320 man es glauben, gestiefelt. Während meine Augen aus ihn gerichtet waren, fühlte ich in meinem Versteck meine Pulse aus das heftigste schlagen. Nach fünf Minuten ließ er sich wieder zurückführen, und ich glaubte den Geist eines Helden gesehen zu haben." 1785 wurde des Königs Befinden immer bedenklicher. Der Husten und innere Beängstigung quälten ihn. Manche Nacht konnte er nicht im Bett aus¬ holten. Trotz dieses qualvollen Zustandes entzog er sich den Geschäften nicht. Er las alle Berichte seiner Minister, diktierte alle Morgen die Antworten aus die Depeschen und unterhielt den regelmäßigen Briefwechsel über alle Gegen¬ stände der hohen Politik. Aber er empfand keine Freude an seiner Arbeit. Er verrichtete sie nur aus alter Gewohnheit und der Zerstreuung wegen. Mit Furcht und Zittern traten die Kabinettsräte des Morgens in sein Zimmer. Bittere Zurechtweisungen und des Königs Unmut mußten sie meist schwer empfinden. An dem Thronfolger fanden sie keinen Schutz, denn Friedrich ge¬ stattete diesem keinerlei Mitwirkung an der Regierung. Das unglückliche ehe¬ liche Leben des Kronprinzen bereitete dem Könige viel Verdruß. Bei Hofe ging jeder feinen Weg. Die zunehmende Genußsucht und Sitteulosigkeit blieben ihm nicht unbekannt. Der englische Gesandte. Lord Malmesbury, berichtet über die Zustände am Berliner Hose: „Berlin ist eine Stadt, wo Tugend und Sitt- samkeit kaum zu finden ist. Eine totale Sittenverderbnis beherrscht beide Ge¬ schlechter. Die Männer führen ein ausschweifendes Leben, und die Frauen sind ohne Scham. Zartgefühl und Treue sind ihnen unbekannte Dinge. Alles, was ich zu Gunsten der Berliner sagen kann, ist, daß das Beispiel einer irreligiösen Vernachlässigung aller moralischen Pflichten, womit ihr König ihnen vorangeht, ihr besseres Urteil abgestumpft und ihnen das Laster in einem milderen Bilde gezeigt hat." Ein anderer Beobachter, Johann Georg Förster, berichtet 1779 an Jacob u ..Ich habe mich über diese Stadt sehr geirrt. Berlin ist allerdings eine der schönsten Städte Europas. Aber die Einwohner! Genuß des Lebens, ausgeartet in Üppigkeit, Prasferei, Ausgelassenheit und zügellose Freigeisterei! Und dann ,die Vernünftigen1 Geistlichen, die aus der Fülle ihrer Tugend die Religion von Unverstand säubern und dem Verstände begreiflich machen wollen und sollen. Ich erwartete Männer, vom Geiste Gottes erleuchtet, einfältig, demütig, und finde den Dünkel der Schriftgelehrten. Spalding. Nicolai, Engel, Rontler, Sulzer, ach, und die französische Akademie — lassen Sie mich den Staub von meinen Füßen schütteln und weiter gehen. Die Frauen allgemein verderbt, und auch die Einsichtigen vergöttern den König in dem, was schlecht, falsch und beklagenswert an ihm ist." Der Unglaube und die Sitteulosigkeit waren in Berlin zur Mode ge¬ worden. Wenn Voltaire ungestraft an d'Alembert schreiben durfte: „Fünf Männer von Geist wie wir werden doch imstande fein, das Christentum ebenso Zu stürzen, wie die zwölf Lumpen, von denen es gegründet worden ist," so war die Bahn für die Gottlosigkeit frei gelegt. „Die biedere Einfalt unter der