§ 1. Die Februarrevolution. 105 Dennoch hat diese Epoche des Umsturzes zu einem andern als dem prophezeiten Verlauf geführt. Es stellt sich her¬ aus, daß was die Zeit anstrebte, nicht blos neue Ver¬ fassungsformen waren, sondern daß nach dem Vorgang der Schweiz neue Staatenbildungen, vornehmlich in Mittel¬ europa (Italien, Deutschland, Oestreich-Uugaru), entstehen sollten. Diese Umwälzungen sind aber verbunden mit einer zusehends steigenden Theilnahme des Volks an den Auf¬ gaben seiner Regierung, so daß man allerdings von einer zunehmenden Republikauisiruug oder Amerikanisirung Eu¬ ropas sprechen kann. Was aus dem Hintergründe der Zukunft früher oder später noch auftauchen wird, ob „die Republik der Vereinigten Staaten Europas," oder die Herrschaft einer internationalen Verbindung aller Gottes¬ feinde, oder der Sieg des autiuatioualeu Jesuitenordens :c.: wer wollte wagen, das heute auch nur anzudeuten! Nur wird die Sorge für den Arbeiterstand und die Lösung der socialen Frage zuseheuds wichtiger als alle politischen Streitigkeiten. § 1. Die Februarrevolution. Ein geistreicher Franzose Tocqueville sprach es Jan. 48 in der Kammer der Abgeordneten ans: „Die öffentliche Sittlichkeit ist in einem Zustand der Entartung, welcher bald, vielleicht alsbald, uns in neue Revolutionen jagen wird." Die Meisten lachten, der Mann hatte aber der ganzen Strömung auf den Grund gesehen, welche der Dichter Lamartine mit dem Wort bezeichnet hatte: Frank¬ reich langweilt sich. Alles erhitzte sich in Paris gegen die Korruption am Hof, in den höhern Ständen, unter den Besitzenden; aber nicht das verletzte Tugendgefühl, son» dem eine gleiche Korruption unter den Armen war der Grund dieses Eifernd. Die Pariser wollten ein Schau¬ stück und sie bekamen es. Die Oppositionspartei der Herren Thiers, Barrot rc., welche „Wahlreform" auf ihrem Schilde führte und mit großer Bitterkeit den fittenreinen Guizot bekämpfte, kün-