Fürstenhaus verhängten Schicksale zu Ende seien, als die treue Pflegerin selber erkrankte und trotz aller angewandten Sorgfalt schon am 14. December 1878 ihre edle Seele, die so warm für ihre Familie und ihr Volk geschlagen, aushauchte. Ihre Werke, die Jdiotenan-stalt, der Aliceverein für Frauenbildung und Erwerb, die Frauen-* vereine für Krankenpflege u. a. werden nicht untergehen, sondern ' X mit dankbarer Pietät erhalten und weiterentwickelt, ihr Andenken im Hessenlande lebendig erhalten.
c) Gleicher Liebe, wie die selige Großherzogin erfreut sich auch der Großherzog, dem es schon als Erbprinz vergönnt war seine Landsleute als Generallieutenant gegen den Erbfeind zu führen. Die hessische Division hat durch ihr zähes Aushalten mitten im
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Kugelregen entscheidenden Antheil an dein Siege bei Gravelotte am 18. August 1870. Auch die Namen Mars la tour, Metz, Blois, Chambord, Artenay, Chevilly, Orleans, Bonny, Briare und Vienne verkünden den Ruhm der hessischen Waffen.
Voll Vertrauen steht auch im Frieden das hessische Volk treu zu seinen angestammten Fürsten, dessen sichtliches Wohlwollen ihm eine Gewähr ist, daß das schöne Verhältniß, welches zwischen ihm und seinem Volke besteht nie eine Aenderung erleide.
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An unsrer Väter Thaten Mit Liebe sich erban'n, Fortpflanzen ihre Saaten,
Dem alten Grund vertran'n;
In solchem Angedenken Des Landes Heil erneu’n,
Um unsre Schmach sich kränken, Sich unsrer Ehre sreu'n;
Sein eignes Ich vergessen In Aller Lust und Schmerz, Das nennt man, wohlermessen, Für unser Volk ein Herz!
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Druck von Greßner & Schramm in Leipzig.
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3m Verlag von Emil Roth in Gießen find erschienen: Sergen, O., Wappen und Allegorie der Stenographie.
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Urteile der Presse
über
Kauers Weltgeschichte.
7. Auflag«.
Preis cplt. 2 M., I. Abteil. 75 Pf., II. Abteil. 1 M. 50 Pf.
I. Fr. Lauer: Die alte Geschichte. Zum Schulgebrauch, nach unter® richtlichen Grundsätzen.
Aus dem pädagogischen Jahresbericht von A. Lüben, Band XII, Nr. 66, S. 268: Um dem Grundsätze Rechnung zu tragen, an das Bekannte das Unbekannte anzuschließen, beginnt der Verfasser die alte Geschichte mit der Geschichte des Volkes Israel und reiht an den entsprechenden Stellen alles an, was für die Schüler wissenswert erscheint. Nach dem mäßigen Umfange zu schließen, ist das Schnstchen zum Gebrauche für Schüler berechnet, wozu es sich auch ganz eignet. Die Darstellung ist fließend, und der Inhalt beschränkt sich auf das Wesentliche. Lüben.
Aus dem pädagogischen Jahresbericht, Bd. XIII, Nr. 67: Zu dem, was im XII. Pädagog. Jahresbericht S. 268 über diesen Leitfaden bereits gesagt ist, sei noch hinzugefügt, daß nicht nur die Darstellung sehr klar, schlicht und verständlich, das nicht karg bemessene Material übersichtlich und gut geordnet, überall die erforderliche geographische Erläuterung vorangeschickt und eine zu memorierende Zeittafel beigegeben ist, sondern daß der Verfaffer in die Geschichte der Israeliten das Nötige aus der Geschichte der altorientalischen Völker bis auf Darius Hystaspis einwebt, und dann in einem Gange, das Gleichzeitige mitbeachtend, die Geschichte bis auf die Zeit der Perserkriege herabführt. Die fernere Geschichte der Macedonier und Griechen ist nur gedrängt, die Geschichte der Römer dagegen specieller behandelt. Für Anfänger, die bereits Lateinisch, aber noch nicht Griechisch lernen, ist das jedenfalls billigenswert; die römische Geschichte wird ihnen näher liegen, als die griechische.
Aus der deutschen Real- und Bürgerschule, Jahrgang 1869, S. 194: Das Buch unterscheidet sich von vielen andern Lehrbüchern dadurch, daß es die Geschichte der alten Völker in Asien und Afrika an die Geschichte des israelitischen Volkes und so das Unbekannte an das Bekannte anschließt. Die Darstellungsweise ist einfach, das Buch empfehlenswert.
Aus dem Schulmann, Band XIV, Nr. 9: Die Auswahl des Wesentlichen in 98 Paragraphen ist gelungen, die Darstellung bei aller Kürze fließend und klar. Der Verfasser hält die Grundsätze fest: Erreichbarkeit des Ziels, Anschau-
iltchkett, geordneter Zusammenhang. Das Buch ist als ein für den Schulunterricht sehr brauchbares und wolgeratenes, als ein praktisches Lernbuch zu erklären.
Aus den rheinischen Blättern für Erziehung und Unterricht, Seite 266: Das Charakteristische dieses Leitfadens läßt sich kurz so bezeichnen: Er hebt mit der Geschichte der Israeliten an, verwebt in diese alles Nötige aus der Geschichte der alt-orientalischen Volker (Ägypter, Phönizier, Assyrer, Ba-t^Iomer,JDteder und Perser bis zu Darius Hystaspis) und geht so in einem Gange, das Gleichzeitige stets mitbeachtend, die ältesten Zeiten bis auf die Per-
hersag von KmiL
ferstiege mit den Griechen durch. Daran schließt sich eine gedrängt behandelte Geschichte der Griechen und Macedonier, und eine detaillierte Geschichte der Römer, stets die Geographie der betreffenden Länder voranschickend. Dieser methodische Plan kann für Anfänger nur gebilligt werden. Da die Sprache sehr schlicht, klar und in kurzen Sätzen gehalten und das Ganze in kurze Para-graphe geteilt ist, so ist damit die Übersichtlichkeit und Verständlichkeit sehr erleichtert; übrigens ist das Büchlein keineswegs im Inhalte karg bedacht. Eine Zeittafel faßt zuletzt die zu memorierenden Data zusammen.
Aus der allgemeinen deutschen Lehrerzeitung, Jahrgang 1877, Nr. 2 .-Das Berschen entspricht vollständig dem vorangestellten Motto: „Geordneter Zusammenhang, Anschaulichkeit, Erreichbarkeit des Ziels". An das Bekannte schließt der Verfasser das Unbekannte an; daher beginnt er die alte Geschichte mit der Geschichte des Volkes Israel, die den Schülern vom biblischen Geschichtsunterrichte her bekannt sein muß. Dazu wird alles Gleichzeitige auch zugleich behandelt und zwar in einer einfachen, leicht faßlichen Weise. Wir empfehlen das Merkchen hiermit aufs beste.
Aus dem süddeutschen Schnlbüten, Jahrgang 1877, Nr. 13: Eine wirklich wohlthuende Überraschung bereitet dieses Buch durch geflissentliches Meiden aller gegenwärtig für Gebildete unentbehrlich gehaltenen Fremdwörter und durch einfache, leicht verständliche Sprache. Vorteilhaft zeichnet das Buch ferner aus die Verknüpfung eines reichen Materials zu fortlaufender Erzählung. Dadurch wird der beliebte, kausalen inneren Zusammenhang verschmähende tabellarische Charakter so vieler Leitfäden und seine schlimmen Folgen beseitigt. Sodann dürfte auch der Umstand noch als ein Vorzug des Buchs hervorgehoben werden, daß die Geschichte der morgenländischen Völker ganz im Anschluß an die israelitische Geschichte behandelt ist, wodurch sich dem Schüler das Unbekannte um das Bekannte in leicht behaltbarer Weise herumgruppiert.
II. Jr. Lauer: Die mittlere und die neue Geschichte. Zum Schulge-brauch nach untenichtlichen Grundsätzen.
Auch unter dem Titel: Die deutsche Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der berühmten Personen des Auslands.
Aus dem Königsberger Volksschulfreund, 1869, Heft 4, S. 324. Dieser Leitfaden behandelt die mittlere Geschichte nach unterrichtlichen Grundsätzen, indem er die fortlaufende Geschichtserzählung mit der biographischen Erzählungsweise verbindet. Hierdurch wird der Stoff Koncentriert, und das thut wahrlich not, wenn nicht die Jugend unterliegen soll; denn Überladung mit Namen, Zahlen und Fakten ruft oft einen Widerwillen gegen den historischen Unterricht hervor, der das Bemühen des Lehrers vereitelt. Diese Überzeugung bestimmte den Verfasser, auf dem reichen Gebiete das Wesentliche von dem nicht so allgemein Bedeutungsvollen zu scheiden, so zu ordnen und darzustellen, daß des Schülers Kraft nie überbürdet und sein Interesse gehoben werde. Darum zerfällt der Leitfaden in folgende Abschnitte: A) Die alten Deutschen und die Völkerwanderung. B) Die Araber und ihre Eroberungen. C) Karl Martell und die Karolinger. D) Die deutschen Kaiser bis Maximilian. E) Berühmte Personen aus der außerdeutschen Geschichte des Mittelalters. Angehängt ist eine Zeittafel. Wir müssen das Buch bestens empfehlen und wünschen, daß man mit dem Verfasser allgemein darauf halte, den historischen Stoff zu koncentrieren, um den hohen Wert des geschichtlichen Unterrichts nicht zu beeinträchtigen.
Ans der Darmstädter Schnlzeitung, Jahrgang 1869, Nr. 49: Die mittlere Geschichte ist die Fortsetzung von der im vorigen Jahre erschienenen alten Geschichte. Sie zeichnet sich durch eine gute Ordnung des Stoffs, durch zweckmäßige Verbindung der fortlaufenden Geschichtserzählung mit der biographischen Erzählungsweise, durch Klarheit in der Darstellung vor vielen ähnlichen Geschichtsbüchern aus. Dieser Leitfaden erleichtert dem Lehrer den Geschichtsunter-
richt in vorzüglicher Weise, unb twrjfeh MjiynW, ba% derselbe raschen Eingang in den Schulen finden wird. 1cl: hMM?!. WteM empfohlen.
Aus der allgemeinen deutschen Schulzeitung, Jahrgang 1870, Nr. 87. Dieser Leitfaden ber neuen Geschichte verbinbet bie fortlaufenbe Geschichtserzählung mit ber biographischen Erzählungsweise aus eine recht passenbe Art. Die deutsche Geschichte wirb in fortlaufenber Weise erzählt, bamit in ben Kennt-niffen ber Schüler feine Lücken entstehen; hat sich bann ber Schüler einen Abschnitt bet beutfchen Geschichte eingeprägt, so teilt ihm ber Leitfaden auch bie berühmten Personen desselben Abschnitts aus bet außetdeutschen Geschichte in biographischer Form mit. So erhält ber Schüler ein vollstänbiges unb zu-sammenhängenbes Bilb aller merkwürdigen Ereignisse, bte sich in bett drei letzten Jahrhunberten auf ber Erde zugetragen haben. Einsender hat an seinen Kindern bie Erfahrung gemacht, baß sie bas Lauersche Geschichtsbuch gar nicht mehr aus der Hand legen wollen; so schnell war dasselbe ihr bevorzugtet Liebling geworben.
III. Ft. Lauer: Die Weltgeschichte. Zum Schnlgebrauch, nach unter* richtlichen Grundsätzen.
Aus der Zeitung von Baltimore, 1875, Nr. 21. Referent bereitet Iaht ein Iaht aus Knaben für bie oberen Klassen der Gymnasien vor, noch nie ober hat er ein plastischeres Buch unter den Fingern gehabt, als das Lauersche Kompendium über allgemeine Weltgeschichte. Es ist hier in engem Rahmen eine Masse Stoffes zusammengedrängt, und dabei ist die Darstellung trotzdem sehr vortrefflich, ja sogar elegant zu nennen. Die Schüler lernen mit wahret Lust in dem Buche, und aus Erfahrung sönnen wir es bestätigen, daß ber Schüler, ber sich ben Inhalt desselben _ zu eigen gemacht hat, das Maß von historischen Kenntnissen besitzt, bas ihn für Unterprima unsrer besten Gymnasien befähigt. 5lls Nachschlagebuch für bas Haus ist bie Lauersche Weltgeschichte nicht tninber geeignet. Sie sei ben Deutschen in Notb-Ametifa btingenb empfohlen. —
Aus der thüringischen Schulzeitung, 1879, Nr. 34: Das Buch fommt uns jetzt erst, bei ber fünften Auflage, vor bie Augen, unb es ist selbstverstänb-ltch, baß unsererseits, nachdem es bereits diese Auflagen erlebt, zur weiteren Verbreitung nichts mehr geschehen sann. Wir schließen uns jedoch den seitherigen Urteilen ber Presse an und konstatieren ebenfalls, daß es wirklich ein praktisches unb vortreffliches Schulbuch ist. Trotz bes zusammengebrängten Stoffes hat bie Darstellung nicht gelitten, sonbern ist bem Schüler leicht faßlich gemacht. Die Sprache ist einfach, klar unb verständlich, so baß wir bas Buch für ben Schulunterricht nur empfehlen sönnen. Dr. Gm.
Aus der pädagogischen Zeitschrift, II. Banb, Nr. 10. Das an interessanten Einzelheiten reiche Buch zeichnet sich außerdem burch angemessene Auswahl bes Stoffes unb klare, übersichtliche Darstellung aus.
Aus der pfälzischen Lehrerzeituug, 1879, Nr. 12. Ein reiches Material ivtrb uns hier m ansprechender Darstellung vorgeführt. Empfehlenswert, o & 5?o. Drcsterwegs Wegweiser für Bildung deutschet Lehret, III. Band, 3. Heft (Lieferung 14). Von den mannigfachen Vorzügen der Lauetschen Weltgeschichte wollen wir besonders die ansprechende Darstellung hervorheben. Der
Versager hat verstanden, ein reiches Material zu wirklicher Erzählung zu verknüpfen, so daß statt einer stilisierten Tabelle, wie wir die Darstellung vieler
Leitfäden bezeichnen möchten, eine causale unb psychologische Verknüpfung ent-
gegentritt, bte bas Interesse unb das Verständnis glücklich anbahnt.
Durchaus günstige Recensionen haben gebracht das SBürttemberger ochuiwochenblsltt 1876 3tr. 51, der praktische Schulmann 1877 Heft 7, die 93st§ler Nachrichten 187/ Nr. 98, die Kraichgauer Zeitung 1876 Nr. 278, die lenatfche Zeitung 1877 Nr. 119, die Darmstädtet Zeitung 1880 Nr. 43 rc.
Diestetweg.
Von demselben Verfasser ist im Verlag von Emil Roth in Gießen erschienen:
Lleinentarbuch
zur leichten und schnellen
Erlernung der französischen Sprache,
mit stufenweise eingelegten Sprechübungen und genauer Bezeichnung ber Aussprache
für Schulen und zum Selbstunterrichte
bearbeitet von
gtrieörid? ferner.
Zweite, mit einem französischen Lesebuche vermehrte Auflage.
1 M. 50 Pf. Auf 10 Expl. 1 Freiexemplar.
Dieses Buch ist so eingerichtet, baß jeder Lehrer, selbst derjenige welcher noch gar feine französischen Sprachkenntnisse b e sitzt, sich bar-nach selbst unterrichten unb bann auch wieder an Schüler französischen Unterricht erteilen kann. Es enthält darum alles, was zum Erlernen der französischen Sprache nötig ist, nämlich 1. genaue Bezeichnung der Aussprache sämtlicher Wörter, so daß man Über die richtige Aussprache eines Worts, niemals im Zweifel sein sann; 2. französische und deutsche Übungsstücke, jedem Übungsstück sind die darin zum ersten Male vorfommenden Wörter mit Angabe der Bedeutung und der Aussprache vorangestellt; 3. grammatikalische Regeln; 4. stufenweise eingelegte Sprechübungen, welche den Unterricht interessanter machen; 5. systematische Wiederholung der gelernten grammatikalischen Regeln; 6. ein französisch-deutsches und ein deutsch-französisches alphabetisches Wortregister; 7. ein kurzes französisches Lesebuch, dessen Stücke sämtlich der durch das Elementarbuch erreichten Stufe entsprechen. Der ganze Stoff ist methodisch nach unterrichtlichen Grundsätzen geordnet und so leicht und faßlich dargestellt, wie in keinem andern derartigen Buche. Das Buch giebt Über alles, was in das Bereich des Elementarunterrichts gehört, vollständige Auskunft und sind deshalb andere französische Bücher, Grammatiken, Wörterbücher rc. durchaus nicht erforderlich.
Günstige Urteile der Presse aus dem Schulboten für Hessen, der neuen Schweizer Schulleitung, der Schulleitung für Östreich, der Darmstädter Zeitung u. s. w. find auf dem Umschlage des Buchs abgedruckt. _ „
Zu dem französischen Elementarbuche ist auch ein Schlüssel, die Übersetzung der deutschen Übungsstücke enthaltend, erschienen, damit der Erwachsene, der sich selbst unterrichtet, sich etwaige Fehler selbst korrigieren kann. Sein Titel lautet:
Übersetzung der deutschen Übungsstücke,
welche enthalten sind in dein
Elementarbuche M leichten und schnellen Erlernung der sranMschen Sprache, mit stufenweise eingelegten Sprechübungen und genauer Bezeichnung der Aussprache
für Schulen und zum Selbstunterricht bearbeitet von
Friedrich Lauer.
Preis 50 Pf.
Nur an Erwachsene, nicht an Schüler wird diese Übersetzung abgegeben.
H^erfag r>on Krnit Hlotb in Gießen.
Niepoth-Würth-Funk Rechenbücher
sind in
11. u. 12. (Doppel-)Auflage erschienen:
I. Lehrgang. Die vier Grundrech-nungScnten im Zahlenkreise von
' 1 bis 100. Preis 30 Pf.
II. n. III. Lehrgang. Rechnen mit unbekannten und gleichbenannten Zahlen im Zahlenkreise von 100 bis 1000. Die vier Grundrechnungsarten m. unglejchbenannten Zahlen. Preis 40 Pf.
IV. Lehrgang. Die vier Grundrechnungsarten in gemeinen und De-cimalbrüchen. Preis 40 Pf.
V. Lehrgang, l Abt. Regel-de-tri und verwMdte Rechnungsarten. Preis 40 Pf.
Gebundene Exemplare kosten
V. Lehrgang, 2. Abt. Erweiterung des kaufmännischen Rechnens. Preis 60 Pf.
VI. Lehrg. Geometrische Aufgaben; Quaürat- und Kubikwurzelausziehung; Verhältnisse und Proportionen. Preis 40 Pf.
VI. Anhang. Geometrie für Volksund Fortbildungsschulen (mit 60 Holsowie 2 Transporte« i??Tru. 2 Maßstäben aus Carton '. Preis 40 Pf.
Auflösungen IIII. 40 Pf. zu IV. Vi. Preis 40 Pf.
‘ Auflösungen zu V2 u. VI ä 20 Pf.
10 Pf. mehr.
ilßffwififdi geonfnefcs £eüc= uncs Aufga6en6u(fi
zum Unterricht im Kopfrechnen^ neu bearbeitet. 4 umgearbeitete Auflage.
8°. Geheftet. Preis 1 Mark 20 Pf.
Ausgabe für die Herren Lehrer:
sämtliche Lehrgänge nebst Auflösungen Md" Kopfrechenbuch zusammen in eleg. Einband 5
Wurth, Ed., Geometrie für Volks- und ^ortöilrfungsftfiutciv. Ein Lehr- und Handbüchlein für die Hand der Schüler mit 60 eingedruckten Holzschnitten, sowie 2 Transporteuren und 2 Maßstäben auf Cartonpapier. Preis 40 Pf. Gebunöen 50 Pf.
Ein durchaus praktisches und nach unterricht liehen Grundsätzen bear-beitet eg Heftchen, das wir für die Hcind der Schüler als ein recht brauchbares Lehr- und Aufgabebüchlein auss Angelegentlichste empfehlen.
(Els.-Lothr. Volksschulblatt II.)
Soeben erschien:
jPnt r${enoßraplien aller Systeme!
Wappen und Allegorie der Stenographie,
compomrt und gezeichnet von
Otto Werrgen,
Verfasser der „Rubrik Stenographik in der Leipziger Illustrirten Zeitung", der „Stenographischen geichnungtn" rc.
Großes Pracht-Tableau in Ton-, Farben- und Golddruck.
Form. 76/60 Cent. Preis 5 M.
Geleitwort und Erläuterungen, sowie Beurtheilungen gratis zu beziehen.
Drnck von Gretzner & Schramm in Leipzig.