106 VI. Die Reformation in den Rheinlanden. Als im 10. Jahrhundert die Kirchenzucht sich lockerte, ging vom Kloster Cluny in Frankreich eine Reform¬ bewegung aus, die schon in demselben Jahrhundert in den Klöstern des Herzogtums Lothringen Früchte zeitigte und in der Folgezeit, vor allem im Zeitalter der Salier, als das Gärungsmittel aller geistigen Zukunftsentwicklung be¬ zeichnet werden kann. Das Kirchenleben zur Zeit der Hohenstaufen war glänzend und durchdrang und befruchtete auch in den Rheinlanden das gesamte öffentliche Leben. Das 14. und der Anfang des 15. Jahrhunderts ließen den religiösen Eifer vielfach erkalten. Infolge des großen Be¬ sitzes verweltlichte die Kirche allerorten. Kirchliche Mi߬ stände (Babylonische Gefangenschaft der Päpste, Schisma u. a,) zeigten auch in den Rheinlanden ihre Wirkung. Die hohen geistlichen Fürsten legten größeren Wert auf ihre landesherrliche Stellung als auf ihre kirchlichen Pflichten. Als um die Mitte des 15. Jahrhunderts die Reformbestre¬ bungen auf kirchlichem Gebiete nach dem Grundsätze, „daß nicht der Mensch das Heilige, sondern das Heilige den Men¬ schen umgestalten müsse“, ihren Anfang nahmen, war es ein Rheinländer, Nikolaus von Cues, der im Aufträge des Papstes diese Bewegung in Deutschland leitete und un¬ erschrocken die Übelstände und Mißbräuche auf kirchlichem Gebiete aufdeckte und erfolgreich bekämpfte. Er wurde zu Cues an der Mosel 1401 geboren. Nachdem er in Deventer von den Brüdern vom gemeinsamen Leben unterrichtet wor¬ den war, studierte er in Heidelberg Theologie und zu Padua Rechtswissenschaft. Dort wurde er 1424 Doktor der Rechte. Darauf begann er in Mainz seine Tätigkeit als Rechtsanwalt. Da er seinen ersten Prozeß verlor, wandte er sich wieder der Theologie zu und wurde 1430 zum Priester geweiht. Später war er Dekan des Kollegiatstifts St. Florin in Cob¬ lenz, darauf Propst in Münstermaifeld und Archidiakon und